Jenseitig

Reto Flückiger und Liz Ritschard untersuchen den Tod einer dreifachen Mutter. Dabei wird viel herumgefahren, und die Suche führt auch ins Jenseits. Ein Schweizer «Tatort» mit Hang zum Spirituellen.

Claudia Schwartz
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Kommissarin Liz Ritschard (Delia Mayer, vorne M.) verdächtigt die Mitglieder einer Väterrechtsorganisation, als Zeugen den Mord an einer dreifachen Mutter zu decken. (Bild: Daniel Winkler / SRF)

Kommissarin Liz Ritschard (Delia Mayer, vorne M.) verdächtigt die Mitglieder einer Väterrechtsorganisation, als Zeugen den Mord an einer dreifachen Mutter zu decken. (Bild: Daniel Winkler / SRF)

Ein Kollege sagte letzthin, dass ich mit dem Schweizer «Tatort» immer ein wenig strenger sei als mit den anderen. Da erschrak ich zugegebenermassen ein wenig, wenngleich man mit dem, was einem nahesteht, naturgemäss immer etwas unnachgiebiger ist. Ich beschloss also, eine Schweizer-«Tatort»-Rezensions-Auszeit zu nehmen. Ich habe eine Kollegin gebeten, ob sie den Luzerner «Tatort» rezensieren würde, und sie antwortete prompt: «Nein, als Deutsche möchte ich nicht über einen Schweizer ‹Tatort› schreiben.»

Das fand ich, ehrlich gesagt, eine faule Ausrede, schliesslich schreibt unsereins ja auch über deutsche und österreichische Krimis. Das Argument allerdings, dass Deutsche in der Schweiz aufpassen müssen, was sie sagen, hat man auch schon öfter in anderem Zusammenhang gehört. Also fragte ich eine andere Kollegin. Die Österreicherin und erklärte «Tatort»-Süchtige winkte sogleich ab mit den Worten: «Den Schweizer ‹Tatort›? Bitte lieber nicht.»

Ich bin noch daran, das zu verarbeiten, habe aber vorerst die Suche eingestellt und mir den sechsten Schweizer «Tatort» erneut selber vorgenommen: In «Zwischen zwei Welten» untersuchen Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) den Tod einer alleinstehenden Mutter von drei Kindern. Sie liegt leblos am Bahngleis unter einer Brücke, ein Raubmord kann relativ schnell ausgeschlossen werden. Eine klassische Beziehungstat erscheint wahrscheinlich, da die Kinder alle verschiedene Väter haben. Einer von ihnen macht sich auch sogleich besonders verdächtig als Mitglied einer einschlägigen Männergruppe, die für «Väterrechte» und gegen «feministische Dominanz» kämpft. So etwas kann schnell ausarten.

Schwierige soziale Verhältnisse also, abgesehen von all dem Elend, weil hier drei Kinder plötzlich ganz alleine dastehen. Der Fall geht den beiden Ermittlern denn auch sichtlich nahe, und der Regisseur Michael Schaerer findet die entsprechend düsteren Bilder weitab vom Postkartenklischee, das normalerweise den Luzerner Krimi dominiert. Wo die Ermittlungen aber harzig vorangehen, versucht die Regie dem Stillstand zunehmend mit überflüssiger Hektik dramaturgisch entgegenzuwirken (Schauplatzwechsel vom Kommissariat ins Auto, mit quietschenden Reifen zur nächsten Befragung, wieder ins Auto, zurück ins Kommissariat und so weiter).

Liz Ritschard (Delia Mayer, l.), Yvonne Veitli (Sabina Schneebeli, 2.v.l.) und Reto Flückiger (Stefan Gubser) am Fundort der Leiche einer jungen Mutter. (Bild: Daniel Winkler / SRF)

Liz Ritschard (Delia Mayer, l.), Yvonne Veitli (Sabina Schneebeli, 2.v.l.) und Reto Flückiger (Stefan Gubser) am Fundort der Leiche einer jungen Mutter. (Bild: Daniel Winkler / SRF)

Und was machen unsere Ermittler derweil? Da die Tote sich als spirituelle Heilerin ausbilden liess, nehmen Flückiger und Ritschard deren Lehrer (Grégoire Gros) als eine Art Medium in Anspruch. Herr Guggisberg soll mit der Toten in Kontakt treten, um herauszufinden, was an dem Abend geschah. Der spiritistische Draht zu der Frau bricht dann aber im entscheidenden Moment ab, und der Geistheiler erklärt: «Hier bei uns bestimmen die Verstorbenen noch selber, was sie uns sagen möchten und was nicht.»

Wir geben uns alle erdenkliche Mühe. Aber vielleicht ist es doch keine gute Idee, wenn ein «Tatort» antritt, seinen Kriminalkommissaren auf die Art einen anderen Zugang zum Tod erschliessen zu wollen, nicht nur, weil diese sich damit selbst abschaffen würden. Zudem sollten Drehbuchautoren zur Strafe für solchen Humbug nie mehr den Wiener «Tatort» rezensieren dürfen.

Der Geistheiler ist übrigens noch einmal behilflich, als die älteste Tochter der Ermordeten verschwindet. Fünf Minuten vor Schluss klappt die Zielführung dann auch wie geschmiert. - Ach ja, bevor wir es vergessen, liebe Leserinnen und Leser, wir suchen weiterhin jemanden, der über den nächsten Schweizer «Tatort» schreibt.

«Tatort»-Folge «Zwischen zwei Welten», Ostermontag, 21. April, 20.05 Uhr auf SRF 1 und 20.15 Uhr in der ARD.

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