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Soziales Netzwerk Das Zurker-Rätsel

Werde Mitglied, wirb Freunde, werde Eigentümer - so präsentiert sich das Web-Netzwerk Zurker, das nach eigenen Angaben den Nutzern gehören soll. Medien feiern den Anbieter schon als "Anti-Facebook". Tatsächlich wirft das Geschäftsmodell viele Fragen auf.
Zurker-Eigenwerbung: Ein Netzwerk, das den Mitgliedern gehört, verspricht der Anbieter

Zurker-Eigenwerbung: Ein Netzwerk, das den Mitgliedern gehört, verspricht der Anbieter

Foto: YouTube

Das Versprechen klingt gut: Endlich gibt es ein soziales Netzwerk, das die Rechte seiner Nutzer respektieren muss, weil die Nutzer auch Eigentümer sind. So stellt sich Zurker dar, als Gegenmodell zu Facebook. Der zentrale Unterschied laut Zurker : "Facebook gehört wenigen Investoren, Zurker gehört einer großen Zahl von Mitgliedern."

Dafür wird Zurker im Web bereits als "Anti-Facebook" (ZDF ) gefeiert, "jedes Mitglied" werde "automatisch Miteigentümer und Investor" (ARD ). Zurker verspricht: Wer neue Mitglieder wirbt (man kann sich nur per Einladungslink anmelden), erhält Anteilsscheine für regionale Zurker-Portale. Man kann die Anteile aber auch kaufen - derzeit für einen Euro je Anteil.

Der Dienst hat dieselben Grundfunktionen wie viele Netzwerke. Man kann Menschen als Kontakte hinzufügen, aber auch nur einseitig ihren Mitteilungen folgen. Es gibt Fan-Seiten für Firmen oder Bands ("Entities"). Man kann Entdeckungen aus dem Netz, Fotos und kurze Texte teilen, das Zielpublikum mit Tags fein einteilen wie bei Google+ und nun auch bei Facebook. So weit und so bekannt die Eigenschaften.

Wirklich neu ist das Versprechen, der Dienst gehöre den Mitgliedern. Das Problem der Geschichte: Sie stimmt so nicht. Derzeit gehört Zurker offenbar nur einer Person. Ob die werbenden und die für Anteile zahlenden Mitglieder einmal wirklich Miteigentümer werden, ist derzeit eine Glaubensfrage. Und ob man dem Zurker-Gründer glaubt, das muss jeder Investor für sich selbst entscheiden. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Portal.

Wer steckt hinter Zurker?

Kurze Antwort: Zurker wird derzeit nicht von mehreren Betreibern, sondern offenbar nur von einer Person verantwortet - einem in Belgrad geborenen japanischen Staatsbürger namens Naoki Oba.

Die Website Zurker.eu wurde von Naoki Oba in Neapel registriert, Zurker.in von einer Veronica Soriano aus Makati bei Manila und Zurker.com von einem Shavkat Karimov aus Florida, einem Experten für Suchmaschinen-Optimierung. Oba (Italien) und Soriano (Philippinen) haben bei der Registrierung dieselbe E-Mail-Adresse angegeben. Das wirkt nicht sehr vertrauenerweckend.

Gibt es diese Menschen wirklich? Auf Zurker.eu werden als Betreuer  ("custodians") eine Jessica D. und ein Nick Oba angegeben. Auf einer am 19. Juni archivierten Version der Seite  wird als weiterer Betreuer noch Shavkat Karimov genannt.

Auf Anfragen antwortet ein Mann namens Naoki Oba. Er schickt den Scan eines japanischen Reisepasses, ausgestellt im November 2010 in Manila für einen in Kagoshima, Japan, ansässigen Naoki Oba. Oba erklärt: "Ich bin der Betreiber des gesamtem Zurker-Projektes, einschließlich aller Regionalversionen." Er nenne sich Nick, weil Naoki im Westen oft falsch ausgesprochen werde. Karimov sei kein Betreiber mehr, Jessica D. lediglich eine Angestellte, deren Identität geschützt werden müsse. Dass einige Domains auf Veronica Soriano registriert wurden, erklärt Oba so: Sie sei seine Assistentin gewesen, arbeite aber nicht mehr für ihn.

Wem gehört Zurker?

Kurzfassung: Zurker gehört derzeit Naoki Oba. Die Anteile namens vShares gewährleisten bislang nur, dass Nutzer sich für Firmenanteile qualifizieren sollen.

Laut Zurker gehört das Netz "Nutzern wie mir und dir". Unter der Überschrift "Jeder besitzt Zurker" listet  die Seite die Besitzer sogenannter vShares auf - jene Anteilsscheine, die man gegen Bezahlung oder für das Anwerben neuer Mitglieder erhält. In den Nutzungsbedingungen  steht allerdings eindeutig, wenn auch etwas versteckt: "vShares sind keine Anteilsscheine und keine Aktien. vShares sind eine Vereinbarung zwischen den Nutzern und den Betreibern, dass Nutzer sich für Firmenanteile qualifizieren werden."

Treffender wäre hier vielleicht der Ausdruck "Option" auf Anteilsscheine. Auf Rückfrage räumt Oba ein, der Ausdruck "Besitzer" sei vielleicht nicht ganz korrekt: "Überraschenderweise hat dies aber bislang niemand erwähnt. Vielleicht sollten wir es in 'zukünftige Besitzer' ändern." Oba bekennt in seiner Antwort freimütig: "Sie haben recht, derzeit gibt es keine rechtliche Basis für den Besitz durch Mitglieder."

Oba erklärt dies mit der unklaren rechtlichen Lage in den USA in Bezug auf Crowdfunding. Er könnte derzeit mangels einer gesetzlichen Basis das Unternehmen nicht so formalisieren, wie das Modell funktionieren soll. Er verweist aber auf die soziale Kontrolle im Web: Wenn er sich nicht an die Abmachung halten würde, wäre er sicher bald "zerstört".

Wann wird Zurker den Mitgliedern gehören?

Kurze Antwort: Vielleicht irgendwann, vielleicht auch nicht.

Laut Zurker soll für jedes Regionalnetz eine Firma gegründet werden, sobald eine Million vShares in der jeweiligen Region ausgegeben  worden sind. Diese soll dann den Anteilseignern gehören. Einen genauen Zeitplan dafür gibt es nicht. In den Vereinigten Staaten existiert allerdings schon seit dem 20. März dieses Jahres eine Firma namens Zurker Inc., registriert im US-Staat Delaware.

In der Vergangenheit tauchte dieser Firmenname auch auf den Seiten von Zurker.eu  auf, als Copyright-Inhaber (Copyright Zurker Inc. 2011, 2012 All rights reserved). Inzwischen ist der Firmenname wieder verschwunden. Naoki Oba erwähnt selbst diese Firma und sagt, dass er Alleineigentümer sei. Die US-Version von Zurker ist laut eigenen Angaben  Alleineigentümer des Codes, der Markenrechte und der Logos von Zurker.

Auf die Frage, ob eine unabhängige Instanz überwacht, wie viele vShares ausgegeben worden sind, antwortete Oba: "Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich die Frage verstehe. Man kann das einfach auf Basis der Liste der Besitzer auf der Website ausrechnen. vShares sind per Definition virtuell, und sie existieren nur als Datenfelder in einer Datenbank."

Welche Stimmrechte die Anteilseigner einst haben sollen, weiß Oba noch nicht so genau: "Ich bin nicht wirklich ein Experte auf dem Gebiet." Er versichert aber: "Es wird keine besonderen Stimmrechte geben. Ich werde die Firma nicht kontrollieren, wenn die Mitglieder mich feuern wollen, werden sie das können."

Wer entscheidet bei Zurker?

Kurze Antwort: Naoki Oba entscheidet.

Zurker wirbt damit, dass hier die Mitglieder als Miteigentümer bestimmen, was geschieht ("Zurker is driven by democracy "). Allerdings finden sich auf den Zurker-Seiten keine Foren zur Abstimmung über Ausgaben, Investitionen und Ziele des Unternehmens.

Und wann kommt die Mitbestimmung? Alleininhaber Oba antwortet: "Wenn Zurker als Unternehmen mit den Mitgliedern als Anteilseignern organisiert ist." Oba führt aus, dass Demokratie nicht so leicht umzusetzen sei, er verweist auf Probleme im Irak, in Ägypten und die Vorwahlen bei den US-Republikanern. Abstimmungen könnten nicht simpel mit einfacher Online-Mehrheit entschieden werden, das System müsse ausbalanciert sein und mehrere Stufen durchlaufen. Für die Entwicklung und Programmierung brauche man Zeit: "Wir machen das, wenn mindestens zwei bis drei Programmierer Vollzeit für Zurker arbeiten."

Wer erhält Geld von Zurker?

Kurze Antwort: Naoki Oba und Dienstleister.

Man findet auf den Seiten von Zurker Aufstellungen von Einnahmen und Ausgaben. Daraus geht hervor, dass seit Dezember monatlich 2500 Dollar an einen Angestellten ausgezahlt werden, dass im Januar 25.000 Dollar von Entwicklern in Rechnung gestellt und davon 5000 Dollar ausgezahlt wurden. Empfänger dieser Zahlungen ist nach eigenen Angaben Naoki Oba. Er sagt, Zurker gäbe außerdem Geld für Server (zehn derzeit), Ingenieure (90 Dollar die Stunde), Angestellte und Rechtsberatung aus.

Laut eigenen Angaben hat die US-Version von Zurker zwischen September 2011 und April 2012 knapp 24.000 Dollar ausgezahlt, weitere 18.000 Dollar stehen noch aus. Ein- und Ausgaben jüngeren Datums fehlen in der Übersicht . In diesem Zeitraum gingen 12.500 Dollar an Naoki Oba - seinen Angaben zufolge.

Ist Oba glaubwürdig?

Kurze Antwort: Das kann man nach gegenwärtigem Wissensstand nicht seriös beantworten. Es hängt von Naoki Oba ab.

So könnte es tatsächlich sein: Ein Mensch mit guten Absichten - in diesem Fall Oba - setzt das Vorhaben juristisch nicht wasserdicht um und formuliert die Projektbeschreibung ungenau. Allerdings könnte man die Widersprüche zwischen der Selbstdarstellung Zurkers und den tatsächlichen Verhältnissen auch anders erklären. Es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass Oba mit den eingenommenen Geldern Böses plant.

Auf einer zwielichtigen Seite wird für Zurker  und ein anderes soziales Netzwerk geworben, bei dem man auch durch das Anwerben neuer Mitglieder verdienen soll. Gibt es da eine Verbindung? Oba: "Um Gottes willen, nein. Wir haben mit den Leuten überhaupt nichts zu tun."

Oba hatte mit seinen vergangenen Online-Projekten nicht immer Erfolg. Sein Mitmach-Artikelportal Fortitude versprach den Verfassern von Artikeln und den Werbern neuer Mitglieder Bezahlung , allerdings musste man einzahlen, um Mitglied zu werden. In Foren  werfen Nutzer des eingestellten Dienstes Oba vor, er schulde ihnen noch Geld.

Stimmt das? Seine Antwort: "Ich habe Autoren jeden Monat bezahlt, bis es eingestellt wurde. Es stand am Ende ein Betrag aus, den ich nicht zahlen konnte." Er habe den Betroffenen Kredit bei Zurker angeboten. Zwei ehemalige Fortitude-Nutzer hätten sogar so viel Vertrauen, dass sie jeweils 500 Dollar investiert haben, so Oba.

Auf die Frage, ob Zurker Betrug ist, gibt es eine einfache Antwort, zumindest auf der Seite zurkerscam.com : "Nein, definitiv nicht." Registriert wurde diese Seite ("Recherchen zu einem neuen Web-Phänomen" laut Untertitel) im September 2011 von Shavkat Karimov. Den kennen wir bereits als zeitweiligen Mitbetreiber von Zurker. Inzwischen ist der Domainbesitzer anonymisiert. Warum hat man diese Seite so früh angemeldet? Oba: "Zu Zwecken des Markenschutzes und um unseren guten Ruf zu wahren, das ist ein Standardverfahren."

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