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Linz: Ausmaß an Lieferproblemen nimmt weiter zu

Die Apotheker in Niedersachsen haben erneut auf zunehmende Lieferengpässe bei Medikamenten wie zum Beispiel beim Schmerzmittel Ibuprofen hingewiesen. Der Wirkstoff werde überwiegend in einem Werk in den USA hergestellt, das derzeit technische Probleme habe, sagte die Präsidentin der Apothekerkammer in Hannover, Magdalene Linz, der Deutschen Presse-Agentur. Der Engpass bestehe schon seit Juni und werde wohl bis Ende 2018 anhalten. Zwar gebe es alternative Schmerzmittel, diese seien aber zum Teil nicht entzündungshemmend oder für bestimmte Risikopatienten nicht so gut geeignet.

Allergiker haben nach Angaben von Linz darüber hinaus weiterhin Probleme, an Notfallmedikamente zu kommen, die beispielsweise bei Wespenstichen nötig sein können. Auch diese Adrenalin-Spritzen seien nach wie vor nicht immer verfügbar, sagte die Kammerpräsidentin. Nach ihren Angaben gab es in der Vergangenheit auch immer mal wieder Lieferschwierigkeiten, allerdings nicht in diesem Ausmaß.

«Bei manchen Präparaten versuchen wir sogar stündlich, sie zu bestellen», sagte Bianca Uekermann von der Mohren-Apotheke in Celle. «Wenn ein Präparat lieferbar ist, bemühen wir uns auch einen Teil auf Lager zu legen.» Größere Tabletten-Packungen würden geteilt, sollte nur eine kleinere Menge verschrieben worden sein. «Es ist ein Mehraufwand», sagte die Apothekerin. Laut Mathias Grau, Inhaber der Rats-Apotheke in Horneburg im Landkreis Stade, sind Impfstoffe gegen Tollwut ebenfalls kaum zu bekommen. «Es gab aber noch keine Situation, in der wir - in Rücksprache mit dem Arzt - dem Patienten nicht helfen konnten», betonte er.

Nach Angaben des Verbandes Deutscher Krankenhausapotheker ADKA betreffen die Engpässe in zunehmendem Maße die Krankenhausapotheken. «Die Situation ist unbefriedigend und die Krankenhausapotheker vor Ort werden immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert, was die Ersatzbeschaffung und Substitution eingesetzter Arzneimittel betrifft», sagte Almut Weygand, Leiterin der Zentralapotheke des St. Bernward Krankenhauses in Hildesheim und stellvertretende ADKA-Vorsitzende in Niedersachsen und Bremen.

Kammerpräsidentin Linz zufolge gab es auch in der Vergangenheit immer mal wieder Lieferschwierigkeiten, allerdings nicht in diesem Ausmaß. Viele Wirkstoffe werden nicht mehr in Deutschland oder Europa, sondern in Asien produziert. So führte die Explosion eines Werks in China zu Engpässen bei speziellen Antibiotika, die in Kliniken bei schweren Infektionen im Bauchraum eingesetzt werden. «Der Hintergrund sind die Globalisierung und natürlich auch der Kostendruck», meint die Apothekerin aus Hannover. Die Rabattverträge der Krankenkassen setzen nach ihrer Einschätzung die Pharmafirmen unter Druck, die Kosten immer weiter zu senken.

Diesen Vorwurf weisen die Kassen zurück. «Es ist nicht zutreffend, dass Rabattverträge Kostendruck aufbauen, dem sich die Pharmahersteller unterordnen müssten. Die Pharmaindustrie ist lange vor den erst 2007 eingeführten Rabattverträgen an günstige Produktionsstätten abgewandert», sagte der Sprecher der AOK Niedersachsen, Carsten Sievers. Hintergrund sei vielmehr, dass die Pharma-Unternehmen eine Just-in-Time-Produktion aufwendiger und teurer Lagerhaltung vorziehen.

Auch die Techniker Krankenkasse (TK) sieht keinen Zusammenhang zwischen Lieferengpässen und Rabattverträgen. Diese kämen bei der TK sehr selten vor. Rabattverträge seien im Gegenteil ein gutes Instrument, um Lieferausfälle zu vermeiden, sagte TK-Sprecher Dennis Chytrek.

Der Kostendruck der Pharmaunternehmen geht nach Ansicht von Niedersachsens Apothekerkammerchefin Linz gegebenenfalls auch zu Lasten der Qualität. Dies habe man am Fall Valsartan gesehen, sagte sie. Nach Schätzung der Bundesregierung könnten im vergangenen Jahr etwa 900.000 Patienten den verunreinigten Blutdrucksenker eingenommen haben. Anfang Juli hatten Aufsichtsbehörden in Europa einen Vertriebsstopp und vorsorglichen Rückruf des Blutdrucksenkers angeordnet.

 

14.09.2018 l dpa

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