In Österreich wird gerade heftig diskutiert: Die Regierung will die Anonymität in Onlineforen einschränken. So sollen Hasspostings eingedämmt werden.

Das neue Gesetz, das im Kabinett auf den Weg gebracht werden soll, besagt, dass Plattformbetreiber die Identität ihrer User kennen müssen. Dabei geht es nicht zwingend um eine Klarnamenpflicht. Pseudonyme sollen weiter erlaubt bleiben. Aber der Plattformbetreiber muss eben wissen, wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt. Das soll ab 2020 für alle österreichischen Anbieter gelten.

Wie genau die Identifizierung abläuft, ist nicht genau vorgeschrieben und wird den Plattformen selbst überlassen. Eine der diskutierten Ideen: Nutzer und Nutzerinnen sollen eine Telefonnummer angeben, um nachträglich identifizierbar zu sein. Was das Gesetz aber ziemlich genau vorschreibt, sind die Strafen, die auf Plattformbetreiber zukommen, wenn sie die Identifikation versäumen: Dafür drohen Strafen in sechsstelliger Höhe.

Keine Belege, dass Hass mit User-Identifizierung eingedämmt wird

An dem Gesetz gibt es ordentlich Kritik, weil es ganz offensichtlich Schwachpunkte hat, sagt Netzreporter Andreas Noll. Die österreichische liberale Partei Neos bezweifelt zum Beispiel, dass die Identifizierung ein wirksames Mittel ist, um Hass im Netz einzudämmen. Denn schließlich werde Hass auch unter Klarnamen gepostet. Das bestätigt auch eine Studie der Universität Zürich. Darin haben Forscher gezeigt, dass Hassposter häufig unter vollem Namen posten, um dadurch "vertrauenswürdiger" zu wirken. Schließlich wollen die, dass die Botschaft durchkommt.

Neben dem Argument, dass Anonymität im Netz auch ein hohes Gut ist, das zum Beispiel Menschen in Selbsthilfegruppen oder Whistleblower vor Verfolgung schützt, bleibt die Frage, wie Plattformbetreiber die Identifikation bewerkstelligen wollen. Denn es gibt zum Beispiel bei einer Identifikation über Telefonnummern die Möglichkeit, sich die auch im Ausland zu besorgen unter falscher Identität - oder im Netz. Außerdem gilt das Gesetz nur für Angebote, die aus Österreich heraus betrieben werden. Deshalb empfiehlt ein Nutzer des Standard in einem Kommentar zum Beispiel, einfach eine Untergesellschaft in Irland zu gründen, die die Online-Kommentare verwaltet und sie an die Hauptmarke in Österreich verkauft.

"Ich kann mir schon vorstellen, dass viele Foren dann lieber mit ihrer Domain umziehen."
Andreas Noll, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter

Die Idee, eine Identifikation hinterlegen zu müssen, um im Netz kommentieren zu können, ist übrigens nicht neu. 2007 hatte Südkorea diese Pflicht bereits als erster demokratischer Staat eingeführt. Dort wurde die Einwohnernummer abgefragt, die jeden Südkoreaner eindeutig identifizieren kann. Am Anfang gingen die Beleidigungen tatsächlich zurück, dann wurden die User einfach kreativer und beleidigten so, dass es eben nicht mehr justiziabel war.

Richtig übel wurde es allerdings, als Hacker eine der Online-Datenbanken gehackt haben, auf denen die Profile lagen. Sie sollen so die persönlichen Daten von rund 70 Prozent der südkoreanischen Bevölkerung erbeutet und auf dem Schwarzmarkt verkauft haben. 2012 wurde das Gesetz dann wieder abgeschafft.

Trotz allem: Sollte das Gesetz in Österreich erfolgreich eingesetzt werden, könnte Deutschland nachziehen. Das zumindest glauben viele Nutzer in verschiedenen Online-Foren.

Shownotes
Social Media
Wer in Österreich kommentieren will, soll identifizierbar sein
vom 09. April 2019
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Andreas Noll, Deutschlandfunk Nova