Amazon und die Drohne:In England fliegen bald Amazon-Drohnen durch die Vororte

Amazon-Drohne

Eine Drohne mit einem Amazon-Paket vor dem Logistikzentrum in Leipzig.

(Foto: dpa)
  • Amazon hat in Großbritannien die Genehmigung für eine Vielzahl von Testflügen mit Drohnen bekommen.
  • Vom Standardeinsatz ist die Drohnentechnik aber noch weit entfernt. Das hat vor allem mit der unsicheren Rechtslage in vielen Ländern zu tun.

Von Sebastian Jannasch

Noch ist es eine Vision. Entspannt in der Hängematte per Smartphone im Internet bestellen, und schon wenige Minuten später schwebt das Produkt im Vorgarten ein. Der Online-Versandhändler Amazon will diese Form des Einkaufens in die Realität umsetzen. Über bewohntem Gebiet in England sollen nun erstmals größere Testläufe beginnen. Das von der britischen Luftfahrtbehörde genehmigte Projekt solle Erkenntnisse darüber liefern, wie Lieferdrohnen sicher und zuverlässig eingesetzt werden können.

Der Feldversuch "bringt uns dem Ziel näher, Drohnen zu nutzen, um Kunden in Großbritannien und weltweit Pakete innerhalb von 30 Minuten sicher zuzustellen", verkündet Amazon-Manager Paul Misener. Die britischen Behörden sind daran interessiert, die Lieferung über den Luftweg zu ermöglichen, aber auch besser zu regulieren.

Drei Szenarien will Amazon nun in Großbritannien untersuchen: Drohnen sollen in ländlichen Gebieten und in Vororten außerhalb der Sichtweite des Betreibers fliegen. Bisher ist eine Fernsteuerung über weitere Strecken nicht erlaubt. Außerdem soll eine Person mehrere Lieferdrohnen koordinieren, die parallel durch den Luftraum schwirren. Drittens soll bei den Versuchen praktisch erforscht werden, mit welcher Technik Drohnen Hindernisse erkennen und Kollisionen vermeiden können.

Auch die Supermarktkette Walmart experimentiert mit Drohnen

Seit 2013 betreibt Amazon bereits das Programm "Prime Air", um in Zukunft Pakete mit höchstens gut zwei Kilogramm Gewicht in kurzer Zeit per Flugshuttle zustellen zu können. Aber nicht nur der Online-Versandkonzern tüftelt an Möglichkeiten, den Kunden Produkte über den Luftweg zu liefern. Die amerikanische Supermarktkette Walmart experimentiert ebenso mit Drohnen wie das Unternehmen Alphabet. Von 2017 an will der Mutterkonzern von Google Pakete aus der Luft bringen.

In Deutschland hat die Deutsche Post bereits die Paketzustellung per Miniflieger getestet. Anfang des Jahres hat sie im bayerischen Reit im Winkl Sendungen über mehrere Kilometer vom Tal auf eine Alm geflogen. Privatkunden konnten Päckchen in einer Paketstation direkt für den Luftversand in die Drohnenbox einlegen. Vor allem in schwer zugänglichen Berggebieten oder auf Inseln will die Post künftig auf Drohnen beim Transport schnell benötigter Produkte wie Medikamente setzen.

Nicht nur technische Hürden stehen dem Normalbetrieb entgegen

Vom Standardeinsatz ist die Drohnentechnik aber noch weit entfernt. "Die Herausforderung ist es, Drohnen zu entwickeln, die mehr Gewicht sicher über längere Strecken in kurzer Zeit und wirtschaftlich tragbar transportieren können", sagt Florian Holzapfel, Professor für Flugsystemdynamik an der TU München. Kommerzielle Anbieter würden sich immer mehr auf elektrisch angetriebene Propeller-Drohnen mit Flügeln konzentrieren, die Prinzipien von Helikopter und Flugzeug kombinieren. "Zustelldrohnen müssen vertikal steigen und sinken können, aber auch weite Strecken horizontal zurücklegen." Anbieter der Technologie wetteifern nun darum, Antriebe zu entwickeln, die mit wenig Strom auskommen. Auch Sensoren, die andere Flugobjekte erkennen und Landeflächen präzise ansteuern können, müssen vor einem Routineeinsatz noch deutlich verbessert werden.

Aber nicht nur technische Hürden stehen dem Normalbetrieb von Zustelldrohnen im Weg. "Technisch sind die Herausforderungen bei den Drohnen lösbar. Das wirkliche Hindernis für die kommerzielle Nutzung ist die unklare Rechtslage", sagt Forscher Holzapfel. Für den gewerblichen Einsatz von Drohnen seien klare Regeln nötig, zum Beispiel, in welchen Gebieten Lieferdrohnen eingesetzt werden dürfen, in welcher Höhe und mit welcher Geschwindigkeit sie operieren dürfen. Haftungsfragen bei Unfällen müssen ebenso behandelt werden wie das Thema, Drohnen könnten mit Kameras die Privatsphäre verletzen.

Inzwischen ist die Gesetzeslage zum entscheidenden Faktor bei der Standortwahl für Forschung und Entwicklung geworden. "Deutschland hinkt deutlich hinterher. Wenn wir weiter auf eine Regelung warten müssen, haben deutsche Unternehmen einen Nachteil", kritisiert Wissenschaftler Holzapfel. Großbritannien, die Niederlande und Österreich seien bei gesetzlichen Regelungen schon weiter. Die USA haben vor einem Monat neue Regeln erlassen.

Die Wirtschaft wartet auf neue Bestimmungen

In Deutschland brauchen gewerbliche Drohnen eine Flugerlaubnis. Auch hier gilt die Vorschrift, dass Drohnen nur in Sichtweite navigiert werden dürfen. "Für Postzusteller ist natürlich nicht viel gewonnen, wenn ein Mitarbeiter der Drohne mit dem Rad hinterherfahren muss", sagt Holzapfel.

Tatsächlich arbeitet Verkehrsminister Dobrindt (CSU) bereits an neuen Drohnen-Regeln. "Drohnen werden zunehmend und in ganz unterschiedlichen Branchen eingesetzt. Wir bereiten Regelungen vor, um den Einsatz auf eine klare rechtliche Basis zu stellen und eine Gefährdung von Menschen zu vermeiden", sagt er. Größere Drohnen sollen künftig gekennzeichnet werden, um den Eigentümer identifizieren zu können. In Wohngebieten, über Unglücksorten und Industrieanlagen sollen private Drohnen verboten werden. Landesbehörden sollen künftig aber gewerbliche Flüge außerhalb der Sichtweite des Steuerers erlauben können, wenn der sichere Betrieb nachgewiesen wird. Für gewerbliche Nutzer von Drohnen wird es künftig außerdem einen Führerschein geben.

Die Wirtschaft wartet auf neue Bestimmungen. Denn an Ideen für weitere Anwendungsgebiete mangelt es nicht. Vor allem bei der Überwachung von Gebäuden, Stromleitungen, Verkehr, aber auch in der Landwirtschaft besteht hohes Interesse an der Technologie. In einigen Restaurants in Singapur ersetzen Drohnen schon testweise den Kellner: Die Mahlzeit schwebt direkt aus der Küche elegant auf den Tisch.

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