Gab es Auffälligkeiten bei der Vergabe von Spenderorganen? Waren die Laborwerte korrekt? Wurden Patienten bevorzugt? Ein Jahr lang sind Experten quer durch Deutschland gereist und haben akribisch alle Leber-Transplantationszentren überprüft, um mögliche Auffälligkeiten aus den Jahren 2010 und 2011 aufzuspüren. Die Kontrollen sind Folgen des bislang größten Organspendeskandals, der Deutschland im Sommer 2012 erschütterte. Nun haben die Prüfer ihren Abschlussbericht zu den insgesamt 24 Lebertransplantationsprogrammen veröffentlicht.

Laut der Unabhängigen Prüf- und Überwachungskommission gab es in insgesamt vier deutschen Transplantationszentren "schwerwiegende Richtlinienverstöße" bei der Organvergabe. Es handelt sich neben den bereits bekannten Fällen in den Unikliniken Göttingen und Leipzig sowie in München Rechts der Isar zusätzlich auch um Fälle in Münster . Die Vorsitzende der Prüfungskommission, Anne-Gret Rinder, sprach von "systematischen Falschaussagen zur Bevorzugung von Patienten auf der Warteliste".

Daneben habe es in einigen weiteren Kliniken grenzwertige Fälle gegeben. "Darunter fallen Bewertungs-, Flüchtigkeits- und Dokumentationsfehler", sagte Kommissionsleiterin Rinder. Die bekannten Fälle aus Regensburg fallen demnach nicht darunter, ereigneten sie sich doch bereits vor dem Prüfzeitraum.

Kontrollen auch bei Herz und Niere 

Die Prüfer – unterwegs im Auftrag der Bundesärztekammer (BÄK), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Gesetzlichen Krankenkassen – kontrollierten die deutschen Leberprogramme seit vergangenem September. Dabei verglichen sie Patientendaten, begutachteten Laborwerte, Röntgenbilder und ärztliche Befunde. Die Experten fuhren auch in die betroffenen Klinken, kündigten ihren Besuch dabei ganz kurzfristig an und befragten dann vor Ort Klinikvertreter unter anderem zu medizinischen Details. Bei Auffälligkeiten wurden die Prüfungen nochmals ausgeweitet sowie schließlich ein Arzt und ein Jurist hinzugezogen.

In jedem Fall müssen die Kliniken auch künftig mit verschärften Kontrollen rechnen. Nach den Leberzentren werden demnächst auch die Herz- und Nieren-Transplantationsprogramme von der Expertenkommission überprüft. Überhaupt sollen künftig alle Zentren mit ihren rund 140 Transplantationsprogrammen mindestens einmal binnen drei Jahren kontrolliert werden.

Auch auf gesetzlicher und juristischer Ebene wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Initiativen auf den Weg gebracht , um das Vertrauen in die Organspende wieder zu stärken. Zu den Maßnahmen gehören verschärfte Vor-Ort-Kontrollen und die Einführung des Mehraugenprinzips bei der Anmeldung von Patienten auf der Warteliste. Manipulationen an Wartelisten für ein Spenderorgan sind künftig strafbar und können mit bis zu zwei Jahren Haft oder Geldstrafen geahndet werden. Zudem richtete die Ärzteschaft eine unabhängige Stelle ein, bei der Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Transplantationen auch anonym gemeldet werden können.

SPD fordert Beauftragten

Der SPD gehen diese Maßnahmen allerdings nicht weit genug, sie fordert einen Organspende-Beauftragten des Bundestags . "Wir brauchen einen Ansprechpartner für Patienten, Selbsthilfegruppen, Kliniken und Klinikpersonal", sagte deren Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der Rheinischen Post . Grundsätzlich aber, so Lauterbach, seien die Verfahren für Organspenden im vergangenen Jahr deutlich verbessert worden. Sie seien "viel transparenter" geworden und würden besser kontrolliert.

Auslöser des Skandals waren Meldungen über Manipulationen bei der Vergabe von Spenderlebern in Göttingen, Regensburg, München und Leipzig. Dort sollen Krankenakten so verändert worden sein, dass bestimmte Patienten bevorzugt eine Spenderleber erhalten haben. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Leipzig gegen drei Transplantationsärzte des dortigen Klinikums, und in Göttingen steht erstmals ein Transplantationsmediziner vor Gericht . Infolge des Skandals brachen die Spenderzahlen in Deutschland dramatisch ein.