Wer meint, Management habe nichts mit kulturellen Fragen zu tun, der irrt. Denn Führungskräfte prägen ein Unternehmen durch ihre Werte, ihr Verhalten, ihre Kommunikation und durch ihre Regeln. Gleichermaßen gilt: Auch die bestehende Kultur einer Firma prägt die Führungskräfte. Und als wäre das noch nicht genug, sind wir alle von der Kultur unseres Heimatlandes und der dort lebenden Gesellschaft beeinflusst. Darum haben auch die kulturellen Einflüsse eines Landes Bedeutung dafür, wie in einer Firma gearbeitet und miteinander umgegangen wird.  

"Faktoren wie Macht, Status und Hierarchie spielen eine ganz unterschiedliche Rolle; und auch was Kontrolle und Autorität angeht, haben die Führungskräfte verschiedener Kulturen ganz unterschiedliche Sichtweisen", sagt beispielsweise der bekannte Psychoanalytiker und Unternehmensberater Manfred Kets de Vries .

Die Werte eines Unternehmens zeigen sich in der Firmenphilosophie, in der Unternehmensleitung, wo die Manager für die propagierten Werte stehen – und auch in den Wertvorstellungen, die zwar zu spüren, aber nicht konkret zu fassen sind. Sie drücken sich in bestimmten Sitten, Ritualen, Umgangsformen, aber auch in Statussymbolen oder Projekten einer Firma aus. 

Doch was tun nun Entscheider, die neu in ein – möglicherweise sogar internationales – Unternehmen kommen und Änderungen herbeiführen sollen? Weil die Unternehmensführung tief in der Landes- und Unternehmenskultur verankert ist, werden Führungskräfte scheitern, wenn sie Dinge von ihren Mitarbeitern verlangen, die sie kulturell nicht gewohnt sind. Wer etwas in einem Unternehmen verändern möchte, muss sich also notwendigerweise mit kulturellen Fragen beschäftigen. Generell gilt: Jeder Veränderung in der Organisation muss zunächst ein – je nach Situation kleiner oder großer – Kulturwandel vorangehen.

Die Kultur zeigt sich im Informellen

Doch Vorsicht, Unternehmenskultur hat viel mit einem Eisberg gemeinsam: Der größte Teil liegt unter Wasser und ist nicht auf Anhieb zu erkennen. Wie ein Unternehmen tickt, welche Werte, Spielregeln oder auch Ängste herrschen, zeigt sich im Informellen. Hier schleichen sich geheime Regeln ein, bilden sich Subsysteme heraus. Wie lernt man diese ungeschriebenen Regeln kennen? Mit Einfühlungsvermögen, Sensibilität und Verständnis für solche informellen, kulturell geprägten ungeschriebenen Regeln. Zu erkennen, nach welchen Werten gelebt und gearbeitet wird, ist eine Sache. Die Wahrnehmung reicht aber nicht aus. Führungskräfte müssen auch die bestehende Kultur anerkennen und wertschätzen.

Es kommt also darauf an, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu verstehen und sie bei Führungsprozessen und Entscheidungsstrukturen zu berücksichtigen. Außerdem sollten sich Entscheider damit beschäftigen, was die  Wahrnehmungen und Handlungen der Mitarbeiter bestimmt.

Eine auf Werte orientierte Führungskraft bringt die Unternehmensvision mit den individuellen Visionen der Mitarbeiter in Einklang. Gleichzeitig muss sie ihr Unternehmenskonzept und die Unternehmensmethoden aber auch in den Kontext der jeweiligen Landeskultur integrieren, beschreibt Peter F. Drucker in Die Kunst des Managements die Anforderungen an ein Management.

Setzt eine Führungskraft auf gute Beziehungsnetzwerke, will sie Talente entwickeln, sind ihr traditionelle Werte, aber auch Ziele und Herausforderungen wichtig, hat sie gute Chancen, eine bestehende Unternehmenskultur zu verändern. Wichtig dafür ist aber, überhaupt erst eine Führungskultur zu schaffen. Nur wenn es der Führung ernsthaft auf Innovationen, auf Unverwechselbarkeit und Anerkennung ankommt, wenn sie keine Herausforderungen scheut und Fehler als Investition betrachtet, ändert sich eine Unternehmenskultur. Und das zeichnet echte Führungskunst überhaupt aus.