Dr. Andreas von Rhein ist seit 15 Jahren für die Entwicklung und Implementierung von Radarsensoren beim Automobilzulieferer FORVIA HELLA verantwortlich. Dabei ist er sowohl an der Definition mathematisch physikalischer Grundlagen als auch an Auswahl und Programmierung der Hardware des Radars beteiligt. Um Radar-Software und -Hardware zu testen, vertraut er auf AURELION als Simulationsumgebung und DARTS zur Hardware-Absicherung. Die dSPACE Systeme haben Dr. von Rhein in seinem Arbeitsalltag deutlich entlastet und maßgeblich zum Erfolg beigetragen. In diesem Interview gibt er einen umfassenden Einblick in seine Arbeit und die Anwendungsbereiche.

Welche Radarsysteme entwickelt FORVIA HELLA und womit beschäftigen Sie sich dort?

Dr. Andreas von Rhein: Seit mehr als zwei Jahrzehnten entwickelt und produziert FORVIA HELLA Radarsensoren für automotive Anwendungen – mittlerweile in der fünften Generation. Der Radarsensor erfasst Geschwindigkeits-, Größen- und Abstandsinformationen von Objekten im Umfeld des Fahrzeugs. Die Sensorik ist für die mittlerweile etablierten Standardfunktionen wie Adaptive Cruise Control, Notbremsassistent, Totwinkelerkennung sowie rückwärtige Ausparkunterstützung geeignet. Aktuell arbeiten wir an der Vorserie der sechsten und Entwicklung der siebten Generation von Radarsensoren. Ich beschäftige mich hier mit allem, was dazu gehört: Von der Grundidee über die Auswahl und Definition der Hardware und Hardware-Komponenten bis hin zu den Details der leistungsfähigen Software-Implementierung. Hierzu gehört auch das Simulieren und Testen.

Was zeichnet Ihre Radarsensoren aus?

Dr. Andreas von Rhein: Unsere Sensoren sind State of the Art mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis. Sie bilden eine 360° Fahrzeugumfelderfassung ab mit einem skalierbarem Plattformansatz von Entrance bis High Resolution Varianten. Die Radare befinden sich in der Regel hinter der Stoßstange. Wir sind also im wahrsten Sinne des Wortes ein “Hidden Champion”. Als Designelement des Autos sind die Abdeckungen nicht unbedingt für Radaranwendungen optimiert. Aber selbst in dieser herausfordernden Umgebung leisten unsere Sensoren sehr gute Arbeit. Sie können beispielsweise ein 200 Meter entferntes Objekt zentimetergenau erfassen über ein weites Feld von +/- 80° Azimut. Was uns besonders auszeichnet, ist die schnelle Umsetzung von Kundenwünschen. Rückmeldung gehen sofort in die Entwicklung ein, so dass wir jedem Kunden Sensoren nach ganz individuellem Bedarf liefern können.

Wie unterstützt Sie dSPACE bei Ihren Entwicklungen?

Dr. Andreas von Rhein: Um die Qualität unserer Hochfrequenzsignale zu untersuchen, brauchten wir eine leistungsfähige Test-Hardware für die Performance und Signalanalyse. Wir haben uns zunächst selbst einen Zielsimulator zum Testen gebaut und in der Zeit der Implementierung auch viel gelernt. Mit unserem wachsenden Erfolg im Radargeschäft mussten wir auch die Testsysteme erweitern und vervielfältigen. Weil das nicht unser Kerngeschäft ist, haben wir für die Entwicklung zur Serienreife, dem Rollout, nach einem starken Partner gesucht. Hier kam dSPACE mit DARTS ins Spiel.

Warum haben Sie sich für dSPACE entschieden?

Dr. Andreas von Rhein: Wir haben auch in anderen Bereichen schon zusammengearbeitet und dabei sehr gute Erfahrungen mit dSPACE gesammelt. Wir schätzen die offene, transparente und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Änderungswünsche, Verbesserungen oder Erweiterungen werden dankbar angenommen und, wenn möglich, relativ schnell umgesetzt oder auf Wunsch ausgiebig diskutiert, um eine gemeinsame Lösung zu finden.

Wie nutzen Sie DARTS bei der Entwicklung Ihrer Radarsensoren?

Dr. Andreas von Rhein: Im Laufe der Entwicklung müssen wir bei jedem Entwicklungsschritt von Software und Hardware sichergehen, dass die Spezifikationen eingehalten werden und wir keinen Fehler übersehen. Wir nutzen DARTS, um zu validieren, dass der Radarsensor die Spezifikationen im Datenblatt erfüllt. Dies umfasst die maximale Distanz, bei der Objekte mit unterschiedlichen RCS-Werten noch detektiert werden können, Präzision der Distanz- und Geschwindigkeitsmessung und auch Genauigkeiten. Dafür nutzen wir eine Prüfkammer mit einem Roboter zur Bewegung des Radarsensors und zwei DARTS, die uns erlauben, die Eigenschaften des Sensors zu bestimmen. Ein wichtiger Punkt neben der Präzision ist auch die Trennbarkeit in den verschiedenen Dimensionen Distanz, Geschwindigkeit und Azimut. Um diese Tests zu ermöglichen, haben wir den DARTS 9040-G und den DARTS 9042-G gekauft, da wir so zwei Ziele simulieren können, die sich in all diesen Dimensionen unabhängig voneinander einstellen lassen. Aber wie ich gesehen habe, haben Sie jetzt auch einen verbesserten DARTS, der von sich aus zwei solcher Ziele simulieren kann und so solche Trennbarkeitstests auch mit nur einem Gerät ermöglicht.

Ja, genau. Gerade Dank des Feedbacks von FORVIA HELLA haben wir eine Lösung entwickelt, bei der Trennfähigkeitstests von zwei Zielen aus einem einzelnen DARTS – dem 9040-GT – möglich ist.

FORVIA HELLA testet Radarsensoren-Eigenschaften mit Hilfe zweier DARTS in einer Prüfkammer.

Worin sehen Sie die größten Vorteile von DARTS für Ihre Anwendungsfelder?

Dr. Andreas von Rhein: DARTS ist einfach in der Anwendung und hat eine schnelle und vielseitige Steuerung mit allen notwendigen Informationen. Darüber hinaus müssen unsere Radarsensoren in der Lage sein, sehr nahe und ferne Ziele genau zu erfassen. Mit DARTS kann man genau dies testen – und damit Ziele in Distanzen von drei bis dreihundert Metern generieren.
Außerdem ist die mit 5 GHz hohe Momentanbandbreite von DARTS ein für uns wichtiges Schlüsselelement. Unsere Radarsensoren verwenden eine Bandbreite von 2 GHz im Feld und 4 GHz für die Test-Software. Außerdem springt die Mittenfrequenz unserer Radarsensoren innerhalb eines Zyklus vom unteren 76-GHz-Band zum oberen 79-GHz-Band. Aus diesem Grund benötigen wir einen Zielsimulator, der das gesamte Band instantan abdeckt und dieses Frequenz-Hopping ermöglicht. Wir können die Tests in unterschiedlichen Frequenzen abfahren, ohne den DARTS verstellen zu müssen.

Ein weiterer Vorteil ist die gute handhabbare (Radar Cross-Section, RCS) Amplitude über diese hohe Momentanbandbreite. Die Genauigkeit, mit der die RCS – das Flächenäquivalent eines Zieles – über ein großes Frequenzband erfasst wird, ist sehr wichtig. Die Kunden reagieren immer empfindlicher auf kleine Unterschiede im Signal-Rausch-Verhältnis (Signal-to-Noise Ratio, SNR) und damit im Erfassungsbereich. DARTS liefert uns all das.

Sie verwenden auch AURELION. Welchen Vorteil sehen Sie in der Verwendung beider Absicherungsmethoden?

Dr. Andreas von Rhein: Wir verwenden AURELION zur Berechnung der Strahlausbreitung (Raytracer) in Verbindung mit unserem eigenen Sensormodell, das das Verhalten der Radar-Front-Ends simuliert. Die mit AURELION simulierten Radarwellen sind die Eingangsgrößen, mit denen wir im Anschluss die ADC-Werte berechnen. Die Ausgabe des ADC wird in unsere Re-Simulation gegeben, in der dann nicht mehr unterschieden werden kann, ob die simulierten Testdaten oder Daten von einem realen Testfahrzeug genutzt werden. So können dann die Objektverfolgung und ADAS-Funktionen mit synthetischen Daten getestet werden. Ausgegeben werden Debug-Daten, genau wie bei einem Radar im realen Fahrzeug-Setup. Die Berechnung wird mit einem leistungsfähigen Grafikchip durchgeführt. Mit diesem Aufbau können wir Testszenarien exakt reproduzieren und so Änderungen in der Sensor-Software verifizieren. AURELION ermöglicht es uns auch, künftige Radarsensoren unter realistischen Umgebungsbedingungen zu simulieren, bevor wir sie in Hardware umwandeln. Außerdem können wir die Testfälle der OEMs in einem Multi-Radar-Sensor-Setup simulieren. AURELION wird also für die endgültige Analyse der Objektverfolgung und DARTS für die Untersuchung von Hardware- und Software-Effekten auf die Radardetektionen verwendet. Wir haben mit AURELION und DARTS zwei optimale Testsysteme für unsere Anwendungsfälle.

AURELION kommt ebenfalls bei FORVIA HELLA zum Einsatz. Künftige Radarsensoren werden mit der Software unter realistischen Umweltbedingungen simuliert.

Wo sehen Sie die zukünftigen Herausforderungen für die Entwicklung von Radartestsystemen?

Dr. Andreas von Rhein: Radar-Ziel-Simulatoren müssen die physikalischen Eigenschaften echter Ziele nachbilden. Die ersten Schritte sind hier getan, mit Punktzielen mit beispielsweise 10 m/s Doppler-Offset und 100 m Reichweite. Damit haben wir synthetische Ziele mit vorgegebenen Parametern. Natürlich können wir diese verändern und Ziele anhand von erwartbaren Bewegungsprofilen verändern. Diese Ziele können heute aber noch nicht die komplexe Mikro-Doppler-Signatur “echter” Ziele simulieren. Die Simulation von Störeinflüssen steht ebenfalls noch am Anfang. Außerdem haben die neuen Radarsensoren eine höhere Distanzauflösung, die eine höhere Streuung des Distanz-Peaks eines Objekts zur Folge hat. Das sollte in Zukunft auch durch Testprodukte dargestellt werden.

Herr Dr. von Rhein, wir danken Ihnen für das Gespräch.

DARTS 9040-GT

DARTS 9040-GT

Mit dem DARTS 9040-GT ist es möglich, zwei Ziele mit einem Gerät zu simulieren, die komplett unabhängig in Distanz, Geschwindigkeit, RCS und Winkel kontrolliert werden können. Und das mit einer Momentanbandbreite von 5 GHz.

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