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Terrordrohungen gegen das Oktoberfest Bayerische Polizei inhaftiert vorbeugend zwei Islamisten

Terrordrohungen gegen das Oktoberfest versetzen die Münchner Polizei in Alarmstimmung. Präventiv nahmen die Fahnder zwei Islamisten fest, die sich angeblich verdächtig verhielten. Konkrete Anhaltspunkte für Planungen gibt es nicht, eine Anwältin erstattete Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung.
Von Matthias Gebauer und Yassin Musharbash

Berlin/München - In einer ungewöhnlich nervösen Aktion hat die Polizei in München am Samstag zwei den Behörden bekannte Islamisten festgenommen. Aus akuter Angst vor Anschlägen gegen das Oktoberfest wollen die Behörden die beiden Männer laut Gerichtsunterlagen präventiv bis zum Ende der Massenveranstaltung am 5. Oktober in Haft behalten. Obwohl den beiden Männern laut dem Polizeipräsidenten Wilhelm Schmidbauer "keine Straftaten" vorgeworfen werden, habe man sie sicherheitshalber in Haft genommen, um mögliche Straftaten der beiden zu verhindern.

Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE fürchten die Behörden, dass sich die Männer durch die Terror-Botschaften der letzten Tage, vor allem durch die Bänder des al-Qaida-Propagandisten Bekkay Harrach, aufgerufen fühlen könnten, Anschläge in der bayerischen Metropole zu planen und durchzuführen. Auch wenn es keine konkreten Hinweise gebe, so die Argumentation, habe man in der aktuellen Gefährdungslage nicht riskieren können, dass sich die beiden frei bewegen können.

In den Fällen stützt sich die Polizei vor allem auf Erkenntnisse über Kontakte der Männer ins islamistische Milieu und auf ihr Verhalten in den letzten Tagen. Beide haben demnach vor Jahren direkten oder indirekten Kontakt zu Bekkay Harrach gehabt, der kürzlich in mehreren Video-Botschaften mit Anschlägen in Deutschland drohte. Die Bekanntschaft mit Harrach, so die Befürchtung der Behörden, könnte die Männer nun motivieren, die wüsten Drohungen Harrachs in die Tat umzusetzen.

Kontakte ins Islamistenmilieu

Die beiden festgesetzten Männer sind den Behörden seit längerer Zeit bekannt, da sie sich in Islamistenkreisen bewegten. Einer der Festgesetzten, Hatem M., soll demnach in einer Münchner Moschee eine Gruppe von jungen Islamisten anführen. Im Jahr 2003 soll er Harrach persönlich getroffen haben, damals lebte der Islamist noch in Deutschland.

Der ebenfalls festgesetzte 26-jährige Marokkaner Marouane S. soll in der gleichen Münchner Moschee verkehrt haben. Über seinen Bruder, so vermuten die Behörden, habe auch er Kontakt zu Harrach gehabt. Belegen können sie das aber nicht. Trotzdem sei "die Möglichkeit" einer direkten oder indirekten Ansprache S.'s durch Harrach "wahrscheinlich", heißt es etwas verquer in den Unterlagen.

Zum Verhängnis wurde S. demnach zusätzlich, dass er mit Adem Yilmaz, einem der Angeklagten der Sauerland-Gruppe, bekannt war. Die Gruppe steht wegen Planungen für einen Anschlag auf US-Einrichtungen in Deutschland vor Gericht. Noch kurz vor der Festnahme der Mitglieder, so die Erkenntnisse der Polizei, soll Yilmaz in München mit dem festgesetzten Marouane S. zusammen getroffen sein. Dies zeige, so die Polizei, dass S. intensive Kontakte ins gewaltbereite Milieu von Islamisten unterhalte.

Wegen der Kontakte der beiden Männer wurden sie in den Tagen nach Erscheinen der Videobotschaften observiert. Dabei verhielten sie sich nach Polizeiangaben konspirativ, versuchten die Beschatter abzuschütteln oder die Tarnung der Fahnder auffliegen zu lassen. Schlussendlich hatte die Polizei den Eindruck, dass beide möglicherweise versuchten, sich "Freiraum für Aktivitäten" zu schaffen und beantragte die präventive Haft, die am Sonntag zwei Richter bestätigten.

Hintergrund der Befürchtungen der Polizei ist, dass al-Qaida in Person von Bekkay Harrach und am vergangenen Freitag auch die Taliban mit Terroranschlägen in Deutschland gedroht haben. Harrach hatte am vorletzten Freitag im Namen al-Qaidas Anschläge in den beiden Wochen nach der Bundestagswahl angekündigt, falls deren Ergebnis kein Signal für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ergeben sollte. In einem Satz hatte er auch das Oktoberfest erwähnt. In dem Taliban-Video wurden zudem Fotos von der Festmeile eingeblendet.

Behörden erwägten Schließung der Biermeile

Seit den Ankündigungen gilt das Bierfest als potentielles Ziel von Terroranschlägen. Nicht nur die beiden Festsetzungen zeigen, wie nervös die Polizei derweil ist. Zwischenzeitlich war sie so alarmiert, dass sie eine Schließung des Volksfestes überdachte.

Am Wochenende wurde ein Überflugverbot für die Festmeile verhängt, am Montag richtete die Polizei eine Sicherheitszone rund um die Biermeile ein. Taxen und Lkw dürfen nur noch an gesonderten Haltezonen stehen bleiben, rund um das Gelände hat die Polizei eine Sicherheitszone inklusive Fahrzeugkontrolle gelegt.

Die Anwältin Ricarda Lang, die Marouane S. vertritt, hält die Ingewahrsamnahme ihres Mandanten für einen Skandal. "Aus Angst werden hier sämtliche rechtstaatlichen Kriterien über Bord geworfen", sagte sie SPIEGEL ONLINE. Bei der Wohnungsdurchsuchung ihres Mandanten sei nichts gefunden worden, was die Unterstellungen der Polizei erhärten könnte. "Im Auftrag meines Mandanten werde ich unverzüglich Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung gegen die Richterin erstatten, die den Beschluss angeordnet hat", kündigte die Juristin an.

Aus den Gerichtsunterlagen ergeben sich in der Tat einige Fragen. So gab der festgesetzte S. bei seinem Hafttermin an, er habe selber am Samstag die Polizei angerufen, da ihm ein verdächtiges Fahrzeug vor seinem Haus aufgefallen war. Kontakte zu Harrach stritt er ab, auch sein Bruder habe den heutigen Propagandisten der al-Qaida seines Wissens nach nicht gekannt.

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