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Der Hamburger SV sucht einen neuen Ernst Happel

Sportredakteur
Vier Trainerkandidaten des Hamburger SV: Bruno Labbadia, Mirko Slomka, Christian Gross und Marco van Basten Vier Trainerkandidaten des Hamburger SV: Bruno Labbadia, Mirko Slomka, Christian Gross und Marco van Basten
Vier Trainerkandidaten des Hamburger SV: Bruno Labbadia, Mirko Slomka, Christian Gross und Marco van Basten
Quelle: dpa/dpa/REUTERS/REUTERS
Nachdem die Trainersuche im vergangenen Jahr unglaubliche 177 Tage dauerte, will sich der Hamburger SV bei der Festlegung auf einen Nachfolger von Martin Jol beeilen. Spätestens am Freitag soll der neue Chefcoach feststehen. Die Hanseaten sehnen sich nach einem Mann, der den Klub so prägt wie einst Ernst Happel.

Zun allem Überfluss musste der Hamburger Klubchef Bernd Hoffmann auch noch den Eisvogel retten. Sein Trainer Martin Jol war da schon hoffnungslos verloren, er hatte in einer bespiellosen Aktion den Hamburger SV von einem Tag auf den anderen verlassen und bei Ajax Amsterdam angeheuert. Hoffmann aber hatte sich zwischen Gesprächen mit potenziellen Nachfolgern der Initiative zur Ansiedlung des Eisvogels im Naherholungsgebiet Bramfeld zu widmen. Immerhin: Er erntete dafür Beifall.

Ob sein Elan auch bei der Trainersuche Anerkennung findet, wird sich in dieser Woche zeigen. Der Neue soll in den nächsten Tagen präsentiert werden, spätestens bis Freitag. Sportchef Dietmar Beiersdorfer musste deswegen sogar den Besuch einer Gala in Berlin vergangene Woche absagen.

Wer wird es denn nun? „Kann ich noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Wir müssen uns noch gedulden“, sagt Beiersdorfer. Dabei ist der Kreis der Kandidaten klein. Drei, vielleicht vier sollen infrage kommen. Bruno Labbadia von Bayer Leverkusen ist dabei, eventuell Mirko Slomka und vielleicht noch ein Mann aus dem Ausland. Marko van Basten („Der HSV ist ein interessanter Verein“) oder der gerade beim FC Basel entlassene Christian Gross kämen in Betracht. Grundvoraussetzung ist: Der Trainer muss Deutsch sprechen können.

Die Hamburger Führungsriege scheint einigermaßen guter Dinge zu sein, zumindest ist nach dem ersten Schock wieder eine gewisse Leichtigkeit zu spüren. „Eine Trainersuche ist schließlich auch keine Raketenwissenschaft“, sagt Hoffmann, „was wir machen, ist eher mit der Personalauswahl bei einem mittelständischen Unternehmen zu vergleichen.“ An Dossiers mangelt es auch nicht. Unglaubliche 177 Tage hatte der HSV ja ab dem Winter des vergangenen Jahres nach einem Trainer gefahndet. Dabei sind viele Personalakten erstellt worden. Außerdem ist der Klub in Übung. Vier Trainer wurden in den vergangenen fünf Jahren verschlissen.

Das jedoch stößt eher bitter auf. Wirtschaftlich ist der Klub zwar gut aufgestellt, sportlich ist er zum fünften Mal in Folge international vertreten. Auf dem wichtigsten Arbeitsplatz des Klubs jedoch ist ein Kommen und Gehen wie bei einer Zeitarbeitsfirma. Profis wie Nationalspieler Piotr Trochowski monieren das. Es gehe nichts voran, beklagt er.

Vereinsidole wie Uwe Seeler nehmen es mit Galgenhumor. „Immerhin gibt es immer wieder was Neues, was Buntes. Wie im Zirkus Krone“, sagt er. Er betont aber auch: „Es ist bedauernswert, dass keine Kontinuität reinkommt. Nur wer etwas aufbauen kann, wird auch Erfolg haben.“

Es ist kein Zufall, dass die besten Zeiten des HSV zwar lange zurückliegen, aber lange Zeit mit einem Trainer verbunden werden: Ernst Happel. Der weltgewandte Grantler aus Wien („Schreibens, was wolln, is mir eh wurscht“) war sechs Jahre lang Trainer des HSV, zweimal Deutscher Meister, Europapokalsieger der Landesmeister und DFB-Pokalsieger 1987. Seitdem hat der Klub keinen Titel mehr gewonnen, stattdessen 14 Trainer geholt und wieder verabschiedet.

Happel wurde von Günter Netzer verpflichtet, der vorher schon so lange wie möglich an dem alkoholkranken Branko Zebec festgehalten hatte und ihn beim Gang zu dessen letzter Pressekonferenz als HSV-Trainer stützen musste. Zebec hatte beim 3:0 am 13. Dezember 1980 in Bochum betrunken auf der Bank gesessen. Netzer mag dieser Tage nicht recht über den HSV reden. Er will kein Urteil über seine Nachfolger fällen. Nur dies: „Ich war völlig überrascht. Das war nicht erkennbar. Normalerweise geht es nicht, dass man drei Tage nach Saisonende ein anscheinend intaktes Verhältnis als beendet erklärt. Das ist schon sehr, sehr außergewöhnlich.“ Das geht in beide Richtungen. An den Trainer Jol, den die „Hamburger Morgenpost“ auf ihrer Titelseite mit einem großformatigen Foto als Verräter brandmarkte. Und an den Vorstand, von dem Martin Jol mehr Machtbefugnisse und Geld für neue Spieler gefordert hatte und es deswegen laut offizieller Darstellung „zu unterschiedlichen Vorstellungen über die zukünftige Ausrichtung gekommen ist“.

Titel der Vergangenheit als Geißel der Zukunft

Die HSV-Führung wollte nur mittragen, was wirtschaftlich vertretbar ist. Es ist eine Lehre aus der Vergangenheit, denn die Ära Netzer/Happel war zwar die sportlich erfolgreichste des HSV. Sie war aber wirtschaftlich ein Nullsummengeschäft. Rücklagen wurden nicht gebildet, die Spitzenmannschaft war nur schwer zu refinanzieren, und so häuften sich schnell Schulden an, als sich der Erfolg nicht mehr einstellte. Die Titel der Vergangenheit wurden zur Geißel der Zukunft. Der Hamburger SV wollte ein Topklub bleiben, lebte aber über seine Verhältnisse. „Nach Netzer hatte der HSV im Management Schwachpunkte, weil keine vernünftige Transferpolitik mehr erkennbar war. Es wurde wild durcheinandergekauft“, sagt der ehemalige Verteidiger Ditmar Jakobs. 1991 konnte nur eine Bürgschaft der Stadt und der Notverkauf von Thomas Doll an Lazio Rom für 18 Millionen Mark den Klub vor der Zahlungsunfähigkeit bewahren, und 1997 ging der Klub in die Geschichte ein, als er unter der Regie des damaligen Trainers Frank Pagelsdorf 17 Zugänge verpflichtete. Es sollte ein Neuaufbau sein, wie schon so oft.

Dieses Mal wacht der Hamburger Aufsichtsratsvorsitzende Horst Becker über den Schritt in eine neue Ära. Es heißt, die von seinem Gremium abgesegnete Summe für Investitionen habe Jol nicht ausgereicht. Becker sagt: „Es sind derzeit über zehn Millionen Euro. Ob es am Ende 11 oder 18 sind, wird sich herausstellen. Kommt darauf an, was der neue Trainer will.“ Becker scheint zu Zugeständnissen bereit. Auch er sehnt sich mittlerweile nach ein wenig Kontinuität.

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