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Affäre um Entwicklungshilfeminister: Ein Teppich für Niebel

Foto: dapd

Afghanistan-Souvenir im BND-Jet Minister Niebels fliegender Teppich

Entwicklungshilfeminister Niebel hat einen privat erworbenen Teppich mit einer Bundesmaschine von Kabul nach Berlin fliegen lassen - ausgerechnet im Dienstjet des BND-Präsidenten. Nun gerät er in Erklärungsnot: Warum vermengte er Privates und Dienstliches, warum wurde die Ware nicht verzollt?

Berlin/Kabul - Afghanische Souvenirs von Kabul nach Deutschland zu bringen kann tückisch sein, gerade wenn sie einige Kilogramm mehr wiegen. Die Handvoll Airlines, die die Hauptstadt am Hindukusch überhaupt anfliegen, achten streng auf die Gewichtsgrenzen, bei Übergepäck verlangen sie empfindliche Gebühren.

Wer Teppiche, Holzschnitzereien oder Felldecken alternativ per Post oder Kurier nach Deutschland bringen will, muss sich wochenlang mit dem Transitland Dubai rumschlagen, das Golf-Emirat kontrolliert gern sehr genau.

Kommt die Ware endlich in Deutschland an, beugt sich noch mal ein deutscher Zöllner über die Mitbringsel. Für einen handgeknüpften Teppich, auf den Kabuler Basaren für einige hundert Dollar zu haben, wird dann anhand der Knotendichte ein Wert geschätzt. Manch ein Teppich-Narr musste in solchen Fällen schon bis zu 1000 Euro Zoll für das Orient-Mitbringsel nachzahlen.

Sehr viel einfacher und günstiger funktionierte kürzlich die Lieferung eines privaten Kabul-Mitbringsels für den Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP). Es war gegen Mittag am 20. Mai, da landete auf dem nichtkommerziellen Teil des Flughafens Schönefeld eine unauffällige Dessault Falcon 900EX mit der Kennung D-AZEM.

Die Piloten des Jets hatten den Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) gerade sicher aus Kabul heimgeflogen, als einziger Bundesbeamter verfügt der Agenten-Chef für seine diskreten Reisen über ein eigenes Flugzeug.

Neben dem knappen Dienstgepäck von Gerhard Schindler zerrten die Lademeister des abgeschirmten Flughafenteils an diesem Tag jedoch auch noch eine auffällig lange Rolle aus dem kleinen Frachtraum des dreistrahligen BND-Jets. Gleich neben der grau-weiß lackierten Falcon wartete auf das rund 30 Kilo schwere Sperrgepäck bereits ein Fahrer der Regierung, genauer gesagt des Entwicklungshilfeministers.

Keine lästigen Kontrollen

Die Übergabe dauerte nur wenige Minuten: Rasch lud der Fahrer die Kabuler Fracht für seinen Chef Dirk Niebel ein. Ohne lästige Kontrolle vom Zoll oder der Bundespolizei rauschte der Dienstwagen umgehend los in Richtung Innenstadt.

Der VIP-Service für den Minister könnte sich für Dirk Niebel zu einer unangenehmen Belastung auswachsen. Denn der FDP-Mann, in Sachen Entwicklungshilfe für die Merkel-Regierung quasi dauerhaft im Ausland unterwegs, ließ beim Transport seines privaten Mitbringsels aus Kabul wenig Fingerspitzengefühl walten: Weder zahlte das Kabinettsmitglied für den Direkt-Service Kabul-Berlin eine Gebühr, noch verzollte er die auf dem Rollfeld übergebene Auslegware.

Nach einer SPIEGEL-Anfrage bestätigte Niebel am vergangenen Mittwoch, dass er den neun Quadratmeter großen Teppich bei einer Dienstreise im März in Kabul für rund 1400 Dollar privat gekauft hatte. Da Niebel mit Linie nach Kabul geflogen war, so die Darstellung, ließ er das sperrige Souvenir in der deutschen Botschaft.

Wenn mal wieder eine Delegation mit einem Regierungsflugzeug vorbeikomme, wies der Minister die Diplomaten an, solle man seinen Teppich doch einfach mit nach Deutschland nehmen.

Eine Gelegenheit fand sich recht zügig. Mitte Mai informierte ein Mitarbeiter der Botschaft per E-Mail einen Referenten von Niebel, BND-Chef Schindler sei in Kabul und könne den Teppich mitnehmen. Minister Niebel, so das Ministerium auf Anfrage, sah den Transport in einer Dienstmaschine als "privaten Gefallen". Ein Preis für den VIP-Kurierdienst wurde nicht vereinbart.

BND-Chef Schindler bekam nur am Rande Kenntnis von der privaten Fracht. Er ging davon aus, so heißt es, der Teppich sei ein Dienstgeschenk an Niebel, der Transport im BND-Jet also quasi eine Art Amtshilfe. Die Formalien wie Zoll überließ Schindler dann auch dem Empfänger.

Niebel beantragte jetzt eine Nachverzollung

Was sich zunächst wie ein lapidarer Freundschaftsdienst unter Spitzenbeamten anhört, sorgt in Niebels Haus durchaus für Nervosität. Erst jetzt, gut zwei Wochen später, scheint aufgefallen zu sein, dass der kostenlose "private Gefallen" wie ein ziemlich krummes Ding aussieht.

Auch wenn Niebel durch den reibungslosen Transport kein immenser wirtschaftlicher Vorteil entstanden ist, wirkt der kurze Dienstweg für den Teppich doch zumindest wie eine Kumpanei. Die Frage steht im Raum, ob Niebel den BND unzulässig für seine privaten Zwecke einspannte.

Der Ruch einer Vorteilsnahme und der Umgehung der Behörden durch den sehr direkten Transport zeitigen mittlerweile Wirkung. Kurz nach der telefonischen SPIEGEL-Nachfrage beantragte Dirk Niebel für den Teppich, der mittlerweile seine Privatwohnung schmückt, bei den Behörden eine sogenannte Nachverzollung.

Durch "ein Missverständnis" sei dies zunächst versäumt worden, heißt es in seinem Haus. Es bleibt die Frage: Wer aber außer dem Minister selber hätte für die korrekte Abwicklung der Einfuhr sorgen sollen?

Wie hoch die nachträgliche Gebühr für den fliegenden Teppich wird und ob wegen der ziemlich späten Anmeldung der Ware aus dem fernen Kabul auch eine Strafzahlung zu entrichten ist, muss nun das Zollamt am Flughafen Berlin-Tegel entscheiden.

Update: Nach dem Erscheinen des Beitrags am Donnerstagnachmittag äußerte sich Minister Niebel persönlich zu dem Vorgang. "Ich bedauere, dass der Antrag auf Verzollung erst mit Verzögerung gestellt wurde", sagte Niebel der Nachrichtenagentur dapd. Die Nachverzollung des Teppichs sei wie berichtet nach der SPIEGEL-Anfrage von ihm nachträglich eingeleitet worden. Niebel versicherte zudem, er werde "jederzeit sämtlichen Rechtspflichten in meinem dienstlichen und privaten Handeln" nachkommen und die Zollgebühren samt einer möglichen Strafe nachzahlen.