Es gibt gute Nachrichten in Sachen Netzneutralität. Die "Digitale Verfassung" ist gerade verabschiedet worden, sie garantiert Meinungsfreiheit, Privatsphäre und die Gleichbehandlung aller Daten beim Transport durchs Netz. Allerdings nur in Brasilien. Marco Civil heißt das Gesetzespaket dort.

In Europa sieht es anders aus: Nach jahrelangem Hin und Her beim Thema Netzneutralität stimmt am morgigen Donnerstag das Europäische Parlament über einen umstrittenen Entwurf des Industrieausschusses (PDF) für eine neue EU-Verordnung ab. Darin geht es um die Regelung des digitalen Binnenmarktes in der Europäischen Union. Die Netzneutralität ist ein Aspekt unter vielen.

Netzneutralität bedeutet, alle Datenpakete sind gleich schnell oder langsam unterwegs, unabhängig vom Inhalt oder Absender. Einen Unterschied macht lediglich die Bandbreite, bildlich gesprochen die Spuranzahl der viel zitierten Datenautobahn.

Wer nicht zahlt, fährt auf der Datenlandstraße

Im Entwurf des Industrieausschusses unterscheiden die Abgeordneten sprachlich zwischen einem offenen und einem geschlossenen Internet. Für den offenen Teil gilt weiterhin das Prinzip der Netzneutralität. Im geschlossenen Teil erlaubt der Entwurf den Netzanbietern wie der Telekom, für die Durchleitung sogenannter Spezialdienste Geld zu verlangen.

Was ein Spezialdienst ist, definiert der Entwurf nur vage. Es ist "ein elektronischer Kommunikationsdienst, der Zugang zu speziellen Angeboten" bietet. Gemeint sind damit wohl Dienste wie YouTube, der Videoanbieter Netflix oder Facebook. Eben Dienste, die große Datenmengen durchs Netz schicken.

"Goldesel für Internetgiganten"

Die Provider finden, wer viele Daten verschickt, soll auch dafür zahlen. Das klingt zunächst nachvollziehbar, bedeutet aber am Ende, dass finanzkräftige Anbieter auf einer Datenautobahn fahren, während kleinere Akteure und Nutzer auf der Landstraße tuckern. Statt eines Wettbewerbs setzen sich wenige große Firmen mit ihren Inhalten durch. Und Geschwindigkeit ist in Zeiten von Videostreaming und Arbeiten in der Cloud ein entscheidender Vorteil auf dem Markt.

An dem Entwurf gibt es deshalb auch innerhalb des Parlaments Kritik. Die SPD-Europaabgeordnete Petra Kammerevert titelt in einer Stellungnahme gar, dass Konservative und Liberale das Internet ruinierten: "Mit dem heutigen Text sind wir auf dem allerbesten Weg, das einst freie Internet zum Goldesel für Internetgiganten und wenige große Telekommunikationsunternehmen umzubauen", schreibt Kammerevert.