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Interview mit Andreas Knie Eine Verkehrswende für Deutschland
In Sachen Energiewende ist Deutschland weltweit Vorreiter. Doch damit die gelingt, braucht es auch eine Verkehrswende, fordert Professor Andreas Knie. Das kann gelingen dank Digitalisierung und Vernetzung.
Deutschland ist weltweit ein Vorreiter in Sachen Energiewende. Warum fordern Sie zusätzlich eine Verkehrswende, damit diese gelingen kann?
Prof. Andreas Knie: Alle Ressourcen, die wir in Deutschland verausgaben, finden mehrheitlich im Verkehr statt. Das heißt, der Anteil des Stroms liegt nur bei etwa 15 Prozent, während Wärme und Verkehr den Rest ausmachen. Wenn wir also tatsächlich über eine veränderte Energieversorgung nachdenken, die vollständig auf regenerativen Energien beruhen soll, müssen wir uns vor allem überlegen, wie wir das im Verkehr machen. Der Anteil der regenerativen Energien im Verkehr beträgt gerade mal 4,5 Prozent. Wir brauchen also überall elektrische Fahrzeuge, hohe Effizienzsteigerung und eine Vernetzung der Verkehrsmittel. Letztlich ist eine andere Verkehrsordnung nötig, die all das überhaupt erst möglich macht.
Wenn eine geänderte Verkehrsordnung also der letztliche Schlüssel zu einer Verkehrswende ist, ist diese dann vor allem eine politische Herausforderung?
Das ist eine technische, eine gesellschaftliche und das ist auch eine politische Aufgabe. Wir haben irgendwann mal entschieden, dass der Mensch ein privates Verbrenner-Auto haben soll. Das war die Politik der 1940er bis 1960er Jahre. Jetzt hat fast jeder so ein Fahrzeug, manche sogar mehrere. Doch zukünftig müssen die Leute auch Carsharing machen, geteilte Ware nehmen und diese muss elektrische werden. Dafür brauchen wir ein völlig verändertes Set an Regeln.
Sind diese Regeln durchsetzbar oder lieben die Deutschen ihre Autos dafür zu sehr?
Nein. Das Auto ist ja auch nicht vom Himmel gefallen. Wir haben ja bereits einen Wandel gemacht und das könnten wir wieder. Studien des InnoZ haben ergeben, dass wir das in Deutschland sehr wohl umsetzen können. Jetzt müssen wir noch den Mut haben, dieses Thema einzuleiten. Leuchtturmprojekte können Sie bereits in jeder Stadt beobachten – ob das Hamburg, München, Berlin oder die Rhein-Main-Region sind. Dort haben die Leute zunehmend nicht nur ein Verkehrsmittel, sondern mehrere. Das heißt sie vernetzen sich. Damit ist der Schritt gegangen, dass man keine privaten Verkehrsmittel mehr braucht, sondern nur noch öffentlich zugängliche. Diese kann man viel besser und effizienter nutzen. Wenn sie dann noch elektrisch und digital vernetzt sind, sind wir schon am Ziel angekommen.
Das klingt, als wäre Ihre Vision der Verkehrswende schon ganz nah.
Sie ist einerseits so nah und andererseits so fern. Denn natürlich finden wir die Best-Practice-Beispiele in den Städten. Aber auf dem Land sieht die Situation noch ganz anders aus. Dort ist das Automobil das Maß der Dinge und dort sind noch Mindsets unterwegs, die den Wandel hinauszögern werden.
In Sachen Mobilität und Sharing fällt einem als erstes der Zug ein. Welche Rolle kann die Bahn in der Verkehrswende spielen?
Der öffentliche Verkehr ist sozusagen das Rückgrat des Ganzen, denn wir müssen die Menschen ja von A nach B transportieren – regional und ebenso im Fernverkehr. Da sind natürlich Bahnen unabdingbar, die den Verkehr zwischen großen Hubs bedienen. Stattdessen ist das Auto das Individual- nicht das Privatverkehrsmittel. Das heißt, in diesem Modell der Zukunft wird der Schienenverkehr eine ganz herausgehobene Rolle spielen
Prof. Andreas Knie
Andreas Knie ist Geschäftsführer des InnoZ, dem Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel. An der TU Berlin ist er Professor für Soziologie und zudem seit 1988 am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) tätig.
In seiner Forschung ergründet Knie Fragen in den Bereichen Verkehrsforschung, Technologiepolitik, Wissenschaftspolitik und Innovationsforschung. Digitalisierung und Mobilität spielen dabei eine große Rolle.
Am InnoZ arbeitet an interdisziplinäres Team unter anderem aus Sozialwissenschaftlern, Ökonomen, Verkehrsforschern, Ingenieure, Designer und Geographen an Mobilitätslösungen und deren Umsetzung im Sinne des gesellschaftlichen Wandels. Eine der Kernfragen des InnoZ-Teams: Wie gestalten wir den Wandel hin zu einer digital vernetzten, CO2-freien Mobilität, die den Lebenswert der Städte deutlich steigert oder eine nachhaltige Versorgung in ländlichen Räumen sichert?
Die tägliche Arbeit am InnoZ erfordert und erbringt eine große Menge an Daten zum innerdeutschen Mobilitätsmarkt. Diese soll die Reihe des Mobilitätsmonitors in ihrer Gesamtheit darstellen. Die aktuellste Ausgabe erschien im April 2016.
Ist die Deutsche Bahn auf diese Rolle ausreichend vorbereitet?
Die Deutsche Bahn diskutiert über diese Aufgabe. Sie muss aber noch große Klimmzüge machen und von Ihrem Eigentümer besser vorbereitet werden, dass sie die Aufgaben meistern kann. So wie sie heute funktioniert und von dem Eigentümer geführt wird, hat sie einen schweren Stand. Verkehr ist nun mal das regulierungsdichteste Gebiet, das wir kennen. Ohne einen Politikwechsel, ist in dem Sektor kaum etwas zu erreichen. Ob Geschäftsfelder funktionieren oder nicht, hängt von der Politik politische Maßnahme werden wir keine Änderung haben.