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3D-Druck, Mitfahr-App, E-Busse Wo BMW überall nach der Zukunft sucht

Von Wilfried Eckl-Dorna
Zukunftsvisionen wie den Next100 stellt BMW gerne auf vier Räder, nebenher investieren der Autobauer still in ein gutes Dutzend Mobilitäts-Startups

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Der Münchner Autoriese BMW  stellt neben Luxusautos auch Motorräder her. Bei den vier- und zweirädrigen Fahrzeuge gibt es Modellvarianten, die ausschließlich mit Batteriestrom fahren. Doch mit Elektrobussen hatte BMW bislang nichts am Hut - bis vor wenigen Tagen.

Da erklärten die Münchner nämlich, über ihre Risikokapitaltochter "i Ventures" beim US-Busproduzenten Proterra  mitzumischen. Das kalifornische Startup, das von einem ehemaligen Tesla-Manager geführt wird, hat sich auf Busse mit reinem Elektroantrieb spezialisiert. Laut Eigenangaben hat Proterra bereits 400 seiner Elektrobusse an Städte wie Dallas und Philadelphia verkauft.

Genaue Umsatzzahlen veröffentlicht das 2004 gegründete Unternehmen nicht, doch ein einzelner Proterra-Bus schlägt mit rund 750.000 Dollar ins Kontor. BMWs Venture-Capital-Tochter hat sich nun an einer Risikokapitalrunde über 55 Millionen Dollar beteiligt. Wie viel die Münchner davon bereitgestellt haben, verraten sie - wie bei solchen Transaktionen üblich - nicht.

Doch der Deal rückt auch BMWs Tochter "i Ventures" wieder einmal ins Rampenlicht. BMW ist bislang der einzige deutsche Autohersteller, der sich einen eigenen Venture-Capital-Arm für Startups leistet. Der Autoriese GM verfolgt mit seinen "GM Ventures" ein ähnliches Konzept: Die Kapitalgeber der Autohersteller beteiligen sich an vielversprechenden Startups oder kaufen diese komplett auf.

15 von 1000 - so stark siebt "i Ventures" aus

Daimler und Volkswagen verfolgen mit eigenen Einheiten einen etwas anderen Ansatz: Die Stuttgarter gönnen sich eine eigene Einheit namens Business Innovation, die selbständig Geschäftsideen entwickelt oder sich an Startups beteiligt. Bei Volkswagen soll die neue Mobilitätssparte Moia, die als eigenständige Gesellschaft agiert, das Geschäft mit Mobilitätsdienstleistungen vorantreiben.

Auch die großen internationalen Konkurrenten Toyota, Ford oder Renault-Nissan gehen ganz ähnlich vor - und kaufen sich bei vielversprechenden Startups ein. Die Risikokapital-Töchter und Innovations-Einheiten sollen neue Geschäftsfelder erschließen oder ausprobieren für jene Zeiten, in denen mit dem Bauen und Verkauf von Neuwagen - dem klassischen Kerngeschäft der Autohersteller also - nicht mehr das große Geld zu machen ist.

BMWs Kapitaltochter ist da durchaus experimentierfreudig: Vor fünf Jahren haben die Münchner "i Ventures" gegründet. 100 Millionen Dollar hatte das Unternehmen anfangs zur Verfügung.

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Das klingt erstmal reichlich - hat sich zuletzt als ziemlich kleine Summe herausgestellt. GM etwa hat sich alleine seinen Einstieg beim dem Uber-Konkurrenten Lyft 500 Millionen Dollar kosten lassen. VW steckte im vergangenen Jahr 300 Millionen Dollar in die Taxi-App Gett. Ford will gleich eine Milliarde Dollar in Argo AI investieren, ein Startup rund um autonomes Fahren und künstliche Intelligenz.

BMW backt derweil lieber deutlich kleinere Brötchen - zu kleine, wie manche Beobachter meinen. Ende vergangenen Jahres zog i Ventures von New York nach Mountain View im Silicon Valley um. Dabei stockte die Mutter BMW das Investitionskapital auf - auf moderate 500 Millionen Dollar für die kommenden zehn Jahre auf.

In welche Bereiche BMWs Risikokapitaltochter i Ventures ihr Geld steckt

Immerhin, auch das Betätigungsfeld haben die Münchner vergrößert. Bis vor einem halben Jahr sollte i Ventures vor allem in Startups investieren, die sich mit Elektromobilität und Mobilitätsdienstleistungen beschäftigen. Nun kamen auch die Bereiche autonomes Fahren, Cloud-Dienste, künstliche Intelligenz und Digitalisierung der Produktion dazu.

i Ventures geht bei den Investments ziemlich selektiv vor. In fünf Jahren habe sich der BMW-eigene Risikokapitalgeber mehr als 1000 Startups angesehen, hieß es vor kurzem in einem Bericht der Zeitschrift "brand eins". Investiert hat i Ventures aber nur in 15 solcher kleinen Unternehmen. Die fallen in fünf verschiedene Bereiche:

1. Elektromobilität

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Neben der jüngsten Beteiligung Proterra  sind die Münchner auch zwei strategische Beteiligungen mit Ladeinfrastruktur-Anbietern eingegangen: Am US-Laderiesen Chargepoint , der in den USA knapp 36.000 Ladepunkte betreibt, ist i Ventures bei einer Kapitalrunde eingestiegen. Führender Investor war damals übrigens Daimler. Chargepoint drängt nun mit dem Geld auch nach Europa. An laut Eigenangaben größten Elektrauto-Ladeanbieter Großbritanniens, Chargemaster , ist i Ventures ebenfalls beteiligt.

2. Neue Mobilitätsdienstleistungen

Da ist die Palette der i Ventures-Beteiligungen besonders groß: Die App Scoop  vermittelt etwa Mitfahrgelegenheiten für Büromitarbeiter. Die App Moovit  bietet einheitliche Online-Fahrplanabfragen für öffentliche Verkehrsmittel in 1200 Städten an. Das Unternehmen Ridecell  ist ein Plattform-Anbieter für Carsharing und Ridesharing, seine Lösungen sind die Basis von BMWs Carsharingangebot "ReachNow" in den USA. Besseres Flottenmanagement für Gewerbekunden durch eine einheitliche Logistikplattform verspricht das Startup Stratim.

Die App Justpark  erleichtert vor allem Briten die Suche nach freien Parkplätzen. Und die nordamerikanische Busmiete-Plattform bus.com  vermittelt Busmieten an Eventorganizer, Firmen oder ganze Teams. Beteiligt ist i Ventures auch an dem US-Startup Skurt , das eine klassische Autovermietung via App verspricht - bloß, dass die Mietautos direkt zur Haustüre gebracht werden und die Rückgabe dann an einen Fahrer im Stadtgebiet erfolgt.

3. Online-Communities

Da hat i Ventures bisher in zwei Startups investiert. Die eine liegt sehr nahe am Geschäft: Die Plattform Rever  will Motorradfahrern die Routenplanung und die Kontaktaufnahme über Kontinente hinweg erleichtern.

BMW ist an gleich zwei 3D-Druck-Spezialisten beteiligt

Bei der App Life360  geht es hingegen um eine wesentlich kleinere Gemeinschaft: Die Familie: Mit dieser App können Familien sehen, wo sich ihre Mitglieder gerade örtlich aufhalten, mit ihnen chatten oder - wenn sie wollen - etwa auch das Fahrverhalten der Kinder überprüfen.

4. Künstliche Intelligenz und Sicherheit

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i Ventures ist an zwei Startups beteiligt, die die Sicherheit im Straßenverkehr erhöhen wollen: Die App Zendrive  nützt Smartphone-Sensoren, um das Fahrverhalten von Fahrern im Auto zu messen, zu überwachen und so Datenbasiert vor Gefahren zu warnen. Das Startup Nauto  setzt dafür auf eine eigens entwickelte Videokamera, die im Innenraum des Autos angebracht wird. Nauto verarbeitet die Daten mithilfe künstlicher Intelligenz und kann dem Fahrer so eine individuelle Rückmeldung über sein Fahrverhalten geben.

5. Neue Produktionsmethoden

Bei seinem Elektroauto i3 setzte BMW erstmals den Werkstoff Karbon in großem Umfang ein. Das Interesse der Münchner an neuen Produktionsmethoden schimmert auch bei den Startup-Investments durch. So ist i Ventures am Startup DesktopMetal  beteiligt, das sich mit dem 3D-Druck von Metallteilen beschäftigt - und zwar im industriellen Ausmaß zu vergleichsweise niedrigen Kosten.

In eine ähnliche Richtung zielt eine weitere i Ventures-Beteiligung, das Startup Carbon . Das wurde von Hochschulprofessoren gegründet, die den 3D-Druck durch Nutzung eines photochemischen Prozesses kräftig beschleunigen wollen. Ziel ist es, den 3D-Druck auch für die industrielle Serienfertigung nutzen zu können. Im Aufsichtsrat des Unternehmens sitzt übrigens der ehemalige Ford-CEO Alan Mulally, mit an Bord sind die beiden bekannten Risikokapitalgeber Sequoia und Google Ventures.

Bei den Prüfungen potenzieller Investitionskandidaten prallen dann oft zwei Welten aufeinander, ließ ein i Ventures-Mitarbeiter Ende vergangenen Jahres gegenüber dem Magazin "brand eins" einmal durchblicken. Der Autohersteller schicke oft 20 Leute zu einem Startup, um dieses auf Herz und Nieren zu überprüfen. Diese Abordnung sitzt dann oft nur drei Leuten gegenüber: dem Gründer des Startups, dessen Geschäftsführer und dem Finanzchef.

Von guten Geschäftsideen weltweit erfährt i Ventures über sein persönliches Netzwerk, Gespräche mit Beratern oder auf Konferenzen. Ein richtig großes Ding habe man bislang nicht übersehen, erklärte der Mitarbeiter gegenüber "brand eins" selbstbewusst. Doch hin und wieder habe man die falsche Entscheidung getroffen. Welche das waren, verriet er natürlich nicht.