Rucaparib bei Eierstockkrebs |
Brigitte M. Gensthaler |
02.04.2019 17:00 Uhr |
Rucaparib (Rubraca® 200, 250 und 300 mg Filmtabletten, Clovis Oncology) ist in zwei Indikationen zugelassen: Zum einen zur Erhaltungstherapie bei Frauen mit einem platinsensitiven, rezidivierten high-grade (undifferenzierten) epithelialen Karzinom der Eierstöcke, der Eileiter oder des Bauchfells, die nach einer platinbasierten Chemotherapie in Remission sind. Bei dieser Indikation ist kein Test auf eine BRCA-Mutation vorgeschrieben.
Zum anderen ist der Neuling – anders als Olaparib (Lynparza®) und Niraparib (Zejula®) – zugelassen zur Behandlung von Frauen mit einem platinsensitiven, rezidivierten oder progressiven, high-grade epithelialen Karzinom der Eierstöcke, der Eileiter oder des Bauchfells, die mindestens zweimal mit einer platinbasierten Chemotherapie behandelt wurden und keine weitere vertragen. In diesem Fall muss der Arzt vor Therapiebeginn nachweisen, dass eine somatische oder Keimbahn-Mutation in einem der Brustkrebsgene BRCA1- oder -2 vorliegt.
Prinzipiell wird Rucaparib in beiden Indikationen als Monotherapie eingesetzt und die Frauen dürfen bislang keine PARP-Hemmer bekommen haben.
Wie Olaparib und Niraparib blockiert Rucaparib die Aktivität von humanen Poly-ADP-Ribose-Polymerasen (PARP), die zur Reparatur von DNA-Einzelstrangbrüchen benötigt werden. Da ein alternativer DNA- Reparaturweg in Krebszellen mit mutierten BRCA-Genen nicht mehr richtig funktioniert, kann die beschädigte DNA nicht repariert werden. In der Folge entstehen vermehrte DNA-Schäden und Tumorzellen sterben ab.
Die empfohlene Dosis beiträgt 600 mg Rucaparib zweimal täglich im Abstand von etwa zwölf Stunden zu oder unabhängig von den Mahlzeiten. Bei mittelschweren bis schweren Nebenwirkungen kann es nötig sein, die Einnahme zu unterbrechen oder die Dosis zu reduzieren. Die Erhaltungstherapie sollte nicht später als acht Wochen nach Ende der platinhaltigen Therapie beginnen.
Muss die Frau nach der Einnahme erbrechen oder vergisst sie die Einnahme, soll sie keine Gabe nachholen, sondern mit der nächsten planmäßigen Dosis weitermachen.
Die Wirksamkeit von Rubraca in der Erhaltungstherapie wurde in der doppelblinden, klinischen Studie ARIEL3 untersucht. 564 Patientinnen mit rezidiviertem Tumor an Eierstöcken, Eileiter oder Bauchfell, die zuvor auf eine platinbasierte Chemotherapie angesprochen hatten, erhielten entweder zweimal täglich oral Rucaparib 600 mg oder Placebo. Bei den Frauen in der Verumgruppe war das progressionsfreie Überleben (PFS) im Vergleich zu Placebo statistisch signifikant länger (10,8 versus 5,4 Monate).
Die Wirksamkeit von Rucaparib bei BRCA-mutierten Karzinomen wurde in zwei einarmigen, offenen Studien (Studie 10 und ARIEL2) untersucht. Alle 106 Frauen mit fortgeschrittenem epithelialem Ovarial-, Eileiter- oder Peritonealkarzinom mit BRCA-Mutationen, bei denen der Tumor nach zwei oder mehr Chemotherapien progredient war, bekamen zweimal täglich Rucaparib als Monotherapie. Bei 79 Patientinnen war der Tumor platinsensitiv; von ihnen sprachen zwei Drittel (51 Frauen) auf den PARP-Inhibitor an. Das Ansprechen hielt durchschnittlich 294 Tage, also fast zehn Monate an. Das PFS lag bei 332 Tagen. Wurden die Daten aller 106 Frauen betrachtet, lag das objektive Ansprechen bei knapp 55 Prozent und hielt im Durchschnitt 288 Tage an.
Zahlreiche Nebenwirkungen traten bei mehr als 20 Prozent der Frauen auf. Neben Müdigkeit/Asthenie und gastrointestinalen Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Diarrhö und verminderter Appetit waren Leberenzyme wie AST und ALT sowie Kreatininwerte erhöht. Besonders zu achten ist auf Blutbildschäden wie Anämie, Neutropenie, Thrombozytopenie, auch Grad 3 und höher. Eventuell muss die Therapie dann unterbrochen oder die Dosis reduziert werden.
Bei mittelschwer oder schwer eingeschränkter Leberfunktion oder schwerer Nierenfunktionsstörung wird Rucaparib nicht empfohlen. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung und bis sechs Monate danach zuverlässig verhüten. Vor Therapiebeginn ist ein negativer Schwangerschaftstest nötig. Stillen ist während der Einnahme und bis zwei Wochen nach der letzten Einnahme kontraindiziert. Bei gleichzeitiger Verwendung von starken CYP3A4-Induktoren und -Inhibitoren sowie von starken p-Glykoprotein-Inhibitoren ist Vorsicht geboten.
Von Sven Siebenand, stellvertretender Chefredakteur / Mit Rucaparib ist nach Olaparib und Niraparib nun der dritte PARP-Hemmer für Frauen mit rezidiviertem Ovarialkarzinom auf den deutschen Markt gekommen. Hinsichtlich des Wirkmechanismus bietet der neue Arzneistoff zwar kein Innovationspotenzial. Dennoch lässt sich Rucaparib vorläufig als Schrittinnovation einstufen. Denn anders als die beiden anderen Vertreter dieser Wirkstoffklasse ist der Neuling nicht nur für die Erhaltungstherapie, sondern auch für die Behandlung des Rezidivs für infrage kommende Patientinnen zugelassen. Das heißt, der Wirkstoff kann bei mehr Patientinnen zum Einsatz kommen. Weitere Therapieoptionen beim Ovarialkarzinom sind wichtig, denn allein im Jahr 2018 sind schätzungsweise 6800 Frauen in Deutschland neu daran erkrankt. Auch der Fokus auf die rezidivierte Situation ist von Bedeutung. Denn etwa 70 Prozent der Patientinnen erleiden innerhalb der ersten drei Jahre nach der Erstbehandlung ein Rezidiv. Mit Spannung darf man abwarten, ob sich der neue PARP-Hemmer auch bei anderen Tumoren bewährt. Er wird derzeit beispielsweise auch bei Prostata- und Blasenkarzinom getestet.