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Diabetes mellitus

Spätfolgen an Knochen und Gelenken

In der Regel besteht kein kausaler Zusammenhang, wenn Diabetes-Patienten über Probleme mit Knochen und Gelenken klagen. Doch es gibt einige seltene ossäre Erkrankungen, die als Spätkomplikationen der Stoffwechsel­störung auftreten können.
Brigitte M. Gensthaler
12.04.2019  18:00 Uhr

Viele Patienten mit Diabetes mellitus leiden auch an rheumatischen Erkrankungen – und umgekehrt. Doch ein Kausalzusammenhang bestehe selten, wenn man vom Corticosteroid-induziertem Diabetes bei Rheumapatienten absieht, informierte Dr. Martin Welcker, niedergelassener Rheumatologe in Planegg und Starnberg, beim Kongress »Diabetologie grenzenlos« in München. Steroide können aufgrund ihrer metabolischen Wirkungen den Glucosestoffwechsel ungünstig beeinflussen. »Ein geringeres Diabetes-Risiko besteht bei TNF-α-Inhibitoren«, so der Arzt.

Eine seltene, aber schwere Spätkomplikation des Diabetes ist die diabetische neuropathische Osteoarthropathie, besser bekannt als Charcot-Fuß. Auf der Basis einer diabetischen Poly­neuropathie kommt es zu einer nicht infektiösen Zerstörung von Knochen und Gelenken, die chronisch und progressiv verläuft.

Die akute Charcot-Arthropathie zeigt sich mit Schwellung, Rötung und Überwärmung. In der Folge kommt es zu Knochen- und Gelenkveränderungen, typischen massiven Fußdeformitäten und schließlich zu zusätzlichen Fuß­ulzera. Trotz der massiven Symptome wird diese Spätkomplikation des Diabetes zumindest in den Anfangsphasen häufig verkannt. »Doch der Charcot-Fuß ist ein Notfall«, betonte Welcker. Wichtigste therapeutische Maßnahme ist die sofortige komplette Druckentlastung und langfristige Ruhigstellung.

Kaum bekannt: DISH

Ein wenig bekanntes Sekundärrisiko bei Typ-2-Diabetes ist die diffuse idiopathische spinale Hyperostose (DISH), früher auch Morbus Forestier genannt. »Die Prävalenz liegt bei 13 bis 40 Prozent der Patienten mit Typ-2-Diabetes. Damit ist DISH häufiger als man denkt«, berichtete der Arzt.

Dabei handelt es sich um eine systemische nicht entzündliche Erkrankung unklarer Ursache. Charakteristisch ist eine Ossifikation der Enthesen, also die Bildung von Knochengewebe an den Ansatzstellen von Sehnen, Ligamenten und Gelenkkapsel am Knochen. Häufig bilden sich die knöchernen Anbauten an den Wirbelkörpern. Sie nehmen immer mehr zu und können die Wirbelsäule zunehmend versteifen. »DISH kann die gesamte Wirbelsäule betreffen und erhebliche Schmerzen auslösen«, erklärte Welcker. Typisch seien asymmetrische Veränderungen der Wirbelsäule, vor allem der Brustwirbelsäule, die im Röntgenbild zu erkennen sind.

Als wichtige Differenzialdiagnose nannte der Arzt den Morbus Bechterew (axiale Spondylarthritis), der aber oft schon bei jungen Menschen beginnt. Dagegen trete DISH eher im höheren Alter auf.

DISH wird gehäuft bei Patienten mit Störungen im Zucker- und Fettstoffwechsel beobachtet, kann aber auch als eigenständige Erkrankung auftreten. Zur Pathogenese ist wenig bekannt. Eine Hypothese besagt, dass ein Überschuss an Wachstumsfaktoren, darunter auch Insulin und Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor (IGF), die Reifung von Fibroblasten und Osteoblasten anregt. Auch eine verminderte Aktivität von Proteinen, die das Knochenwachstum bremsen, wird diskutiert.

Die Therapie ist unspezifisch und symptomatisch. Welcker nannte Bewegung, Muskelaufbau an der Wirbel­säule und eine gute Einstellung des Glucose- und Lipidstoffwechsels. »Das kann der DISH vorbeugen oder diese einschränken.«

Vorsicht Gicht

Häufig treffen Diabetes und Gicht, gekennzeichnet durch die Ablagerung von Uratkristallen in allen Gelenken, aufeinander. Die beiden Krankheiten hängen nicht kausal zusammen, haben aber viele Komorbiditäten gemeinsam, zum Beispiel Atherosklerose, arterielle Hypertonie, koronare Herzkrankheit und metabolisches Syndrom.

Für die Akutbehandlung eines Gicht­anfalls sei Colchicin das Mittel der Wahl, riet Welcker. Die Gabe von zwei bis drei Tabletten à 0,5 mg Colchicin pro Tag bessere die Schmerzen sehr rasch. Laut aktuellen Empfehlungen sollen maximal 6 mg Colchicin pro Gichtanfall gegeben werden. Der Arzt riet von nicht steroidalen Antirheumatika oder Glucocorticoiden ab, um kein akutes Nierenversagen oder eine Stoffwechselentgleisung zu provozieren.

Diagnostisch sei zu beachten, dass die Harnsäure-Serumspiegel im und direkt nach dem Anfall im Normbereich liegen können, betonte der Rheumatologe. Daher müsse man den Serumspiegel nach etwa zwei Wochen nochmals kontrollieren.

Eine Harnsäure-senkende Therapie wird nach einem bis zwei Gichtanfällen und erst nach Abklingen der akuten Symptomatik, das heißt frühestens nach zwei Wochen begonnen. Dazu werden Allopurinol oder bei Unverträglichkeit Febuxostat peroral eingesetzt. Benzbromaron und Probenecid werden laut Welcker kaum mehr verordnet. Wichtig für den Diabetes-Patienten: »Die Harnsäuresenkung schützt die Nierenfunktion.« Für einige wenige Patienten mit häufigen Gichtanfällen sei der humane monoklonale Interleukin-1-β-Antikörper Canacinumab angezeigt, der im Anfall subkutan verabreicht wird.

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