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Lebensversicherungsvertrag: Widerrufsrecht bei Altverträgen

Geld & Recht

Der Kläger begehrt die Rückzahlung geleisteter Versicherungsprämien. Am 1.5.1994 schloss er mit der Beklagten einen fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrag, kombiniert mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab. Die Laufzeit des Vertrages betrug 20 Jahre. Dabei wurde er nach § 8 Abs. 4 VVG in der bis zum 28.7.1994 geltenden Gesetzesfassung über sein Widerrufsrecht belehrt.

Der Kläger ist der Auffassung er sei im Jahre 1994 nicht wirksam belehrt worden, weshalb er mit Schreiben vom 5.5. 2015 - mithin nach vertragsgemäßen Ablauf am 30.4.2014 - den Vertrag habe widerrufen können. Vorher sei der Vertrag nicht abgerechnet worden. Ein „ewiges Widerrufsrecht“ bei ordnungswidriger Belehrung sei aus Gründen des Verbraucherschutzes auch bei Altverträgen zumindest analog nach den damals geltenden Bestimmungen des VerbrKrG und des HWiG anwendbar. Die Beklagte müsse ihm deshalb die gesamten geleisteten Prämien - nebst Zinsen - zurückerstatten.

Vor Gericht scheiterte der Kläger:

Altverträge wie der vorliegende, bei dessen Abschluss die Regelung des § 5a VVG noch gar nicht existiert hat, haben nur nach Maßgabe des § 8 Abs. 4 VVG a.F. widerrufen werden können. Ein „ewiges Widerrufsrecht“ sah diese Vorschrift nicht vor.

Das VerbrKrG war nach seinem § 1 in der seinerzeitigen Fassung ausschließlich auf Kreditverträge und Kreditvermittlungsverträge anwendbar an denen ein Verbraucher beteiligt gewesen ist. In seinem Anwendungsbereich sah § 7 Abs. 2 VerbrKrG in der seinerzeitigen Fassung auch für den Fall einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung nur eine befristete Widerrufsmöglichkeit vor, weil diese Bestimmung eine einjährige Ausschlussfrist enthielt. Danach war das Widerrufsrecht spätestens 1 Jahr nach Abgabe der auf den Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung erloschen. Der Widerrufszeitraum wäre deshalb auch dann, wenn diese Norm analogiefähig wäre, längst verstrichen gewesen.

Das HWiG wiederum hat den Versicherungsvertrag in § 6 ausdrücklich von der Anwendbarkeit dieses Gesetzes ausgenommen. Das ist eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gewesen, weshalb eine Regelungslücke auch insoweit nicht naheliegt. Ein im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehendes „ewiges Widerrufsrecht“ lässt sich deshalb nicht feststellen.

Der Verbraucherschutz und die richtlinienkonforme Auslegung hat nach dem 21.7.1994 verlangt die Abschluss- und Auswahlfreiheit des Verbrauchers zu schützen, damit er zwischen verschiedenen Versicherungsprodukten vergleichen kann, um diese nach seinen Bedürfnissen auszuwählen. Der Verbraucherschutz verlangt aber nicht, diesen Belang auch dann noch zu schützen, wenn der Verbraucher bereits zu erkennen gegeben hat, dass dieser Gesichtspunkt für ihn gar keine Bedeutung hat. Gerade das ist regelmäßig der Fall, wenn der Verbraucher über einen längeren Zeitraum überhaupt keine Anstalten gemacht hat, sich von einem eingegangenen Vertrag lösen zu wollen, sondern den Vertrag vorbehaltslos vollzogen und schließlich abgerechnet hat. In solchen Fällen überzeugt es in aller Regel mehr, ein Verhalten des Verbrauchers sich vom Vertrag wieder mit Rückwirkung (ex tunc) lösen zu wollen, als Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu qualifizieren, wobei als treuwidriger Umstand im vorliegenden Fall gerade ins Auge springt, dass der Kläger ohne Rücksicht auf die Belange der Versichertengemeinschaft und den durch sie erlangten langjährigen Versicherungsschutz die Prämie in vollem Umfang zurückerlangen will. Denn auch in den Fällen in denen aufgrund der jüngeren Rechtsentwicklung ein "ewiges Widerrufsrecht" anerkannt worden ist, bedarf es eines angemessenen Ausgleichs durch eine gerechte Risikoverteilung. Deshalb werden die Belange der Versichertengemeinschaft nach angemessenem Ausgleich, d.h. auch der von ihr gewährte Versicherungsschutz angemessen berücksichtigt, indem auf der Ebene des Bereicherungsausgleichs Risikozuschreibungen vorgenommen werden. Es handelt sich bei der Frage des angemessenen Ausgleichs deshalb auch um eine Frage der dogmatischen Verortung der Sachfrage, wie es vertragsrechtlich zu bewerten ist, wenn eine möglicherweise erlangte formale Rechtsstellung ohne Rücksicht auf die Belange des anderen Teils, die umso höher zu bewerten sind, je länger das Vertragsverhältnis gedauert hat, durchgesetzt werden soll.

Hinsichtlich des Zeitmoments hat die Beklagte in diesem Zusammenhang aber mit Recht auch darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber seit jeher selbst in den schwerwiegenden Fällen der vorsätzlichen Irrtumsherbeiführung durch arglistige Täuschung eine Ausschlussfrist von 10 Jahren vorgesehen hat (§ 124 Abs. 3 BGB). Nach diesem Zeitablauf ist eine Lösung vom Vertrag auch aus solchen schwerwiegenden Gründen nicht mehr möglich. Es ist deshalb nicht plausibel, warum der Fall einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung längerfristige Vertragslösungsmöglichkeiten gewähren soll, als sie von jeher bei den gravierenden Fällen der arglistigen Täuschung gegeben gewesen sind, wenn aufgrund einer langjährigen einvernehmlichen Vollzugspraxis erkennbar geworden ist, dass es dem Versicherungsnehmer gar nicht darauf angekommen ist, zwischen verschiedenen Versicherungsprodukten zu wählen. Der Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben, steht unbesehen des Zeitpunktes der Abrechnung des Vertrages in solchen Fällen auch eine richtlinienkonforme Auslegung nicht entgegen, weil auch im europäischen Recht der Einwand des Rechtmissbrauchs anerkannt ist.

Da es im vorliegenden Fall gerade nicht um die Frage eines angemessenen Ausgleichs nach langjährigem einvernehmlichen Vollzug des Vertrages und um die Klärung damit verbundener Abrechnungsfragen geht, sondern die Durchsetzung der vollständigen Rückerlangung der Prämie zu Lasten des von der Versichertengemeinschaft gewährten Versicherungsschutzes Gegenstand des Rechtsstreits ist, liegt ein Rechtsmissbrauch zur Überzeugung des Gerichts auf der Hand. Ein nachträglicher Widerruf - unbesehen des Abrechnungszeitpunktes - kann daher unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt mehr in Betracht kommen.


LG Magdeburg, 03.05.2016 - Az: 11 O 1624/15

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