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Chef zwang Fahrer zu Tricksereien bei Lenkzeiten

Der Chef eines Mittweidaer Transportunternehmens ließ Mitarbeiter Daten fälschen. Er kommt mit Bewährung davon.

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Von Helene Krause

Tag und Nacht saßen die Fahrer eines Mittweidaer Transportunternehmens in den Lastern ihres Chefs. An Schlaf oder an Pausenzeiten durften sie nicht denken. Nicht einmal ein Arztbesuch wurde ihnen erlaubt. Übermüdet und fix und fertig kamen sie zu Hause an. Um die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten zu manipulieren, war in den Fahrzeugen die Fahrerkarte des Disponenten hinterlegt. Die Fahrerkarte ist eine persönliche Chipkarte, auf der die Lenkzeiten der Fahrer gespeichert werden. „Sie lag in der Fahrerkabine unter einer Gummimatte“, sagen zwei der Lkw-Fahrer als Zeugen vor Gericht. Außerdem mussten sie ihre eigenen Fahrerkarten so verändern, als hätten sie die nötigen Lenk- und Ruhezeiten eingehalten.

Die Manipulation ihrer eigenen Fahrerkarte und das Benutzen der fremden wurde ihnen vom Chef befohlen. Wenn sie sich weigerten, drohte der Firmeninhaber mit der Kündigung. Vor ihrem Urlaub mussten die Fahrer sogar ihre Fahrerkarten abgeben. Die wurden dann anderen Fahrern als Zweitkarte zugeteilt. Durch dieses Vorgehen sparte die Firma einen Kraftfahrer ein und konnte mehr Fahrten quer durch Deutschland abwickeln.

217 Fälle angeklagt

Die Kraftfahrer, die den Weisungen ihres Chefs Folge leisteten, standen bereits vor Gericht. Erst in der vergangenen Woche wurde einer der Fahrer – ein Mann aus Hartha – zu einer Geldstrafe von 3 000 Euro verurteilt. Jetzt mussten sich auch der Firmenchef und sein Disponent vorm Amtsgericht Döbeln verantworten. Beiden wurde vorgeworfen, von Oktober 2009 bis Oktober 2010 gemeinschaftlich und gewerblich Daten in 217 Fällen gefälscht zu haben.

Zu Beginn der Verhandlung sagen die beiden Verteidiger, dass sich ihre Mandanten zu den Tatvorwürfen nicht äußern werden. Daraufhin wird die Verhandlung unterbrochen. Richter, Staatsanwalt und Verteidiger ziehen sich in einen Nebenraum zur Beratung zurück. Danach räumt der Firmenchef den Tatvorwurf ein. Das Verfahren gegen den Disponenten wird abgetrennt. Das Gericht verurteilt den Inhaber des Transportunternehmens zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung. Des Weiteren erhält er die Auflage, 1500 Euro in monatlichen Raten von 100 Euro an das Awo-Familienzentrum zu zahlen.

Um den Disponenten eine Mittäterschaft nachzuweisen, werden die in der Firma beschäftigten Kraftfahrer in der Verhandlung als Zeugen gehört. Doch keiner kann genau sagen, dass der Disponent seine Fahrerkarte absichtlich hinterlegt hatte oder dass er die Fahrer angewiesen habe, seine Karte zu benutzen.

Selbst gefahren ist der Disponent nicht. „Er war im Büro und höchstens mit einem Pkw unterwegs“, sagt ein Zeuge. Weil in der Verhandlung Zeugen fehlten, wird das Verfahren fortgesetzt.

„Jetzt habe ich ein Problem“

Herausgekommen waren die Taten im Oktober 2010. Auf der Bundesstraße 36 bei Rheinau führte die Polizei Lkw-Kontrollen durch. Ein Transporter der Mittweidaer Firma wurde angehalten. Der Fahrer sagte sofort: „Jetzt habe ich ein Problem.“ Angeblich hatte er nach seinem Urlaub seine Fahrerkarte nicht mehr gefunden und deshalb die Karte eines anderen in den Fahrzeugcomputer eingesteckt. Die Fahrerkarte des Lkw-Fahrers und die des Disponenten wurden beschlagnahmt.

Die Polizei überprüfte die Laster der Firma. Doch der Chef verweigerte die Herausgabe der Unterlagen. Die Überprüfung zog sich hin. Selbst als die Polizeikollegen in Hermsdorf beauftragt wurden, die Daten zu holen, gab der Firmenchef sie nicht raus. Er und seine Angestellte erfanden ständig Ausreden. Die Ermittlungen zogen sich deswegen in die Länge.