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Antibiotika-Resistenz

Fataler Informationsaustausch

Offensichtlich können eigentlich Antibiotika-sensitive Bakterien selbst in Gegenwart des relevanten Antibiotikums eine Resistenz entwickeln. Sie müssen sich dazu nur mit einem resistenten Bakterium zum Informationsaustausch treffen.
Theo Dingermann
27.05.2019  08:00 Uhr

Das ist die frappierende Beobachtung einer Studie, die ganz aktuell im Fachjournal »Science« publiziert wurde. Und wieder einmal überraschen uns Bakterien, wenn es darum geht, der Gefahr durch Antibiotika auszuweichen. In diesem Fall bedienen sie sich des Mottos: »Nur lange genug durchhalten.«

Gut bekannt und erschreckend effizient ist die Möglichkeit, gleich eine ganze Gruppe von Antibiotika-Resistenzen per Konjugation aufzunehmen. Hierbei verbinden sich zwei Bakterien über sogenannte Pili, durch die Plasmabrücken ausgebildet werden, über die genetisches Material, meist in Form von Plasmiden, ausgetauscht werden kann. Auf einen Schlag werden durch diesen horizontalen Gentransfer Antibiotika-sensitive Bakterien gegen alle Antibiotika resistent, für die Resistenzgene auf dem Plasmid kodiert sind.

Bisher nicht bekannt war, ob ein solcher Resistenztransfer auch in Gegenwart eines Antibiotikums funktioniert. Diese Frage mussten die Forscher um Dr. Sophie Nolivos vom Microbiologie Moléculaire et Biochimie Structurale (MMSB) in Lyon, Frankreich, jetzt mit einem eindeutigen Ja beantworten.

Das war schon überraschend, und es bedurfte eines genauen Hinsehens, um dem Trick, den die Bakterien hier anwenden, auf die Schliche zu kommen. Natürlich können die sensitiven Bakterien nicht in Gegenwart eines Antibiotikums, für das sie noch keine Resistenz entwickelt haben, überleben. Wenn sie es aber schaffen, so lange der Gefahr durch das Antibiotikum zu widerstehen, bis sie die von der Nachbarzelle aufgenommene genetische Information in ausreichendem Maße exprimiert haben, haben sie den Kampf gegen das Antibiotikum gewonnen.

Das konnten die Forscher am Mechanismus einer Tetracyclin-Resistenz zeigen. Diese beruht unter anderem auf dem Auswärtstransporter TetA, der in die Zelle eingedrungenes Tetracyclin wieder nach außen transportiert. Um sich die Problemlösung der Bakterien tatsächlich im Sinne des Wortes genau anzusehen, benutzen die Wissenschaftler die Lebendzellmikroskopie in Verbindung mit einem neuartigen System zur Echtzeit-Visualisierung der Übertragung von Plasmiden durch Konjugation.

Sie konnten beobachten, dass zwar kurz nach der Übertragung des plasmidkodierten Gens für die TetA-Pumpe die Pumpe selbst sehr schnell in dem Empfängerbakterium durch Proteinbiosynthese produziert wird. Dass sich allerdings so eine effiziente Resistenz gegenüber Tetracyclin etablieren könnte, erschien ihnen nicht plausibel. Diese Unstimmigkeit lösten die Wissenschaftler dadurch auf, dass es ihnen zu zeigen gelang, dass sich die Tetracyclin-sensitiven Bakterien der sogenannten AcrAB-TolC Multidrug-Efflux-Pumpe bedienen, um den Tetracyclin-Spiegel in der Zelle zumindest über eine gewisse Zeit so gering zu halten, dass sich der Schaden in Grenzen hält. Diese Zeit reicht dann aus, um sich tatsächlich mit ausreichenden Mengen an TetA-Pumpenproteinen zu versorgen und eine solide Resistenz zu etablieren.

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