Rohstoffe 3 Risiken, die den Ölpreis in die Höhe treiben könnten

Ölpreis: Drei Risiken, die den Ölpreis treiben könnten Quelle: dpa

Der Preis für ein Fass Öl ist zuletzt wieder unter 70 Dollar je Barrel gefallen. Warum Verbraucher trotzdem einen erneuten Anstieg fürchten müssen.

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So harmonisch wie derzeit war es am Ölmarkt selten: Die Produzenten sind nach den Preissteigerungen des vergangenen Jahres dank wieder sprudelnder Gewinne zufrieden und Verbraucher sehen sich dank stabiler Preise auch nicht genötigt, auf notorisch hohe Preise zu schimpfen.

Während sich seit Juni 2017 die Ölpreise um 43 Prozent verteuert haben, sind die Benzinpreise etwa in Deutschland nur um 2,2 Prozent auf 1,37 Euro je Liter Superbenzin gestiegen – was nicht zuletzt daran liegt, dass die Ölpreise nur rund 40 Prozent an den Benzinpreisen ausmachten.

Die vermeintliche Harmonie ist aber bedroht. Gleich eine Reihe größerer Risiken könnte den Ölpreis nach oben und wieder jenseits der 70-Dollar-Marke treiben.

Risiko Nummer 1: Produktionsausfälle

Das Problem klingt allgemein und immer latent aktuell. Derzeit aber ist es ein hochbrisantes Thema. Denn Venezuela, der Staat mit den reichsten Ölreserven der Welt, befindet sich seit dem Ölpreisverfall, der zwischen 2014 und Anfang 2016 den Ölpreis von über 110 auf unter 30 Dollar je Barrel (159 Liter) nahezu viertelte, am Rande eines Staatsbankrotts.

Derzeit ist das Land so knapp bei Kasse, dass es nicht einmal seine Ölarbeiter bezahlen kann. Die Folge: Die Ölproduktion des Landes ist binnen eines Jahres um 800.000 auf 1,5 Millionen Barrel pro Tag gefallen, wie jüngste Zahlen des Finanzdienstleisters Bloomberg zeigen.

Der Fall der venezolanischen Produktion ist derart brisant, dass die Internationale Energieagentur das Land als den „größten Risikofaktor“ innerhalb der Organisation erdölexportierender Staaten (Opec) bezeichnete. Andere Staaten mit drohenden Produktionsausfällen wie Libyen oder Nigeria seien zwar ebenfalls ein Risikofaktor, doch die Häufigkeit von Ausfällen habe sich zuletzt reduziert. Im Falle Venezuelas haben Experten aber keinen Zweifel daran, dass die Produktion weiter fällt. Vielmehr fragen sie sich, ob sich die Abwärtsspirale nicht noch beschleunigt.

Risiko Nummer 2: Sanktionen gegen den Iran

Ein weiterer Risikofaktor für den Ölmarkt liegt in möglichen neuen Sanktionen gegen den Iran. Während der ehemalige US-Präsident Barack Obama noch eine Einigung mit den Iranern erzielte, die zur Aufhebung des größten Teils der Sanktionen des Westens gegen das Land führte – und das Öl des Landes zurück an die Weltmärkte brachte –, würde der amtierende US-Präsident Donald Trump den „schlechtesten Deal aller Zeiten“ am liebsten schnell aufheben. Zumindest soll das Abkommen bis Ende Mai nachverhandelt werden.

Allein die Andeutung, dass der Iran wieder mit Sanktionen des Westens überzogen werden könnte und seine immerhin 2,1 Millionen Barrel an Ölexporten (von 3,8 Millionen Barrel Ölproduktion) wieder drastisch eingeschränkt werden, schreckt den Ölmarkt auf. Analysten der französischen Société Générale bezeichneten die Wiederaufnahme der Iran-Sanktionen bereits vor Wochen als das „größte Risiko“ für steigende Ölpreise.

Nun legte das Team um Michael Wittner nach: Die Wahrscheinlichkeit neuer Sanktionen liege bei 70 Prozent, haben die Banker ausgerechnet. Zwar würden mit voraussichtlich 500.000 Barrel iranischen Öls nur 0,5 Prozent des weltweiten Angebots entfallen. Den Preiseffekt taxieren die Société Générale Analysten aber auf zehn Dollar, fünf davon seien bereits eingepreist.

Risiko Nummer 3: Die Opec schießt bei den Förderkürzungen über das Ziel hinaus

Täglich 500.000 Barrel weniger aus dem Iran, 800.000 weniger aus Venezuela bei einer globalen Produktion von knapp 97 Millionen Barrel pro Tag – das soll die Ölpreise antreiben? Ja, das kann es. Denn der Ölmarkt hat sich gedreht. Ließ 2014 noch ein massives Überangebot, ausgelöst von den Schieferölproduzenten in den USA, den Ölpreis einbrechen, scheint das Verhältnis von Angebot und Nachfrage dieser Tage wieder im Gleichgewicht.

Dazu beigetragen hat unter anderem eine starke Nachfrage, die von der wachsenden Weltwirtschaft getrieben ist. Allein 2017 ist der Ölbedarf der Welt um 1,6 Millionen Barrel pro Tag gestiegen. In diesem Jahr rechnet die Internationale Energieagentur mit einem weiteren Anstieg um 1,5 Millionen Barrel.

Erste Anzeichen dafür, dass das Angebot bald knapper als die Nachfrage sein könnte gibt es bereits: So haben sich etwa die Öllager der Welt im ersten Quartal kaum gefüllt. Üblicherweise bauen sich die Lager in den ersten drei Monaten eines Jahres vergleichsweise stark auf, da Raffinerien gewartet werden und weniger Rohöl verarbeitet wird.

In den USA haben sich die Vorräte seit Anfang des Jahres aber nur um knapp eine Million auf 425 Millionen Barrel aufgestockt. In den Vorjahren, den Zeiten des Überangebots, waren es in der gleichen Zeitspanne noch mehr als 50 Millionen Barrel. Und mit dem Frühling und Sommer stehen nun die traditionell nachfragestärksten Monate des Jahres bevor.

Letztlich tragen die Förderländer der Opec gemeinsam mit ihren zehn Nicht-Opec-Partnern, darunter Russland, zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage bei. Seit Anfang 2017 verzichten sie täglich auf 1,8 Millionen Barrel pro Tag und haben damit den Preis bereits stark steigen lassen. Erklärtes Ziel ist ein stabiler Ölmarkt und ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage.

Obwohl sich dieser Zustand derzeit einzustellen scheint, will die Kürzungsallianz noch bis mindestens Ende dieses an ihren Markteingriffen festhalten, daran ließen die zwei maßgeblichen Energieminister des Deals Khalid Al-Falih (Saudi-Arabien) und Alexander Nowak (Russland) bis zuletzt keinen Zweifel. Hält die Disziplin, dürfte genau dieser Einschnitt die Preise treiben, weil der Markt in ein Defizit rutscht.

„Bei einer Opec-Fördermenge von gut 32 Millionen Barrel pro Tag, wie von Bloomberg berichtet, wäre der Ölmarkt ab dem zweiten Quartal deutlich unterversorgt, da der Bedarf an Opec-Öl bis Ende des Jahres auf Basis der aktuellen IEA-Schätzungen bei durchschnittlich 32,5 Millionen Barrel pro Tag liegt“, kommentieren die Öl-Analysten der Commerzbank. Die waren in den vergangenen Jahren übrigens gerade nicht dafür bekannt, höhere Ölpreise vorauszusehen.

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