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Studie: SPD gewann 2017 erstmals seit 1990 Mitglieder hinzu und bleibt Deutschlands stärkste Partei / auch alle Oppositionsparteien legten zu / Zahl der Parteimitglieder insgesamt erstmals seit 1990 deutlich gestiegen

Politologe Prof. Dr. Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin stellt neueste Zahlen der Mitgliederentwicklung der politischen Parteien in Deutschland vor

Nr. 209/2018 vom 09.08.2018

Die SPD hat einer Studie des Politologen Prof. Dr. Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin zufolge im Jahr 2017 ihren Vorsprung als mitgliederstärkste Partei ausgebaut und erstmals seit 1990 einen Zuwachs verzeichnet. Sie kam Ende 2017 auf 443.152 Mitglieder und damit auf 2,4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die CDU als zweitstärkste Partei hatte mit 425.910 Mitgliedern Ende 2017 einen Verlust von 1,4 Prozent gegenüber Ende 2016; sie führte damit in ihrer Mitgliederverwaltung 17.242 Parteiangehörige weniger als die SPD. Da die CDU – anders als die SPD – nur außerhalb Bayerns Mitglieder gewinnen kann, ist die Gesamtzahl der Personen in der Bevölkerung, die sie überhaupt ansprechen kann, geringer. Die Rekrutierungsfähigkeit der CDU, also der prozentuale Anteil der Parteimitglieder an der Gesamtzahl der potenziellen Mitglieder, lag Ende 2016 wie ununterbrochen seit 1999 höher als die der SPD: Der Wert der CDU erreichte im Jahr 2016 rund 0,72 Prozent, während die SPD auf 0,6 Prozent kam. Die Ergebnisse sind in der jüngsten Ausgabe (2/18) der Zeitschrift für Parlamentsfragen erschienen. Alle Ergebnisse sowie zusätzliche Tabellen und Schaubilder enthält ein Arbeitspapier der Freien Universität: www.polsoz.fu-berlin.de/polwiss/forschung/systeme/empsoz/schriften/Arbeitshefte/P-PMIT18_Nr_29.pdf

Drittgrößte Partei blieb Ende 2017 die CSU, die im Jahresverlauf ein Prozent ihrer Mitglieder verloren hatte und auf 140.983 Angehörige kam. Sie erzielte Ende 2016 einen Wert für die Rekrutierungsfähigkeit von 1,29 und damit den höchsten Wert aller Parteien, das heißt 1,29 Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahren in Bayern waren CSU-Mitglied. CDU/CSU gemeinsam erreichten Ende 2016 bundesweit 0,81 Prozent der potenziellen Mitglieder. Alle gegenwärtigen Oppositionsparteien im Bundestag gewannen im Jahr 2017 Mitglieder hinzu. Die Grünen legte als viertstärkste Partei um 5,6 Prozent auf 65.065 Mitglieder zu. Sie behauptete den vierten Platz gegenüber der FDP, die die Linkspartei als fünftgrößte Partei überrundete. Die FDP kam nach einem Zuwachs um 17 Prozent auf 63.050 Mitglieder, die Partei die Linke legte erstmals seit 2009 wieder zu und wuchs um 5,8 Prozent auf 62.300 Mitglieder. Siebtgrößte Partei blieb die AfD, die mit einem Zuwachs von 10,4 Prozent 27.621 Mitglieder hatte. Alle gegenwärtigen Oppositionsparteien rekrutierten damit Ende 2016 weniger als jeweils 0,09 Prozent der beitrittsberechtigten Bevölkerung. Bundesweit waren Ende 2017 insgesamt rund 1,69 Prozent der beitrittsberechtigten Bevölkerung Mitglieder einer Partei.

„Der Zuwachs der Mitglieder in der SPD war erwartet worden, denn der sogenannte Schulz-Hype nach der Nominierung von Martin Schulz zum SPD-Kanzlerkandidaten führte in den ersten Monaten des Jahres zu einer Welle von Neueintritten“, erläuterte Oskar Niedermayer. So hätte die SPD von Anfang Januar bis Ende März mehr als 15.000 Neumitglieder verzeichnet. Am Jahresende sei deutlich geworden, dass nicht nur die SPD von der allgemeinen politischen Mobilisierung im Jahr der Bundestagswahl profitiert hatte, sondern auch andere Parteien, und dies in noch höherem Maße. „Bei der SPD, den Grünen und der Linkspartei trug der sogenannte Trump-Effekt, eine Eintrittswelle nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA im November 2016, zu der Steigerung bei“, sagte Oskar Niedermayer. Im Bundestagswahljahr 2017 sei die Eintrittswelle noch deutlich größer ausgefallen als 2013.

„Insgesamt und über alle betrachteten Parteien hinweg ist Zahl der Mitglieder 2017 um 1,8 Prozent gestiegen. Das ist der erste deutliche Zuwachs seit 1990“, betonte der Politiologe. 2015 hatte es über alle Parteien hinweg noch einen Verlust von drei Prozentpunkten gegeben, 2016 von einem Punkt. Ein vorübergehender Zuwachs sei zwar 2013 verzeichnet worden, dem Jahr der vorletzen Bundestagswahl, doch habe er lediglich 0,4 Prozent betragen. „Nimmt man allerdings alle Parteien einschließlich der AfD zusammen, so ist seit 1990 die Zahl der Parteimitglieder um knapp die Hälfte gesunken.“ Dieser Mitgliederverlust seit 1990 – den nur die Grünen nicht erlitten hätten – sei aber in sehr unterschiedlichem Maße aufgetreten. Am stärksten habe es die Linke getroffen, die – trotz des Zuwachses durch die Vereinigung von PDS und WASG – Ende 2017 rund 78 Prozent weniger Mitglieder hatte als die PDS Ende 1990. „Die FDP verlor seit 1990 rund 62,5 Prozent ihrer Mitglieder, die SPD 53 Prozent, die CDU 46 Prozent und die CSU 24 Prozent. Lediglich die Grünen konnten ihre Mitgliedschaft seit 1990 um 57,5 Prozent steigern“, konstatierte Oskar Niedermayer. Die AfD habe seit ihrer Gründung 2013 um 56 Prozent zugelegt.

„Im Gegensatz zu früheren Jahren war der Mitgliederrückgang 2017 bei der CDU nicht flächendeckend“, hob Oskar Niedermayer hervor: In 13 Bundesländern seien die Zahlen zurückgegangen, in Niedersachsen hätten sie stagniert, und in Berlin und Schleswig-Holstein sei sogar ein leichter Mitgliederzuwachs zu verzeichnen gewesen. Bei der SPD mussten der Erhebung zufolge Rheinland-Pfalz und das Saarland einen leichten Mitgliederrückgang hinnehmen, während alle anderen Bundesländer zulegten, wobei der Zuwachs in den westdeutschen Landesverbänden prozentual mit gut zwei Prozent deutlich geringer war als in den fünf neuen Bundesländern mit knapp sechs Prozent. Die FDP wuchs der Studie zufolge deutschlandweit, in Hamburg sogar um 27 Prozent. Der Gesamtzuwachs war dabei in Ostdeutschland mit knapp sieben Prozent deutlich geringer als im Westen mit gut 18 Prozent. „Noch drastischer war der Ost-West-Unterschied bei der Linkspartei, die im Osten knapp zwei Prozent ihrer Mitglieder verlor, während sie im Westen gut zwölf Prozent zulegen konnte“, hob der Politologe hervor. Bei den Grünen war das Saarland der einzige Landesverband mit Mitgliederverlusten, und es gab bei den Zuwächsen keine großen Ost-West-Unterschiede, wie der Wissenschaftler herausfand. Die AfD gewann überall Mitglieder hinzu, und zwar im Osten etwas stärker als im Westen.

„Der Anteil der Frauen an den Parteimitgliedschaften ist nach wie vor sehr unterschiedlich“, sagte Oskar Niedermayer. Den höchsten Anteil hätten mit 39,8 Prozent die Grünen und mit 36,5 Prozent die Linkspartei verzeichnet. Die CDU kam demnach auf einen Frauenanteil von 26,2 Prozent, die FDP von 21,9 Prozent, die CSU von 20,5 Prozent und die AfD von 17 Prozent. „Die Betrachtung der Altersgruppen ergab eine Überalterung der Mitgliedschaften über alle Parteien hinweg“, konstatierte der Politologe. Den höchsten Altersdurchchnitt hätten CDU und SPD mit 60 Jahren; es folgten die CSU mit 59 Jahren, Linke (56 Jahre), FDP (52) und Grüne (50). Für die AfD lagen keine Zahlen vor.

Oskar Niedermayer, geboren 1952 in Schönau bei Heidelberg, lehrte bis 2017 fast ein Vierteljahrhundert am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität; er führt die Parteienstudie im Ruhestand fort. Oskar Niedermayer studierte Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre und Politische Wissenschaft an der Universität Mannheim. Er promovierte mit summa cum laude über das Thema „Europäische Parteien? Zur grenzüberschreitenden Interaktion politischer Parteien im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft“ und habilitierte sich 1988 im Fach Politische Wissenschaft an der Universität Mannheim. Oskar Niedermayer lehrte an den Universitäten Mannheim, Konstanz und Heidelberg und war mehrere Jahre lang Direktor des Zentrums für Europäische Umfrageanalysen und Studien (ZEUS). Im Jahr 1993 folgte er dem Ruf an die Freie Universität Berlin. Zu seinen Schwerpunkten zählen Politische Soziologie, das politisches System Deutschlands, Europaforschung und Methoden der Politikwissenschaft.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Oskar Niedermayer, Telefon: 033731-14615, E-Mail: oskar.niedermayer@fu-berlin.de