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Studie über Pfandsammler Auf Sinnsuche

Sie bleiben an Mülleimern stehen, stecken den Arm tief hinein und wühlen - Pfandsammler verwandeln achtlos weggeworfene Flaschen in bares Geld. Doch eine soziologische Studie zeigt jetzt: Ihnen geht es nicht in erster Linie um die paar Euro.
Pfandsammlerin (Archivbild): Viele werden als "Penner" bezeichnet

Pfandsammlerin (Archivbild): Viele werden als "Penner" bezeichnet

Foto: Z1020 Martin Schutt/ picture alliance / dpa

Warum zieht einer los und wühlt in Mülleimern nach Pfandflaschen? Warum stochert er in Containern, streift über Bahnhöfe und klettert in Straßengräben, um leere Bierdosen aufzuklauben? Geht es dabei nur ums Geld? "Nein", sagt der Freiburger Soziologe Sebastian J. Moser, dessen Dissertation "Pfandsammler. Erkundungen einer urbanen Sozialfigur" nun als Buch erschienen ist (Hamburger Edition 2014).

Moser hat mit Sammlern gesprochen, ihre Routen und Verhaltensweisen untersucht und bei seinen Beobachtungen festgestellt: Nicht die Armut vereint die ansonsten sehr heterogene Gruppe der Flaschensammler, sondern die Sehnsucht nach einer festen Tagesstruktur und einer Aufgabe, die an Arbeit erinnert.

Reich wird sowieso keiner mit der Suche nach Leergut: Moser schätzt den durchschnittlichen Verdienst eines Sammlers, der täglich auf Tour geht, auf etwa 100 bis 150 Euro im Monat. Die Menschen, mit denen er für seine Dissertation sprach, hatten alle noch andere Einnahmequellen wie Rente, oder Mini-Jobs. "Das Pfandsammeln bietet Menschen, für die die Ausfüllung von freier Zeit ein zentrales Problem darstellt, eine Lösung an", schreibt er. Viele wollten durch ihre Streifzüge einfach wieder Teil des sozialen Lebens werden, rauskommen, Leute sehen, mit ihnen reden.

Um so trauriger ist die Stigmatisierung, der die Sammler ausgesetzt sind. Während sie ihre Tätigkeit als ehrliche und sinnvolle Arbeit ansehen, werden sie von anderen oft als "Penner" oder "Schmarotzer" beleidigt, schreibt Moser. Auf YouTube existieren Videos, in denen Leute sich einen Spaß daraus machen, Pfandsammler mit einer an eine Schnur gebundenen Flasche zu demütigen.

Wer den Sammlern ihre Arbeit ein bisschen angenehmer gestalten will, kann das übrigens mit einfachen Mitteln tun: leere Flaschen neben den Mülleimer stellen, statt sie hineinzuwerfen, oder über die Website www.pfandgeben.de  direkt jemanden kontaktieren, der das Leergut zu Hause abholt. Oder einfach mal nett lächeln, wenn man nach einer leeren Pfandflasche gefragt wird.

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Foto: Plainpicture/ Photocake.de

Ausgabe 3/2014

Oh!
Die verblüffenden Erkenntnisse eines Kölner Fußball-Professors

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