Light + Building Frankfurt 2018: High Five!!

Zwar hängt die Entwicklung des Produktdesigns grundsätzlich immer auch von der technologischen Entwicklung ab, besonders zutreffend ist dies allerdings im Zusammenhang mit Lichtdesign: Seitdem in einer neolithischen Höhle erstmals ein Brennstab eingesetzt wurde um eine entspannte Abendatmosphäre zu kreieren, sind technologische Entwicklungen die treibende Kraft bei der Entwicklung des Lichtdesigns – in formaler, funktionaler und technischer Hinsicht.

Der Charakter der „Light + Building Frankfurt“ wird von der Tatsache bestimmt, dass es bei der Messe eher um „Licht in Gebäuden und um Gebäude herum“ geht. Was bedeutet, dass sich die Mehrzahl der vorgestellten Projekte um technische Beleuchtung in architektonischen Zusammenhängen dreht. Und die meisten Hersteller sind was die technische Entwicklung angeht auf dem Vormarsch: Die Demonstration technischer Kompetenz ist deshalb ein Schlüsselelement bei der Selbstdarstellung eines jeden Herstellers. Das bedeutet aber auch zwangsläufig, dass die Funktionalität durch die sehr spezifische Art der Nutzung weitgehend vordefiniert ist, während die Form in vielen Fällen zu kurz kommt. Ein kleiner Teil der „Light + Building“ präsentiert jedoch Objekte mit mehr Freiheit. Dort findet man einige Designprojekte, die neben technologischer Innovationen auch neue formale und funktionale Lösungen und damit ein neues Verständnis dessen, was Beleuchtung sein kann beziehungsweise sollte anbieten.

Wie immer haben wir nicht alles gesehen, das ein oder andere verpasst  (entschuldigt uns dafür), aber vor diesem Hintergrund und in keiner bestimmten Reihenfolge, unsere „Light + Building Frankfurt 2018“ High Five!Light + Building Frankfurt 2018: High Five!!

„KOR Black“ von Martin Tony Häußler

„KOR“ von Martin Tony Häußler haben wir zum ersten Mal beim Kunsthochschule Kassel Rundgang während unserer #campustour 2017 gesehen. Und da „KOR“ in Frankfurt als „Best of Best 2018“ im Wettbewerb „Light + Building’s Design Plus“ präsentiert wurde, ist es gewissermaßen unvermeidlich, dass das Projekt in dieser Liste erscheint. Das hat weniger damit zu tun, dass wir beweisen wollen, wie weit wir die Nase vorn haben, sondern liegt vielmehr daran, dass es sich bei „KOR“ wirklich um eines der interessantesten, anregendsten und lohnenswertesten Lichtdesigns handelt, die wir seit langem gesehen haben.

Es wird viel Unsinn darüber geschrieben, dass Möbel oder Lichtobjekte „skulptural“ seien: Normalerweise meint der Autor damit nur, dass das Werk unabhängig von seiner Funktion eine inhärente Form hat, mit dem funktionalistischen Mantra bricht und somit irgendwie als künstlerischer angesehen werden kann. Aber würde ein Isamu Noguchi, ein Harry Bertoia oder ein Finn Juhl vieles von dem, was als „skulptural“ bezeichnet wird, als „skulptural“ erkennen? Wahrscheinlich nicht. Denn Skulptur verfolgt einen anderen Prozess, einen anderen Ansatz und hat eine andere Aura. „KOR“ ist tatsächlich ein sehr skulpturales Objekt. Wenn wir es nicht besser wüssten, würden wir denken Martin Tony Häusler hätte ein verwirrend einfaches Glasobjekt kreiert, und eines Tages hätte ein Kumpel beiläufig angemerkt: „Du könntest eine Lampe daraus machen“. Was Martin Tony Häusler dann auch gemacht hätte. Aber wir wissen doch etwas besser bescheid: Zum Beispiel wissen wir, dass die Objekte im Rahmen der Semesterklasse Glasleuchte an der Kunsthochschule Kassel entstanden sind. Wir wissen, dass Charme, Anmut und diese verwirrende Einfachheit aus einer sehr angenehm realisierten, handwerklichen Manipulation in Verbindung mit einem sehr logischen Design-Denken hervorgegangen sind. Wir wissen, dass die Beleuchtung so leise und unkompliziert wie der Glaskörper komplex und überzeugend ist. Wir wissen, dass „KOR“ ausgeschaltet genauso charmant und liebenswert ist wie im eingeschalteten Zustand. Wir wissen, dass Häußler mit anderen Farben als Schwarz experimentiert hat. Und wir wissen auch, dass „KOR“ derzeit keinen Produzenten hat. Warum das so ist, wissen wir wiederum nicht.

KOR Black by Martin Tony Häußler, as seen at Light + Building Frankfurt 2018

„KOR Black“ von Martin Tony Häußler, gesehen bei der „Light + Building Frankfurt 2018“

KOR Black by Martin Tony Häußler, as seen at Light + Building Frankfurt 2018

„KOR Black“ von Martin Tony Häußler, gesehen bei der „Light + Building Frankfurt 2018“

„Lighting Pad“ von Nimbus

Zwar sind Akustikdeckenplatten mit integrierter Beleuchtung nicht neu, der Stuttgarter Hersteller Nimbus hat sein „Lighting Pad“ aber auf besonders erfreuliche Art und Weise realisiert. Die Kombination von Akustikpaneelen mit Beleuchtung ist enorm sinnvoll, da sie zwei wesentliche Elemente zeitgemäßer Raumplanung in einem Modul vereint, und damit die Komplexität eines Raumes optisch und operativ extrem reduzieren kann. Und im Falle des „Lighting Pad“ werden die beiden Kompetenzbereiche der Nimbus-Gruppe in einem Modul vereint: Nimbus Lighting und Rosso Acoustic. Das Rosso „Acoustic Pad System“ wurde im Jahr 2015 auf den Markt gebracht. Die Form der Akustikpads wurde so realisiert, dass sie die bestehenden Nimbus Pendelleuchtenfamilien ergänzen und so eine logische, unaufdringliche Kombination von Licht und Akustik möglich machen. Was zudem beim „Lighting Pad“ umso erfreulicher ist: Die LEDs sitzen in den Nischen der Plattenstruktur und sind daher logisch und unauffällig angeordnet: Die Beleuchtung übernimmt nicht, wie so oft bei anderen Produkten, die Hauptrolle, sondern bleibt leise im Hintergrund. Und da die „Lighting Pads“ Teil einer breiteren Licht/Akustik-Serie sind, können sie entweder mit Nimbus-Leuchten oder Rosso-Akustikplatten verbunden werden. Sei es im Rahmen eines neuen Projektes oder als Ergänzung zu einer bestehenden Installation. Und das unauffällig. In der notwendigerweise falschen Atmosphäre einer Messe war es nicht möglich zu beurteilen, wie gut die „Lighting Pads“ einen bestimmten Bereich ausleuchten, aber wir sehen keinen Grund, an Nimbus‘ Behauptung zu zweifeln, das gelieferte Licht sei fokussiert und für normales Arbeiten vollkommen ausreichend. Eine Version mit Beleuchtung auf den Paneelrückseiten zur indirekten Beleuchtung ist ebenfalls geplant.

Lighting Pad from Nimbus, as seen at Light + Building Frankfurt 2018

„Lighting Pad“ von Nimbus, gesehen bei der „Light + Building Frankfurt 2018“

Lighting Pad from Nimbus, as seen at Light + Building Frankfurt 2018

„Lighting Pad“ von Nimbus, gesehen bei der „Light + Building Frankfurt 2018“

„Palma“ von Antoni Arola for Vibia

Wie wir oft bemerkt haben, ist der hängende Pflanzentopf eine unserer bevorzugten Typologien im Bereich Accessoire-Design, denn er stört auf wunderbare Weise jeden Raum. „Palma“ von Antoni Arola für den katalanischen Hersteller Vibia bringt Licht in den Pflanztopf. Der Trick ist im Grunde dumm und ziemlich einfach, aber in diesem Fall sehr befriedigend und in technischer wie optischer Hinsicht ausgesprochen angenehm umgesetzt. Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass zweifellos ein Dialog zwischen Pflanze und Licht besteht, obwohl beides unabhängig voneinander existiert, nicht aufeinander angewiesen ist und stattdessen sehr bequem nebeneinander sitzt. Ähnlich vielleicht wie zwei Zugpassagiere, die das ein oder andere freundliche Wort über die Verspätung wechseln, während sie fleißig mit ihrer eigenen Arbeit weitermachen. Obwohl der hängende Pflanzentopf mit Lampe wohl nicht für jeden Anlass geeignet ist, ist „Palma“ aber auf jeden Fall eine Überlegung wert. Vorstellen können wir uns „Palma“ nicht nur für alle Arten von Büro-, Gastronomie- und öffentlichen Räumen. Wir denken auch, dass Palma ebenso elegant in vielen häuslichen Szenarien funktionieren kann. Neben der Pendelleuchte gibt es „Palma“ auch als Decken- und Wandversion. Das sind offensichtliche, naheliegende Lösungen um eine ganze Produktfamilie zu entwickeln. Für uns erschließt sich die Notwendigkeit und Logik der Pendelleuchte aber nicht.

Palma by Antoni Arola for Vibia, as seen at Light + Building Frankfurt 2018

„Palma“ von Antoni Arola für Vibia, gesehen bei der „Light + Building Frankfurt 2018“

Palma by Antoni Arola for Vibia, as seen at Light + Building Frankfurt 2018

„Palma“ von Antoni Arola für Vibia, gesehen bei der „Light + Building Frankfurt 2018“

„BuzziHat“ von Alain Gilles für BuzziSpace

„Ich mag es Sachen zu entwickeln, die einen sehr grafischen Charakter haben“, sagte uns der belgische Designer Alain Gilles im Interview. Mit „BuzziHat“ für BuzziSpace ist ihm das sicherlich gelungen. Und zwar auf sehr erfreuliche, respektlose Art und Weise. „BuzziHat“ basiert zweifellos auf diesen allgegenwärtigen, charmlosen, überdimensionalen „Fabrik“-Scheinwerfern, die Menschen gerne in einen Raum stellen um ein authentisches „industrielles“ Moment in ihrer makellosen, nicht-industriellen Wohnung herzustellen. Außerdem ähnelt die Leuchte ein wenig Pharrell Williams‘ Hut. Mit pulverbeschichtetem Metallrand trennt das Hutband die Lichtfunktion wirkungsvoll von der Akustik. Die Effizienz können wir natürlich nicht bestätigen – aber die Akustik ist schließlich das Hauptgeschäft von BuzziSpace. Erhältlich in vier Größen ist der „BuzziHat“ ein weiteres schönes Beispiel für spielerisches, aber ernsthaftes, Akustikelementdesign von Alain Gilles. Die Leuchte bietet nicht nur eine fröhliche, unbeschwerte, aber dennoch formal zurückhaltende Ergänzung zu jedem Raum, sondern auch eine Alternative den allgegenwärtigen, reizlosen, überdimensionalen, anderen Varianten.

BuzziHat by Alain Gilles for BuzziSpace, as seen at Light + Building Frankfurt 2018

„BuzziHat“ von Alain Gilles für BuzziSpace, gesehen bei der „Light + Building Frankfurt 2018“

BuzziHat by Alain Gilles for BuzziSpace, as seen at Light + Building Frankfurt 2018

„BuzziHat“ von Alain Gilles für BuzziSpace, gesehen bei der „Light + Building Frankfurt 2018“

„COS“ von Komot

Im Deutschen gibt es das Idiom der Eierlegende Wollmilchsau – ein Tier, das in einem Körper alles vereint, was ein Bauer sich wünschen kann. „COS“ vom Münchner Hersteller Komot kommt dem in Hinblick auf die Lichtgestaltung sehr nahe. Als unscheinbare, einfache Glaskugel an einem dünnen Draht aufgehängt, ist „COS“ auf den ersten Blick eine Variation der opaken Glaspendelleuchte; „COS“ kann aber durch mehr oder weniger intuitive Aktionen angehoben und abgesenkt, in seiner Farbtemperatur von 2300 bis 4000 Kelvin verändert, ein- und ausgeschaltet und gedimmt werden. Während das Heben und Senken der „COS“ mittels einer von Komot-Gründer Konrad Weinhuber entwickelten (und an anderer Stelle in das Portfolio des Unternehmens aufgenommenen) Technologie erfolgt, ist alles andere Resultat einer durchdachten Anwendung neuer Möglichkeiten bzw. Technologien. Die Tatsache, dass die gesamte Technologie in diesem Schirm ist, bedeutet zudem, dass „COS“ kein Deckenmontagegehäuse benötigt und so frei und immer wieder neu positioniert  werden kann. Normalerweise werden uns solche Sachen ja schnell zu kompliziert. „COS“ informiert aber nicht aktiv darüber, was sie kann, kommt nicht mit Pfeifen und Glocken Stattdessen ist „COS“ nichts anderes als ein angenehm proportionierter, wenn nicht gar harmloser mundgeblasener Glaslampenschirm, und greift so die einfachste, universellste, analogste aller Lampenformen auf. Dass „COS“ so viel mehr ist, wird dem Benutzer hingegen vorerst sehr höflich und elegant vorenthalten.

 

 COS from Komot, as seen at Light + Building Frankfurt 2018

„COS“ von Komot, gesehen bei der „Light + Building Frankfurt 2018“

....with an altered colour temperature....

… mit veränderter Farbtemperatur…

....with an altered height....

… mit veränderter Höhe…

....and dimmed

… gedimmt

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