Die Polizei hat ein Problem. Die Polizei Hamburg hat sogar 969 Probleme, und es werden mehr: So viele Demonstrationen gab es hier bis Juli, sonst das Pensum eines ganzen Jahres. Sie zu begleiten ist für die Bereitschaftspolizei eine normale Aufgabe, doch wird sie immer unangenehmer: Viele Hamburger sind auf ihre Polizei nicht gut zu sprechen, seitdem im vergangenen Dezember eine Demo gegen die Flüchtlings- und Wohnungsbaupolitik des Senats eskalierte. Die Beamten würden seither bei Einsätzen im Schanzenviertel nicht nur aus dem Schwarzen Block angegriffen, sagt Thomas Model, Leiter der Polizeiakademie Hamburg, auch von den Tischen der schicken Restaurants flögen Salatteller auf die Polizisten.

Als Vollstrecker einer unbeliebten Politik oder sogar als Gewalttäter, so erscheint die Polizei derzeit oft im öffentlichen Licht. In Berlin-Kreuzberg ist sie Ziel der Wut von Anwohnern und Aktivisten, nachdem sie tagelang Straßenzüge um eine von Flüchtlingen besetze Schule gesperrt hatte, denen die Räumung drohte. In Stuttgart hat der Prozess gegen die beiden diensthabenden Beamten begonnen, die den rigorosen Wasserwerfereinsatz gegen die S21-Demonstraten nicht stoppten, der einen älteren Mann fast komplett blind machte und viele weitere verletzte. Und im Fall Oury Jalloh hat der Generalbundesanwalt Revision angeordnet, nachdem der Dessauer Beamte, während dessen Dienst der Asylbewerber Jalloh in seiner Zelle verbrannte, zunächst nur zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.

"Die Polizei steht unter Druck", sagt der Polizeiforscher Rafael Behr. Er hat sich auf einer Tagung in Hamburg gemeinsam mit Kollegen mit dem Problem befasst. Ihr Titel: Die kritisierte Polizei. Kriminologen und Sozialwissenschaftler diskutieren hier, aber auch aktive Polizistinnen und Polizisten sind gekommen, der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sitzt in der ersten Reihe.

Die Polizei sorgt sich um ihr Image

In einem Vortrag geht es um den Umgang mit gewalttätigen Kollegen, in einem anderen um twitternde Polizisten – vor allem geht es aber um die Frage, wie die Menschen die Polizei wahrnehmen. "Mittlerweile wird in der Polizei viel reflektiert", sagt Birgit Thinnes, Kriminalbeamtin aus Nordrhein-Westfalen. "Das Bild in der Öffentlichkeit ist uns nicht egal." Thinnes hat ein unter Polizisten sehr umstrittenes Thema erforscht: Die Kennzeichnungspflicht. Sie kommt in ihrer Befragung zu dem Ergebnis, dass, seitdem Berliner Polizisten Namen oder individuelle Nummern tragen müssen, sie keineswegs mehr Bedrohungen oder Angriffen ausgesetzt sind als vorher. Kritker hatten das zuvor als Gegenargument benutzt.

Gewalt und Regelverstöße durch Beamte werden auf dieser Veranstaltung kaum unabhängig betrachtet von Gewalt und Respektlosigkeit, die den Polizisten während ihrer Arbeit begegnen. Die Polizeigewerkschaften rechnen sie gern gegeneinander auf, wenn Kritik an der Polizei laut wird. In Hamburg wird aber deutlich, dass es auch sinnvoll sein kann, beides zusammen zu diskutieren – weil dann über die Gründe reflektiert werden muss: Zwar zeigen Umfragen wie der GfK-Vertrauensindex nach wie vor, dass die Institution Polizei ein hohes Ansehen bei mehr als 80 Prozent der Menschen genießt, doch dass diese Zahl leicht sinkt. Und die Polizeigewerkschaften und Vereine wie Keine Gewalt gegen Polizisten beklagen, dass das Klima den Beamten gegenüber feindlicher wird. Doch wenn es in der Bevölkerung tatsächlich wachsenden Widerstand gegen die Polizei gibt, stellt sich die Frage: Was löst ihn aus?

Zum einen könnten die spektakulären Fälle von Polizeigewalt dazu beitragen, wie die von Theresa Z. oder Oury Jalloh. Die Polizei nennt sie "Einzelfälle". Dabei hat die Polizei ein strukturelles Problem, wenn es um die Aufarbeitung solcher Fälle geht, das damit beginnt, dass, wer einen Polizisten anzeigen will, sich an einen Polizisten wenden muss, und sich fortsetzt in der Kultur, nicht gegen Kollegen auszusagen.