Delmenhorst - Wer lange Zeit am Computer gesessen hat, der Zugluft ausgesetzt war oder eine Decke gestrichen hat, muss damit rechnen, dass sich Nackenbeschwerden einstellen. Typisch ist ein dumpf-ziehender Schmerz im Bereich der Halswirbelsäule, der in der Regel infolge von Muskelverspannungen entsteht. Plötzlich auftretende Nackenschmerzen sind meistens harmlos und verschwinden nach spätestens ein bis zwei Wochen von selbst. Sie können bei einer erneuten Fehlhaltung oder Belastung aber schnell zurückkehren.
Nicht selten treten die Beschwerden auch im Zuge von Stress oder morgens nach dem Aufstehen auf, weil man zuvor im Schlaf ungünstig gelegen hat. Manchmal zählt eine nicht zum Sehvermögen passende Brille zu den Problemmachern. Es kann aber auch sein, dass sich zunächst keine eindeutigen Ursachen finden lassen.
Wenn die Schmerzen über mehrere Monate anhalten, sollte der Betroffene einen Arzt aufsuchen und die Symptome abklären lassen. „Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich ein chronisches Beschwerdebild entwickelt oder eine schwerwiegende Schädigung des Halteapparats unerkannt und unbehandelt bleibt“, erklärt Dr. Dirk Meyer, Chefarzt des Departements für Wirbelsäulenchirurgie und spinale Neurochirurgie im Josef-Hospital Delmenhorst.
Beschwerden aufklären
Gestützt auf eine sorgfältige Anamnese könne ein mit orthopädischen beziehungsweise neurologischen Beschwerden vertrauter Arzt mittels einer körperlichen Untersuchung und – wenn nötig – weiterführenden bildgebenden Diagnoseverfahren wie einem MRT sowie Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule schnell feststellen, ob und welche weitergehenden Probleme vorliegen. Wenn muskuläre Verspannungen für die Schmerzen verantwortlich sind, reicht zur Linderung neben einer rücken- und nackenschonenden Veränderung des Arbeitsplatzes sowie der Vermeidung von Kälte und Zugluft oft schon ein Mix aus Wärmeanwendung und regelmäßiger Bewegung aus. Auch Dehnungs- und Entspannungsübungen können helfen.
Der Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule (HWS) ist umso größer, wenn sich zusätzlich zu den vom Nacken ausstrahlenden Schmerzen auch Koordinierungsprobleme beim Gehen oder Empfindungsstörungen etwa an den Fingerkuppen einstellen. Auch ein dauerndes Kribbeln oder immer wieder eingeschlafene Beine und Hände können Anzeichen einer ernsthaften Schädigung sein. Bei einem schweren Vorfall kann es darüber hinaus zu weiteren Funktionsstörungen bis hin zu Lähmungserscheinungen kommen, berichtet Dr. Meyer: „Bei solch schweren Symptomen ist dringend ärztliche Hilfe nötig.“
Zur operativen Beseitigung eines Bandscheibenvorfalls an der HWS haben sich zwei OP-Verfahren bewährt, so Dr. Meyer. Meistens erfolge der Eingriff von vorn durch die Weichteile des Halses. Dabei wird die gereizte Nervenwurzel freigelegt und von den Druck ausübenden Strukturen befreit. Zudem wird die geschädigte Bandscheibe entfernt und durch ein Implantat ersetzt, das wie ein stabiler Puffer wieder für einen ausreichenden Abstand der Wirbelkörper sorgt. Die Erfolgsrate der OP betrage bei einer richtigen Indikation über 90 Prozent.
„Letztlich kann jeder mit einer Anpassung seines Alltagsverhaltens und wenigen einfachen Mitteln selbst dazu beitragen, von schmerzhaften Verspannungen verschont zu bleiben“, betont Dr. Meyer. Eine medikamentöse Behandlung oder eine Operation seien bei Nackenschmerzen nur in sehr seltenen Fällen erforderlich. Stattdessen können Patienten mit sehr starken Muskelverspannungen und lange anhaltenden Schmerzen häufig von Therapiemaßnahmen wie Akupunktur oder Physiotherapie profitieren.
Gereizte Nervenwurzeln
Besondere Vorsicht ist allerdings geboten, wenn die Beschwerden vom Nacken in den Arm oder die Hand ausstrahlen. „Das kann darauf hinweisen, dass die Schmerzen durch gereizte Nervenwurzeln ausgelöst werden und ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule vorliegt“, erklärt Dr. Meyer.
Welche Behandlung dann am sinnvollsten ist, hängt vor allem von der Schwere des Vorfalls und dem Verlauf der Therapie ab. In der Regel ist eine konservative Behandlung die erste Option, bei der vor allem entzündungshemmende Medikamente sowie Mittel zur Schmerzlinderung und Muskelentspannung eingesetzt werden. Falls das nicht ausreicht oder neurologische Störungen wie insbesondere Lähmungen eingetreten sind, ist oft eine OP unumgänglich.