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Mit fast 100 Jahren noch einmal zum TÜV

Laupheim / Lesedauer: 3 min

Auf dem Prüfstand: Michael Schick aus Laupheim lässt seinen Oldtimer begutachten
Veröffentlicht:30.11.2018, 16:36

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Neugierige Blicke, einige Fußgänger zücken ihre Smartphones und fotografieren, als Michael Schick an der Ampel hält. Denn er fährt einen außergewöhnlichen Oldtimer: einen Steiger, Baujahr 1925. Nach heutigem Kenntnisstand gibt es weltweit nur zwei erhaltene Modelle. Schicks Ziel am Dienstagnachmittag: Die Kfz-Prüfstelle in Laupheim. Dort lässt er den Steiger begutachten. Wenn alles glatt läuft, erhält er rote Kennzeichen, die historischen Fahrzeugen vorbehalten sind.

Für Tobias Braun ist es eine Premiere. Noch nie hat der Ingenieur ein Fahrzeug überprüft, das in den Zwanzigern gebaut wurde. „Wahnsinn, unglaublich“, sagt er, während er den Steiger in die Halle winkt. Schick muss ein kleines Stück weiter vorfahren, mit Bedacht tritt er auf das Gaspedal, das sich nicht rechts, sondern in der Mitte befindet. Dies ist nur eines der zahlreichen Merkmale, in denen sich der Oldtimer von modernen Fahrzeugen unterscheidet.

Blinker aus der Vergangenheit

Das Steuer ist nicht auf der linken, sondern auf der rechten Seite. Im Fußraum befindet sich ein Schlitz, über den Luft ins Fahrzeuginnere gelangt. „Der Motor kann sehr warm werden“, erzählt Schick. Und direkt neben der Windschutzscheibe ist ein Fahrtrichtungsanzeiger befestigt. Wenn der Fahrer an den entsprechenden Hebeln zieht, leuchtet das Modul auf und kippt in die Richtung, in die er abbiegen möchte. „So etwas kennt heutzutage keiner mehr.“

 Rechtsabbieger: Ein Blinker aus der Vergangenheit.

Um eine Zulassung zu bekommen, muss der Steiger gesetzliche Vorgaben erfüllen: „Bedingung ist eine funktionstüchtige Warnblinkanlage“, erklärt Tobias Braun. Diese hat Schick bereits eingebaut. „Außerdem schreibt der Gesetzgeber einen Diebstahlschutz vor.“ Auch darum hat sich Schick gekümmert: Ein Zündschlüssel war ohnehin vorhanden, den Schalthebel sichert er zusätzlich mit einem Bügelschloss. Ansonsten darf der Steiger in seinem Originalzustand verbleiben, so wie ihn der gleichnamige Autobauer einst in Burgrieden gefertigt hat. Ein Sicherheitsgurt ist beispielsweise nicht erforderlich, obwohl der Oldtimer problemlos 80 Stundenkilometer schafft.

Langer Bremsweg

Bremstest. Welche Vorgaben der Steiger erfüllen muss, in dieser Frage muss sich Braun bei einem Kollegen erkundigen. „Die Werte für ein vor fast 100 Jahren zugelassenes Fahrzeug habe ich spontan nicht parat“, sagt er und schmunzelt. Klar ist jedoch: Der Bremsweg des Steigers ist deutlich länger, vergleichbar mit dem eines LKW. „Wenn ich auf den Straßen unterwegs bin, muss ich immer 200 Meter im Voraus denken“, erzählt Schick. Das Telefon klingelt, Rückruf des Kollegen. Jetzt kann Braun die Bremswerte richtig einordnen und stellt fest: „Es ist alles in bester Ordnung.“

Wenn ich auf den Straßen unterwegs bin, muss ich immer 200 Meter im Voraus denken.

Michael Schick

Unter dem Fahrzeug überprüft der Ingenieur die Mechanik. Sorgfältig begutachtet er im Schein der Taschenlampe jedes einzelne Gelenk. „Die musste man bis in die Fünfziger regelmäßig schmieren“, berichtet der 39-Jährige. Heute seien die Bauteile für ein gesamtes Autoleben ausgelegt. Auch an den Gelenken gibt es nichts zu beanstanden. Seinen Bericht leitet Braun an die Zulassungsstelle weiter. Schick ist zuversichtlich, dass er die roten Nummernschilder bald abholen kann. Diese berechtigen ihn, den Steiger zu Oldtimer-Veranstaltungen zu fahren – alltägliche Fahrten, etwa zum Einkaufen, sind nicht gestattet.