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Apotheken-Stärkungsgesetz

Kassen gegen Extrahonorar für Apotheken

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) will die Offizinen nicht für zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen bezahlen. Die Techniker Krankenkasse (TK) schert aus: Sie fordert die Regierung auf, Einzelverträge zwischen Kassen und Apotheken zu erlauben. Auch bezüglich der Festpreisbindung sind Spitzenverband und TK uneins.
Christina Müller
13.05.2019  17:22 Uhr

Während die Apotheker den im Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken vorgesehen Honorartopf für neue pharmazeutische Dienstleistungen für deutlich zu klein halten, fragt sich der GKV-Spitzenverband, warum die Offizinen überhaupt mehr Geld bekommen sollen. Die Kassen verweisen auf das 2HM-Gutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, das im Apothekensektor ein deutliches Einsparpotenzial ermittelt habe. »Dieses Gutachten kommt gerade nicht zu dem Schluss, dass es einer erhöhten Vergütung der apothekerlichen Leistungen bedarf«, schreibt der Verband in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf.

Die Kassen hinterfragen in diesem Zuge die Beweggründe von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), neue pharmazeutische Dienstleistungen extra vergüten zu wollen. Der Entwurf ziele nicht auf den Nutzen für die Patienten ab, sondern habe lediglich das Honorar der Offizinen im Blick. »Entscheidend scheint alleine zu sein, dass erheblich mehr Geld an die Apotheken fließen kann«, heißt es. Leistungen zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit seien bereits mit dem Festzuschlag gemäß Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) abgegolten. »Eine gesonderte Vergütung würde zu einer Doppelfinanzierung führen.«

TK stellt sich auf die Seite der Apotheker

Die TK schert aus dem Kassenreigen aus. In einem eigenen Positionspapier begrüßt sie das Vorhaben Spahns, die heilberufliche Rolle des Apothekers zu stärken. »Die Vor-Ort-Apotheken in Deutschland verbessern durch ihre pharmazeutischen Dienstleistungen die Versorgungsqualität und sichern die Arzneimittelversorgung für die Bevölkerung«, hebt sie hervor. Anders als im Entwurf solle der Gesetzgeber jedoch Einzelverträge zwischen Krankenkassen und Apotheken gestatten. So will die TK die Pharmazeuten in kassenspezifische Leistungen wie den TK-Arzneimittelcoach zur Stärkung der Therapietreue der Versicherten einbinden. »Neben der Betreuung von Patienten könnten diese Einzelverträge auch die Mitarbeit der Apotheke an einem E-Medikationsplan über den TK-Safe, der elektronischen Gesundheitsakte der TK, umfassen.«

Auch was das Anliegen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) betrifft, die Gleichpreisigkeit im Rx-Markt über das Sozialrecht regeln zu wollen, sind sich GKV und TK uneinig. »Die TK begrüßt die Vorschläge des BMG, da so die Preisgleichheit der Arzneimittel wiederhergestellt wird«, schreibt die Kasse. Der GKV-Spitzenverband warnt dagegen ausdrücklich vor der Streichung des § 78 Absatz 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz (AMG), der Versender mit Sitz im EU-Ausland der AMPreisV unterwirft, seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Oktober 2016 jedoch nicht mehr zur Anwendung kommt. »Die geplante Streichung geht über das verfolgte Ziel der Anerkennung der Rechtsprechung des EuGH hinaus«, mahnt der Verband.

Aus der Sicht der GKV ist es nicht erforderlich, die Anwendbarkeit der gesamten AMPreisV außer Kraft zu setzen. »Vielmehr wäre es ausreichend, die Gewährung von Boni und Rabatten zu erlauben oder eine entsprechende Lösung durch eine Änderung in §7 HWG zu finden.« Dieser Passus im Heilmittelwerbegesetz (HWG) verbietet Zuwendungen oder Werbegaben für Arzneimittel entgegen der im AMG geregelten Preisvorschriften. Bei Streichung der umstrittenen Formulierung im AMG bestehe die Gefahr, dass »die Geltung der gesamten Arzneimittelpreisverordnung und damit auch die Abrechnungsgrundlage für ausländische Versandapotheken verloren geht«.

Wiederholungsverordnungen erst mit dem dem E-Rezept einführen

Darüber hinaus fürchtet der Kassenverband, dass die Einführung der sogenannten Wiederholungsverordnung für Chroniker in den Apotheken für Chaos sorgen könnte. »Das Arzneiverordnungsblatt ist nicht nur der Auftrag an die Apotheken zur Abgabe eines Arzneimittels, sondern auch rechnungsbegründende Unterlage, dessen Gültigkeit derzeit gemäß Arzneimittelrichtlinie auf einen Monat nach Ausstellung begrenzt ist«, führt er aus. Im Entwurf bleibe offen, ob die Patienten die gesamte verordnete Menge zu einem festen Zeitpunkt einlösen können. »Bei einigen Arzneimitteln dürfte dies kritisch sein, da beispielsweise die Verfallsdauer der Arzneimittel im Jahresverlauf überschritten oder die Wirksamkeit aufgrund von falscher Lagerung beeinträchtigt werden könnte.«

Die Möglichkeit, die insgesamt bis zu vier Teilmengen nach und nach abzuholen, gefällt dem GKV-Spitzenverband jedoch ebenso wenig. In diesem Fall sei der Patient gezwungen, alle Präparate in derselben Apotheke zu besorgen, was sein Recht auf freie Apothekenwahl einschränke. Zudem könne die Abrechnung durch die Offizinen erst nach Abgabe des letzten Medikaments erfolgen. Das dürfte auch den Apothekern nicht schmecken, vermutet die GKV. Andere Vorgehensweisen, die eine sofortige Abrechnung ermöglichen würden – etwa das Anfertigen einer Kopie des Verordnungsblatts – scheiden laut Kassenverband aus, da sie äußerst manipulationsanfällig seien und »die Gefahr unbeschränkt häufiger Abgaben« mit sich brächten. Erst nach Einführung des E-Rezepts will der GKV-Spitzenverband Wiederholungsverordnungen erneut diskutieren.

Verbot von Abgabeautomaten: vertane Chance

Das geplante Verbot von Abgabeautomaten halten die Kassen für einen Rückschritt für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Es sei zwar durchaus sinnvoll, bei einer automatischen Abgabe eines Medikaments eine – wenn auch telefonische – Beratung zwingend vorzuschalten. »Es erschließt sich jedoch nicht, warum der Automat räumlich unmittelbar mit der Apotheke verbunden sein muss.«

Hintergrund ist eine von Doc Morris betriebene automatische Abgabestation, die der niederländische Versender in der baden-württembergischen Gemeinde Hüffenhardt installiert hatte. Dabei wurde der Kunde über ein Videoterminal mit einem Apotheker in den Niederlanden verbunden. Dieser entschied unter anderem nach Kontrolle des eingescannten ärztlichen Rezepts über die Ausgabe des von dem Kunden gewünschten Medikaments durch den mit einem Medikamentenlager verbundenen Arzneimittelautomaten. Solchen Konzepten will Spahn einen Riegel vorschieben. In der Begründung zum Entwurf heißt es: »Mit dem Verbot soll eine Schwächung der Präsenzapotheken durch einen unfairen Wettbewerb mit Ausgabestationen verhindert werden, die sich – anders als der Versandhandel – den Anschein einer Präsenzapotheke geben, ohne eine Vollausstattung bereitzuhalten und das gesamte pharmazeutische Leistungsspektrum anbieten zu können.«

Die Kassen sehen damit eine Chance der Offizinen vertan, ihr Einzugsgebiet auszuweiten. »So kann man sich gut vorstellen, dass sich in einem ländlichen Raum die stationäre Apotheke im Dorfzentrum befindet und ergänzend durch die Apotheke ein Abgabeautomat in einem entfernt liegenden Ortsteil betrieben wird.« Durch das Verbot würden die Vor-Ort-Apotheken nicht gestärkt, sondern um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Versandhandel gebracht.

Kein Extrageld für Botendienste

Die geplante Legaldefinition des Botendiensts findet dagegen Anklang bei den Kassen. »Der GKV-Spitzenverband befürwortet die vorgesehene Regelung zur Stärkung der mobilen Arzneimittelversorgung, denn dies unterstützt die notwendige Flexibilisierung.« Die Finanzierung obliege jedoch ausschließlich der Apotheke selbst auf Basis betriebswirtschaftlicher Überlegungen, betont der Verband. »Durch die Zuschläge der Arzneimittelpreisverordnung ist die Vergütung für die Abgabe von Arzneimitteln abschließend geregelt«, schreibt er. »Das schließt eine weitergehende Honorierung des Botendiensts aus.«

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