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Fibromyalgie

Schon wieder Metformin?

Fibromyalgie ist eine Krankheit mit einem enormen Leidensdruck. Die Ursache der Krankheit bleibt meist unklar. Da lässt eine im Fachjournal »PLOS One« veröffentlichte Studie aufhorchen. Könnte eine Insulinresistenz eine Rolle spielen? Dies hätte interessante Implikationen.
Theo Dingermann
09.05.2019  17:36 Uhr

Nach Schätzungen leiden in Europa und Nordamerika etwa 0,5 bis 5,8 Prozent der Bevölkerung am Fibromyalgiesyndrom (FS). Dabei handelt es sich um eine generalisierte Schmerzstörung, von der Frauen dreimal häufiger betroffen sind als Männer. Neben chronischen Schmerzen klagen die Patienten auch häufig unter extremer Müdigkeit, Schlafstörungen, Magen-Darm-Problemen sowie unter kognitiven oder Stimmungsproblemen.

Zwar werden verschiedene Hypothesen zur Ursache des FS diskutiert, verstanden sind die zugrunde liegenden Mechanismen aber nicht. Eine der gängigeren Hypothesen, nach der Veränderungen der Mikrozirkulation im Gehirn als Ursache für das Syndrom infrage kommen könnten, griffen Miguel A. Pappolla und Kollegen von der Univeristy of Texas auf und fragten, ob eventuell eine Insulinresistenz ursächlich an der Entstehung eines FS beteiligt sein könnte. Denn eine Insulinresistenz ist häufig auch mit Funktionsstörungen der Mikrozirkulation des Gehirns assoziiert.

Um erste Anhaltspunkte für die Richtigkeit ihrer Hypothese zu erhalten, werteten die Forscher Daten von 23 FS-Patienten aus, die wegen myofaszialer Schmerzen behandelt wurden. Das Team verglich die HbA1c-Werte der Patienten mit den mittleren HbA1c-Werten von zwei unabhängigen Kontrollpopulationen. Zunächst waren die Werte unauffällig. Wurden die HbA1c-Werte der FS-Patienten jedoch nach Alter stratifiziert, zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den FS-Patienten und den Patienten aus den Kontrollgruppen.

Dies war überraschend, denn eigentlich hätte eine solche Assoziation schon viel früher auffallen müssen. Wahrscheinlich blieb jedoch die Beobachtung deshalb bisher unbemerkt, da normalerweise HbA1c-Werte nicht altersstratifiziert werden. So wird beispielsweise ein HbA1c-Wert von 5,5 Prozent nach aktuellen Kriterien als normal eingestuft, was jedoch für einen recht jungen Patienten nicht zutrifft. Hier kann ein solcher Wert bereits ein Prädiabetes-Stadium andeuten.

Aus diesem Grund wurde den Patienten auch Metformin zur Therapie des Prädiabetes angeboten, und dies hatte einen frappierenden Effekt. Dieses alte Antidiabetikum reduzierte bei fast allen Patienten die Fibromyalgie-Schmerzen drastisch, teilweise deutlich stärker als eine Standard-Therapie.

Könnte ein Prädiabetes tatsächlich ursächlich an der Entstehung eines FS beteiligt sein? Das würde einem Paradigmenwechsel gleichkommen und wäre für die Betroffenen eine gute Nachricht. Es stünde dann nämlich mit Metformin nicht nur ein gut bekanntes Arzneimittel zur Therapie Verfügung, das den diagnostizierten Prädiabetes kontrolliert. Gleichzeitig scheint dieses Arzneimittel auch die schwere Symptomatik zu lindern.

Noch sind die Forscher vorsichtig. So lautet der Titel der Arbeit auch »Is Fibromyalgia Caused by Insulin Resistance?«. Eine solche Formulierung ist eher untypisch für ein Journal wie PLOS One, das einen beachtlich Impact Faktor ausweist. Größere Studien sind notwendig, um die erstaunliche Hypothese abzusichern.

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