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Augmented Reality im Auto: Wie eine Fata Morgana

Foto: Continental

Augmented Reality im Auto Die Scheibe für mehr Durchblick

Das Head-up-Display war nur der Anfang: Vor den Augen der Fahrer soll bald das ganz große Kino laufen und die virtuelle Welt mit der Wirklichkeit auf der Straße verschmelzen - durch Augmented Reality.

Die Jungfernfahrt endete gleich mit einem Knöllchen: Als Cecilia Abadie aus San Diego im vergangenen Herbst zum ersten Mal mit Google Glass (einem Minicomputer am Brillenrahmen) am Steuer saß, wurde sie prompt von der Polizei aus dem Verkehr gezogen. Weil die Datenbrille als Ablenkung gewertet wurde, musste sie einen Strafzettel zahlen - und die Welt aus dem Auto heraus fortan wieder allein mit den eigenen Augen sehen.

Wenn die Vernetzung der Autos und Autofahrer sich fortsetzt wie erwartet, kommt auf die Ordnungshüter künftig jede Menge Arbeit zu: Denn wie Google mit der Brille wollen auch die Fahrzeughersteller das Blickfeld des Fahrers als Bühne für eine digitale Datenshow nutzen. Dazu soll das sogenannte Head-up-Display (HUD), das bislang nur die Geschwindigkeit und Navigationspfeile auf die Frontscheibe projiziert, deutlich aufgerüstet werden - mit sogenannter Augmented-Reality-Technik.

"Wir lassen die virtuelle Welt mit der Wirklichkeit verschmelzen", sagt HUD-Experte Pablo Richter vom Zulieferer Continental. Was das genau bedeutet, demonstriert er auf einer Testfahrt mit einem System, das ab 2017 auf den Markt kommen könnte. Gesteuert von einer Bilderkennungssoftware, einer Kamera und den Bewegungssensoren des Autos wirft ein Projektor die Grafiken so in die Landschaft, dass sie immer am richtigen Fleck erscheinen: Der Abbiegepfeil des Navigationssystems weist nicht einfach nach rechts, sondern markiert tatsächlich die Zielstraße; die automatische Abstandsregelung legt eine leuchtend orangefarbenen Klammer unter das vorausfahrende Fahrzeug, und wenn die Spurführungshilfe aktiv ist, flackern die Fahrbahnmarkierungen, sobald der Wagen ihnen zu nahe kommt.

Man könnte mit dem Augmented-Reality-HUD sogar Filme ansehen oder E-Mails lesen - zu Demonstrationszwecken blendet Richter mal kurz ein Pinguin-Foto ein - doch solche Funktionen sollen erst verfügbar sein, wenn das Auto autonom fahren kann und keiner der Insassen sich mehr auf die Straße konzentrieren muss.

Die komplette Frontscheibe als Bildschirm

Mit diesem Ansatz ist Continental nicht allein. Etliche Zulieferer und Hersteller arbeiten an der digitalen Erweiterung der Wirklichkeit. Jede auch nur halbwegs visionäre Fahrzeugstudie zaubert entweder mit den Scheinwerfern Hinweise auf die Straße, oder blendet sie - für andere Vehrsteilnehmer unsichtbar - ins Blickfeld des Fahrers ein.

Die Ingenieure von Jaguar und Land Rover sprechen bei ihrer Augmented-Reality-Vision vom "virtual Windshield", der "virtuellen Frontscheibe". Wie bei dem System von Continental passt sich die Projektion an die Umgebung an. Wenn man beispielsweise mit dem Jaguar F-Type auf einer Rennstrecke unterwegs ist, könnte die Elektronik die Ideallinie einblenden oder wichtige Streckenpunkte mit virtuellen Hütchen markieren. Bei der Fahrt durch eine fremde Stadt hingegen werden Sehenswürdigkeiten beschriftet, und wer mit dem Land Rover durchs Gelände kurvt, bekommt Höhenlinien oder Orientierungskoordinaten eingeblendet.

Die durchsichtige Motorhaube

Wie einem diese Technologie buchstäblich die Augen öffnen kann, zeigt die Idee von der "durchsichtigen" Motorhaube, die ein Problem von Offroad-Fahrern lösen soll. Wer eine steile Steigung erklimmt, sieht nicht den Boden, sondern nur das Blech der Motorhaube und übersieht dadurch möglicherweise Hindernisse. Künftig jedoch könnte das Terrain vor dem Wagen von einer Kamera erfasst und auf die Frontscheibe projiziert werden - als könne man mit Röntgenaugen durch die Motorhaube hindurch sehen.

Noch sei das Virtual Windshield ein Forschungsprojekt, räumt ein Entwickler von Jaguar Land Rover ein. Bis zur Serienreife wird es also noch ein paar Jahre dauern. Doch "Einzellösungen, wie die transparente Motorhaube, kommen wahrscheinlich früher, als viele denken", sagt ein Ingenieur.

Solche Nachrichten wird auch Cecilia Abadie aus San Diego mit Freude hören. Mittlerweile trägt sie ihre Google Glass längst wieder, wenn sie hinterm Lenkrad sitzt. Ein Gericht gab nämlich ihrem Widerspruch statt - der Strafzettel wegen unerlaubter Ablenkung im Straßenverkehr wurde wieder einkassiert.