StartseiteRegionalRegion AllgäuWangenDie Sache mit dem WG-Kennzeichen ist einfach – und doch so kompliziert

Wiedereinführung

Die Sache mit dem WG-Kennzeichen ist einfach – und doch so kompliziert

Wangen / Lesedauer: 4 min

Die Debatte um Wiedereinführung des Wangener Kennzeichens hat Fahrt aufgenommen. Diese darf die Bevölkerung aber nicht spalten, warnt Jan Peter Steppat. Ein Kommentar.
Veröffentlicht:29.06.2018, 19:26

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Gerade etwas mehr als eine Woche ist es her, dass der seit Jahren im Raum Wangen eher unterschwellig formulierte Wunsch nach Wiedereinführung des WG-Kennzeichens in die Gründung einer Initiative gemündet ist. Seither hat die Schilderdebatte Fahrt aufgenommen: 230 Pro-Unterschriften kamen gleich drei Tage nach der ersten Versammlung beim Oldtimertreffen am Milchpilz zusammen, in diversen Internetforen im Landkreis Ravensburg wird diskutiert, einige Kreistagsmitglieder haben dort Position bezogen – und am Freitag gab es bereits das erste offizielle Statement einer Kreistagsfraktion: Die ÖPD reiht sich bei den Kennzeichen-Liberalisierern ein, und deren Kopf ist immerhin ein Ravensburger.

Mit einem derartigen Tempo haben wahrscheinlich die wenigsten gerechnet – am allerwenigsten wohl die Gründer selbst. Genau diese – sonst kommunalpolitisch selten gekannte – Rasanz zeigt aber: Die Wiedereinführung alter Kennzeichen ist beileibe kein Thema von vorgestern oder gestern, sondern ein hoch aktuelles. Ob es ihnen gefällt oder nicht: Das dürften auch die Skeptiker und Gegner wahrgenommen haben.

Beide Seiten sollten deshalb jetzt (neu) überlegen, wie sie weiter vorgehen. Die WG-Befürworter sind nach wie vor klug beraten, ganz klar zu betonen, mit ihrer Initiative keineswegs auf eine Spaltung abzuzielen. Diese will niemand, und die darf es auch nicht geben. Punkt.

Zugleich setzten sie bei ihrer Gründung vor gut einer Woche auf einen langen Atem. Dabei hatten sie im Blick, das Thema zu einem des Kommunalwahlkampfs im kommenden Frühjahr zu machen. Und mit den Erfahrungen aus dem Bodenseekreis war von Zeitfenstern über mehrere Jahre die Rede, ehe sie mit der Durchsetzung (der am See nach wie vor nicht zugelassenen) Retrokennzeichen rechnen.

Jetzt aber kann es sein, dass alles schneller als gedacht geht – zumindest, was den Zeitpunkt einer grundlegenden Debatte im Kreistag angeht. Denn der Antrag der – zugegebenermaßen kleinen – ÖDP-Fraktion dazu steht. Und zwar richtigerweise. Denn den Wahlkampf sollten die wirklich wichtigen Themen beherrschen, nicht aber ein – trotz aller schlüssigen, sachlichen und guten Argumente der Befürworter – zur Polarisierung geeignetes wie die Retro-Kennzeichen. Auf der Contra-Seite ist deshalb jetzt der Landrat am Zug. Als Bewahrer des alleinigen RV-Schriftzugs bekannt, ist er gefordert, diese Debatte im Plenum zuzulassen oder – wenn er klug beraten ist – sogar selbst dazu aufzurufen. Sicher im Sinne aller politischen Kräfte im Kreistag. Denn deren Anliegen kann es sicher nicht sein, mit Schilderdebatten Wahlkampf machen zu müssen.

Wegen des Polarisierungspotenzials, vor allem aber vor dem Hintergrund, dass sich wohl nur in wenigen Fraktionen, Parteien und Listen klare Meinungsbilder abzeichnen dürften. Beispiele gefällig? Aus der CDU-Kreistagsfraktion hat sich der Niederwangener Hans-Jörg Leonhardt sehr schnell auf die Seite der WG-Befürworter gestellt. Ganz anders dessen Ravensburger Fraktionskollege Rudi Hämmerle, der das Ansinnen als „vollkommenen Unsinn“ abtat. Oder die Grünen: Gerold Fix war einst Wangener GOL-Stadtrat, heute hat er die Initiative mit aus der Taufe gehoben. Tilman Schauwecker, heute Fraktionssprecher der Wangener GOL, fasste kürzlich allein schon deren Gründung als „Drohung“ auf.

Unterm Strich dürfte es politisch kompliziert werden. Dabei ist das Thema an sich einfach. Man lässt die Schilder zu – und fertig. Keine übergeordnete Behörde, kein Land und kein Bund wird sich dagegen stemmen. Und der Verwaltungsaufwand dürfte gering sein. Das jedenfalls stellt der in Sachen Retrokennzeichen bundesweit erfahrene Experte Ralf Borchert plausibel dar: Es müsse lediglich die EDV-Maske der Zulassungsbehörde erweitert werden.

Das mag sicher oft zutreffen – und wäre auch dem Landratsamt Ravensburg zu wünschen. Die Rechnung geht aber nur auf, wenn Debatte und möglicher Beschluss nicht auf die Kürzel SLG und BC erweitert werden. Erstens, weil bislang kein Bedarf bekannt ist, zweitens, weil es zumindest im letzten Fall kompliziert würde: BC ist ein eingeführtes Kennzeichen, und dann ist womöglich bei jedem entsprechenden Zulassungswunsch eines Fahrzeughalters aus dem Landkreis Ravensburg ein Datenabgleich mit Biberach nötig. Heißt: Einfaches wird komplizierter – und eventuell teurer. Dann aber hätten die Retro-Gegner ein Argument. Eines von sehr wenigen.

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