Die „Toten des stillen Sterbens“

19.7.2012, 09:45 Uhr
Die „Toten des stillen Sterbens“

Krebs, Leukämie und missgebildete Kinder sind seiner Darstellung nach die Folgen der strahlenden Geschosse, die in den beiden Irak-Kriegen verwendet wurden und noch heute in Afghanistan zum Einsatz kommen. Wagner zeigte seinen Film im Evangelischen Haus und stellte sich der Diskussion.

Für Frieder Wagner, Filmproduzent und mehrfacher Grimme-Preisträger, gibt es neben den offiziellen Opfern der Kriege auch die „Toten des stillen Sterbens“. Große Geschosse mit Urankernen haben nicht nur den Feind verstrahlt. Durch kontaminierten Wüstensand sind auch britische, US-amerikanische und andere alliierte Soldaten todkrank geworden. Oder ihr Erbgut ist beeinträchtigt worden, behauptet Wagner. „Das ist die unbequeme Wahrheit, die bewusst ignoriert wird“, fügt er hinzu. Sein Film „Todesstaub – Die verstrahlten Kinder von Bahsra“ hatte die etwa 80 Zuschauer sichtlich beeindruckt. Denn, das will Wagner belegen, das freigesetzte Uranoxid verseucht nicht nur die Umwelt.

Wagners Worten zufolge wollen Militärs auf Munition mit Urankern nicht verzichten. Sie hat enorme Wirkungen: Fünf Panzer hintereinander kann sie mühelos durchschlagen und die Militärfahrzeuge dabei auch noch in Brand setzen. Trotz Verbots durch den Wortlaut der Haager und Genfer Konvention wurde sie an fast allen Krisenherden der vergangenen 20 Jahre verwendet. „Gewiss bald auch in Syrien“, ist Wagner überzeugt. Offiziellen Stellungnahmen zufolge verfügt die Bundesrepublik nicht über Uran-Munition. Ebenso wenig sollen deutsche Firmen an ihrer Produktion beteiligt sein.

Ein offizieller Verzicht auf diese Art von Munition stehe nicht zur Debatte, weiß Wagner. Zu groß sind die Interessen auf allen Seiten. Präsidenten und Heerführer schätzen die militärischen Wirkungen. Die Atomlobby verdient am Absatz des Grundmaterials. Abgereichertes Uran ist ein Nebenprodukt der Kernenergieerzeugung. „Man müsste es lagern und bewachen“, sagt Wagner. „Das würde viel Geld kosten.“ Als Baustein für Munition aber bringt das radioaktive Abfallprodukt sogar noch Ertrag.

Doch die Soldaten bezahlen dafür unter Umständen nicht nur mit ihrem Leben. Oft zeugen sie auch schwer behinderte Kinder. „Ohne Kopf, ohne Arme, ohne Nase, ohne Augen“, schilderte Wagner das Ergebnis seiner Recherchen. „Ein italienisches Gericht hat einer Familie bereits Soforthilfe und Rente zugebilligt, bei uns wird noch geleugnet“, sagt der Filmautor. Christian Schmidt, Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium und Abgeordneter aus dem Wahlkreis Fürth, beispielsweise „trägt gebetsmühlenartig vor“, es gebe keinen Zusammenhang zwischen der Uranmunition und Erbschäden, wirft Wagner dem CSU-Politiker vor.

Ein Kreis ehemaliger und aktiver Diakone aus Schwabach und Umgebung hat es aber immerhin geschafft, das höchste Gremium der Evangelischen Kirche in Bayern von der Gefährlichkeit der Geschosse mit radioaktivem Kern zu überzeugen. „Der Antrag auf Ächtung und Vernichtung von Uranmunition ist sinnvoll und findet unsere volle Unterstützung“, schrieb der Landeskirchenrat in Vorbereitung der Landessynode im November 2011 nach Schwabach.

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