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„Wollt Ihr mit Euren Steuern Griechenland finanzieren?“

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AfD-Gründungsparteitag: Euro-Gegner nehmen Kurs auf den Bundestag – Wahlprogramm per Akklamation Von Thomas Lanig

Berlin – So eine Parteigründung ist keine einfache Sache. Mit großem Enthusiasmus waren rund 1500 Mitglieder der Alternative für Deutschland (AfD) nach Berlin gekommen, mit großer Lust, sich selbst zu feiern und den Euro-Gegnern endlich eine schlagkräftige Organisation zu geben. Aber zweieinhalb Stunden nach Beginn des Gründungsparteitags hatte sich die Versammlung an der Satzung festgebissen, etwa an der Frage, ob der Name der Partei mit oder ohne Anführungszeichen geschrieben werden soll.

Dass am Ende doch ein großer Schritt vorwärts Richtung Bundestag gelang, ist vor allem einem Mann zu verdanken. Bernd Lucke (50), alter und neuer Sprecher, nahm die Sache gegen Mittag mit einer streckenweise fulminanten Rede in die Hand. Der Ökonom sprach von einer „Degeneration des Parlamentarismus“, die meisten Abgeordneten der Altparteien seien zu „meinungslosen und überforderten Erfüllungsgehilfen“ der Bundesregierung geworden. „Diesen Euro, den Haftungs- und Schuldeneuro, wollte das Volk nicht“, rief er, immer wieder von tosendem Beifall unterbrochen. Fast handstreichartig peitschte Lucke, Vater von fünf Kindern und drei Jahrzehnte Mitglied der CDU, den Beschluss zur Teilnahme an der Bundestagswahl per Akklamation durch. Und weil es so einfach war, kam das Wahlprogramm gleich hinterher. Ohne Debatte. Lucke wusste genau, dass der Parteitag nicht ohne Programm auseinandergehen durfte. Deshalb wurde die inhaltliche Diskussion kurzerhand nach hinten geschoben.

Mit manchmal markigen Sprüchen machte der schmale Professor Stimmung: „Wollt Ihr, dass mit Euren Steuern Griechenland finanziert wird? Wollt Ihr für ein Land zahlen, in dem Steuerhinterziehung Volkssport und Korruption Gewohnheit ist?“

Schwer, solche Sätze nicht als populistisch einzustufen. Aber damit hat die neue Partei anscheinend kein Problem. „Wir sollten den Vorwurf des Populismus als Auszeichnung betrachten“, sagt Konrad Adam, konservativer Publizist und ein weiterer Wortführer. Schließlich müsse in einer Demokratie das Volk das letzte Wort haben. Seitenhiebe gegen „die Berufspolitiker“ waren auch immer wieder zu hören.

Das „Volk“ ist an diesem Sonntag im Hotel Interconti zwar nicht so kunterbunt wie etwa bei den Piraten, aber doch erstaunlich gemischt. Frauen sind auch hier klar in der Minderheit, aber längst nicht nur Volkswirtschaftsprofessoren bevölkern den Kongress. Einer kommt mit Deutschland-Schärpe, einer in Lederhosen, andere mit Mark-Scheinen am Revers. Zum kurzen Tumult mit den Fotografen kommt es, als ein Mann mit einer Deutschlandfahne aufsteht.

Nicht endgültig beantwortet wird in Berlin die Frage, wie es die neue Partei mit rechten Positionen hält. Gelingt es ihren politischen Gegnern, sie in diese Ecke zu drängen, dürften die Erfolgsaussichten dramatisch sinken. Eine kleine NPD-Delegation sucht die Nähe zur AfD, endet aber vor der Türe. Lucke betont, seine Partei sei weder links noch rechts.

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