Denkfehler
Wie unser Gehirn in Fallen tappt

Treffen Sie rationale Entscheidungen? Herzlichen Glückwunsch – und träumen Sie weiter. Unserem Hirn unterlaufen ständig Denk- und Wahrnehmungsfehler. Aber wer diese kennt, kann sie verhindern. Drei Beispiele.

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Vorsicht Falle! Dass der Käse nicht ein Festmahl, sondern den Tod bedeutet, ahnen Mäuse nicht. Ähnlich funktioniert oft unser Hirn: Es begeht Denkfehler und tappt in Wahrnehmungsfallen.
Vorsicht Falle! Dass der Käse nicht ein Festmahl, sondern den Tod bedeutet, ahnen Mäuse nicht. Ähnlich funktioniert oft unser Hirn: Es begeht Denkfehler und tappt in Wahrnehmungsfallen.

Unser Gehirn führt ein Eigenleben: Es trickst uns aus, ohne dass wir es merken. Permanent versucht es, Komplexes so zu vereinfachen, dass wir nicht durch zu viele Informationen überfordert sind und Entscheidungen fällen können. Das Problem: Das Gehirn blendet dabei Fakten aus und spinnt aus anderen rote Fäden, mit Hilfe derer wir uns orientieren sollen. Und wir merken von alldem nichts. Wir sind der festen Überzeugung, die Welt ganz rational so wahrzunehmen, wie sie ist. In Wahrheit unterlaufen uns ständig Denk- und Wahrnehmungsfehler, die in wissenschaftlichen Experimenten belegt wurden. Wer sie kennt, kann Fehler vermeiden. Zu den typischen gehören zum Beispiel diese drei:

Der Bestätigungsfehler: Wir lieben, was uns bestätigt

„Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“ – unsere Wahrnehmung ist wählerisch. Wir nehmen am liebsten nur das wahr, das für uns angenehm ist, das mit unseren Überzeugungen und unserer Weltanschauung übereinstimmt. Was nicht passt, blenden wir bewusst oder unterbewusst aus – egal, ob das sinnvoll ist oder nicht. Wenn wir also beispielsweise eine Entscheidung fällen, suchen wir anschließend Anzeichen dafür, dass wir richtig gehandelt haben. Gegenläufiges wird ausgeblendet.

Dass das riskant ist, liegt auf der Hand: Wir verlieren den Blick für Warnzeichen, die uns helfen Entscheidungen zu korrigieren. Was aber können wir dagegen tun? Uns ein Beispiel am Naturwissenschaftler Charles Darwin nehmen. Er stellte seine Überzeugungen systematisch in Frage: Neue Entdeckungen, die seinen bisherigen Auffassungen widersprachen, schrieb er innerhalb von 30 Minuten auf, um sie sich immer wieder zu vergegenwärtigen und nicht Opfer des Selbstbestätigungsreflexes zu werden.

Die Truthahn-Illusion: Warum wir manchmal so naiv sind wie ein Federvieh

Das menschliche Hirn sucht nach Regelmäßigkeiten, nach Trends – und neigt dazu, sie einfach in die Zukunft fortzuschreiben. Zum Beispiel: Ich habe jedes Jahr mehr Kunden gewinnen können – also werde ich auch nächstes Jahr mehr Kunden gewinnen. In der Wissenschaft wird dies auch Truthahn-Illusion genannt.

Der Begriff geht auf Nassim Nicholas Taleb zurück, der in seinem Bestseller „Der schwarze Schwan“ die Geschichte eines Truthahns erzählte: Der Truthahn ist guten Mutes, weil ihn jeden Tag freundliche Menschen füttern. Er glaubt, dass das immer so weiter gehen wird und fühlt sich sicher. Ein Trugschluss, denn seine Schlachtung rückt immer näher.

Kurz vor Erntedank dann die für ihn unvorhergesehene Katastrophe: Er wird geschlachtet. Der Truthahn war der Illusion erlegen, er habe aufgrund der aktuellen Entwicklung (er wird täglich umsorgt) ein Risiko kalkulieren können.

Auch uns passiert dieser Denkfehler und je länger ein Trend andauert, desto selbstsicherer wähnen wir uns auf der richtigen Spur. Umso wichtiger ist es, sich klar zu machen, dass es keine Gewissheit gibt – und jeder liebgewonnene Trend ein jähes Ende finden kann.

Buch zum Thema
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Der Halo-Effekt

Schon mal von der WYSIATI-Formel gehört? Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman hat sie aufgestellt. WYSIATI steht für „What you see is all there is“, also „Nur was du siehst, ist vorhanden“. Was Kahneman damit sagen will: Wenn wir Entscheidungen fällen, berücksichtigen wir dabei nur die aktuell verfügbaren Informationen. „Wir können einfach nicht anders, als mit den beschränkten Informationen, die wir besitzen, so zu verfahren, als wären sie alles, was man über das Thema wissen kann“, erläutert Kahneman. Die fehlenden Informationen ersetzen wir einfach so, wie es uns logisch erscheint und wie es unserer Erfahrung entspricht.

Nach diesem Schema beurteilen wir zum Beispiel auch Menschen: Wir kennen nur wenige Eigenschaften eines Menschen. Aus diesen wenigen setzen wir unbewusst ein Gesamtbild zusammen, das wahrscheinlich nicht der Realität entspricht. Zum Beispiel: Die Frau ist sympathisch, also ist sie bestimmt auch loyal und ehrlich – obwohl es für letzteres keinen einzigen Hinweis gibt. Oder: Der Mann gibt seinen Kindern geschnipselte Bio-Äpfel, der ist bestimmt ein liebender Vater. Oder: Der Kollege hat immer einen ordentlichen Schreibtisch, der arbeitet bestimmt strukturiert und ist sehr verlässlich.

Wie ein Heiligenschein überstrahlt ein Aspekt das Gesamtbild. Wissenschaftler sprechen darum vom Halo-Effekt, Halo ist das englische Wort für Heiligenschein. Unser Blick für negative Eigenschaften dieses Menschen ist dann getrübt. Natürlich funktioniert das auch andersherum. Der Mitarbeiter kam am ersten Tag zu spät, der ist bestimmt nicht gut in seinem Job. Aus einem negativen Eindruck schließen wir auf weitere schlechte Eigenschaften. Das ist dann der Teufelshörner- oder Mistgabel-Effekt.

Diesen Fehler machen wir übrigens auch, wenn wir Unternehmen einschätzen. So neigen wir zu der Auffassung, dass Unternehmen scheitern, weil ihr Chef zu unbeweglich ist. Dabei ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass es sich genau umgekehrt verhält: Die Führungsspitze erscheint nur deshalb als unbeweglich, weil die Geschäfte der Firma schlecht laufen.

In eigener Sache
Machen ist wie wollen, nur krasser
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Die impulse-Mitgliedschaften - Rückenwind für Unternehmerinnen und Unternehmer

Der gleiche Mechanismus greift in der Regel auch im umgekehrten Fall: Ist es einem Unternehmen gelungen, eine Zeit lang hoch profitabel zu sein, so nehmen wir gern fälschlicherweise an, dass es in allen Bereichen exzellent sein muss, beispielsweise im Vertrieb, im Marketing oder in der Personalführung. Möglicherweise hatte das Unternehmen aber einfach nur Glück mit dem Timing.

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Was nicht passt, blenden wir bewusst oder unterbewusst aus – egal, ob das sinnvoll ist oder nicht. Wenn wir also beispielsweise eine Entscheidung fällen, suchen wir anschließend Anzeichen dafür, dass wir richtig gehandelt haben. Gegenläufiges wird ausgeblendet. Dass das riskant ist, liegt auf der Hand: Wir verlieren den Blick für Warnzeichen, die uns helfen Entscheidungen zu korrigieren. Was aber können wir dagegen tun? Uns ein Beispiel am Naturwissenschaftler Charles Darwin nehmen. Er stellte seine Überzeugungen systematisch in Frage: Neue Entdeckungen, die seinen bisherigen Auffassungen widersprachen, schrieb er innerhalb von 30 Minuten auf, um sie sich immer wieder zu vergegenwärtigen und nicht Opfer des Selbstbestätigungsreflexes zu werden. Die Truthahn-Illusion: Warum wir manchmal so naiv sind wie ein Federvieh Das menschliche Hirn sucht nach Regelmäßigkeiten, nach Trends – und neigt dazu, sie einfach in die Zukunft fortzuschreiben. Zum Beispiel: Ich habe jedes Jahr mehr Kunden gewinnen können – also werde ich auch nächstes Jahr mehr Kunden gewinnen. In der Wissenschaft wird dies auch Truthahn-Illusion genannt. Der Begriff geht auf Nassim Nicholas Taleb zurück, der in seinem Bestseller „Der schwarze Schwan“ die Geschichte eines Truthahns erzählte: Der Truthahn ist guten Mutes, weil ihn jeden Tag freundliche Menschen füttern. Er glaubt, dass das immer so weiter gehen wird und fühlt sich sicher. Ein Trugschluss, denn seine Schlachtung rückt immer näher. Kurz vor Erntedank dann die für ihn unvorhergesehene Katastrophe: Er wird geschlachtet. Der Truthahn war der Illusion erlegen, er habe aufgrund der aktuellen Entwicklung (er wird täglich umsorgt) ein Risiko kalkulieren können. Auch uns passiert dieser Denkfehler und je länger ein Trend andauert, desto selbstsicherer wähnen wir uns auf der richtigen Spur. Umso wichtiger ist es, sich klar zu machen, dass es keine Gewissheit gibt – und jeder liebgewonnene Trend ein jähes Ende finden kann. Der Halo-Effekt Schon mal von der WYSIATI-Formel gehört? Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman hat sie aufgestellt. WYSIATI steht für „What you see is all there is“, also „Nur was du siehst, ist vorhanden“. Was Kahneman damit sagen will: Wenn wir Entscheidungen fällen, berücksichtigen wir dabei nur die aktuell verfügbaren Informationen. „Wir können einfach nicht anders, als mit den beschränkten Informationen, die wir besitzen, so zu verfahren, als wären sie alles, was man über das Thema wissen kann“, erläutert Kahneman. Die fehlenden Informationen ersetzen wir einfach so, wie es uns logisch erscheint und wie es unserer Erfahrung entspricht. Nach diesem Schema beurteilen wir zum Beispiel auch Menschen: Wir kennen nur wenige Eigenschaften eines Menschen. Aus diesen wenigen setzen wir unbewusst ein Gesamtbild zusammen, das wahrscheinlich nicht der Realität entspricht. Zum Beispiel: Die Frau ist sympathisch, also ist sie bestimmt auch loyal und ehrlich – obwohl es für letzteres keinen einzigen Hinweis gibt. Oder: Der Mann gibt seinen Kindern geschnipselte Bio-Äpfel, der ist bestimmt ein liebender Vater. Oder: Der Kollege hat immer einen ordentlichen Schreibtisch, der arbeitet bestimmt strukturiert und ist sehr verlässlich. Wie ein Heiligenschein überstrahlt ein Aspekt das Gesamtbild. Wissenschaftler sprechen darum vom Halo-Effekt, Halo ist das englische Wort für Heiligenschein. Unser Blick für negative Eigenschaften dieses Menschen ist dann getrübt. Natürlich funktioniert das auch andersherum. Der Mitarbeiter kam am ersten Tag zu spät, der ist bestimmt nicht gut in seinem Job. Aus einem negativen Eindruck schließen wir auf weitere schlechte Eigenschaften. Das ist dann der Teufelshörner- oder Mistgabel-Effekt. Diesen Fehler machen wir übrigens auch, wenn wir Unternehmen einschätzen. So neigen wir zu der Auffassung, dass Unternehmen scheitern, weil ihr Chef zu unbeweglich ist. Dabei ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass es sich genau umgekehrt verhält: Die Führungsspitze erscheint nur deshalb als unbeweglich, weil die Geschäfte der Firma schlecht laufen. Der gleiche Mechanismus greift in der Regel auch im umgekehrten Fall: Ist es einem Unternehmen gelungen, eine Zeit lang hoch profitabel zu sein, so nehmen wir gern fälschlicherweise an, dass es in allen Bereichen exzellent sein muss, beispielsweise im Vertrieb, im Marketing oder in der Personalführung. Möglicherweise hatte das Unternehmen aber einfach nur Glück mit dem Timing.
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