Der kleine Berliner E-Mail-Anbieter Posteo hat am heutigen Montag als erster deutscher Provider einen Transparenzbericht nach Vorbild von Google und anderen US-Unternehmen veröffentlicht. Der Bericht listet auf, wie oft Strafverfolger und Nachrichtendienste den Provider nach Nutzerdaten gefragt haben.

Im vergangenen Jahr gab es demnach sieben solcher Anfragen. Zum Vergleich: Google und Facebook werden tausende Male um Daten gebeten. Sechs von sieben Mal konnte Posteo keine Daten herausgeben, weil es sie schlicht nicht gespeichert hatte. Ein Mal musste das Unternehmen ein Postfach überwachen lassen, weil es einen entsprechenden Gerichtsbeschluss vorgesetzt bekam.

Posteo hat drei gute Gründe, aus nur sieben Anfragen einen ganzen Transparenzbericht zu machen. Erstens will Posteo den Datenschutz zum Geschäftsmodell machen: Kunden zahlen einen Euro pro Monat und Postfach. Dafür erhebt Posteo keinerlei Bestandsdaten wie zum Beispiel die Anschrift der Nutzer, verknüpft deren Zahlungen nicht mit den jeweiligen Konten, durchsucht Mails nicht nach werberelevanten Begriffen und setzt als erster deutscher Anbieter alle fünf von der EFF empfohlenen Verschlüsselungsstandards und –protokolle um.

Die Veröffentlichung des Transparenzberichts ist ein weiterer Baustein dieses Geschäftsmodells – und der Versuch, die großen Konkurrenten Telekom, Vodafone, GMX und Web.de sowie Strato vor sich herzutreiben. Die hatten bis zum heutigen Tag keine Angaben über Behördenanfragen gemacht.

Zweitens will Posteo erreichen, dass die Bundesregierung in diesem Bereich für Rechtssicherheit sorgt. Denn bislang ist nicht eindeutig geklärt, ob und in welchem Umfang deutsche Anbieter solche Berichte veröffentlichen dürfen.

Das Unternehmen hat dazu ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Der Autor Matthias Bergt, ein Rechtsanwalt aus Berlin, schreibt auf der Website von Posteo: "Eigentlich verpflichten Gesetze wie das TKG oder das G10-Gesetz deutsche Unternehmen, Auskunftsersuchen geheim zu halten. Wer Informationen zu staatlichen Überwachungsmaßnahmen weitergibt, macht sich in vielen Fällen strafbar." Nicht erlaubt wäre zum Beispiel, Nutzer über eine erfolgte oder bevorstehende Auskunft zu seinem Namen und seiner Anschrift zu informieren. Statistische Angaben aber, die keine laufenden Ermittlungen gefährden, seien zulässig.

Um sich weiter abzusichern, bat Posteo den Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, eine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Aus der Antwort des Justizministeriums geht hervor, dass eine "Veröffentlichung anonymisierter statistischer Angaben durch Provider" in Ordnung sei.

Polizei drohte mit Durchsuchungsbeschluss, den sie nicht hatte

Ströbele will erreichen, dass die Bundesregierung die entsprechenden Gesetze ändert oder zumindest klarstellt. Er will sich dafür "einsetzen, dass Posteo und alle ähnlichen Unternehmen zukünftig außer statistischen Angaben auch Einzelinformationen über solche Ersuchen veröffentlichen dürfen, ohne dabei Sanktions-Androhungen zu befürchten."

Der dritte Grund, warum Posteo einen Transparenzbericht veröffentlichen will, ist ein Fall von angeblicher Behördenwillkür und versuchter Einschüchterung. Den will das Unternehmen nicht stillschweigend hinnehmen.

Im Juli 2013 standen demnach vier Beamte vor der Tür und versuchten, den Posteo-Inhaber Patrik Löhr zur Herausgabe von bestimmten Nutzerdaten zu bewegen. Dabei hatte Löhr den Behörden schon zuvor mitgeteilt, dass es ihm aus technischen Gründen nicht möglich sei, diese Daten herauszugeben. Laut Gedächtnisprotokoll von Löhr sagte einer der Beamten: "Wissen Sie, ich habe hier einen Durchsuchungsbeschluss für Ihre Büroräume. Wenn ich den raushole, dann stellen wir hier alles auf den Kopf und nehmen alles mit. Das wollen Sie sicher nicht."