11. Mai 2020
Corona Außendienst
Coronavirus - Handlungsempfehlungen für Unternehmen Arbeitsrecht

COVID-19 – besondere Herausforderungen für den Außendienst

Viele Arbeitgeber organisieren derzeit die Rückkehr aus dem Shutdown. Wenn Mitarbeiter im Außendienst tätig sind, gelten besondere Anforderung.

Viele Arbeitgeber stehen derzeit vor der Herausforderung, ihre Beschäftigten* nach einem wochenlangen Lockdown wieder zurück in die Büros und Betriebe zu bringen und dort unter Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu beschäftigen. Hierbei sind zahlreiche Aspekte zu berücksichtigen.

Denn der Arbeitgeber haftet über seine Fürsorgepflicht für die Gesundheit seiner Beschäftigten (§ 241 BGB und § 618 BGB). Ob die gesetzliche Unfallversicherung bei einer Erkrankung eingreift und dabei die gesetzlichen Haftungsbeschränkungen bestehen, ist bislang unklar. Voraussetzung wäre ein Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII) oder eine Berufserkrankung (§ 9 SGB VII). Außerhalb der Unfallversicherung haftet der Arbeitgeber nach allgemeinen Grundsätzen. Er sollte daher sein Möglichstes tun, um die Arbeitnehmer von einer Infektion am Arbeitsplatz zu schützen.

Rückkehr aus dem Corona-Lockdown – Gefährdungsbeurteilung zwingend

Vor allen jetzt zu treffenden Maßnahmen steht die Gefährdungsbeurteilung. Arbeitgeber müssen prüfen, welche Gefahren mit den einzelnen, von den Mitarbeitern auszuführenden Arbeitsschritten einhergehen. In Pandemie-Zeiten ist es das Risiko, sich am Arbeitsplatz mit dem Corona-Virus zu infizieren und an COVID-19 zu erkranken. Der Arbeitgeber muss für die erforderlichen Maßnahmen die Umstände berücksichtigen, die die Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Die Arbeit muss zwar nicht völlig frei von Gefährdungen sein, Gefährdungen müssen aber möglichst vermieden und die verbleibenden Gefährdungen möglichst gering gehalten werden (§ 4 ArbSchG).

Die Gefährdungsbeurteilung wird durch die bestehenden Arbeitsschutzverordnungen konkretisiert. Die Unternehmen müssen sich dabei insbesondere fragen, ob unter den konkreten Arbeitsumständen eine Infektion und Erkrankung droht und welche Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter möglich sind. Maßnahmen sollten dabei in abgestufter Reihenfolge getroffen werden: Wenn sich (1) die Gefährdung nicht vermeiden lässt, sind (2) technische Maßnahmen vorrangig vor (3) organisatorischen Maßnahmen. Erst danach sollten (4) personenbezogene Maßnahmen ergriffen werden.

Für Maßnahmen sind insbesondere die Arbeitsschutzstandards des BMAS, die Hinweise des Robert Koch Institutes sowie die von den jeweils zuständigen Berufsgenossenschaften herausgegebenen Hinweise zu beachten.

Nur wenig Einflussmöglichkeiten für Arbeitgeber bei Tätigkeiten im Außendienst

Die Herausforderungen, denen sich Arbeitgeber gegenwärtig ausgesetzt sehen, sind bereits bei einer Tätigkeit der Mitarbeiter in der eigenen betrieblichen Infrastruktur des Arbeitgebers enorm.

Das Problem verschärft sich jedoch deutlich, wenn die Arbeitnehmer nicht in den Räumlichkeiten des eigenen Unternehmens, sondern im Außendienst und damit in „fremden Sphären“ tätig werden. Hier wird der Arbeitgeber zwangsläufig beschränktere Möglichkeiten haben, die sich stellenden Gefahren zu beurteilen, soweit sie über generelle Arbeitsbedingungen (Homeoffice, Dienstwagen, Kundenbesuch) hinausgehen.

Der vom Arbeitgeber beherrschbare Raum wird verlassen, wenn die Außendienstmitarbeiter ihren Dienstwagen verlassen, um der eigentlichen Tätigkeit vor Ort beim Kunden nachzugehen. Die Umstände können bei jedem Kunden anders sein. Insofern weist etwa die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik in den auf ihrer Website veröffentlichten FAQ darauf hin, dass Arbeitgeber die Dienstwagen der Mitarbeiter mit hinreichend Desinfektionsmitteln ausstatten und Mitarbeiter auf die unmittelbare Übergabe von Informationen oder Produkten an den Kunden absehen sollten.

Wie sich die konkrete Situation und dementsprechend zu treffenden Maßnahmen bei den zu besuchenden Kunden darstellen, liegt außerhalb des Einflussbereichs (und oftmals nicht einmal im Wissensbereich) des Arbeitgebers. Hier muss der Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung einerseits vordenken. Andererseits muss er seine Außendienstler ausreichend schulen, dass diese selbst Gefährdungen erkennen und darauf reagieren können, sei es bei der Terminplanung, Anreise oder dem persönlichen Gespräch beim Kunden. Der Arbeitgeber muss auch nachhalten, ob sich die Schutzmaßnahmen bewähren.

Für Außendienst Ländervorschriften beachten

Hinzu kommt, dass bei einer bundesweit eingesetzten Außendienstflotte von Bundesland zu Bundesland äußerst unterschiedlich, Rechtsverordnungen zu beachten sind.

Hierbei ist zudem zu berücksichtigen, dass sich diese Rechtsverordnungen derzeit gefühlt täglich ändern. Was in dem einen Bundesland schon erlaubt ist, ist woanders noch verboten. Das betrifft nicht nur die Einreise aus dem Ausland. Arbeitgeber sind also gezwungen, sich hier „up to date“ zu halten und die von ihnen getroffenen Maßnahmen regelmäßig zu überprüfen.

Zudem bestehen in vielen Branchen weitere Hürden, die es zu nehmen gilt. So dürfte z.B. in der Pharma-Branche der Besuch von Ärzten in Krankenhäusern und Praxen oftmals nur in sehr begrenztem Umfang möglich sein. Teilweise ist schon das Betreten eines Krankenhauses verboten.

Praxistipp: Abstimmung mit Außendienst und Kunden

Unternehmen, deren Mitarbeiter im Außendienst tätig sind, sollten daher noch größeren Fokus auf die zu zutreffenden Gefährdungsbeurteilungen legen und sich hierbei im Zweifel eng mit den zu besuchenden Kunden abstimmen. Nur so können sie klären, ob die beim Kunden erforderlichen Maßnahmen eingehalten werden können.

Auch der Dialog mit den im Außendienst eingesetzten Mitarbeiter scheint wichtiger denn je. Nur so können Unternehmen erfahren, ob die von ihnen ergriffenen Maßnahmen und Standards in der Praxis überhaupt eingehalten werden können.

Auch wenn das Erfordernis vieler Unternehmen, ihre Mitarbeiter auch im Außendienst möglichst zeitnah wieder einzusetzen und so die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen durch COVID-19 zu reduzieren enorm ist: arbeitsschutzrechtliche Vorschriften müssen beachtet werden.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

In unserer Blogserie zu „Coronavirus: Handlungsempfehlungen für Unternehmen″ zeigen wir anhand der aktuellen Situation unternehmensbezogene Stolpersteine auf, die in Krisenzeiten zu beachten sind. Bereits erschienen sind Beiträge zu Verhandlungen, Verjährungen und Verfristungen sowie Haftungsfragen bei Absagen von Messen- und Veranstaltungen, zum Datenschutz trotz Corona und zu  Möglichkeiten von Aktiengesellschaften zur Cash-Ersparnis sowie Vermögensübertragungen zu steuergünstigen Konditionen. In weiteren Beiträgen gehen wir ein auf die Erstellung eines Notfallplans, auf Vertriebsverträge und Tips Lieferanten in Krisenzeiten und auf Auswirkungen auf Lebensmittel- und Hygieneverordnungen. Im Anschluss haben wir uns mit der streitigen (gerichtliche) Auseinandersetzung befasst, sind auf kartellrechtliche Auswirkungen sowie die Bedeutung für den Kapitalmarkt eingegangen. Näher befasst haben wir uns auch mit „infizierten″ Vertragsverhandlungen, den Änderungen in Mittel- und Osteuropa sowie mit klinischen Studien und dem neuen EU-Leitfaden für Sponsoren uns Prüfärzte. Weiter geht es mit Pflichten zur Abgabe der Steuererklärung und eventuell steuerstrafrechtlichen Haftungsrisiken, dem Moratorium für Zahlungsverpflichtungen von Verbrauchern und Kleinstunternehmern, Unterstützungsmaßnahmen für Start-ups, das Kurzarbeitergeld, sowie den Erleichterungen für Stiftungen und Vereine und GmbH-Gesellschafterbeschlüsse. Es folgten weitere Beiträge zu Kooperationen im Gesundheitswesen und zu Sachspenden an Krankenhäuser, zum Marktzugang für persönliche Schutzausrüstung und Medizinprodukte, zur Beschlagnahmemöglichkeit von Schutzausrüstung durch den Staat und zu Auswirkungen auf laufende IT-Projekte


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Tags: Außendienst Corona Gefährdungsbeurteilung