Publiziert am: 27.05.2016

Gute Basis für NAF-Vorlage

DORIS FIALA UND JOSEF WIEDERKEHR – Die zwei Mitglieder des Initiativkomitees setzen sich für eine faire Verkehrsfinanzierung und somit für gleich lange Spiesse für Schiene und Strasse ein.

Schweizerische Gewerbezeitung: Weshalb setzen Sie sich für eine faire Verkehrsfinanzierung ein?

n Doris Fiala: Die Initiative ist aus meiner Sicht ein liberales Anliegen und hilft mit, gleich lange Spiesse zwischen Schiene und Strasse zu schaffen. Zudem werden wir dem Verursacherprinzip gerechter. Besonders aber will ich, dass die 75 Prozent Personen und über 60 Prozent Gütertransporte auf einem in die Zukunft gerichteten und ausgebauten Strassennetz flüssiger vorwärtskommen können.

 

n  Josef Wiederkehr: Die Schweiz als ressourcenarmes Land ist auf eine hochwertige und leistungsfähige Infrastruktur angewiesen. Dazu gehören optimale Rahmenbedingungen für einen raschen und zuverlässigen Transport von Waren und Personen – auch auf der Strasse. Dies erfordert eine faire Verkehrsfinanzierung.

«Die Initiative stoppt Die Benzinpreiserhöhungen, der NAF tut dies nicht.»

Wer profitiert alles von der «Milchkuh»-Initiative?

n  Doris Fiala: Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung profitiert– eben gerade nicht nur die Automobilisten – denn auch ein grosser Teil des ÖV findet ja auf der Strasse statt. Im Grunde muss doch jeder vermehrt in die Strasse investieren wollen, der Zukunftsszenarien realistisch und umsichtig durchdenkt. Denn Mobilität und Bevölkerung wachsen zunehmend. Alles andere ist politisch einfach nicht redlich.

 

Das Kampagnenmotto lautet «Vorwärtskommen». Wie sieht es denn zurzeit auf den Schweizer Strassen aus?

n  Josef Wiederkehr: Nimmt man die letzten verfügbaren Zahlen des Bundesamts für Statistik zur Hand, dann wurden 2014 auf den Nationalstras­sen total 21 541 Staustunden gemessen. Um diese Zahl zu verdeutlichen: Im Jahr 2014 standen die Verkehrsteilnehmer knapp 900 Tage oder rund 2,5 Jahre im Stau. Dies muss dringend geändert werden.

Was bedeuten die zahlreichen Engpässe und Staus für die KMU- Wirtschaft?

n  Josef Wiederkehr: Sie verursachen hohe volkswirtschaftliche Kosten von jährlich rund zwei Milliarden Franken. Das bedeutet für die KMU konkret, dass sie täglich unzählige Stunden produktiver Arbeitszeit im Stau verlieren. Was höhere Kosten, Einbus­sen beim Kundenservice und zusätzlich viel Stress und Ärger verursacht.

«2014 standen die Verkehrsteilnehmer 900 Tage oder rund 2,5 Jahre im Stau.»

Steht die «Milchkuh»-Initiative nicht im Widerspruch zum neuen Strassenfonds NAF, der derzeit in den eidgenössischen Räten beraten wird?

n  Doris Fiala: Da muss ich etwas süss-sauer schmunzeln: Eben erst hat die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates die NAF-Vorlage versenkt mit 12:14 bei einigen Enthaltungen. Der NAF löst die Finanzierungsprobleme nicht und bleibt bis zur Abstimmung vom 5. Juni eine Wundertüte. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, die Ini­tiative schafft überhaupt erst die Basis für die NAF-Vorlage.

 

Pro Liter Benzin zahlen wir über 60 Prozent Steuern. Dennoch wird über eine weitere Steuererhöhung diskutiert. Kann ein JA zur «Milchkuh»-Initiative daran etwas ändern?

n  Doris Fiala: Genau, die Initiative stoppt Benzinpreiserhöhungen, der NAF nicht.

Falls die «Milchkuh» angenommen wird: Welche nationalen Strassenprojekte haben Ihrer Meinung nach Priorität?

n  Josef Wiederkehr: Aus meiner Sicht wären dies eine dritte Röhre beim Gubristtunnel und die längst überfällige Lückenschliessung der Oberlandautobahn zwischen Uster und Wetzikon. Andererseits gibt es natürlich auch ausserhalb des Kantons Zürich Engpässe, die beseitigt werden müssen. Insbesondere in der Romandie gibt es einige Stauschwerpunkte, bei denen Handlungsbedarf besteht, etwa bei der Umfahrung von Morges.

«Der NAF löst die Probleme der Finanzierung nicht und bleibt bis zur Abstimmung vom 5. Juni
eine Wundertüte.»

Die Gegner der «Milchkuh»-Initiative bezeichnen das Anliegen als «Raubzug auf die Bundeskasse». Was entgegnen Sie ihnen?

n  Doris Fiala: Es hat mich extrem geärgert, dass der Bundesrat im Abstimmungsbüchlein irgendwelche Fantasiezahlen und -rechnungen aufstellt und schreibt – falls die Initiative angenommen würde – wo dann wie viel gespart werden müsste. Ist mir ganz neu, dass darüber nicht das Parlament befinden soll. Für mich ist das reine Abstimmungspropaganda und Angstmacherei. Damit wurde auch seitens der Regierungsräte und seitens Gemeindepräsidenten Stimmung gemacht – jeder hat Angst um seinen Garten.

Ich gebe gerne ein Bekenntnis ab, das wohl nicht allen gefallen wird: Die teilweise unnötige Bürokratie und die Auswüchse in den Verwaltungen müssen unbedingt genauer unter die Lupe genommen werden. Zudem darf man auch das Landwirtschaftsbudget durchaus hinterfragen und wenn die Armee – ich habe notabene für das Fünf-Milliarden-Budget überzeugt Ja gestimmt – keine ausreichende Anzahl umsetzungsreife Projekte hat, ist auch das keine heilige Kuh. Last but not least möchte ich die Frage zuhanden von economiesuisse stellen (der Verband hat ja die Nein-Parole beschlossen), und erfahren, ob es bloss Angst war zu befürchten, die Unternehmenssteuerreform lll könnte zu wenige mit Finanzmitteln alimentiert werden? Die 21 000 Stunden Stau auf den Strassen, die KMU und Gewerbe mit über zwei Milliarden Franken im Jahr hart belasten, müssten doch auch für die economiesuisse ein Thema sein.

Interview: Corinne Remund

ZU den PERSOnen

In KMU-Wirtschaft zuhause

Josef Wiederkehr führt in der vierten Generation mehrere Unternehmen im Bauhauptgewerbe und im Gerüstbau. Als Präsident des Schweizerischen Gerüstbau-Unternehmerverbands (SGUV) konnte er in den letzten sechs Jahren viel bewegen. Als Präsident des Industrie- und Handelsvereins Dietikon (IHV) und Präsident der Baugewerbegruppe KGV ist er stark in der KMU-Wirtschaft verwurzelt. Er ist seit 2005 Zürcher Kantonsrat sowie Vizepräsident der CVP Zürich.

Doris Fiala ist seit 2007 FDP-Nationalrätin, Vizepräsidentin der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission und Delegierte des Europarats. Sie ist Unternehmerin und führt realtions&more, eine Agentur für Öffentlichkeitsarbeit.

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