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Arzneimittelbewertung Neue Medikamente sind nur selten besser

Das Arzneimittelgesetz fordert für neue Medikamente den Nachweis eines Zusatznutzens gegenüber bereits zugelassenen Präparaten. Eine erste Bilanz zeigt jetzt: Nur eins von fünf neuen Produkten ist deutlich besser.
Apothekerin: Vergleich von Alt- und Neu-Medikamenten

Apothekerin: Vergleich von Alt- und Neu-Medikamenten

Foto: Adam Berry/ Getty Images

Berlin - Viele Pharmahersteller fürchten diese Frage: Ist ein neu zugelassenes Medikament automatisch besser als jene, die es zuvor auf dem Markt gab? Genau damit beschäftigt sich seit Geltungsbeginn des neuen Arzneimittelgesetzes Amnog, das höchste Gremium im Gesundheitswesen, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), dem Vertreter von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken angehören.

Jetzt hat der G-BA eine Bilanz gezogen, doch die fällt nicht besonders gut aus: Zwar helfen demnach zwei von drei neuen Arzneimitteln gegen schwere Krankheiten den Patienten mehr als die bisher gängigen Medikamente. Doch die Bescheinigung eines wirklich beträchtlichen Zusatznutzens verfehlten die allermeisten dieser Präparate gegen Krebs, Bluthochdruck, Diabetes und andere Leiden.

Das geht aus der offiziellen G-BA-Prüfung hervor, die der Deutschen Presseagentur (dpa) vorliegt. Im Detail sieht die G-BA-Bilanz gut zwei Jahre nach Inkrafttreten der Arzneireform so aus: Von 37 überprüften Mitteln erkannte der G-BA in sieben Fällen einen beträchtlichen Zusatznutzen. In 14 einen geringen und in drei einen nicht näher bestimmbaren. Den meisten anderen Medikamenten wurde kein Mehrwert oder das Fehlen vollständiger Nachweise bescheinigt.

Strittig ist im Gesundheitswesen, wie die Erfahrungen mit diesen Bewertungen zu beurteilen sind. Denn noch steht eine neue, weit größere Welle solcher Arznei-Überprüfungen an. Dazu sagte der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken, nun zeige sich, dass die Bewertungen seines Gremiums fair seien. "Damit liegen wir deutlich über den Bewertungsergebnissen in anderen Vergleichsstaaten."

Vertreter der Pharmaindustrie hatten dagegen immer wieder vor den Bewertungsverfahren gewarnt. Die Geschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa), Birgit Fischer, sagte, durch die Bewertungen komme die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln in der Realität nur noch bei wenigen an. Als Begründung führte sie an, dass der G-BA zwar für ähnlich viele Medikamente einen Zusatznutzen definiere wie Prüfinstanzen in anderen Ländern. "Durch seine Entscheidungspraxis beschränkt der G-BA diesen Zusatznutzen aber tatsächlich auf einen kleineren Teil der Patienten."

Unterschiedliche Bewertung für verschiedene Patientengruppen

Hintergrund ist, dass der G-BA bei der Bewertung eines einzelnen Mittels zwischen dem Zusatznutzen für verschiedene Patientengruppen unterscheidet, bei denen das Mittel angewendet wird. Fischer warf dem G-BA vor, die Zahl der Patienten, für die ein Zusatznutzen herausgearbeitet werde, dabei künstlich klein zu halten.

Vor einem Jahr führten erstmals ein Pharmahersteller und die Krankenkassen Preisverhandlungen über ein neues Arzneimittel infolge dieser Bewertungen zum Abschluss. Nur was wirklich mehr bringt, soll auch mehr kosten, so sieht es das Amnog vor.

Mit Spannung wird nun auch die Bewertung schon länger auf dem Markt befindlicher Arzneimittel erwartet. Diese Prüfung des sogenannten Bestandsmarkts hatte der G-BA im April beschlossen. Als erstes stehen Wirkstoffe zur Behandlung von Volkskrankheiten wie Diabetes, Osteoporose und Depressionen auf der Liste des Gremiums.

Politisches Ziel der Bewertungen sind Einsparungen in Milliardenhöhe. So sollen jetzt die umsatzstärksten Mittel geprüft werden, die unter Patentschutz stehen und oft bereits seit Jahren millionenfach verordnet werden. Laut Hecken haben die für die erste Runde ausgewählten Medikamente ein Umsatzvolumen von zusammen etwa fünf Milliarden Euro. Der G-BA stellt sie auf Basis einer wissenschaftlichen Expertise und Dossiers der Hersteller auf den Prüfstand. Die ersten Dossiers müssen die Firmen laut Hecken am 15. Oktober vorlegen.

cib/dpa