5. Januar 2022
NFT Steuer
Steuerrecht

Ertragssteuerliche Behandlung sog. Non-Fungible-Token – Update #1

Die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus der Spekulation mit Bitcoin und Co. ist der Finanzverwaltung inzwischen geläufig. Gelten diese Grundsätze auch für Non-Fungible Token?

Der Einsatzbereich der sog. distributed ledger technology ist vielfältig. Durch Bitcoin, Ether & Co. hat die sog. blockchain-Technologie Bekanntheit in der Öffentlichkeit erlangt. Die Vielzahl an verfügbaren Kryptowährungen sind inzwischen sogar als hochvolatiles Anlagevehikel in den Fokus institutioneller Investoren gelangt. Weiter befeuert wurde und wird der Hype durch sog. Initial Coin Offerings, im Rahmen derer unternehmenseigene token zur Unternehmens- und Projektfinanzierung eingesetzt werden.

Seit Beginn des Jahres spricht die Kryptowelt auch über sog. Non-Fungible Token (NFT). Dahinter stecken nicht veränderbare Unikate in Form von token, die „verbriefte″ Rechte verkörpern und diese dem Inhaber einräumen (sog. Tokenisierung). Die Tokenisierung erfolgt bspw. bei digitalen Kunstwerken, um die Echtheit sowie die Urheberschaft darzustellen und vor der ungewollten Reproduktion zu schützen.

Die rechtlichen Herausforderungen rund um NFT sind vielfältig. Auch in steuerlicher Hinsicht unterliegt der Handel mit NFT einigen Besonderheiten, auf die wir hier eingehen wollen.

Ertragsteuerliche Behandlung von coins/token nach den tradierten Besteuerungsregimen

Grundsätzlich sieht das Ertragsteuerrecht keine ausdrücklichen Regelungen für die Besteuerung von Einkünften aus dem Erhalt, Tausch, Halten oder der Veräußerung von coins/token oder der Transaktionen innerhalb der blockchain vor.

Daher werden auf Basis der derzeitigen Rechtslage die „üblichen″ Besteuerungsgrundsätze herangezogen. Diese Grundsätze hatten die Finanzbehörde Hamburg (Erlass v. 11. Dezember 2017 – S 2256-2017/003-52) und die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen (20. April 2018, Nr. 04/2018) bisher für die Veräußerung von Bitcoins dargestellt; übertragen sie aber auch auf andere coins/token. Nachdem die Bundesregierung bereits im April 2021 infolge einer kleinen Anfrage im Bundestag zur „Besteuerung von Kryptowährungen“ mit wenigen Worten die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung der Länder bestätigt hat, hat das Bundesministerium für Finanzen (BMF) einen Entwurf eines BMF-Schreibens (17. Juni 2021) veröffentlicht, welches ertragsteuerlich die tradierten Besteuerungsgrundsätze bemüht. Zuvor hatte sich das BMF nur zur umsatzsteuerlichen Behandlung und der Umsatzsteuerfreiheit der Leistungen der Handelsplattformen geäußert.

Veräußerungsgewinne, die natürliche Personen oder Personengesellschaften erzielen, können danach entweder als

der Besteuerung unterliegen. 

Laufende Erträge (wie bspw. Erträge aus Liquid Pools) im Privatvermögen könnten auch nach § 22 Nr. 3 EStG als sonstige Einkünfte zu besteuern sein.

Für die so wichtige Differenzierung zwischen gewerblicher und privater (vermögensverwaltender) Tätigkeit stellt das BMF in seinem Entwurf auf die vom Bundesfinanzhof entwickelten Abgrenzungskriterien zum gewerblichen Wertpapier- und Devisenhandel ab. Demnach erfordert eine gewerbliche Betätigung ein händler- bzw. bankentypisches Verhalten unter Nutzung eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs. Anhaltspunkte können (i) ein kurzfristiger und häufiger Umschlag (ii) unter Einsatz von Fremdkapital sein.

Liegen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften vor, bleiben die Veräußerungsgewinne bis zu einer Höhe von EUR 600 im Veranlagungszeitraum steuerfrei (§ 23 Abs. 3 Satz 5 EStG). Beträgt der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung mehr als ein Jahr, sind die Gewinne in voller Höhe steuerfrei. Bei Wirtschaftsgütern, aus deren Nutzung als Einkunftsquelle zumindest in einem Kalenderjahr Einkünfte erzielt werden, erhöht sich der Zeitraum auf zehn Jahre.

Auch unter Berücksichtigung des Entwurfs eines BMF-Schreibens ist für die Frage, ob ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft innerhalb der Haltedauer vorliegt, unerheblich, ob die getauschten coins/token als FIAT-Währung auf dem sog. exchange (einer zentralen oder dezentralen Tauschbörse für coins/token) belassen oder auf ein Konto bei einem Zahlungsdienstleister (bspw. paypal, binance-Kreditkarte etc.) oder Kreditinstitut transferiert (cash-out) werden. Auch die wallet auf dem exchange dürfte der Vermögensphäre des Steuerpflichtigen zugerechnet werden.

Die einkommensteuerliche Belastung richtet sich nach dem individuellen Einkommensteuersatz (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer). Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit unterliegen zusätzlich ca. 13 % – 18 % Gewerbesteuer, vorbehaltlich des gewerbesteuerlichen Freibetrags (EUR 24.500) und einkommensteuerlicher Anrechnung.

Diskutiert wird teilweise auch der in Österreich verfolgte Ansatz, eine Besteuerung anhand der Regelungen für Kapitalvermögen in Höhe der Kapitalertragsteuer (26,375 % inkl. Solidaritätszuschlag, ggf. zzgl. Kirchensteuer) vorzunehmen. Mit der Veröffentlichung des Entwurfs eines BMF-Schreibens hat die Finanzverwaltung jedoch erkennen lassen, dass sie Kryptowährungsgeschäfte derzeit grundsätzlich in das Regime der §§ 2223 EStG einordnet. Ob das BMF unter dem neuen Bundesminister Christian Lindner die Besteuerung wie bei Kapitalerträgen vorschlägt, bleibt abzuwarten und ist zuletzt eine politische Entscheidung für bzw. gegen den Kryptostandort Deutschland. Mit dem Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler weist die FDP aber Expertise auf, die nützlich sein dürfte. 

Veräußert eine Kapitalgesellschaft coins/token, unterliegen die Gewinne stets der Körperschaftsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer in Höhe von insgesamt ca. 30 %, unabhängig von der Haltedauer.

Diskussion in der Rechtsprechungspraxis: Coins/token als „andere Wirtschaftsgüter“ im Sinne des Besteuerungstatbestandes

Da bislang kaum Sachverhalte mit Kryptowährungsbezug zu entscheiden waren, gibt es bisher nur wenige finanzgerichtliche Erkenntnisse.

Gegenstand des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz vor dem FG Berlin-Brandenburg (Beschluss v. 20. Juni 2019 – 13 V 13100/19) war die Qualifikation der Erträge beim Tausch von Ether mit Bitcoin als sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. Der Kläger hatte unter Verweis auf die technischen Abläufe dargelegt, dass die Erträge nicht infolge von Anschaffung und Veräußerung entstanden seien. Mangels durchsetzbarer Rechte von wirtschaftlichem Wert, sollte es sich bei den coins nicht um „andere Wirtschaftsgüter″ im Sinne des Besteuerungstatbestandes handeln. Das FG hatte an der vorgenommenen Besteuerung jedoch keine ernstlichen Zweifel und stufte Bitcoin als steuerverstrickte, private Vermögensgegenstände ein, die im Geschäftsgebrauch als Zahlungsmittel akzeptiert würden. Ob die technische Ausgestaltung eines coins ggf. zu unterschiedlichen rechtlichen Wirkungen führen sollte, ließ das Finanzgericht offen. Dem Beschluss ist entgegenzuhalten, dass das FG in der Beschlussbegründung an Bitcoin anknüpft, obwohl es sich um Ether handelte.

Das FG Nürnberg (Beschluss v. 8. April 2020 – 3 V 1239/19) hatte demgegenüber (ebenfalls im einstweiligen Rechtsschutz) in einem anderen Fall ernstliche Zweifel an der Besteuerung durch das Finanzamt; insbesondere daran, ob es sich bei coins/token um andere Wirtschaftsgüter handele. Der Steuerpflichtige begegnete der Einordnung als Wirtschaftsgut mit dem Argument der extremen Volatilität. Das FG beanstandete u.a., dass das Finanzamt die technischen Abläufe nicht nachvollzogen und damit den maßgebenden Sachverhalt nicht ermittelt habe, obwohl sie die Feststellungslast für treffe, wenn sie die Steuerlast des Steuerpflichtigen (vorbehaltlich der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen) erhöhen wolle. Das FG führte aber aus, dass die bestehenden steuerlichen Vorschriften ausreichend seien, um die Besteuerung von Geschäftsvorfällen mit einer Kryptowährung zu beurteilen.

Die Qualifikation als andere Wirtschaftsgüter nahm das FG Baden-Württemberg (Urteil v. 11. Juni 2021 – 5 K 1996/19) an. Das FG befand, dass der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts weit zu fassen sei. Zentral käme es auf das Vorliegen eines vermögenswerten Vorteils, der einer selbstständigen Bewertung zugänglich ist, an. Dies sei auch bei Kryptowährungen der Fall, wie bereits der Handel an speziellen Börsen zu teils hohen Preisen zeige. Zudem bestehe die Möglichkeit der Nutzung als Zahlungsmittel und eine Chance auf Wertsteigerung. 

Zu erwarten ist, dass sich auch das FG Köln (14 K 1178/20) in Kürze äußern wird.

Sind die allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätze auf die Besteuerung von NFT übertragbar?

Ausgangspunkt ist auch bei NFTs der Begriff des „anderen Wirtschaftsguts″. Er umfasst alle vermögenswerten Vorteile, die nicht Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte und einer selbstständigen Bewertung zugänglich sowie von längerfristigem Nutzen sind. Dazu zählen insbesondere (i) Wertpapiere, wobei deren Veräußerung ab dem Veranlagungszeitraum 2009 im Rahmen des § 23 EStG durch § 20 Abs. 2 EStG an Bedeutung verloren hat, und (ii) bewegliche Wirtschaftsgüter des Privatvermögens (bspw. Kunstwerke, Tiere und Rechte).

Diese Kriterien dürften jedenfalls auf den ersten Blick für NFTs zutreffen. Einerseits erfüllen die token eine Nutzungskomponente, indem sie dem Inhaber das „verbriefte″ Recht (bspw. an einem digitalen Kunstwerk) einräumen. Andererseits sind die token übertragbar und handelbar. Prominente Beispiele von Versteigerungen digitaler Kunst zeigen, welches Wertschöpfungspotential bspw. hinter tokenisierter Kunst stehen kann. Die selbständige Bewertung wird daher durch die teils horrenden Preise deutlich und die Langfristigkeit des Nutzens mag zwar in ihrer Ausdehnung fraglich sein, nicht aber dem Grunde nach. Letztlich erhält der Inhaber des NFTs ein bestimmtes „verbrieftes″ Recht und damit ein den Besteuerungsregeln bekanntes immaterielles Wirtschaftsgut.

Parallelen bestehen insoweit auch zu aktuell noch bekannteren Gegenständen des täglichen Lebens. So hatte der Bundesfinanzhof (Urteil vom 29. Oktober 2019, Az. IX R 10/18, BStBl II 2020, 258) über die Besteuerung des Veräußerungsgewinns von Tickets für das Finale der UEFA Champions League zu entscheiden. Der Kläger hatte die Tickets über die UEFA-Website im April 2015 zu einem Preis i.H.v. EUR 330 erworben und beabsichtigte ursprünglich, selbst das Finale zu besuchen. Im Mai 2015 entschied er sich die Tickets zu veräußern und erzielte einen Gewinn i.H.v. ca. EUR 2.900. Das Finanzamt legte die Nutzungskomponente als Eintrittskarte sowie eine Wertsteigerungskomponente der Tickets infolge der hohen Nachfrage und der Handelsmöglichkeit auf dem Schwarzmarkt dar. Infolgedessen solle es bei den Tickets sich um „andere Wirtschaftsgüter″ handeln, deren Veräußerung unter die Besteuerung eines privaten Veräußerungsgeschäfts fallen können. Der Bundesfinanzhof folgte der Auffassung des Finanzamts. Dies dürfte für NFTs, die bspw. in Zukunft gerade auch zur Personalisierung derartiger Tickets eingesetzt werden könnten, ebenso gelten.

Sofern die NFTs nicht von einer Kapitalgesellschaft veräußert werden oder die Veräußerung einer gewerblichen Tätigkeit einer natürlichen Person oder Personengesellschaft zugeordnet werden kann, sollte die Veräußerung daher ebenfalls dem Regime der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften unterfallen. Aufgrund der bisherigen Äußerungen der Finanzverwaltung ist derzeit davon auszugehen, dass diese ertragsteuerlich keinen Unterschied zwischen den Ausbildungen der token macht und ihre Besteuerung einheitlich behandelt.

Ertragsteuerliche Rechtsunsicherheit bleibt bestehen

Die Welt der blockchain bleibt agil und ist von Hypes geprägt. Wie nachhaltig sich die einzelnen Umsetzungen auch abseits der „analogen″ Finanzwelt etablieren können, wird die Zukunft zeigen.

Aus steuerlicher Sicht hat der Entwurf des BMF-Schreibens bei der ertragsteuerlichen Behandlung von token den Eindruck erweckt, dass die Finanzverwaltung die technischen Feinheiten der coins/token unbeachtet lässt und an ihrer bisherigen (pauschalen) Auffassung festhält. Zum Umgang mit NFTs bezieht der Entwurf des BMF-Schreibens keine Stellung. 

Der Entwurf des BMF-Schreibens bestätigt unsere Annahme, dass die Finanzverwaltung auch in Zukunft nicht zu jeder Einsatzmöglichkeit der blockchain gesondert Stellung (selbst der Entwurf befasst sich nur mit Geschäftsmodellen, die bis Ende des Jahres 2019 bekannt waren) nehmen, sondern sich auf das tradierte Besteuerungssystem verlassen wird. Mit den Besteuerungsnormen für gewerbliche Einkünfte, Einkünfte aus Leistungen sowie aus privaten Veräußerungsgeschäften bieten sich der Finanzverwaltung umfassende Besteuerungsmöglichkeiten. 

Ob die bisherige (pauschale) Auffassung der Verwaltung, ohne Beachtung der technischen Feinheiten der coins/token, der (höchst-)finanzgerichtlichen Beurteilung standhalten wird, bleibt abzuwarten. Dies gilt auch mit Blick auf die immer wieder aufgeworfene Frage, ob eine Besteuerung von Einkünften aus Kryptowährung wegen eines etwaig bestehenden strukturellen Vollzugsdefizits überhaupt verfassungsgemäß ist. 

In der Praxis hat sich jedenfalls gezeigt, dass die Veräußerung von token in allen Fällen in Abstimmung mit einem steuerlichen Berater erfolgen sollte und die Transaktionen nachvollziehbar zu dokumentieren sind. Wir unterstützen Sie gerne bei der steuerlichen Bewertung.

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