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Pflegepersonal ist begehrt, aber laut Arbeiterkammer schlecht bezahlt, zunehmenden Belastungen ausgesetzt und Studien zufolge übermäßig burnoutgefährdet.

Foto: AP/Oeser

Wien - Altbau, vierter Stock ohne Lift, WC am Gang. Leibstuhl ausleeren, der Klientin die Stützstrümpfe ausziehen und waschen, Tee kochen, die Frau an ihre Medizin erinnern, die Einnahme überprüfen sowie alles genau dokumentieren. Eine Viertelstunde ist für diese Arbeitsschritte insgesamt Zeit. So kann laut Heidemarie Frühauf, Betriebsratsvorsitzende beim Wiener Hilfswerk, der Arbeitsalltag einer Heimhilfe in der Altenbetreuung aussehen. Individuelle Betreuung mache das kaum möglich.

Der Druck auf das Pflege- und Betreuungspersonal mobiler und stationärer Pflegedienste steigt, warnte am Montag die Arbeiterkammer (AK) Wien gemeinsam mit Gewerkschaftsvertretern im Rahmen einer Pressekonferenz. Die Folgen: Viele Bedienstete könnten die Tätigkeit nicht lange durchführen, was den Personalmangel in dem Bereich verstärke. Es komme zu vielen Krankenständen - was wegen gedeckelter Dienstposten etwa in Pflegewohnhäusern das verbleibende Personal ausgleichen müsse. Die hohen physischen und psychischen Belastungen, sowie oft kurzfristig erforderliches Einspringen führen laut AK dazu, dass Beschäftigte oft die Branche wechseln.

Hohe Burnoutgefahr

Einer Studie zufolge klagen 40 Prozent der in Heimen, Spitälern und Betreuungsdiensten Beschäftigten zudem über Burnout-Symptome. Die AK fordert bessere Arbeitszeiten, eine Erleichterung für den Umstieg von Teilzeit auf Vollzeit, eine bessere Entlohnung und Arbeitsbedingungen, die bis zur Pensionierung durchgehalten werden können.

Dabei sind Pflegekräfte heiß begehrt: Bis zum Jahr 2025 dürfte die Zahl der Pflegegeldbezieher in Österreich von aktuell rund 453.000 Personen um rund ein Drittel ansteigen. Derzeit besetzen rund 66.000 Beschäftigte die Arbeitsplätze in Pflege und Betreuung mobiler oder stationärer Art, die rund 48.000 Vollzeitstellen entsprechen. Teilzeitarbeit ist weit verbreitet und 81 Prozent der Beschäftigten in der stationären Betreuung sind Frauen, in der mobilen 93 Prozent. Pflege ist zudem Ländersache, was zu regionalen Unterschieden führt: In der stationären Betreuung ist gemessen an der Anzahl der über 75-Jährigen der Versorgungsgrad in Niederösterreich besonders niedrig, in Salzburg besonders hoch.

Aus dem niederösterreichischen Sozialressort heißt es dazu, man setze stärker auf den Ausbau mobiler Dienste. Im mobilen Bereich verfügt Vorarlberg mit 64 Leistungsstunden je Einwohner ab 75 Jahren über den höchsten Versorgungsgrad (inklusive 24-h-Betreuung), gut aufgestellt ist auch Wien (mit 46 Stunden je ab Person im Alter von 75 oder älter).

Gespräche über Finanzierung im Herbst

Der Wiener AK-Präsident Rudolf Kaste forderte am Montag eine "dauerhafte Fortführung des Pflegefonds" für die Finanzierung der Pflege. Den Ländern wurden für 2017 und 2018 je weitere 350 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Im Herbst soll bei Gesprächen zwischen Ländervertretern und Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) über die Zeit danach verhandelt werden. Ende Juni haben die niederösterreichische Soziallandesrätin Barbara Schwarz und ihr steirischer Kollege Christopher Drexler (beide ÖVP) Gespräche mit dem Minister darüber eingefordert. Sie warnten davor, dass die Kosten für Pflege bis 2020 auf 3,6 Milliarden Euro steigen werden, bereits 2017 und 2018 werde das zugesagte Geld aus dem Pflegefonds nicht reichen, um die steigenden Ausgaben abzudecken. An diesen Summen sei nicht mehr zu rütteln, hieß es dazu am Montag aus Hundstorfers Büro. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 8.7.2014)