Transparenz in der Medizin ist nicht mehr nur ein Wunschgedanke. Ab Mitte 2016 wird sie in Europa Wirklichkeit. Wenigstens ein bisschen. Das beschloss das Europäischer Parlament am Mittwochabend in einer abschließenden Abstimmung. Es votierte für eine neue, in Deutschland heftig bekämpfte, manchmal falsch verstandene Regelung medizinischer Tests am Menschen. 

Die Neuregelung sieht vor, dass diese klinischen Studien – ganz gleich ob ein Pharmaunternehmen oder ein Arzt sie leitet – öffentlich angemeldet werden müssen. Die Verordnung verpflichtet diejenigen, die Arzneimitteltests durchführen, ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. Und zwar unabhängig davon, ob sich das ausprobierte Medikament als gut oder schlecht erwiesen hat.

Dieser Beschluss ist eine revolutionäre Banalität. Banal, weil heute jede Unternehmensleitung gelernt hat, die eigenen Erfolge und Misserfolge gegeneinander zu bilanzieren. Weil selbst der Antrag eines Kredits verlangt, die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit offenzulegen. Nur, wer die Zulassung eines Medikaments beantragen wollte, der hatte so viel Offenheit bislang nicht nötig. 

Schluss mit der Heimlichtuerei

Da konnten Pharmafirmen Medikamententests, die nicht den erwünschten Erfolg erbrachten, verheimlichen. Kein Experte, keine Zulassungsbehörde bekam sie jemals zu sehen. So wurden selbst gravierende Nebenwirkungen erst bekannt, als die Präparate bereits auf dem Markt waren. Obwohl die Hersteller davon wussten.

Manch ein Wirkstoff wurde wohl nicht nur einmal an Patienten getestet, weil die Öffentlichkeit von vorherigen, für die Pharmaindustrie negativ ausgefallenen Studien nichts wusste. Dabei sei noch einmal daran erinnert: Es geht um Versuche am Menschen; mitunter an Kindern.

Deshalb setzt das Europäische Parlament mit dieser Vorschrift neue Maßstäbe an die Medizinforscher. Und sie eilt in großen Schritten an den amerikanischen Regelungen vorbei, die bislang unerreichbar erschienen. In den USA müssen seit Jahren alle klinischen Studien registriert werden. 

Weniger Zettelwirtschaft für unabhängige Forscher

Was künftig in der EU gilt, ist aber auch deshalb ein Durchbruch, weil es gerade Medizinern ohne ein starkes Pharmaunternehmen im Rücken die Arbeit erleichtert. Diese Wissenschaftler erproben nicht selten auf dem Markt befindliche Wirkstoffe, deren Nebenwirkungen bekannt sind, für den Einsatz gegen andere Krankheiten, mit dem Ziel die Zulassung zu erweitern.

Das Risiko für die Studienteilnehmer ist bei so etwas deutlich geringer, als wenn gänzlich neue Stoffe an Menschen erstmals getestet werden – ein Feld, auf dem fast nur große Pharmafirmen aktiv sind. Seitdem solche risikoärmeren Studien im Jahr 2004 den Neuzulassungsstudien gleichgestellt wurden, hatten vor allem die unabhängigen Forscher mit mehr Bürokratie zu kämpfen. An einzelnen Unikliniken ging diese Art der Forschung dadurch um mehr als die Hälfte zurück. 

Das aktualisierte Regelwerk differenziert wieder zwischen risikoreichen und -ärmeren Studien. Darüber hinaus soll ein zentrales elektronisches Antragsdossier, auf das alle Beteiligten Zugriff haben, die Zettelwirtschaft ersetzen und das Verfahren vereinfachen.