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Gleichpreisigkeit

Früher und in Zukunft notwendig

Der Präsident der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie, Professor Axel Helmstädter, kommentiert die aktuelle Bedrohung der Gleichpreisigkeit von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und verweist auf entsprechende Regelungen in der Geschichte.
Axel Helmstädter
22.05.2019  14:30 Uhr

In der gegenwärtigen Diskussion um rechtliche Rahmenbedingungen für das deutsche Apothekenwesen geht es einzig darum, nach vorne zu blicken und eine Zukunft zu gestalten, die eine hochwertige Arzneimittelversorgung in der Fläche auch weiterhin sicherstellt. Das war schon immer die Aufgabe von Regierungen und Standesorganisationen.

Ein kurzer Blick in die Vergangenheit zeigt, dass dabei seit dem 13. Jahrhundert immer eine Voraussetzung als unverzichtbar galt: Einheitliche Abgabepreise. Sie sollten ruinöse Konkurrenz vermeiden, einen gewissen Spielraum für unrentable Erfordernisse heilberuflichen Handelns bieten und Wucher vermeiden, der in Monopolsituationen oder Notzeiten verlockend gewesen wäre: »Zum Arzneimittelpreis gehörte von Anfang an die Ambivalenz, dass er von kaufmännischer Notwendigkeit ebenso bestimmt wird wie von humanitären, dem Gemeinwohl verpflichteten Gesichtspunkten« (1). Bereits das legendäre »Edikt von Salerno« (vor 1241) legt Preise fest, deren Höhe von der durchschnittlichen Lagerdauer der Drogen abhängig war. Für selten, aber im Notfall ad hoc benötige Waren, quasi »Ladenhüter«, die man aus kaufmännischer Sicht nicht vorrätig gehalten hätte, durfte man mehr verlangen. In der Folge entstanden die »Arzneitaxen«, in denen für ein definiertes Territorium Arzneimittelabgabepreise für Apotheken festgelegt wurden.

Verbraucherschutz ohne Schaden des Apothekers

Es ist historisch gut belegt (2), dass dies in erster Linie unter Verbraucherschutzaspekten geschah. Es wurde ein Ausgleich zwischen Patienteninteresse und Wirtschaftlichkeit des Apothekenbetriebs angestrebt, ein sogenannter »gerechter Preis«, gesucht. Den Schutz der Patienten vor überteuerten Arzneimitteln, etwa in der Zeit grassierender Epidemien, adressieren beispielsweise die Medizinalordnung aus Memmingen (2, S. 48) oder die Taxe aus Annaberg (1563). Hierin heißt es, dass »niemandts sich einer übersatzung in bezalung der Ertzney« ausgesetzt sehen solle. Es durften andererseits auch nur Preise »ohne Schaden des Apotekers‘« verlangt werden . »Existenzbedrohende Kampfpreise« sollten ebenso vermieden werden wie »den Kunden überfordernde Kartellabsprachen« (3, S. 95 f.).

Der auf das Taxwesen spezialisierte Pharmaziehistoriker Werner Dressendörfer betont (a.a.O.), »dass in der späteren Zeit durchaus auch das ausdrückliche Verbot von Tax-Unterschreitungen ausgesprochen wurde, die Taxe also bewusst dem Verbraucherschutz ebenso diente, wie der wirtschaftlichen Grundsicherung der Apotheker«. Ähnlich resümiert unter Verweis auf zahlreiche Quellen Karl Heinz Bartels, einer der besten Kenner historischer Apothekengesetzgebung: »Die besonderen Vorrechte dienten der Absicherung der ökonomischen Situation und damit der Leistungsfähigkeit des gemeinnützigen Betriebes Apotheke, damit der Apotheker die zum Schutz und zum Nutzen des Publikums gemachten Auflagen und Pflichten korrekt erfüllen konnte« (2, S. 50).

Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverpflichtung Aufgabe der Politik

Es ist überhaupt nicht einsichtig, warum diese Grundsätze nicht auch in Zukunft gelten sollten. Denn an - teilweise völlig unentgeltlich erbrachten »Auflagen und Pflichten« des Apothekenbetriebs mangelt es ja wahrlich nicht. Es muss Aufgabe der Politik bleiben, die Wirtschaftlichkeit der Versorgung und Gemeinwohlverpflichtung der Apotheken auszutarieren. Dies wird der freie Markt nicht leisten können, sondern eher ins Gegenteil verkehren.


(1) Schmitz, Rudolf: Geschichte der Pharmazie, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters. Eschborn 1998, S. 564.

(2) Bartels, Karl Heinz: Zum Wohl des Publikums – Die Apothekengesetzgebung. In: Friedrich, C.; Müller-Jahncke, W.-D.: Apotheke und Publikum. Die Vorträge der Pharmaziehistorischen Biennale in Karlsruhe vom 16. Bis 28. April 2002. Stuttgart, 2003, S. 29-52.

(3) Dressendörfer, Werner: Frühe deutsche Arzneitaxen. Zur Auswertung einer vernachlässigten pharmaziehistorischen Quellengattung. In: Ledermann, F.; Zerobin, C.: Mercurius et Galenus. Wirtschaftliche Aspekte und Taxwesen in der Vergangenheit der Pharmazie. Bern 1998, S. 89-107.

 

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