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Mehr Leistungen Gröhe startet Testlauf für die Pflegereform

Mehr Geld für Demenzkranke, fünf statt drei Pflegestufen: Gesundheitsminister Gröhe hat seine Pläne für die Pflegereform verkündet und eine Testphase gestartet. Die vollständige Umsetzung wird erst 2017 erwartet.
Bundesgesundheitsminister Gröhe und Kassenverbandschefin Pfeiffer: "Dem Pflegebedarf besser gerecht werden"

Bundesgesundheitsminister Gröhe und Kassenverbandschefin Pfeiffer: "Dem Pflegebedarf besser gerecht werden"

Foto: Bernd Von Jutrczenka/ dpa

Berlin - Die milliardenschwere Pflegereform nimmt Gestalt an: Künftig sollen deutlich mehr Menschen Geld aus der Pflegeversicherung bekommen, vor allem Demenzkranke und Menschen mit psychischen Erkrankungen, die bisher oft keine Leistungen erhalten. Dafür will die Bundesregierung rund 20 Jahre nach Einführung der Versicherung das Verfahren der Einstufung grundsätzlich umstellen.

Anstatt drei Pflegestufen, so sieht es Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vor, soll es in Zukunft fünf Pflegegrade geben. "Bisher haben wir ein relativ starres System von Pflegestufen, das ganz stark an der körperlichen Beeinträchtigung ausgerichtet ist", sagte Gröhe am Dienstag in Berlin. "Mit den künftigen fünf Pflegegraden wollen wir dem individuellen Pflegebedarf aller Pflegebedürftigen besser gerecht werden."

Dafür startete der Gesundheitsminister zunächst eine Erprobungsphase: An 2000 Betroffenen in 40 Pflegeheimen soll das die Praktikabilität des neuen Verfahrens bundesweit getestet werden. Zudem soll bei weiteren 2000 Pflegebedürftigen erfasst werden, was sie an Pflege heute konkret erhalten und wie sich der Versorgungsaufwand durch die Reform verändert. Die Ergebnisse beider Modellprojekte sollten bis zum Jahresende vorliegen und dann in die Gesetzesarbeit einfließen, sagte Gröhe. Doch bis zur vollständigen Umstellung, das machte der Gesundheitsminister ebenfalls klar, wird es voraussichtlich bis 2017 dauern.

"Pflegebedürftige warten schon viel zu lange"

Die Zeit jedoch drängt: Zum einen steigt die Zahl der armen Pflegebedürftigen, zum anderen rechnen Experten in Deutschland mit einer Verdopplung der Zahl der Demenzkranken bis 2060 auf rund 2,5 Millionen. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Hilde Mattheis, sprach sich für eine möglichst rasche Einführung aus. Die Pflegeexpertin der Linken, Pia Zimmermann, warf der Bundesregierung vor, nicht zügig genug zu handeln. "Pflegebedürftige und insbesondere an Demenz Erkrankte sowie ihre Angehörigen warten schon viel zu lange auf spürbare Verbesserungen." Auch die Grünen-Abgeordnete Elisabeth Scharfenberg warf Gröhe vor, auf Zeit zu spielen: "Diese Verschleppungstaktik darf nicht dazu führen, dass der neue Pflegebegriff endgültig ad acta gelegt wird."

Mit der Erprobung hat Gröhe den Spitzenverband der Pflegekassen beauftragt. Auf diese Weise solle dafür gesorgt werden, dass Probleme in der Praxis durch das neue Verfahren frühzeitig erkannt würden. Bisher richtet sich die Einstufung von Pflegefällen vor allem nach der Zeit, die für Hilfe beim Waschen oder Anziehen aufgewendet werden muss. Mit der Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs solle sichergestellt werden, dass die Verbesserungen auch tatsächlich bei den Pflegebedürftigen ankommen.

Die Vorsitzende des Krankenkassen-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, forderte darüberhinaus eine Erprobung auch speziell für jene, die zu Hause gepflegt werden: "Sicher ist auch, dass wir die Besonderheiten der häuslichen Pflege berücksichtigen müssen", sagte sie. Einen entsprechenden Testlauf würden die Kassen nun beantragen. "Die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs muss solide und verantwortungsvoll erprobt werden", sagte Pfeiffer. Zunächst soll das Personal geschult werden, bevor mit der Begutachtung nach den fünf Pflegestufen begonnen wird. Die Erprobungsphase soll die Möglichkeit schaffen, die Definition der neuen Pflegestufen bei Bedarf zu korrigieren.

Unabhängig von der Reform will Gröhe bei den Pflegestufen bereits Anfang 2015 Leistungsverbesserungen in der Pflegeversicherung einführen. Dazu gehören die bezahlte zehntägige Familienpflegezeit. Außerdem soll es künftig leichter möglich sein, Senioren in Kurzzeit-, Tages- oder Nachtpflege betreuen zu lassen oder pflegende Angehörige durch ambulante Dienste zu entlasten. Steigen sollen auch die Zuschüsse für barrierefreies Wohnen.

Pflegeversicherungsstufen

Das Vorhaben kostet allerdings: Die Beiträge zur Pflegeversicherung sollen in den kommenden Jahren um insgesamt 0,5 Prozentpunkte steigen.

cib/dpa/Reuters