08.01.2020 Aufrufe

Global Compact Jahrbuch 2019: SDGs und Agenda 2030

In den vier Jahren seit der Einigung auf die 17 Sustainable Development Goals (SDG), kurz Global Goals, gab es helle Punkte des Fortschritts, zum Beispiel lebt die Weltbevölkerung besser und die Kindersterblichkeit unter fünf Jahren ist gesunken. Die Fortschritte bei den meisten der Global Goals waren jedoch schleppend oder sogar umgekehrt. Heute leben noch 700 Millionen Menschen in extremer Armut, über 170 Millionen sind arbeitslos und mehr als 70 Millionen suchen Zuflucht. Hungersnöte, extreme Klimaereignisse, Überbevölkerung, Wasserknappheit, geschlechtsspezifische Gewalt und ein Anstieg bewaffneter Konflikte und Extremismus bestimmen nach wie vor das Leben auf der ganzen Welt. Die 2019 Ausgabe des deutschen Global Compact Jahrbuchs zieht eine erste Zwischenbilanz.

In den vier Jahren seit der Einigung auf die 17 Sustainable Development Goals (SDG), kurz Global Goals, gab es helle Punkte des Fortschritts, zum Beispiel lebt die Weltbevölkerung besser und die Kindersterblichkeit unter fünf Jahren ist gesunken. Die Fortschritte bei den meisten der Global Goals waren jedoch schleppend oder sogar umgekehrt. Heute leben noch 700 Millionen Menschen in extremer Armut, über 170 Millionen sind arbeitslos und mehr als 70 Millionen suchen Zuflucht. Hungersnöte, extreme Klimaereignisse, Überbevölkerung, Wasserknappheit, geschlechtsspezifische Gewalt und ein Anstieg bewaffneter Konflikte und Extremismus bestimmen nach wie vor das Leben auf der ganzen Welt. Die 2019 Ausgabe des deutschen Global Compact Jahrbuchs zieht eine erste Zwischenbilanz.

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<strong>SDGs</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong><br />

JAHRBUCH <strong>2019</strong>


Herausgegeben mit fre<strong>und</strong>licher Unterstützung durch:


ZITAT<br />

I take away<br />

three concrete<br />

messages from<br />

your discussions these<br />

last two days.<br />

First, a welcome and<br />

clear renewal of the commitment<br />

by leader after<br />

leader to implement the<br />

<strong>2030</strong> <strong>Agenda</strong>.<br />

Amina Mohammed, UN Deputy Secretary-General’s<br />

closing remarks at High-level Political Forum on<br />

Sustainable Development (25. September <strong>2019</strong>)<br />

This is absolutely critical to respond to challenges that affect all countries:<br />

poverty, gross inequalities, discrimination against women and girls;<br />

climate change and a rapidly deteriorating natural environment.<br />

Second, I sensed wide recognition that we are off track to achieve the<br />

Goals by <strong>2030</strong> – and real determination to get us back on track.<br />

We heard an impressive range of acceleration actions by governments,<br />

the private sector, local authorities, civil society, the philanthropic<br />

sector, the scientific community and more.<br />

And whether through the Special Events with key stakeholders or<br />

through the numerous activities at the SDG Action Zone, the global<br />

movement behind the Goals continues to grow.<br />

Third, the task ahead is clear.<br />

In issuing a global appeal for a decade of action to deliver the Goals by<br />

<strong>2030</strong>, the Secretary-General noted that we can still achieve the <strong>SDGs</strong>;<br />

that a transformation of society and the economy is required to do so.<br />

As the Secretary-General said, we need global action, local action and<br />

people action.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

3


3<br />

8<br />

14<br />

16<br />

18<br />

19<br />

20<br />

24<br />

26<br />

Zitat:<br />

Amina Mohammed, UN Deputy Secretary-General<br />

Setting the Scene<br />

Die Europäische Union, Deutschland <strong>und</strong><br />

die <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong><br />

Von Marlehn Thieme<br />

Was wurde beim SDG-Gipfel <strong>2019</strong> der Vereinten<br />

Nationen erreicht?<br />

Von Jenni Lee<br />

Deutschland bei 29 von 66 Nachhaltigkeitszielen<br />

nicht auf Kurs<br />

Scheitern die <strong>SDGs</strong> in Asien?<br />

Erster unabhängiger Weltnachhaltigkeitsbericht<br />

veröffentlicht<br />

SDG Business Forum fordert:<br />

Nicht länger planen – jetzt geht es um Zielerreichung<br />

Let‘s all become activists<br />

By Lise Kingo<br />

INHALT<br />

Erste SDG-geb<strong>und</strong>ene Anleihe bringt 2,5 Milliarden<br />

Euro ein<br />

32<br />

Quo Vadis <strong>SDGs</strong>?<br />

6<br />

Setting the Scene –<br />

Wie weit sind wir von der<br />

Erreichung der globalen<br />

Entwicklungsziele entfernt?<br />

28<br />

„Business Leadership for 1.5°C“ hebt die Vorreiterrolle<br />

von Klimaexperten hervor<br />

48<br />

„Ein Wirtschaftssystem, das auf Wachstum <strong>und</strong> Profit<br />

ausgelegt ist, kann nicht nachhaltig sein“<br />

30<br />

News<br />

50<br />

Von Tomasz Konicz<br />

Weniger Kapitalismus, mehr Demokratie<br />

Von Hans-Jürgen Urban<br />

Quo Vadis <strong>Global</strong> Goals?<br />

52<br />

Kauf weniger!?<br />

34<br />

36<br />

Über Sinn <strong>und</strong> Zweck eines Corporate Purpose<br />

Von Dr. Kai Rolker<br />

Wir wollen Sinn!<br />

54<br />

Von Richard Häusler<br />

Streitpunkt Wachstum – Forscher legen<br />

Konsensvorschlag vor<br />

Von Daniel Erk<br />

40<br />

Das Geschäft von morgen: Die Leadership-<strong>Agenda</strong> für<br />

die 2020er Jahre<br />

Von Richard Roberts<br />

106<br />

<strong>Global</strong> Goals Forum & DGCN TNK<br />

Impressionen<br />

44<br />

46<br />

Statement on the Purpose of a Corporation<br />

„Wir müssen aufhören, Zukunft negativ zu begründen“<br />

Von Dr. Elmer Lenzen<br />

108<br />

112<br />

Rückblick: <strong>Global</strong> Goals Forum <strong>2019</strong> <strong>und</strong> DGCN<br />

Teilnehmerkonferenz<br />

Publikationen


104<br />

<strong>Global</strong> Goals Forum & DGCN TNK<br />

Good Practice<br />

58<br />

60<br />

ABB<br />

ABB zeigt die Zukunft des Energiemanagements<br />

ALDI<br />

ALDI Verpackungsmission: Wichtige Akzente für die<br />

Kreislaufwirtschaft<br />

82<br />

84<br />

iPoint-systems<br />

DIBICHAIN: Transparente Stoffkreisläufe mit<br />

Blockchain<br />

ista<br />

ista unterstützt die „Generation Klimaschutz“<br />

62<br />

Antalis<br />

Bei Antalis steht alles in Zeichen von CSR & Green<br />

Printing<br />

86<br />

Lufthansa Group<br />

Drei Zeithorizonte für Klimaschutz im<br />

Luftverkehr<br />

64<br />

BASF<br />

Warum wir Standards brauchen, die die Leistung von<br />

Unternehmen messen<br />

88<br />

macondo publishing<br />

Blockaden überwinden, Zukunft sichern: „Nachhaltig<br />

Erfolgreich Führen“<br />

66<br />

Bayer<br />

Ein besseres Leben für mehr Menschen im Rahmen der<br />

ökologischen Grenzen<br />

90<br />

MAN<br />

MAN reduziert seine CO 2<br />

-Emissionen um mehr als<br />

ein Viertel<br />

68<br />

BMW Group<br />

Nachhaltigkeit hat bei der BMW Group eine lange<br />

Tradition<br />

92<br />

Merck<br />

Bilharziose bis <strong>2030</strong> ausrotten:<br />

Jedes Kind zählt<br />

70<br />

Bosch<br />

Klimaneutralität als Ziel in 2020<br />

94<br />

Pervormance International<br />

Die erste klimaneutrale Klimaanlage der Welt<br />

72<br />

CEWE<br />

CEWE: Klimastrategie zum Anfassen<br />

96<br />

Symrise<br />

Symrise – Einsatz für Nachhaltigkeit<br />

74<br />

Daimler<br />

Daimler verankert das Thema Nachhaltigkeit im<br />

Zentrum des Geschäfts<br />

98<br />

TÜV Rheinland<br />

Überprüfung von Sozial- <strong>und</strong> Umweltstandards in<br />

globalen Lieferketten<br />

76<br />

E.ON<br />

E.ON macht das Internet nachhaltiger<br />

100<br />

Weidmüller<br />

„Geerdetes“ Klima-Konzept für neues Bürogebäude<br />

78<br />

Evonik<br />

Nah am K<strong>und</strong>en<br />

102<br />

Wilo<br />

Klimaschutz in der DNA


AGENDA<br />

6 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


SETTING THE SCENE<br />

Wie weit sind wir von der<br />

Erreichung der globalen<br />

Entwicklungsziele entfernt?<br />

In den vier Jahren seit der Einigung auf die 17 Sustainable Development Goals (SDG), kurz<br />

<strong>Global</strong> Goals, gab es helle Punkte des Fortschritts, zum Beispiel lebt die Weltbevölkerung<br />

besser <strong>und</strong> die Kindersterblichkeit unter fünf Jahren ist gesunken. Die Fortschritte bei den<br />

meisten der <strong>Global</strong> Goals waren jedoch schleppend oder sogar umgekehrt. Heute leben<br />

noch 700 Millionen Menschen in extremer Armut, über 170 Millionen sind arbeitslos <strong>und</strong><br />

mehr als 70 Millionen suchen Zuflucht. Hungersnöte, extreme Klimaereignisse, Überbevölkerung,<br />

Wasserknappheit, geschlechtsspezifische Gewalt <strong>und</strong> ein Anstieg bewaffneter<br />

Konflikte <strong>und</strong> Extremismus bestimmen nach wie vor das Leben auf der ganzen Welt.<br />

Auf dem SDG-Summit <strong>2019</strong> in New York zog man eine erste Zwischenbilanz.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

7


AGENDA<br />

Die<br />

Europäische<br />

Union,<br />

Deutschland<br />

<strong>und</strong> die<br />

<strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong><br />

Von Marlehn Thieme, Vorsitzende des RNE<br />

Wir befinden uns zweifelsohne in einer<br />

politisch spannenden, aber auch sehr<br />

herausfordernden Zeit. Die gesellschaftliche<br />

Polarisierung ergreift die Welt <strong>und</strong> auch die<br />

Nachhaltigkeitsherausforderungen: die globale<br />

Klimakrise spitzt sich zu – <strong>und</strong> ihre<br />

Wahrnehmung wird breiter, zugleich wird<br />

die Ablehnung nachhaltiger Politikansätze<br />

populistisch ausgeschlachtet.<br />

Die Menschen fühlen: es wird von<br />

Sommer zu Sommer heißer <strong>und</strong> heißer,<br />

die Zahl der Stürme <strong>und</strong> Überflutungen<br />

nimmt zu. Trotz zunehmender<br />

wissenschaftlicher Erkenntnisse, die<br />

gemeinsames internationales Handeln<br />

unabdingbar machen, werden Multilateralismus<br />

<strong>und</strong> internationale Allianzen<br />

zum Schutz unseres Planeten immer<br />

schwieriger, viele Länder wollen ihren<br />

fairen Anteil nicht übernehmen <strong>und</strong> argumentieren<br />

zunehmend nationalistisch.<br />

Ende September hatten wir bei den<br />

Vereinten Nationen einen Klima- <strong>und</strong><br />

SDG-Gipfel mit zahlreichen Staats- <strong>und</strong><br />

Regierungschefs. Kurz zuvor wurde der<br />

globale Nachhaltigkeitsbericht der Vereinten<br />

Nationen herausgegeben. Dieser<br />

zeigt: wir schreiten nicht entschieden<br />

genug voran. Mit den gegenwärtigen<br />

Maßnahmen rücken wir weltweit lediglich<br />

an die Erreichung von 3 Unterzielen<br />

von insgesamt 169 Zielen heran.<br />

8 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


SETTING THE SCENE<br />

Das sind:<br />

1. Reduzierung von Kindersterblichkeit <strong>und</strong><br />

2. Müttersterblichkeit, sowie<br />

3. Zugang zu Gr<strong>und</strong>schulbildung.<br />

Diese Ziele sind zwar wichtig, vor allem aber recht einfach<br />

zu fassen <strong>und</strong> zu messen. Die erdrückende Mehrzahl der<br />

Unterziele ist komplexerer Natur. Können wir uns deshalb<br />

leisten, sie nicht zu erreichen?<br />

Ich meine: nein.<br />

Es bleiben uns gute 10 Jahre, um Maßnahmen zu ergreifen,<br />

auch diese anderen 166 Ziele zu erreichen. Für einige <strong>SDGs</strong><br />

sind im Moment sogar rückläufige Tendenzen zu beobachten.<br />

Das empfinde ich als alarmierendes Signal!<br />

Hierbei handelt es sich unter anderem um die Ziele zur<br />

• Reduzierung von Ungleichheit,<br />

• Reduzierung unseres materiellen Konsumfußabdruckes <strong>und</strong>,<br />

hierüber wird im Moment viel geredet,<br />

• zur globalen Reduzierung von Treibhausgasen.<br />

Hier eine Umkehr der gegenwärtigen Trends zu erreichen<br />

erfordert mutige <strong>und</strong> weitreichende politische Maßnahmen<br />

<strong>und</strong> internationale Führung <strong>und</strong> Gemeinsamkeit.<br />

Während des SDG- <strong>und</strong> Klimagipfels der Vereinten Nationen<br />

waren alle Staats- <strong>und</strong> Regierungschefs aufgefordert, entlang<br />

der vom UN Bericht identifizierten 5 Transformationspfade<br />

konkrete Handlungsoptionen auf den Tisch zu legen – <strong>und</strong><br />

zwar in den Bereichen<br />

1. menschliches Wohlergehen,<br />

2. nachhaltige <strong>und</strong> gerechte Wirtschaftssysteme,<br />

3. Ernährungssysteme,<br />

4. Dekarbonisierung <strong>und</strong> Zugang zu Energie,<br />

5. städtische Entwicklung <strong>und</strong> globale Umweltgemeingüter.<br />

Deutschland <strong>und</strong> Finnland sicherten beispielsweise zu, bis<br />

2050 klimaneutral zu werden. Die europäische Union wird 25<br />

Prozent ihres nächsten Haushalts für Klimaschutzmaßnahmen<br />

vorsehen. Wir werden das genau nachprüfen.<br />

Indien hat eine weitreichende Solar-Allianz gegründet <strong>und</strong><br />

möchte seinen Anteil an erneuerbaren Energien signifikant<br />

bis 2022 erhöhen. Frankreich wird kein Handelsab- >><br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

9


AGENDA<br />

Was<br />

können wir<br />

tun, diesen<br />

Schwung<br />

jetzt auch<br />

konstruktiv<br />

zu nutzen?<br />

kommen mehr mit Ländern eingehen,<br />

die Politiken gegen das Pariser Klimaabkommen<br />

haben.<br />

Die Liste an Zusagen ließe sich nun noch<br />

beliebig fortsetzen <strong>und</strong> zeigt – trotz der<br />

gemeinsamen Vision von Paris: einen<br />

gemeinsamen Fahrplan zur Erreichung<br />

des Zieles, die globale Klimaerwärmung<br />

auf 1,5°C zu begrenzen, gibt es nicht.<br />

Nach dem Klimagipfel war vor dem<br />

SDG-Gipfel, bei dem alle Staats- <strong>und</strong><br />

Regierungschefs einzeln <strong>und</strong> gemeinsam<br />

um konkrete Maßnahmenpakete für<br />

das Erreichen der <strong>SDGs</strong> rangen. Über<br />

100 sogenannte „Beschleunigungsmaßnahmen“<br />

wurden öffentlich zugänglich<br />

bei den Vereinten Nationen registriert.<br />

Vier Jahre nach Beschluss der <strong>SDGs</strong> <strong>und</strong><br />

Appellen an eine politische Kurskorrektur<br />

schicken wir uns an zu handeln.<br />

Die angekündigten Maßnahmen sind<br />

als Meilenstein zu bewerten. Ebenso<br />

das Momentum, das die <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong><br />

aufgenommen hat. Was können wir tun,<br />

diesen Schwung jetzt auch konstruktiv<br />

zu nutzen?<br />

Wir kommen zunehmend unter Druck,<br />

endlich die Veränderungen mit quantifizierbaren<br />

Zielen <strong>und</strong> konkreten Maßnahmen<br />

<strong>und</strong> Zeithorizonten zu versehen.<br />

Nur so können wir aus meiner Sicht die<br />

Ziele innerhalb zehn Jahren erreichen.<br />

Der Rat für Nachhaltige Entwicklung<br />

hat mit Unterstützung des BMU <strong>und</strong> des<br />

BMZ die Initiative ergriffen <strong>und</strong> gemeinsam<br />

mit Partnern ein „<strong>Global</strong>es<br />

Forum von Nachhaltigkeitsräten <strong>und</strong><br />

vergleichbaren Beratungsgremien“ gegründet.<br />

Vergleichbar sind für uns solche<br />

Institutionen, die gegenüber ihrer<br />

Regierung eine Beratungsfunktion zur<br />

Nachhaltigkeit haben <strong>und</strong> diese mit einem<br />

Multi-Stakeholder-Ansatz ausfüllen.<br />

Dieses <strong>Global</strong> Forum soll nun dafür sorgen,<br />

dass Interessierte viel schneller <strong>und</strong><br />

zielgerichteter als bisher an Informationen<br />

kommen: Wie z.B. ein Peer Review<br />

funktioniert, den wir in Deutschland<br />

schon zweimal mit großem Impact durchgeführt<br />

haben, oder auf welche Weise ein<br />

Nachhaltigkeitsrat wirkungsvoll mit seiner<br />

Regierung interagiert. Wir wollen den<br />

schnellen Austausch von Informationen<br />

über die Erfolgsfaktoren <strong>und</strong> Hemmnisse<br />

in der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien<br />

<strong>und</strong> -fahrplänen auf nationaler<br />

Ebene ermöglichen. Was wir jetzt brauchen<br />

ist eine steile Lernkurve <strong>und</strong> organisationales<br />

Lernen – bei allen Beteiligten,<br />

Regierungen, Wirtschaft, Zivilgesellschaft<br />

<strong>und</strong> Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürgern.<br />

Auch wenn durch die <strong>SDGs</strong> viele Länder<br />

ihre Prozesse <strong>und</strong> Institutionen am vernetzten<br />

Zielsystem der <strong>SDGs</strong> orientieren,<br />

ist es immer noch nicht selbstverständlich,<br />

Nachhaltigkeitsräte oder vergleichbare<br />

Organisationen einzurichten. Überlegungen<br />

dieser Art wecken zuweilen<br />

massive Vorbehalte <strong>und</strong> abwehrende<br />

Skepsis sowohl bei Regierungen als auch<br />

bei Stakeholder-Organisationen. Es werden<br />

Bevorm<strong>und</strong>ung, Etat-Zwänge oder<br />

Konkurrenz befürchtet. Dabei entsteht<br />

durch Beteiligung auch Mitverantwortung<br />

<strong>und</strong> nur so eine Transformation!<br />

Das <strong>Global</strong> Forum setzt hier an <strong>und</strong><br />

unterstützt bereits bestehende Einrichtungen<br />

dabei, sich in die nationale Nachhaltigkeitsarchitektur<br />

<strong>und</strong> -prozesse zu<br />

integrieren. Es wird interessierten Regierungen<br />

<strong>und</strong> Akteuren als realpolitisches<br />

Wissensnetzwerk dienen, wo sie sich<br />

direkt <strong>und</strong> schnell informieren können.<br />

Wir setzen darauf, dass auf dieser Ebene<br />

auch Organisationen wie die nationalen<br />

Business Councils oder <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

Chapter Anschluss finden <strong>und</strong> wir neue,<br />

kraftvolle Verbindungen im Sinne von<br />

SDG 17 „Partnerschaften zur Erreichung<br />

der Ziele“ schaffen können.<br />

Lassen Sie mich nun zu Deutschland<br />

kommen: Wo stehen wir in Deutschland<br />

mit der Umsetzung der Nachhaltigkeits<strong>und</strong><br />

Klimapolitik? Beides kann nicht<br />

mehr getrennt voneinander betrachtet<br />

werden. Zu sehr bedingen sich Entscheidungen<br />

in beiden Politikfeldern<br />

wechselseitig.<br />

Die B<strong>und</strong>esregierung startete am<br />

29. Oktober die Überarbeitung der deutschen<br />

Nachhaltigkeitsstrategie mit einer<br />

Auftaktkonferenz in Berlin. Vier<br />

Regionalkonferenzen folgen bis Ende<br />

Februar 2020.<br />

Ich ermuntere die B<strong>und</strong>esregierung ausdrücklich,<br />

entschieden <strong>und</strong> vorbildlich,<br />

10 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


SETTING THE SCENE<br />

vor allem für die jungen Generationen<br />

auch sichtbar <strong>und</strong> nachvollziehbar, voranzugehen.<br />

Unser Wohlstand, unsere<br />

Emissionen <strong>und</strong> unser Ressourcenverbrauch<br />

verpflichten uns, voranzugehen<br />

<strong>und</strong> Führung zu zeigen, damit andere<br />

verlässlich folgen!<br />

Jede politische Veränderung birgt Risiken<br />

– umso mehr, als die deutsche<br />

Nachhaltigkeitsstrategie als Leitlinie der<br />

B<strong>und</strong>espolitik über Legislaturperioden<br />

hinaus in den letzten 18 Jahren ein eher<br />

bescheidenes Dasein fristete, nicht nur<br />

in der B<strong>und</strong>esregierung, sondern auch<br />

in der allgemeinen Öffentlichkeit zu<br />

wenig wahrnehmbar war.<br />

Jetzt, wo es darum geht, das Vertrauen<br />

zurückzugewinnen <strong>und</strong> Verantwortung<br />

für an Nachhaltigkeitszielen festgemachte<br />

politische Veränderungen zu zeigen,<br />

muss die B<strong>und</strong>esregierung auf diesen<br />

Politikansatz, diese Leitlinie setzen. Politik<br />

braucht Gespür für das Machbare<br />

<strong>und</strong> das Zumutbare. Dieses Gespür zu<br />

entwickeln wird die große Chance bei<br />

den bevorstehenden Regionalkonferenzen<br />

zur Fortschreibung der deutschen<br />

Nachhaltigkeitsstrategie sein.<br />

Wir müssen die Parallelität aushalten,<br />

dass es den einen zu weit <strong>und</strong> den anderen nicht weit genug<br />

geht. Ohne die Bereitschaft, Risiken einzugehen, wird es<br />

keine Vorsorge für die Umwelt, die Gesellschaft <strong>und</strong> unsere<br />

ökonomische Gr<strong>und</strong>lage für gutes Leben geben.<br />

Andersherum ausgedrückt: Transformation ohne Ehrgeiz ist<br />

nur eine hohle Geste. Wer die schwarze Null langfristig halten<br />

will, muss die grüne Null heute wollen <strong>und</strong> einkalkulieren.<br />

Wir brauchen nicht mehr Ausgaben für Nachhaltigkeit, von<br />

allen, nicht zwangsläufig eine höhere Staatsquote – aber<br />

einen konsequent an den <strong>SDGs</strong> ausgerichteten Wettbewerb<br />

<strong>und</strong> ebensolche öffentlichen Haushalte.<br />

Der Wohlstand von morgen muss heute schon vorbereitet<br />

werden – Carlowitz lässt grüßen –, <strong>und</strong> zwar durch vorausschauendes<br />

investierendes Wirtschaften, Wettbewerbsgeist<br />

<strong>und</strong> die Bereitschaft zur raschen Veränderung auch<br />

durch einen ordnungspolitischen Rahmen mit nachhaltiger<br />

Steuerungswirkung. Eins muss klar sein: Innovation findet<br />

im Zweifel woanders statt. Nachhaltigkeitspolitik ist auch<br />

Standortpolitik.<br />

Lassen Sie mich dieses Potenzial anhand der zwei Beispiele<br />

des Klimaschutzprogrammes der B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen zum nachhaltigen Wirtschaften<br />

ausführen.<br />

Ein CO 2<br />

-Preis ist die zentrale Maßnahme, um schnell, dynamisch<br />

<strong>und</strong> dauerhaft ein Steuerungssignal zu setzen. Er hat<br />

eine lenkende <strong>und</strong> symbolische Bedeutung für die Transformation<br />

der Wirtschafts- <strong>und</strong> Konsummuster. Die Erweiterung<br />

des CO 2<br />

-Handelssystems um die Bereiche Gebäude <strong>und</strong><br />

Verkehr ist ein richtiger, aber in der jetzt vorgeschlagenen<br />

Form aber unzureichender Schritt. Die Einführung eines<br />

CO 2<br />

-Preises ist zwar positiv, der Preis liegt aber weit unter<br />

dem, was Wissenschaftler <strong>und</strong> Finanzakteure fordern, um<br />

ein wirksames Steuerungssignal zu setzen. Das 1,5°C-Ziel<br />

erfordert weit mehr <strong>und</strong> tiefer eingreifende Reduktionen.<br />

Und auf klarere Perspektiven können sich Unternehmen<br />

<strong>und</strong> Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger einstellen. Klimaschutz ist<br />

ein Marathon mit vielen Zwischenstationen zum Nachsteuern,<br />

das wird auch nötig sein. Wir fordern von der B<strong>und</strong>esregierung<br />

umfassende Maßnahmen um für die Bürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Bürger Alternativen zu den heute nicht nachhaltigen<br />

Lebensstilen zu schaffen.<br />

Dazu gehört auch ein klares Signal, um nachhaltiges Wirtschaften<br />

<strong>und</strong> ressourcenleichten Konsum anzureizen.<br />

Wissenschaftliche Quellen belegen, dass die generellen Geschäftsrisiken<br />

nachhaltiger Geschäftsmodelle kleiner <strong>und</strong><br />

Investitionen rentabler sind als in Unternehmen, die nachhaltiges<br />

Wirtschaften ignorieren. >><br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

11


AGENDA<br />

Betreiben wir business as usual <strong>und</strong> melken<br />

schon altgewordene cash cows, werden<br />

mit dem traditionellen Fokus auf Finanzkennzahlen<br />

die externen Effekte von<br />

zum Beispiel Umweltschäden, Bildungsdefiziten<br />

<strong>und</strong> Innovationsrisiken ausgeblendet.<br />

Dabei liegen für Unternehmen<br />

gerade hier die großen Risiken. Je länger<br />

sie wegschauen, umso größer werden<br />

die Risiken. Daher müssen wir stärker<br />

hinschauen: zum Beispiel auf Menschenrechte<br />

in Wertschöpfungsnetzwerken<br />

<strong>und</strong> Innovationen für Ressourcen- <strong>und</strong><br />

Klimaschutz.<br />

Ich verweise besonders auf dieser<br />

Konferenz gerne auf die Rats-Initiative<br />

Deutscher Nachhaltigkeitskodex, mit<br />

der wir seit über sieben Jahren stetig<br />

<strong>und</strong> beharrlich darauf hinarbeiten, dass<br />

diese Risiken <strong>und</strong> die konstruktive Befassung<br />

mit ihnen als Chancen erkannt,<br />

gemanagt <strong>und</strong> berichtet werden. Dass<br />

wir, wenn nötig, die Unternehmen auch<br />

einzeln einsammeln können, haben wir<br />

in den letzten Jahren gezeigt. Was wir<br />

nun brauchen, sind öffentlich wahrnehmbare<br />

Partnerschaften – auch von<br />

<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> <strong>und</strong> Nachhaltigkeitskodex,<br />

<strong>und</strong> einen politischen Ordnungsrahmen,<br />

der die Verbreitung in Freiheit des<br />

Wettbewerbs <strong>und</strong> Verbindlichkeit der<br />

Anwendung weiter fördert.<br />

Ich bin davon überzeugt, dass wir alle<br />

Instrumente haben, um mithilfe von<br />

Politik <strong>und</strong> Regierungshandeln auf allen<br />

politischen Ebenen, mit der Zivilgesellschaft,<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Wissenschaft eine<br />

nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen.<br />

Wichtig ist, diese nun konsequent<br />

zu nutzen <strong>und</strong> intelligent miteinander<br />

zu verknüpfen, statt sie gegeneinander<br />

auszuspielen.<br />

Lassen Sie mich abschließend nach Europa<br />

schauen. Vier Jahre nach Verabschiedung<br />

der <strong>SDGs</strong> legte Frans Timmermans<br />

ein Reflexionspapier vor, welches drei<br />

Szenarien zur Umsetzung der <strong>SDGs</strong> in<br />

Europa skizzierte. Durch die Europawahl<br />

<strong>und</strong> die neue Kommission ist nun erkennbar<br />

Schwung in die Umsetzung der<br />

<strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> auf EU-Ebene gekommen.<br />

Es bleiben nur noch gut 10 Jahre zur<br />

Umsetzung. Die Umsetzungsmaßnahmen<br />

müssen deshalb rasch <strong>und</strong> konzertiert<br />

formuliert <strong>und</strong> umgesetzt werden.<br />

Daher erwarten wir von dem neuen<br />

europäischen Parlament <strong>und</strong> der neuen<br />

Kommission unter der Präsidentschaft<br />

von Ursula von der Leyen in den kommenden<br />

12 Monaten drei zentrale Weichenstellungen:<br />

Erstens wurde die Verpflichtung zur Umsetzung<br />

der <strong>SDGs</strong> von der neuen Kommissionspräsidentin<br />

allen Kommissarinnen<br />

<strong>und</strong> Kommissaren für ihre Arbeit in den<br />

kommenden Jahren mitgegeben. Damit<br />

ist die Aufforderung enthalten, das Zielsystem<br />

der <strong>SDGs</strong> in jedem Kommissariat<br />

anzuwenden. Was nun folgen muss,<br />

ist die Etablierung von Mechanismen<br />

<strong>und</strong> Prozessen, um diesem vernetzten<br />

Zielsystem Rechnung zu tragen.<br />

Eine zentrale Koordinationsfunktion<br />

wird dabei sicher der neue Vizekommissionspräsident<br />

Frans Timmermans<br />

übernehmen. In seiner Rede beim SDG-<br />

Es bleiben<br />

nur noch<br />

gut 10 Jahre<br />

zur<br />

Umsetzung.<br />

12 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


SETTING THE SCENE<br />

Gipfel im September vor den Vereinten Nationen hat er eine<br />

systemische Perspektive angedeutet, indem er eine Transformation<br />

des Ernährungs- <strong>und</strong> des Finanzsystems anstrebt.<br />

Darüber hinaus soll Europa bis 2050 klimaneutral werden. Um<br />

auf diese Ziele hinzusteuern <strong>und</strong> sie in einen wirtschafts- <strong>und</strong><br />

gesellschaftspolitischen Gesamtkontext einzubetten, brauchen<br />

wir dringend eine europäische Nachhaltigkeitsstrategie, die<br />

auch Überprüfungen ermöglicht.<br />

Auch der neue Wirtschaftskommissar hat den Auftrag erhalten,<br />

das europäische Semester an den <strong>SDGs</strong> auszurichten. Das<br />

Europäische Semester erlaubt die frühzeitige Überprüfung<br />

der Haushalts- <strong>und</strong> Reformprogramme aller Mitgliedsstaaten.<br />

Das ist ein begrüßenswerter Schritt, da der Nachhaltigkeitsgedanke<br />

so Einfluss auf die Budgetplanung bekommt. Somit<br />

erhalten wir die Möglichkeit, Erfolge künftig nicht nur wirtschaftlich,<br />

sondern auch in ihrem Beitrag zur Umwelt <strong>und</strong><br />

zur Erreichung der sozialen Ziele zu messen. Wir erwarten<br />

von der europäischen Kommission einen konsequenten Umsetzungsfahrplan,<br />

in dem Zeitplanung, Ziele <strong>und</strong> konkrete<br />

Maßnahmen festgelegt werden.<br />

Zweitens erwarten wir uns die größte Signalwirkung, wenn<br />

im kommenden Jahr die Verhandlung des mehrjährigen<br />

Finanzrahmens der EU für die kommenden – für die <strong>SDGs</strong><br />

entscheidenden – 7 Jahre abgeschlossen wird. Wenn hier<br />

die Weichen so gestellt werden, dass sich die Budgetplanung<br />

an den <strong>SDGs</strong> orientiert, kann ein Wandel wirklich gelingen.<br />

Drittens wird Deutschland im kommenden Jahr die EU Ratspräsidentschaft<br />

übernehmen. Das ist eine hervorragende<br />

Möglichkeit, die <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> zur Zukunftsagenda für die<br />

Europäische Union zu machen <strong>und</strong> die Verwirklichung der<br />

globalen Nachhaltigkeitsziele voranzubringen. Die Europa<br />

<strong>2030</strong>-Strategie muss meines Erachtens eine Nachhaltigkeitsstrategie<br />

sein.<br />

Gr<strong>und</strong>gesetz einfließen. Dies wird Signalwirkung auch für<br />

europäische <strong>und</strong> internationale Normen entfalten <strong>und</strong> die<br />

Governance von Nachhaltigkeit entscheidend verbessern. Für<br />

Regierungen, Verwaltungen <strong>und</strong> auch für Unternehmen würde<br />

das bedeuten, dass Handeln im Sinne der drei Dimensionen<br />

der Nachhaltigkeit vom Wünschenswerten zur Norm würde.<br />

Damit würde dem Umstand Rechnung getragen, dass immer<br />

mehr Menschen verantwortlich <strong>und</strong> verbindlich eingeb<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> aktiv werden können, erkennen doch immer mehr<br />

Menschen die objektiv steigende Dringlichkeit nachhaltiger<br />

Entwicklung.<br />

In der Nachhaltigkeitspolitik sind wir an dem Punkt angekommen,<br />

an dem es um nicht weniger als um Freiheit, Gerechtigkeit<br />

<strong>und</strong> Frieden geht, sondern um die Erhaltung der Umwelt<br />

<strong>und</strong> um ein Leben in Würde für alle Menschen <strong>und</strong> Völker.<br />

Eine vorausschauende, wirkungsvolle <strong>und</strong> gut begründete<br />

Nachhaltigkeitspolitik ist ein Gebot der Demokratie – <strong>und</strong><br />

zugleich ihre Bewährungsprobe.<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Marlehn Thieme ist seit 2004 Mitglied des Rates für Nachhaltige<br />

Entwicklung. Von 2013 bis <strong>2019</strong> war sie dessen Vorsitzende.<br />

Außerdem ist sie Präsidentin der Welthungerhilfe, Vorsitzende<br />

des ZDF-Fernsehrates <strong>und</strong> Mitglied des Rates der Evangelischen<br />

Kirche in Deutschland (EKD).<br />

Mit dem zukunftsgewandten Aachener Vertrag beschreiben<br />

die Partner Frankreich <strong>und</strong> Deutschland, wie sie die Transformationsprozesse<br />

gemeinsam bewältigen möchten. Diese<br />

bilaterale Zusammenarbeit ist ausdrücklich für weitere EU-<br />

Mitgliedstaaten geöffnet, sodass einzelstaatliche Transformationserfahrungen,<br />

beispielsweise die spanischen <strong>und</strong> deutschen<br />

Erfahrungen mit dem Kohleausstieg, zum Wohle der europäischen<br />

Transformation europäisiert werden können. Auch der<br />

EU-Außenhandel muss zukünftig unter SDG-Gesichtspunkten<br />

gestaltet werden.<br />

Unsere Erwartung an die B<strong>und</strong>esregierung ist deshalb ein<br />

entschiedenes Eintreten für die <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> auf nationaler<br />

<strong>und</strong> auf europäischer Ebene.<br />

Die politischen Leitplanken sind zukunftsfähig – nun müssen<br />

sie handlungsleitend werden. Die Ideen von Nachhaltigkeit,<br />

Vorsorgeprinzip <strong>und</strong> Generationengerechtigkeit müssen durch<br />

eine verfassungsrechtlich verbindliche – <strong>und</strong> damit sanktionierbare<br />

– Aufnahme des Nachhaltigkeitsprinzips in das<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

13


AGENDA<br />

Was wurde beim<br />

SDG-Gipfel <strong>2019</strong><br />

der Vereinten Nationen<br />

erreicht?<br />

In der Woche der Generalversammlung<br />

<strong>2019</strong> der<br />

Vereinten Nationen wurde eine<br />

Reihe von Themen im Zusammenhang<br />

mit der SDG-<strong>Agenda</strong><br />

behandelt, von Klimaschutzmaßnahmen<br />

über allgemeine<br />

Ges<strong>und</strong>heitsversorgung bis hin<br />

zur Entwicklungsfinanzierung<br />

Von Jenni Lee<br />

Auf der Tagesordnung des zweitägigen<br />

SDG-Gipfels stand zudem die erste Überprüfung<br />

der <strong>SDGs</strong> auf staatlicher Ebene<br />

seit der Verabschiedung der globalen<br />

Ziele im Jahr 2015. Das Fazit war: Die<br />

Welt ist nicht auf dem richtigen Weg,<br />

um die <strong>SDGs</strong> zu erreichen, da Millionen<br />

von Menschen immer noch ihre<br />

Gr<strong>und</strong>rechte, Bedürfnisse <strong>und</strong> Würde<br />

verweigert werden.<br />

Die stellvertretende UN-Sekretärin<br />

Amina Mohammed erinnerte die Teilnehmer<br />

daran, dass die Situation zwar<br />

ernüchternd, aber nicht hoffnungslos ist.<br />

Sie sagte: „Wir können die <strong>SDGs</strong> noch<br />

erreichen. Es ist noch Zeit, damit wir auf<br />

den richtigen Weg kommen.“<br />

Diese Länder <strong>und</strong> Sektoren bereiten<br />

sich auf die Umsetzung der <strong>SDGs</strong> in<br />

den nächsten zehn Jahren vor<br />

Amina Mohammed,<br />

die stellvertretende<br />

UN-Sekretärin<br />

Auf dem Gipfel verabschiedeten die UN-<br />

Mitgliedstaaten eine „politische Erklärung“<br />

(In der Diplomatensprache steht<br />

das für eine gemeinsame Absichtserklärung).<br />

Darin werden gemeinsame<br />

Normen für die Bewertung von Ländern<br />

festgelegt, um es den Bürgern zu ermöglichen,<br />

Politiker für ihre Versprechen zur<br />

Verantwortung zu ziehen.<br />

In der politischen Erklärung mit dem<br />

Titel “Gearing up for a decade of action<br />

14 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


SETTING THE SCENE<br />

and delivery for sustainable development” heißt es unter<br />

anderem: „Wir sind fest entschlossen, die <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> als<br />

Aktionsplan für Menschen, Planeten, Wohlstand, Frieden <strong>und</strong><br />

Partnerschaft umzusetzen – ein Plan, um die Menschheit von<br />

der Tyrannei der Armut zu befreien <strong>und</strong> unseren Planeten für<br />

zukünftige Generationen zu heilen <strong>und</strong> zu sichern.“<br />

Auf dem Gipfel wurden zudem mehr als 100 registrierte SDG<br />

„Beschleunigungsaktionen“ vorgestellt. So verpflichtete sich<br />

beispielsweise Mexiko, den Zugang zu Energie zu verbessern,<br />

die Niederlande verpflichteten sich, mehr Menschen Zugang<br />

zur Justiz zu gewähren, <strong>und</strong> das Vereinigte Königreich stellte<br />

515 Millionen Pf<strong>und</strong> für Bildung zur Verfügung. Eine Gruppe<br />

von Nationen der Pazifischen Inseln gründete die „Pacific Blue<br />

Shipping Partnership“, um die Schifffahrt in der Region bis<br />

2050 zu dekarbonisieren.<br />

Neben den Regierungen haben auch andere Sektoren die<br />

Maßnahmen der SDG verstärkt.<br />

Städte: Mehr als 20 Städte r<strong>und</strong> um den Globus haben sich<br />

einer Erklärung angeschlossen, um die <strong>SDGs</strong> voranzubringen<br />

<strong>und</strong> ihre Fortschritte durch „Voluntary Local Reviews“ zu verfolgen.<br />

US-Städte wie Pittsburgh <strong>und</strong> New York berichteten<br />

in diesem Rahmen, wie sie bei den <strong>SDGs</strong> in den Vereinigten<br />

Staaten vorankommen. Die lokalen <strong>und</strong> regionalen Regierungen<br />

<strong>und</strong> Verwaltungen betonten die Notwendigkeit, die <strong>SDGs</strong><br />

zu lokalisieren, <strong>und</strong> verpflichteten sich, „niemanden, keinen<br />

Ort <strong>und</strong> kein Gebiet zurückzulassen“.<br />

Unternehmen: Viele Unternehmen setzen sich weiterhin<br />

öffentlich für die <strong>SDGs</strong> ein. Auf der UN-Generalversammlung<br />

gab der UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> bekannt, dass sich 87 große Unternehmen<br />

verpflichtet haben, ihre Arbeit auf die Begrenzung<br />

des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius auszurichten.<br />

Darüber hinaus haben einige der weltweit größten<br />

Asset Owner auf dem Climate Action Summit die „Net-Zero<br />

Asset Owner Alliance“ ins Leben gerufen <strong>und</strong> sich verpflichtet,<br />

bis 2050 klimaneutrale Anlageportfolios zu realisieren.<br />

Universitäten: Ein Verb<strong>und</strong> von Universitäten hat sich im<br />

Rahmen des „University <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>“ verpflichtet zusammenzuarbeiten,<br />

um Wissen auszutauschen <strong>und</strong> Innovationen<br />

bei den <strong>SDGs</strong> voranzutreiben – ein eindrucksvolles Beispiel<br />

dafür, wie Akteure in einem Sektor als Kooperationspartner<br />

<strong>und</strong> nicht als Konkurrenten arbeiten. Darüber hinaus kündigte<br />

die Carnegie Mellon University an, dass sie eine „Voluntary<br />

University Review“ durchführen wird, um ihre Beiträge zu<br />

den <strong>SDGs</strong> zu bewerten.<br />

Data zur besseren Nutzung aktueller Daten für die <strong>SDGs</strong>. Die<br />

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit <strong>und</strong> Entwicklung<br />

(OECD) <strong>und</strong> das UN-Entwicklungsprogramm UNDP<br />

haben dazu den „<strong>Global</strong> Hub for the Governance of the <strong>SDGs</strong>“<br />

ins Leben gerufen, um die Länder bei der Umsetzung der <strong>SDGs</strong><br />

zu unterstützen.<br />

Was bedeutet der SDG-Gipfel für den Fortschritt bei den<br />

globalen Zielen?<br />

Der Gipfel hat die <strong>SDGs</strong> ganz oben auf die globale <strong>Agenda</strong><br />

gesetzt, den politischen Handlungswillen gestärkt <strong>und</strong> die<br />

Dynamik mobilisiert, auf die wir jetzt auf bauen müssen. Die<br />

auf dem Gipfel eingegangenen Verpflichtungen müssen der<br />

Ausgangspunkt – <strong>und</strong> nicht das Ende – für ein intensiviertes<br />

Vorgehen für die <strong>SDGs</strong> sein. Die stellvertretende Generalsekretärin<br />

Amina Mohammed fasste drei Kernbotschaften zusammen,<br />

die sich aus dem Gipfel ergeben haben:<br />

1. Eine klare Erneuerung der Verpflichtung zur Umsetzung<br />

der <strong>Agenda</strong> von <strong>2030</strong><br />

2. Eine beeindruckende Reihe von Beschleunigungsmaßnahmen<br />

3. Um die <strong>SDGs</strong> noch zu erreichen, ist eine Transformation<br />

von Gesellschaft <strong>und</strong> Wirtschaft erforderlich.<br />

Das Jahr 2020 soll zu einem „Superjahr des Aktivismus“<br />

werden<br />

Viele Führungskräfte <strong>und</strong> Organisationen, darunter auch die<br />

UN-Stiftung, fordern, dass 2020 ein „Superjahr des Aktivismus“<br />

wird, um die Umsetzung der <strong>SDGs</strong> zu beschleunigen. Wie die<br />

kommende Präsidentin <strong>und</strong> CEO der UN Fo<strong>und</strong>ation, Elizabeth<br />

Cousens, sagte, müssen wir 2020 zu einem Sprungbrett für<br />

weitere Maßnahmen machen <strong>und</strong> „die Dringlichkeit erhöhen,<br />

die Phantasie steigern, die Ergebnisse steigern“.<br />

Auf dem Weg in das letzte Jahrzehnt der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> müssen<br />

die führenden Politiker der Welt ihre Bemühungen um die<br />

<strong>SDGs</strong> verstärken, einschließlich:<br />

• Die Menschen, die am weitesten zurückliegen, erreichen;<br />

• Unterstützung lokaler Maßnahmen, Forschung <strong>und</strong><br />

Innovation,<br />

• Stärkung der Datensysteme <strong>und</strong> -institutionen,<br />

• Neugewichtung der Beziehung zwischen Mensch <strong>und</strong> Natur<br />

<strong>und</strong><br />

• Erschließung von mehr Finanzmitteln – aus öffentlichen<br />

<strong>und</strong> privaten Quellen – für die <strong>SDGs</strong>.<br />

Zivilgesellschaft <strong>und</strong> multilaterale Institutionen: Zivilgesellschaftliche<br />

Gruppen <strong>und</strong> internationale Institutionen<br />

haben eine Reihe neuer Anstrengungen unternommen, um<br />

die Fortschritte zu beschleunigen, wie z.B. die Initiative „Data<br />

for Now“ der <strong>Global</strong> Partnership for Sustainable Development<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Jenni Lee ist Senior Director of Communications bei der Stiftung<br />

der Vereinten Nationen.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

15


AGENDA<br />

29 66<br />

Deutschland bei von Nachhaltigkeitszielen nicht auf Kurs<br />

Die Entwicklungszusammenarbeit trifft bei der Umsetzung der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> auf viele Herausforderungen.<br />

Experten fordern deshalb ein engeres Zusammenspiel von Digitalisierung <strong>und</strong> nachhaltiger<br />

Entwicklung, berichten über die Umsetzung des <strong>Agenda</strong>-Prinzips „Niemanden zurücklassen“<br />

<strong>und</strong> zeigen auf, was weiter zu tun ist, damit die <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> Wirklichkeit wird.<br />

„Vier Jahre nach Verabschiedung der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> mit ihren<br />

17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development<br />

Goals, <strong>SDGs</strong>) sehen wir eine Diskrepanz zwischen<br />

strategischen Ansprüchen <strong>und</strong> praktischer Umsetzung“, sagt<br />

der Wissenschaftler Prof. Dr. Jörg Faust. „Die Gründe hierfür<br />

sind vielfältig: Das Zielsystem der <strong>SDGs</strong> ist sehr ambitioniert<br />

<strong>und</strong> es bestehen zahlreiche Konflikte zwischen den einzelnen<br />

Zielen. Unterschiedliche Politikfelder müssen besser ineinandergreifen,<br />

um deutlichere Fortschritte bei der Umsetzung zu<br />

erzielen. Und in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit<br />

treffen viele unterschiedliche Akteure aufeinander, die<br />

widersprüchliche Interessen haben <strong>und</strong> sich oftmals nicht<br />

ausreichend abstimmen.“<br />

Neues Entwicklungsverständnis der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong><br />

Die 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedete <strong>Agenda</strong><br />

<strong>2030</strong> für nachhaltige Entwicklung mit ihren 17 <strong>SDGs</strong> erhob<br />

Nachhaltigkeit zum Leitprinzip globaler Entwicklung. Sie<br />

fordert, dass die drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie,<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Soziales immer gemeinsam berücksichtigt werden.<br />

Nur einzelne Aspekte wie etwa das Pro-Kopf-Einkommen<br />

zur Messung von Entwicklung zu betrachten, greift zu kurz.<br />

Der kürzlich vom Deutschen Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit<br />

(DEval) vorgelegte Bericht „Nachhaltigkeit<br />

gestalten. Die <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> in der Entwicklungszusammenarbeit“<br />

setzt sich mit den Herausforderungen auseinander, die sich<br />

16 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


SETTING THE SCENE<br />

aus dem neuen Entwicklungsverständnis der <strong>Agenda</strong> für die<br />

Entwicklungszusammenarbeit <strong>und</strong> deren Evaluierung ergeben.<br />

Wie blicken Wissenschaftler auf den Stand der deutschen<br />

Nachhaltigkeitspolitik?<br />

„Mit der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verfügt die Regierung<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich über einen vielversprechenden Rahmen,<br />

nachhaltige Entwicklung bis <strong>2030</strong> voranzutreiben“, betonte<br />

Prof. Dirk Messner vom Wissenschaftlichen Beirat der B<strong>und</strong>esregierung<br />

<strong>Global</strong>e Umweltfragen anlässlich des SDG-Summits<br />

im September <strong>2019</strong> in New York. „Dieser Rahmen muss aber<br />

mit deutlich effektiveren Politiken gefüllt werden: Bei 29 von<br />

66 gesetzten Zielen ist die Regierung nicht auf Kurs. Das sind<br />

– angesichts der bereits massiven <strong>und</strong> immer weiter wachsenden<br />

globalen Herausforderungen – 29 dringende Weckrufe.“<br />

Prof. Martin Visbeck sagte: „Der UN-Doppelgipfel muss von<br />

der B<strong>und</strong>esregierung auch genutzt werden, um die <strong>Agenda</strong><br />

<strong>2030</strong> mit ihren Sustainable Development Goals (<strong>SDGs</strong>) – also<br />

den Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie – in<br />

Deutschland <strong>und</strong> global weiter zu stärken <strong>und</strong> die notwendigen<br />

<strong>und</strong> transformativen Umsetzungsimpulse zu setzen.“<br />

Natürliche Lebensgr<strong>und</strong>lagen<br />

„Besonders kritisch ist der Schutz der natürlichen Lebensgr<strong>und</strong>lagen.<br />

Nach aktuellem Stand würden nur fünf der 25 selbst<br />

gesetzten Umweltziele erreicht“, erklärte Dr. Julia Hertin<br />

Über das DEval<br />

Das Deutsche Evaluierungsinstitut der<br />

Entwicklungszusammenarbeit<br />

(DEval) ist vom B<strong>und</strong>esministerium für<br />

wirtschaftliche Zusammenarbeit <strong>und</strong><br />

Entwicklung (BMZ) mandatiert, Maßnahmen<br />

der deutschen Entwicklungszusammenarbeit<br />

unabhängig <strong>und</strong><br />

nachvollziehbar zu analysieren <strong>und</strong> zu<br />

bewerten. Mit seinen strategischen <strong>und</strong><br />

wissenschaftlich f<strong>und</strong>ierten<br />

Evaluierungen trägt das Institut dazu<br />

bei, die Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage für<br />

eine wirksame Gestaltung des Politikfeldes<br />

zu verbessern <strong>und</strong> Ergebnisse<br />

der Entwicklungszusammenarbeit<br />

transparenter zu machen. Das Institut<br />

gehört zu den Ressortforschungseinrichtungen<br />

des B<strong>und</strong>es, beschäftigt<br />

derzeit r<strong>und</strong> 70 Mitarbeitende <strong>und</strong> wird<br />

von Prof. Dr. Jörg Faust geleitet.<br />

vom Sachverständigenrat für Umweltfragen. „Dieser Trend<br />

kann nur durch ein gemeinsames Handeln der gesamten<br />

B<strong>und</strong>esregierung verändert werden. Vor allem Landwirtschaft<br />

<strong>und</strong> Verkehr müssen mehr Verantwortung übernehmen <strong>und</strong><br />

ökologische Leitplanken anerkennen. Dafür brauchen wir<br />

eine verbindlichere Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie,<br />

eine Stärkung des Umweltministeriums <strong>und</strong> neue Formen der<br />

Zusammenarbeit zwischen den Ressorts“.<br />

Prof. Harald Grethe vom Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik,<br />

Ernährung <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen Verbraucherschutz<br />

verwies ebenfalls auf die entscheidende Rolle der Landwirtschaft<br />

<strong>und</strong> der Ernährung für eine erfolgreiche Umsetzung<br />

deutscher Nachhaltigkeitspolitik: „Eine deutliche Verringerung<br />

des Konsums tierischer Produkte ist dringend erforderlich,<br />

um die Klimaschutzziele der B<strong>und</strong>esregierung zu erreichen,<br />

<strong>und</strong> essenzieller Bestandteil eines global nachhaltigen Ernährungsstils.“<br />

Ebenfalls sei der Umbau der Gemeinsamen<br />

Agrarpolitik der EU sowohl auf europäischer Ebene wie auch<br />

in Deutschland dringend erforderlich: „Wir müssen das EU-<br />

Agrarbudget endlich für die Honorierung von Landwirtinnen<br />

<strong>und</strong> Landwirten verwenden, die besonders viel zur Erreichung<br />

unserer Umwelt-, Klima- <strong>und</strong> Tierschutzziele beitragen, statt es<br />

als pauschale Flächeneigentumssubvention zu verschleudern“.<br />

Nachhaltige Konsum- <strong>und</strong> Produktionsmuster<br />

„Ebenfalls kritisch sieht es etwa aus beim Ziel ,Nachhaltige<br />

Konsum- <strong>und</strong> Produktionsmuster‘ (SDG12)“, betonte Prof.<br />

Peter Kenning vom Sachverständigenrat für Verbraucherfragen.<br />

„Für einige Indikatoren der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie,<br />

etwa den Energieverbrauch des Konsums oder<br />

den Marktanteil von Produkten mit Umweltzeichen, hat die<br />

B<strong>und</strong>esregierung seit Jahren kaum Verbesserungen erzielen<br />

können. Diese sind aber dringend geboten – denn nicht<br />

nachhaltige Konsummuster wirken sich negativ auf zahlreiche<br />

Nachhaltigkeitsziele aus.“ Als wichtigen Schritt nach vorne<br />

schlägt Kenning etwa vor: „Die gesamte Warenkette muss<br />

viel konsequenter in den Blick genommen werden, denn<br />

Probleme entstehen vor allem in den frühen Stadien wie etwa<br />

Rohstoffabbau, Produktion, Handel, Logistik. Es gilt daher<br />

nachhaltige Maßnahmen zu fördern, die früh ansetzen <strong>und</strong><br />

globale Kooperationen im Sinne der Nachhaltigkeit zu stärken.<br />

Zudem sollte die Verbraucherinformation erheblich verbessert<br />

werden beispielsweise im Hinblick auf die Kreislauffähigkeit<br />

oder Lebensdauer technischer Geräte.“<br />

Gemeinsame Verantwortung<br />

Die <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> ist ein klarer Auftrag für nahezu alle Politikfelder<br />

– nicht nur für die Entwicklungszusammenarbeit – gleichermaßen<br />

in Entwicklungs-, Schwellen- <strong>und</strong> Industrieländern.<br />

Der DEval-Bericht schreibt der Entwicklungszusammenarbeit<br />

aber eine wichtige koordinierende Rolle zu, um die Kooperation<br />

zwischen verschiedenen Akteuren politikfeldübergreifend voranzubringen.<br />

Die Botschaft ist klar: Nur wenn jeder Einzelne,<br />

Regierungen <strong>und</strong> nichtstaatliche Akteure ihren Beitrag leisten,<br />

kann nachhaltige Entwicklung erreicht werden.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

17


AGENDA<br />

Scheitern die<br />

in Asien?<br />

Nach einem neuen Bericht der Wirtschafts<strong>und</strong><br />

Sozialkommission der Vereinten Nationen<br />

für Asien <strong>und</strong> den Pazifik (ESCAP)<br />

werden Asien <strong>und</strong> der Pazifikraum auf<br />

ihren derzeitigen Kurs bis <strong>2030</strong> keines<br />

der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung<br />

erreichen. Die Studie stellt fest, dass bei<br />

mehr als der Hälfte der <strong>SDGs</strong> der Fortschritt<br />

stagniert oder sogar umgekehrt ist.<br />

Richard Weltfort von der Firma Elevate<br />

erläutert, warum dies so ist: „Die<br />

Situation verschlechtert sich in einer<br />

Reihe von Bereichen, darunter die Bereitstellung<br />

von sauberem Wasser <strong>und</strong><br />

sanitären Einrichtungen (SDG 6), die<br />

Gewährleistung menschenwürdiger Arbeit<br />

<strong>und</strong> Wirtschaftswachstum (SDG 8)<br />

<strong>und</strong> die Unterstützung eines verantwortungsbewussten<br />

Verbrauchs <strong>und</strong> einer<br />

verantwortungsvollen Produktion (SDG<br />

12). Dennoch hat die Region angemessene<br />

Fortschritte bei der Beseitigung der<br />

Armut (SDG 1), der Gewährleistung des<br />

Zugangs aller zu qualitativ hochwertiger<br />

Bildung <strong>und</strong> lebenslangem Lernen (SDG<br />

4) <strong>und</strong> der Erreichung erschwinglicher<br />

<strong>und</strong> sauberer Energie (SDG 7) erzielt.<br />

Doch selbst wenn gute Fortschritte erzielt<br />

wurden, sagt der ESCAP, dass es zu<br />

langsam ist, um diese Ziele bis <strong>2030</strong> zu<br />

erreichen. Insbesondere viele SDG-Ziele<br />

im Zusammenhang mit der Umwelt <strong>und</strong><br />

den natürlichen Ressourcen verzeichnen<br />

negative Trends. Die Erzeugung<br />

gefährlicher Abfälle, die Reduzierung<br />

der Waldflächen <strong>und</strong> die permanente<br />

Ausdehnung der Gewässer sind die<br />

drei SDG-Indikatoren, die bis <strong>2030</strong> im<br />

Vergleich zu 2015 am stärksten zurückgehen<br />

dürften.<br />

Es gibt große Unterschiede zwischen<br />

den Subregionen Asien <strong>und</strong> Pazifik, die<br />

unterschiedliche Erfolge <strong>und</strong> Herausforderungen<br />

aufweisen, so der Bericht.<br />

Alle Teilregionen haben Fortschritte bei<br />

der Erreichung unterschiedlicher Ziele<br />

gemacht, aber alle Teilregionen müssen<br />

negative Trends umkehren. Der Mangel<br />

an ausreichenden Fortschritten bei der<br />

Stärkung globaler Partnerschaften <strong>und</strong><br />

der Mittel zur Umsetzung der <strong>Agenda</strong><br />

von <strong>2030</strong> (Ziel 17) ist etwas, was alle<br />

Subregionen gemeinsam haben. Fortschritte<br />

auf dem Weg zu diesem Ziel<br />

sind notwendig um sicherzustellen, dass<br />

Asien über die Mittel verfügt, um politische<br />

Lösungen zu finanzieren, gezielt<br />

einzusetzen <strong>und</strong> umzusetzen, um alle<br />

Ziele zu erreichen, heißt es darin.<br />

Über alle Ziele <strong>und</strong> alle Teilregionen<br />

hinweg fordert der ESCAP dringende<br />

Maßnahmen, um diese negativen Trends<br />

umzukehren, <strong>und</strong> betont, dass es notwendig<br />

ist, die Anstrengungen gezielt auf<br />

die Beschleunigung der Fortschritte auf<br />

dem Weg zu allen Zielen auszurichten<br />

<strong>und</strong> das Engagement der Region für die<br />

Verbesserung der Qualität der für die<br />

Messung der Fortschritte wesentlichen<br />

Daten <strong>und</strong> Statistiken zu verstärken.<br />

Tatsächlich ist der Mangel an zuverlässigen<br />

Daten über alle <strong>SDGs</strong> <strong>und</strong> in allen<br />

Subregionen eine der größten Herausforderungen<br />

in Asien <strong>und</strong> im Pazifikraum.<br />

Trotz einer deutlichen Erhöhung der Verfügbarkeit<br />

von SDG-Indikatoren seit 2017<br />

bestehen bei zwei Dritteln der globalen<br />

SDG-Indikatoren weiterhin Datenlücken.<br />

Fast ein Viertel aller SDG-Ziele, für die<br />

es keine Beweise gibt, beziehen sich auf<br />

die Umwelt.“<br />

18 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


SETTING THE SCENE<br />

Erster unabhängiger<br />

Weltnachhaltigkeitsbericht veröffentlicht<br />

Eine Welt ohne Armut, in<br />

der das Wohlergehen<br />

aller Menschen gesichert ist:<br />

Dieses Ziel für das Jahr <strong>2030</strong><br />

sei nur erreichbar, wenn das<br />

Verhältnis zwischen Mensch<br />

<strong>und</strong> Natur gr<strong>und</strong>legend<br />

verändert <strong>und</strong> Ungleichheiten<br />

reduziert würden. Zu diesem<br />

Schluss kommt der UNO-<br />

Weltnachhaltigkeitsbericht<br />

<strong>2019</strong>, der unter der Leitung<br />

von Peter Messerli <strong>und</strong> von<br />

Endah Murniningtyas verfasst<br />

wurde.<br />

Der <strong>Global</strong> Sustainable Development<br />

Report (GSDR) wurde im Auftrag aller<br />

UNO-Staaten erstellt <strong>und</strong> soll die Fortschritte<br />

bei der Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele<br />

der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> der Vereinten<br />

Nationen aufzeigen. Der Bericht<br />

zeigt nun klar, dass das gegenwärtige<br />

Entwicklungsmodell nicht nachhaltig<br />

ist <strong>und</strong> dass sogar die in den letzten<br />

zwei Jahrzehnten erreichten Fortschritte<br />

gefährdet sind, weil die sozialen Ungleichheiten<br />

zunehmen <strong>und</strong> möglicherweise<br />

unumkehrbare Umweltschäden<br />

auftreten. Die Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong><br />

Wissenschaftler kommen zum Schluss,<br />

dass die Ziele der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> nur mit<br />

einem tiefgreifenden Wandel erreicht<br />

werden können.<br />

Der Bericht nennt 20 Punkte, bei denen<br />

Interventionen im kommenden Jahrzehnt<br />

zu einem transformativen <strong>und</strong><br />

beschleunigten Fortschritt in Richtung<br />

mehrerer Ziele führen können. Diese<br />

gezielten Maßnahmen basieren auf der<br />

jüngsten wissenschaftlichen Literatur,<br />

in der die tieferen systemischen Zusammenhänge<br />

analysiert werden. Aufgezeigt<br />

werden darin Synergien <strong>und</strong> Konflikte<br />

zwischen den einzelnen Zielen.<br />

Bei Ernährungssystem <strong>und</strong> Energie<br />

ansetzen<br />

Der Bericht plädiert für den universellen<br />

Zugang zu hochwertigen Gr<strong>und</strong>dienstleistungen<br />

wie Ges<strong>und</strong>heitswesen, Bildung,<br />

Wasser- <strong>und</strong> Sanitärinfrastruktur,<br />

Wohnen <strong>und</strong> sozialer Schutz als Voraussetzungen<br />

für die Beseitigung von Armut<br />

<strong>und</strong> für menschliches Wohlergehen.<br />

Er ruft dazu auf, vermehrt auf die Beendigung<br />

von rechtlicher <strong>und</strong> sozialer<br />

Diskriminierung zu achten sowie Gewerkschaften,<br />

Nichtregierungsorganisationen,<br />

Frauenverbände <strong>und</strong> andere<br />

Organisationen der Zivilgesellschaft als<br />

wichtige Partner bei der Umsetzung der<br />

<strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> einzubinden.<br />

Die Lebensmittel- <strong>und</strong> Energiesysteme<br />

identifizieren die Autorinnen <strong>und</strong> Autoren<br />

als besonders wichtige Schauplätze<br />

für Veränderungen – da diese Systeme,<br />

wie sie derzeit funktionieren, die Welt<br />

in die Nähe von Kipppunkten in Bezug<br />

auf die Umwelt bringen, <strong>und</strong> sie gleichzeitig<br />

zentral sind für die menschliche<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> das Wohlbefinden. „Wir<br />

haben Systeme definiert, die heute dysfunktional<br />

sind, <strong>und</strong> die gleichzeitig so<br />

potent sind, dass sie die ganze Welt in die<br />

richtige Richtung lenken können, wenn<br />

wir es schaffen, sie neu zu konfigurieren“,<br />

erklärt Peter Messerli, Professor für Nachhaltige<br />

Entwicklung an der Universität<br />

Bern <strong>und</strong> Ko-Leiter der internationalen<br />

Expertengruppe.<br />

Notwendige Transformation<br />

erfordert starken politischen Willen<br />

Die erforderliche umfassende Transformation<br />

werde nicht einfach sein,<br />

<strong>und</strong> der Bericht legt nahe, dass ein<br />

tiefes wissenschaftliches Verständnis<br />

erforderlich ist, um die Spannungen<br />

<strong>und</strong> Zielkonflikte zu antizipieren <strong>und</strong><br />

abzumildern, die mit einem umfassenden<br />

Strukturwandel einhergehen.<br />

Die Autorinnen <strong>und</strong> Autoren betonen,<br />

dass ein starker politischer Wille <strong>und</strong><br />

Engagement erforderlich sein werden:<br />

„Die <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> wird uns alle zwingen,<br />

harte politische Entscheide zu fällen“,<br />

so Peter Messerli.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

19


AGENDA<br />

SDG Business Forum fordert:<br />

Nicht länger<br />

planen –<br />

jetzt geht<br />

es um<br />

Zielerreichung<br />

Das vierte SDG Business Forum <strong>2019</strong> stand ganz im Zeichen<br />

konkreter Lösungen zur Erreichung der <strong>Global</strong> Goals.<br />

Das Forum ist eine gemeinsame Konferenz der Internationalen<br />

Handelskammer (ICC), der Abteilung für Wirtschaft <strong>und</strong><br />

Soziales der Vereinten Nationen (UN DESA) <strong>und</strong> dem<br />

UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>.<br />

20 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


SETTING THE SCENE<br />

In ihrer Gr<strong>und</strong>satzrede vor fast 600 Teilnehmenden<br />

sagte Amina Mohammed,<br />

stellvertretende Generalsekretärin der<br />

Vereinten Nationen: „Die globalen Ziele<br />

haben weltweit an Bedeutung gewonnen<br />

<strong>und</strong> spiegeln ihren universellen<br />

Charakter wider. Unter dem Strich sind<br />

wir jedoch noch nicht auf Kurs. Und<br />

die Dringlichkeit der Erreichung der<br />

Ziele – zu denen auch ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen<br />

gehören – erfordert,<br />

dass wir das Tempo erhöhen. Es ist noch<br />

Zeit, damit wir auf den richtigen Weg<br />

kommen. Und es gibt eine sehr solide<br />

Gr<strong>und</strong>lage für diesen Optimismus, einschließlich<br />

einer engagierten globalen<br />

Bewegung – darunter viele von Ihnen in<br />

diesem Raum –, die bereit ist, auf eine<br />

andere Ebene zu gehen“, fügte sie hinzu.<br />

Lise Kingo, CEO <strong>und</strong> Executive Director<br />

des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>, teilte die Ergebnisse<br />

des kürzlich veröffentlichten UN<br />

<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Fortschrittsberichts <strong>2019</strong><br />

mit: 90 Prozent der Teilnehmer des UN<br />

<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> antworteten auf eine<br />

Umfrage, dass sie über Richtlinien <strong>und</strong><br />

Praktiken für jede der zehn Prinzipien<br />

des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> verfügen. Von<br />

den Befragten gaben 81 Prozent an, Maßnahmen<br />

zur Erreichung der globalen<br />

Ziele zu ergreifen.<br />

Kingo betonte, dass es von entscheidender<br />

Bedeutung sei, diese Ambitionen mit<br />

Taten zu verbinden. „Trotz der Tatsache,<br />

dass viele Unternehmen über Nachhaltigkeitsstrategien,<br />

-richtlinien <strong>und</strong> -verhaltenskodizes<br />

verfügen, ist dies keine<br />

Garantie für messbare Auswirkungen.<br />

Ein wirkungsvolles nachhaltiges Unternehmen<br />

zu sein bedeutet, Nachhaltigkeit<br />

vollständig in die Kerngeschäftsstrategie,<br />

den Betrieb, das Supply Chain Management<br />

<strong>und</strong> das Engagement der Interessengruppen<br />

zu integrieren.“<br />

Viele Firmen hinken bei<br />

<strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> hinterher<br />

Der Unternehmensbeitrag zur <strong>Agenda</strong><br />

für nachhaltige Entwicklung <strong>2030</strong> ist<br />

nicht auf Kurs. Zu dem Schluss kommt<br />

eine im Rahmen der Konferenz vorgestellte<br />

Studie des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

<strong>und</strong> der Beratungsgesellschaft Accenture.<br />

Die Studie „The Decade to Deliver:<br />

A Call to Business Action“ stellt fest,<br />

dass nur 21 Prozent der CEOs glauben,<br />

dass die Wirtschaft eine entscheidende<br />

Rolle bei der Erreichung der globalen<br />

Ziele spielt, <strong>und</strong> weniger als die Hälfte<br />

(48 Prozent) integrieren Nachhaltigkeit<br />

in ihre Geschäftsabläufe. Trotz großer<br />

Fortschritte <strong>und</strong> Innovationen seit der<br />

Verabschiedung der <strong>Global</strong> Goals im<br />

Jahr 2015 haben die sozioökonomischen,<br />

geopolitischen <strong>und</strong> technologischen Unsicherheiten<br />

der letzten vier Jahre die<br />

Nachhaltigkeitsbemühungen der CEOs<br />

massiv gestört.<br />

„Da bis zum Ziel für <strong>2030</strong> noch weniger<br />

als 4.000 Tage verbleiben, sind die >><br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

21


AGENDA<br />

76% OF CEOS SAY TRUST WILL BE<br />

CRITICAL TO COMPETITIVENESS IN<br />

THE NEXT FIVE YEARS<br />

88% OF CEOS BELIEVE OUR GLOBAL<br />

ECONOMIC SYSTEMS NEED TO<br />

REFOCUS ON EQUITABLE GROWTH<br />

To what extent do you agree with the following statements on<br />

globalization, Fourth Industrial Revolution technologies and<br />

sustainable development?<br />

Citizen trust will be critical to business competitiveness<br />

in my industry in the next five years<br />

To what extent do you agree with the following statement on<br />

globalization and sustainable development?<br />

Our global economic systems need to refocus on<br />

equitable growth<br />

Strongly agree<br />

Agree<br />

Neutral<br />

Disagree<br />

18%<br />

6%<br />

Strongly agree<br />

Agree<br />

Neither agree nor disagree<br />

Disagree<br />

8%<br />

4%<br />

37%<br />

40%<br />

39%<br />

48%<br />

Unternehmensführer mit den aktuellen Fortschritten nicht<br />

zufrieden <strong>und</strong> fordern, dass ihre Branchen <strong>und</strong> Kollegen ihr<br />

Engagement verstärken <strong>und</strong> in die Tat umsetzen“, sagte Lise<br />

Kingo. „Das Ausmaß der Herausforderung ist beispiellos <strong>und</strong><br />

erfordert von allen Beteiligten, einschließlich Regierungen,<br />

politischen Entscheidungsträgern, Wirtschaftsführern, Investoren,<br />

Aktionären, der Zivilgesellschaft <strong>und</strong> der Wissenschaft,<br />

eine Zusammenarbeit, um den Wandel zu beschleunigen.“<br />

Herausforderndes Geschäftsumfeld<br />

Es gibt signifikante positive Effekte für das Geschäft. Heute<br />

sagen 99 Prozent der befragten CEOs, dass Nachhaltigkeit<br />

entscheidend für den zukünftigen Erfolg ihres Unternehmens<br />

ist, <strong>und</strong> 81 Prozent der Unternehmen ergreifen Maßnahmen,<br />

um die globalen Ziele voranzutreiben. Mehr als 200 befragte<br />

Unternehmen haben wissenschaftsbasierte Ziele für den<br />

Klimaschutz verabschiedet, <strong>und</strong> eine ähnliche Zahl hat sich<br />

verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf netto<br />

Null zu senken. Darüber hinaus sehen 63 Prozent der Befragten<br />

in der Technologie einen kritischen Beschleuniger für die<br />

sozioökonomischen Auswirkungen ihrer Unternehmen. Über<br />

ein Viertel (28 Prozent) nennen „Fehlender Marktbezug“ als<br />

oberstes Hindernis für nachhaltiges Wirtschaften, <strong>und</strong> über<br />

die Hälfte (55 Prozent) geben an, dass sie mit dem Druck<br />

konfrontiert sind, unter extremem Kostenbewusstsein zu<br />

operieren <strong>und</strong> gleichzeitig in längerfristige strategische Ziele<br />

zu investieren. Nur 44 Prozent der CEOs glauben, dass für<br />

ihr Unternehmen in den nächsten 10 Jahren eine netto Null-<br />

Zukunft bei Dekarbonisierung in Sicht ist.<br />

Startschuss für ein Jahrzehnt der Lieferung<br />

Fast drei Viertel (71 Prozent) der CEOs sind der Ansicht, dass<br />

Unternehmen mit mehr Engagement <strong>und</strong> Handeln eine<br />

entscheidende Rolle bei der Erreichung der globalen Ziele<br />

spielen können.<br />

Um den Fortschritt zu beschleunigen, identifizieren die CEOs<br />

drei kritische Anforderungen. Erstens, die dringende Notwendigkeit,<br />

die Ambitionen der Unternehmen in ihren eigenen<br />

Unternehmen zu erhöhen, um Maßnahmen für die Erreichung<br />

der 17 <strong>SDGs</strong> zu priorisieren. Zweitens, die Notwendigkeit,<br />

dass Unternehmen, Regierungen, Regulierungsbehörden <strong>und</strong><br />

Nichtregierungsorganisationen zusammenkommen, um realistische,<br />

technologiegestützte <strong>und</strong> wissenschaftlich f<strong>und</strong>ierte<br />

Lösungen für die globalen Herausforderungen zu entwickeln.<br />

Und drittens, die Neudefinition verantwortungsvoller Führung,<br />

um der Wirtschaft zu helfen, ein führender Treiber für die<br />

globalen Ziele zu sein.<br />

22 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


SETTING THE SCENE<br />

86% OF CEOS AGREE CLIMATE<br />

ACTION IS CRITICAL TO ACHIEVING<br />

THE GLOBAL GOALS<br />

To what extent do you agree with the following statement on<br />

climate action?<br />

Without action on climate change the <strong>Global</strong> Goals won’t<br />

be achieved<br />

„Da Nachhaltigkeit ein wesentlicher Bestandteil<br />

der Wettbewerbsfähigkeit jedes<br />

Unternehmens ist – <strong>und</strong> für Wachstum,<br />

Rentabilität <strong>und</strong> Vertrauen immer<br />

wichtiger wird – ist es an der Zeit für<br />

Führungskräfte sicherzustellen, dass die<br />

globalen Ziele fest in die Unternehmensstrategie<br />

<strong>und</strong> den Unternehmenszweck<br />

eingebettet sind“, sagte Peter Lacy, Senior<br />

Managing Director von Accenture<br />

Strategy. „Die Technologie kann den<br />

wahren Schlüssel zur Erschließung von<br />

Fortschritten bei den globalen Zielen<br />

darstellen. Die Geschwindigkeit digitaler,<br />

biologischer <strong>und</strong> physischer Innovationen<br />

wird auch in den kommenden zehn<br />

Jahren enorm sein, <strong>und</strong> die Wirtschaft<br />

muss Investitionen nutzen <strong>und</strong> an die<br />

globalen Ergebnisse in den Bereichen<br />

Umwelt, Soziales <strong>und</strong> Governance anpassen“.<br />

Die Zukunft einer verantwortungsvollen<br />

Führung<br />

Damit Unternehmen in Richtung einer<br />

nachhaltigeren Zukunft vorankommen,<br />

heben die CEOs die erfolgskritischen<br />

Führungsqualitäten hervor:<br />

• Zukunftsweisender Gewinn durch<br />

Ziel: Wachsende Erwartungen von<br />

Verbrauchern, Mitarbeitern <strong>und</strong> der<br />

Öffentlichkeit stellen neue Anforderungen<br />

an Führungskräfte, die einem<br />

höheren Zweck dienen <strong>und</strong> dazu beitragen,<br />

eine nachhaltige Zukunft zu<br />

sichern. Führende CEOs blicken über<br />

den kurzfristigen Gewinn hinaus, um<br />

die Nachhaltigkeitsagenda sinnvoll<br />

voranzutreiben <strong>und</strong> eine Kultur der<br />

Verantwortung <strong>und</strong> Transparenz zu<br />

fördern, um Wirkung zu zeigen. Sie<br />

richten Nachhaltigkeit auf ihre Kerngeschäftsstrategie,<br />

ihre Geschäftstätigkeit<br />

<strong>und</strong> ihre Investitionen in Innovation<br />

<strong>und</strong> Technologie aus.<br />

Strongly agree<br />

Agree<br />

Neither agree nor disagree<br />

Disagree<br />

• Galvanisierung von Ökosystemen: CEOs<br />

müssen ihre breiteren Geschäfts- <strong>und</strong><br />

Technologie-Ökosysteme einbeziehen,<br />

um gemeinsame Lösungen für die<br />

<strong>SDGs</strong> zu finden. Angesichts der Art<br />

<strong>und</strong> Komplexität dieser Themen wird<br />

die wissenschaftsbasierte Führung eine<br />

entscheidende Rolle bei der Förderung<br />

von Maßnahmen <strong>und</strong> Auswirkungen<br />

spielen, ebenso wie die Anwendung<br />

von Technologien zur Einleitung von<br />

Veränderungen.<br />

• Persönliches Engagement für Nachhaltigkeit:<br />

Verantwortungsbewusste<br />

Führungskräfte nehmen Nachhaltigkeit<br />

persönlich <strong>und</strong> fördern aktiv die<br />

Kreislaufwirtschaft, halten Menschen<br />

für Nachhaltigkeitsziele verantwortlich,<br />

forcieren die Diskussion mit Investoren<br />

<strong>und</strong> führen positive Veränderungen mit<br />

Authentizität <strong>und</strong> Integrität.<br />

39%<br />

11%<br />

3%<br />

47%<br />

Quelle Grafiken: The United Nations<br />

<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> — Accenture Strategy<br />

CEO Study on Sustainability <strong>2019</strong><br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

23


AGENDA<br />

Let‘s all<br />

become<br />

activists<br />

By Lise Kingo, CEO & Executive Director, UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

The UN General Assembly in New York this September was the<br />

most important milestone since the <strong>2030</strong> <strong>Agenda</strong> was adopted<br />

in 2015. Four years in, Heads of State, business leaders, civil<br />

society and more convened for a major stocktaking exercise<br />

to agree on shared priorities ahead of the Decade of Action for<br />

delivering the <strong>2030</strong> <strong>Agenda</strong>.<br />

And although progress is happening in<br />

some areas, the world is not on track to<br />

meet the 17 <strong>Global</strong> Goals by <strong>2030</strong>. In<br />

particular, climate change and social<br />

inequalities are posing a major existential<br />

threat to our future.<br />

Although many UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

business participants have made huge<br />

strides to operationalize the Ten Principles<br />

and advance the <strong>Global</strong> Goals, the<br />

needle is not moving far enough. We<br />

need a business transformation on a<br />

scale we’ve never seen before to deliver<br />

on the <strong>2030</strong> <strong>Agenda</strong>. Only when more<br />

than 30 per cent of businesses are setting<br />

radical goals and establishing a<br />

“new normal” for the global business<br />

community will we start experiencing<br />

actual tipping points.<br />

Against this backdrop, the UN <strong>Global</strong><br />

<strong>Compact</strong> has launched three “<strong>Global</strong><br />

Impact Initiatives” to challenge and<br />

support companies in being more bold,<br />

ambitious and transformational.<br />

First, we are calling on companies to<br />

set science-based targets aligned with<br />

keeping global warming to no more<br />

than 1.5°C and also challenging them<br />

to aim for net-zero emissions by <strong>2030</strong>.<br />

We also suggest that companies take the<br />

opportunity to optimize both internal<br />

energy consumption and request renewable<br />

energy from energy suppliers<br />

to help transform the energy market<br />

from fossil fuel to sustainable energy<br />

supplies, as we have seen, for example,<br />

in Denmark.<br />

Encouragingly, over 650 companies have<br />

committed to set science-based targets,<br />

and more than 90 companies are aligning<br />

with a 1.5°C scenario. We expect these<br />

numbers to significantly increase by COP<br />

25 — the UN climate change conference<br />

— in Chile this December.<br />

Time is running out to act on climate,<br />

and we desperately need strong role<br />

models and leadership. Bold climate<br />

action also makes good business sense:<br />

shifting to a low-carbon economy alone<br />

would offer US$ 26 trillion worth of<br />

market opportunities and could create<br />

65 million new low-carbon jobs. The<br />

opportunity is there, but we need more<br />

bold leadership.<br />

At the heart of the <strong>2030</strong> <strong>Agenda</strong> is the<br />

promise to leave no one behind. Even so,<br />

the gap for social inequalities is widening.<br />

Gender equalities, equal opportunities<br />

for young people to get an education<br />

or a job, human and labour rights in<br />

the global supply chain are all moving<br />

backwards.<br />

On gender equality, the <strong>Global</strong> Goals will<br />

never be met without the full participation<br />

of women in the global economy.<br />

The McKinsey <strong>Global</strong> Institute projects<br />

that closing the economic gender gap<br />

could add a further US$ 28 trillion to<br />

global annual gross domestic product<br />

(GDP) by 2025.<br />

24 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


At the current rate of progress, however, it will take more than<br />

200 years to get there! Therefore, the UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> has<br />

launched our second new <strong>Global</strong> Impact Initiative called “Target<br />

Gender Equality” to work with companies across the world to<br />

set concrete and ambitious targets to increase women’s representation<br />

and leadership in boards, in top management — and<br />

develop a conscious focus on including female entrepreneurs<br />

across the global supply chain.<br />

For some companies, women’s equal representation at the board<br />

and senior management level are in reach, whereas for others,<br />

a target of 30 per cent is still very ambitious. As research has<br />

shown, 30 per cent is the minimum limit for giving women a<br />

fair opportunity to participate and will represent a real tipping<br />

point not only in representation and leadership, but also in<br />

terms of business performance and outcomes.<br />

Results from our two new surveys — captured in the UN<br />

<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Progress Report <strong>2019</strong> and the UN <strong>Global</strong><br />

<strong>Compact</strong>-Accenture Strategy CEO Study <strong>2019</strong> — make clear<br />

that companies have great awareness and policies in place<br />

on the Ten Principles (nearly 90 per cent) and on the <strong>Global</strong><br />

Goals (more than 80 per cent).<br />

But when CEOs of companies participating in the UN <strong>Global</strong><br />

<strong>Compact</strong> are asked if they think business could have a critical<br />

role in delivering the <strong>Global</strong> Goals, 71 per cent agree, while<br />

only 21 per cent believe this is happening at the moment. So<br />

companies have to become more serious and fully integrate<br />

the Ten Principles and 17 <strong>Global</strong> Goals across Business Strategy,<br />

Business Operations and in all Stakeholder Engagement<br />

throughout the organization and supply chain.<br />

This is why we have launched our third <strong>Global</strong> Impact Initiative<br />

— SDG Ambition. We have launched our new Implementation<br />

Model that gives clear guidance and support to more than<br />

1,000 companies across the world on how to turn risks into<br />

opportunities by raising ambition and deepen implementation.<br />

In the words of Anand Mahindra, chairman of the Mahindra<br />

Group and member of the UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Board: “The<br />

<strong>Global</strong> Goals are the biggest business opportunity for the<br />

next decades.”<br />

During the UNGA week, it also became very clear that climate<br />

action and making the <strong>Global</strong> Goals a reality by <strong>2030</strong> is no<br />

longer just a topic for high-level people in conference halls.<br />

It is now a global movement where young people across the<br />

world demonstrate every Friday for our generation to take<br />

action and transform the world now.<br />

My plea to all business leaders is to join this movement —<br />

and to become activists ourselves. We cannot create a divide<br />

between generations at a moment in time when we need to<br />

join hands and drive the biggest transformation humankind<br />

has ever faced.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

25


AGENDA<br />

Erste SDG-<br />

geb<strong>und</strong>ene<br />

Anleihe bringt<br />

2,5 Milliarden<br />

Euro ein<br />

Der italienische Energiekonzern Enel hat im September <strong>2019</strong><br />

erstmals eine SDG-bezogene Investitionsmöglichkeit auf den<br />

Kapitalmärkten platziert. Die Anleihe über 2,5 Mrd. € war fast<br />

viermal überzeichnet. „Das starke Interesse der Investoren<br />

zeigt einmal mehr, dass die Nachfrage nach SDG-Investitionen<br />

da draußen ist“, sagte Lise Kingo, CEO <strong>und</strong> Executive Director<br />

des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>. „Wir hoffen, dass SDG-geb<strong>und</strong>ene<br />

Anleihen wie diese eine Flut von weiteren innovativen Finanzinstrumenten<br />

inspirieren <strong>und</strong> zeigen, dass ein Mainstream-<br />

Markt für Investitionen in die <strong>Global</strong> Goals möglich ist. Das<br />

ist die Art von Finanzinnovation, die die Welt braucht, um die<br />

<strong>Agenda</strong> für nachhaltige Entwicklung von <strong>2030</strong> Wirklichkeit<br />

werden zu lassen.“<br />

Geld, das auch dringend gebraucht wird: Nach Angaben der<br />

Konferenz der Vereinten Nationen für Handel <strong>und</strong> Entwicklung<br />

sind jährlich Investitionen in Höhe von 5 bis 7 Billionen<br />

US-Dollar erforderlich, um die <strong>SDGs</strong> bis <strong>2030</strong> zu realisieren.<br />

Laut einer Pressemitteilung von Enel wird das gesammelte<br />

Geld insbesondere für die Erreichung der folgenden <strong>SDGs</strong><br />

verwendet:<br />

Ziel 7 für bezahlbare <strong>und</strong> saubere Energie, indem bis zum<br />

31. Dezember 2021 ein Prozentsatz von mindestens 55 Prozent<br />

aller installierten Erzeugungskapazität (auf konsolidierter<br />

Basis) aus erneuerbaren Energien stammt.<br />

Ziel 13 für Klimaschutzmaßnahmen durch die Erreichung eines<br />

Niveaus der Treibhausgasemissionen bis <strong>2030</strong> in Höhe von 125 g<br />

CO 2<br />

pro kWh. Das steht im Einklang mit Enels Verpflichtung,<br />

die direkten Treibhausgasemissionen pro kWh bis <strong>2030</strong> um<br />

70 Prozent gegenüber den Werten von 2017 zu senken: Das Ziel<br />

ist durch die Science Based Targets-Initiative (SBTi) zertifiziert<br />

<strong>und</strong> mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar.<br />

Ebenfalls im September gab PepsiCo Inc. bekannt, mit seinem<br />

ersten Green Bond einen Nettoerlös von 1 Milliarde US-Dollar<br />

erzielt zu haben. Geld, das man in eine Reihe von Initiativen<br />

in den Bereichen nachhaltige Kunststoffe <strong>und</strong> Verpackungen,<br />

Dekarbonisierung der Lieferketten sowie Wasserverträglichkeit<br />

investiere.<br />

Seit 2018 arbeitet die UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Aktionsplattform<br />

für Finanzinnovationen daran, Unternehmen zu inspirieren,<br />

derartige innovative private Finanzinstrumente zu entwickeln.<br />

Enel ist Schirmherr der Aktionsplattform, die eine Reihe von<br />

Berichten über SDG-Anleihen <strong>und</strong> nachhaltige Unternehmensfinanzierung<br />

veröffentlicht hat.<br />

Eine kürzlich veröffentlichte Guidance ermutigt Unternehmen,<br />

einen Markt für Mainstream-SDG-Investitionen aufzubauen,<br />

der über genügend Umfang, Liquidität <strong>und</strong> Diversifizierung<br />

verfügt, um große institutionelle Investoren anzuziehen. Die<br />

neue Enel-Anleihe ist eine exakte Umsetzung des vom UN<br />

<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> in Corporate Finance eingeführten „Integrated<br />

Model for Corporate SDG Finance“ – A Roadmap to<br />

Mainstream SDG Investments.<br />

Gegenwind aus der Politik<br />

So sehr viele Unternehmen im Fahrwasser des UN <strong>Global</strong><br />

<strong>Compact</strong> Nachhaltigkeit voranbringen, bleiben dennoch<br />

große Hürden. Vor allem die Politik erweist sich hier immer<br />

wieder als zögerlicher als die Wirtschaft. Die Klimastrategie<br />

der B<strong>und</strong>esregierung ist hierfür sicher ein Beispiel. Vor allem<br />

aber ist der Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen<br />

ein unübersehbar negatives Signal. Claus Hecking schreibt<br />

im Spiegel: „Nun aber schert der Präsident der größten Wirtschaftsmacht<br />

aus. Und die Investoren? Zweifeln an der Botschaft<br />

von Paris. In der ersten Hälfte des Jahres <strong>2019</strong> haben sie<br />

für Erneuerbare-Energien-Projekte nur noch 118 Milliarden<br />

Dollar bereitgestellt, hat das Analysehaus Bloomberg New<br />

Energy Finance ermittelt. Das war ein Siebtel weniger als im<br />

Vorjahreszeitraum. Und der niedrigste Wert seit sechs Jahren.“<br />

26 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


„<br />

SETTING THE SCENE<br />

Amina J. Mohammed,<br />

stellvertretende Generalsekretärin<br />

der Vereinten Nationen<br />

„Bei der derzeitigen Investitionsrate<br />

wird es unmöglich sein, die <strong>SDGs</strong> bis<br />

<strong>2030</strong> zu erreichen. Das ist schlecht für<br />

die Menschen, schlecht für die<br />

Gesellschaft, schlecht für die Umwelt<br />

<strong>und</strong> schlecht für die Wirtschaft.“<br />

Francesco Starace,<br />

CEO von Enel<br />

„Wir haben bereits Belege dafür,<br />

dass viele Unternehmen unser Beispiel<br />

betrachten <strong>und</strong> versuchen, es zu<br />

replizieren – das ist jetzt ziemlich<br />

einfach.“<br />

Jean-Pascal Tricoire,<br />

CEO von Schneider Electric<br />

„Ich begrüße es sehr, dass der<br />

UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> die Initiative<br />

ergreift, einen gemeinsamen Rahmen<br />

für die Analyse der Nachhaltigkeit zu<br />

setzen, denn – so sehr unsere<br />

Unternehmen bereit sind – wir wollen<br />

keine 20 Berichtssysteme <strong>und</strong><br />

20 Denkweisen haben.“<br />

John Denton,<br />

Generalsekretär der Internationalen<br />

Handelskammer ICC<br />

„Trotz einiger vielversprechender<br />

Anzeichen bleibt nachhaltiges<br />

Finanzwesen in einem Moment der<br />

Geschichte eine Marktausnahme, in<br />

dem die Menschen <strong>und</strong> unser Planet<br />

dies als Norm verlangen.“<br />

Scott Mather,<br />

Chief Investment Officer von PIMCO<br />

„Es gibt immer mehr Investoren, die<br />

wirklich wissen wollen, wie ihr Geld für<br />

sie arbeitet <strong>und</strong> was es im Hinblick auf<br />

Nachhaltigkeit leistet.“<br />

Paul Polman,<br />

SDG Advocate <strong>und</strong><br />

ehemaliger CEO Unilever<br />

„Das ist wahrscheinlich die größte<br />

Geschäftsmöglichkeit, die wir<br />

in der Geschichte der Menschheit<br />

gesehen haben.“<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

27


AGENDA<br />

„Business<br />

Leadership<br />

for 1.5°C“<br />

hebt die<br />

Vorreiterrolle<br />

von Klimaexperten<br />

hervor<br />

Immer mehr Unternehmen ergreifen ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen, um den globalen<br />

Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die am Rande<br />

des UN-Klimagipfels vom <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> der Vereinten Nationen, DNV GL <strong>und</strong> Sustainia<br />

veröffentlicht wurde.<br />

28 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


SETTING THE SCENE<br />

87 Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung<br />

von über 2,3 Billionen US-Dollar<br />

<strong>und</strong> einem jährlichen CO 2<br />

-Fußabdruck,<br />

der den direkten Emissionen von 73<br />

Kohlekraftwerken entspricht, haben sich<br />

der Kampagne „Business Ambition for<br />

1,5°C – Our Only Future“ angeschlossen.<br />

Die Unternehmen verpflichten sich darin,<br />

ihre Klimastrategie an wissenschaftlich<br />

f<strong>und</strong>ierten Zielen (scinece-based targets)<br />

zu orientieren.<br />

Der Bericht „Business Leadership for<br />

1.5°C“ stellt Lösungen vor, die von diesen<br />

Unternehmen entwickelt wurden.<br />

„Unternehmen haben die Möglichkeit,<br />

eine Führungsrolle an der Spitze der<br />

Klimabewegung einzunehmen <strong>und</strong> sich<br />

neu zu positionieren, wie sie mit Regierungen<br />

<strong>und</strong> den Vereinten Nationen zusammenarbeiten<br />

können, um Industrien<br />

zu verlagern <strong>und</strong> ihre Geschäftsabläufe<br />

zu verändern“, sagte Lise Kingo, CEO<br />

<strong>und</strong> Executive Director des UN <strong>Global</strong><br />

<strong>Compact</strong>.<br />

„Die bestehende Technologie kann die<br />

gewünschte Zukunft bringen, einschließlich<br />

der Erfüllung der Ziele des Pariser<br />

Abkommens, aber nur durch eine deutliche<br />

Beschleunigung an vielen Fronten“,<br />

sagt Remi Eriksen, Group President <strong>und</strong><br />

CEO, DNV GL. „Der Übergang ist sicherlich<br />

eine Risikoquelle. Aber ein saubereres<br />

<strong>und</strong> effizienteres Energiesystem<br />

eröffnet viele Möglichkeiten, sowohl für<br />

die Unternehmen von heute als auch unter<br />

kluger Führung für die kommenden<br />

Generationen.“<br />

Die Unternehmen, die sich an der Kampagne<br />

beteiligen, engagieren sich für die<br />

Festlegung wissenschaftsbasierter Ziele<br />

durch die Science Based Targets initiative<br />

(SBTi), die unabhängig voneinander die<br />

Emissionsminderungsziele von Unternehmen<br />

bewertet, in Übereinstimmung<br />

mit dem, was Klimawissenschaftler für<br />

die Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens<br />

als notwendig erachten.<br />

DISKUSSIONSPAPIER: SCIENCE<br />

BASED TARGETS ANHAND DER<br />

AKTUALISIERTEN KRITERIEN<br />

Die Kernergebnisse der DGCN Peer Learning Group Klimamanagement<br />

zu Science Based Targets werden in einem<br />

neu erschienenen Diskussionspapier zusammengefasst.<br />

Dieses bietet Experten eine thematische Gr<strong>und</strong>lage zum<br />

fachlichen Austausch sowie Empfehlungen für die unternehmerische<br />

Praxis.<br />

Im Rahmen der Peer Learning Group Klimamanagement<br />

des Deutschen <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerks (DGCN) setzten<br />

sich die beteiligten Unternehmen mit den Herausforderungen<br />

der Entwicklung von


AGENDA<br />

NEWS<br />

HUMAN RIGHTS CAPACITY DIAGNOSTIC HILFT BEI DER<br />

SELBSTEINSCHÄTZUNG<br />

Die unternehmerische Verantwortung zur Achtung der<br />

Menschenrechte ist ein wichtiger Verhaltensstandard für<br />

jedes Unternehmen <strong>und</strong> sollte durch geeignete Richtlinien,<br />

Sorgfaltsprozesse <strong>und</strong> Beschwerdemechanismen im Unternehmen<br />

verankert werden.<br />

Das Human Rights Capacity Diagnostic (HRCD) des Deutschen<br />

<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerks (DGCN) hilft Unternehmen<br />

dabei, die Managementkapazitäten zur Achtung der<br />

Menschenrechte <strong>und</strong> Umsetzung menschenrechtlicher<br />

Sorgfalt für Unternehmen zu ermitteln <strong>und</strong> deren Integration<br />

gezielt voranzutreiben.<br />

Als Selbsteinschätzungsinstrument für Unternehmen wurde<br />

das HRCD nach den Anforderungen der UN Leitprinzipien<br />

für Wirtschaft <strong>und</strong> Menschenrechte <strong>und</strong> des Nationalen<br />

Aktionsplans (NAP) Wirtschaft <strong>und</strong> Menschenrechte konzipiert.<br />

Um auch kleineren Unternehmen die Nutzung des<br />

Tools zu ermöglichen, wurde es um eine neue Kurzversion<br />

ergänzt. Sowohl Kurz- als auch Vollversion sind kostenfrei<br />

nutzbar, die Auswertung erfolgt anonym.<br />

Bei menschenrechtlicher Sorgfalt geht es um die schrittweise<br />

Integration menschenrechtlicher Aspekte in Managementprozesse.<br />

Dabei kann <strong>und</strong> soll auf bereits bestehende<br />

Ansätze aufgebaut werden. Das HRCD hilft bei der Identifizierung<br />

<strong>und</strong> Beurteilung solcher Ansätze: Für die verschiedenen<br />

Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt – wie z.B.<br />

Risikoanalysen <strong>und</strong> Beschwerdemechanismen – ermittelt<br />

das Tool, wie gut Unternehmen aufgestellt sind, um ihrer<br />

Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte gerecht zu<br />

werden.<br />

Durch die Identifizierung möglicher nächster Schritte<br />

unterstützt das HRCD gleichzeitig bei der Festlegung von<br />

Schwerpunkten, Zielen <strong>und</strong> Leistungsvorgaben für den<br />

Umgang mit menschenrechtlichen Risiken. Durch die<br />

regelmäßige Nutzung des Instruments können somit auch<br />

Fortschritte noch gezielter nachvollzogen werden. Größere<br />

Unternehmen wiederum kann das HRCD dabei unterstützen,<br />

Managementkapazitäten verschiedener Unternehmensbereiche<br />

oder Tochtergesellschaften zu beurteilen<br />

<strong>und</strong> dadurch gezielt dort Unterstützung bei der Umsetzung<br />

menschenrechtlicher Sorgfalt anzubieten, wo Verbesserungspotenziale<br />

bestehen.<br />

Das HRCD wurde von der Managementberatung twentyfifty<br />

Itd. entwickelt <strong>und</strong> baut unter anderem auf der Arbeit mit<br />

der Peer Learning Gruppe Menschenrechte des Deutschen<br />

<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerks auf.<br />

mr-sorgfalt.de/de/hrcd/<br />

30 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


SETTING THE SCENE<br />

„SUSTAINABLE OCEAN<br />

PRINCIPLES” VERÖFFENTLICHT<br />

„TARGET GENDER EQUALITY“-<br />

INITIATIVE VORGESTELLT<br />

Am 13. September veröffentlichte der UN <strong>Global</strong><br />

<strong>Compact</strong> erstmals neun Prinzipien eines nachhaltigen<br />

Ozeans <strong>und</strong> appelliert damit an Unternehmen, die<br />

Ges<strong>und</strong>heit der Ozeane zu schützen <strong>und</strong> durch einen<br />

nachhaltigen Umgang zu wahren.<br />

Wie in den Sustainable Development Goals (<strong>SDGs</strong>) unter<br />

Ziel 14 „Leben unter Wasser“ festgehalten, ist es dringend<br />

erforderlich, die Ges<strong>und</strong>heit des Ozeans zu schützen <strong>und</strong><br />

wiederherzustellen, die sich aufgr<strong>und</strong> steigender Temperaturen,<br />

Versauerung, Erschöpfung der natürlichen<br />

Ressourcen <strong>und</strong> Verschmutzung von Land <strong>und</strong> Meer<br />

rapide verschlechtert. Mit den UN Sustainable Ocean<br />

Principles werden alle Interessensträger, Unternehmen<br />

<strong>und</strong> Regierungen aufgefordert, die Ozeane, Meere <strong>und</strong><br />

Meeresressourcen nachhaltig <strong>und</strong> bewusst zu nutzen. Ein<br />

ges<strong>und</strong>er <strong>und</strong> ertragreicher Ozean stellt die Basis zur Verwirklichung<br />

der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung dar.<br />

„Die Verschlechterung wird durch menschliche Aktivitäten<br />

verursacht. Wir müssen einen Wendepunkt schaffen, an<br />

dem eine kritische Masse von Unternehmen ihre Kapazitäten<br />

<strong>und</strong> Kompetenzen nutzt, um diese Herausforderung zu<br />

lösen“, sagte Lise Kingo, Exekutivdirektorin des UN <strong>Global</strong><br />

<strong>Compact</strong>.<br />

Die Initiative „Target Gender Equality“ soll Anfang nächsten<br />

Jahres eingeführt werden <strong>und</strong> Unternehmen des UN<br />

<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> dabei unterstützen, ehrgeizige Unternehmensziele<br />

für die Vertretung <strong>und</strong> Führungsrolle von<br />

Frauen in Unternehmen festzulegen. Die Initiative fördert<br />

eine verstärkte Auseinandersetzung der Unternehmen mit<br />

den Women Empowerment Principles des UNGC sowie<br />

den <strong>SDGs</strong>, insbesondere dem Ziel 5, welches eine uneingeschränkte<br />

<strong>und</strong> wirksame Beteiligung der Frauen <strong>und</strong><br />

gleiche Führungschancen auf allen Entscheidungsebenen<br />

fordert.<br />

“Without women, the <strong>Global</strong> Goals will not become a<br />

reality”, betonte Lise Kingo. Während der 74. Tagung der<br />

Generalversammlung der Vereinten Nationen <strong>und</strong> der UN<br />

<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Leaders Week richtete sie ihren Appell an<br />

Unternehmen, verstärkte Maßnahmen zur Förderung von<br />

Frauen in der Wirtschaft zu ergreifen.<br />

www.unglobalcompact.org/news/4484-10-01-<strong>2019</strong><br />

Die Gr<strong>und</strong>sätze eines nachhaltigen Ozeans wurden in Abstimmung<br />

mit Stakeholdern aus dem Privatsektor, NGOs,<br />

der Wissenschaft <strong>und</strong> UN-Organisationen entwickelt <strong>und</strong><br />

am 23. September während der “UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

Action Plattform on Sustainable Ocean Business” offiziell<br />

vorgestellt. Sie bauen auf den übergreifenden Zehn<br />

Prinzipien des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>s zu Menschenrechten,<br />

Arbeitsnormen, Umwelt <strong>und</strong> Antikorruption auf.<br />

www.unglobalcompact.org/news/4472-09-13-<strong>2019</strong><br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

31


AGENDA<br />

32 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


QUO VADIS GLOBAL GOALS?<br />

Quo Vadis <strong>SDGs</strong>?<br />

Noch etwa eine Dekade bleibt uns, um die Nachhaltigen Entwicklungsziele<br />

der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals – <strong>SDGs</strong>)<br />

umzusetzen. Dafür müssen wir alles ändern, damit vieles bleiben kann, wie<br />

es ist, schreibt Harald Welzer in einem Beitrag. Die Schülerbewegung<br />

Fridays for Future fordert deshalb ein Ende von Wachstum <strong>und</strong> Profit,<br />

während andere Autoren eher für angemessenes Wachstum votieren.<br />

Einig sind sich aber alle darin, dass Arbeit Sinn machen <strong>und</strong> Sinn<br />

stiften muss. Sinn motiviert mehr als jeder Bonus <strong>und</strong> macht aus dem<br />

Mitarbeiter einen Mitstreiter.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

33


AGENDA<br />

Über Sinn <strong>und</strong> Zweck eines<br />

Corporate Purpose<br />

In der Unternehmenswelt ist seit einiger Zeit der „purpose“ ein zentrales Thema. Wirft man<br />

diesen Begriff in den Raum, so wird zumeist direkt darüber diskutiert, welchen purpose man sich<br />

als Unternehmen denn geben sollte. Es gilt als ausgemacht, dass ein Unternehmen heute einen<br />

purpose braucht. Ohne einen solchen würden Millennials sich gar nicht erst bewerben, langfristig<br />

orientierte Investoren das Unternehmen meiden <strong>und</strong> die Mitarbeiter lustlos ihrer sinnentleerten<br />

Arbeit nachgehen. Doch was meinen wir mit diesem Begriff? Und welchen Zweck hat er?<br />

Von Dr. Kai Rolker<br />

Der Begriff purpose kursiert seit einiger<br />

Zeit in der Unternehmenswelt. Er erscheint<br />

in so positivem Licht <strong>und</strong> wird<br />

dabei so wenig hinterfragt, dass man zumindest<br />

darüber nachdenken sollte, warum<br />

das so ist. Mangels einer allgemein<br />

gültigen Übersetzung <strong>und</strong> eindeutiger<br />

Definition verharrt die Bedeutung des<br />

Begriffs im Ungefähren. So konnte bisher<br />

die Frage nach dem konkreten Sinn auf<br />

elegante Weise umgangen werden. Bevor<br />

man als Unternehmen jedoch Zeit <strong>und</strong><br />

Geld in die Entwicklung eines purpose<br />

investiert, sollten Zweck <strong>und</strong> Nutzen klar<br />

sein. „What is the purpose of purpose?“<br />

Der Begriff purpose kann im Deutschen<br />

„Zweck“ heißen, aber auch „Absicht“,<br />

„Bestimmung“, „Ziel“, „Funktion“ oder<br />

„Sinn“. Da all dies mitschwingt, wenn<br />

man vom purpose eines Unternehmens<br />

spricht, scheint eine einfache Übersetzung<br />

unmöglich. Gleichwohl lohnt es,<br />

den Faden aufzunehmen. Wenn man<br />

etwas purposeful tut, tut man es nicht<br />

einfach so, sondern im vollen Bewusstsein<br />

<strong>und</strong> mit der Absicht, mit der jeweiligen<br />

Handlung etwas Bestimmtes<br />

erreichen zu wollen.<br />

Man sagt ja auch, der Zweck heilige die<br />

Mittel – das bedeutet, der Zweck wird<br />

quasi als höhere Bestimmung gedeutet,<br />

als normative Kraft oder gar als etwas, das<br />

sich sogar über Normen hinwegsetzen<br />

kann – vorausgesetzt, der Zweck liefert<br />

eine ausreichende ethische Legitimation.<br />

Wenn ich eine Bestimmung erkannt<br />

habe, folge ich einem höheren Ziel, einer<br />

Absicht, die nicht einer beliebigen Laune,<br />

einem Zufall oder einem profanen<br />

Bedürfnis folgt.<br />

Was treibt uns morgens aus dem Bett?<br />

Bei Individuen, beim einzelnen Menschen,<br />

hat man traditionell eher nach<br />

dem Sinn des Lebens gefragt, denn der<br />

Mensch braucht bekanntlich keinen<br />

Zweck, um zu existieren. Er ist einfach<br />

nur da <strong>und</strong> somit frei, sein Leben mit<br />

Sinn oder einer Bestimmung zu erfüllen<br />

oder eben auch nicht. Diese Freiheit wird<br />

einem Unternehmen nicht zugesprochen,<br />

denn es ist künstlich geschaffen <strong>und</strong><br />

verändert die Umwelt, in der es seine<br />

Geschäfte betreibt.<br />

Die Frage nach dem Sinn des Lebens wird<br />

heute kaum mehr gestellt. Zu lange haben<br />

Philosophie <strong>und</strong> Religion sich an ihr<br />

abgearbeitet. Die moderne Wissenschaft<br />

geht realistischer <strong>und</strong> bescheidener vor.<br />

Sie stellt heute nicht mehr die große<br />

Frage nach dem Sinn des Ganzen, sondern<br />

sie untersucht, was den Einzelnen<br />

antreibt, was das Individuum am Leben<br />

erhält oder es zumindest dazu bringt,<br />

morgens aus dem Bett zu steigen <strong>und</strong><br />

sich einer Aufgabe zu widmen.<br />

Menschen, die einer Bestimmung folgen,<br />

die also in sich einen purpose tragen,<br />

sind psychisch gefestigter als solche,<br />

die einfach vor sich hin leben. „Wer ein<br />

Warum zu leben hat, erträgt fast jedes<br />

Wie“ – nach diesem Motto erforschte<br />

Viktor Frankl, einer der Urväter der Resilienzforschung,<br />

wie Sinnerfüllung auch<br />

angesichts schwerer Schicksalsschläge<br />

möglich ist <strong>und</strong> Menschen in die Lage<br />

versetzt, in Krisenzeiten seelisch stabil<br />

zu bleiben.<br />

Was treibt ein Unternehmen an?<br />

Auch die Werbung hat das Thema besetzt.<br />

„Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt“<br />

war der Slogan einer sehr erfolgreichen<br />

Kampagne der Volksbanken Raiffeisenbanken<br />

in Deutschland aus dem Jahr<br />

2009. Auch hier geht es um Bestimmung<br />

<strong>und</strong> Zweck, <strong>und</strong> dies haben in der Tat<br />

Individuen <strong>und</strong> Unternehmen gemeinsam.<br />

So können wir sagen: Auch jedes<br />

Unternehmen hat etwas, das es antreibt<br />

<strong>und</strong> zusammenhält.<br />

Dieses Etwas könnte man als den inneren,<br />

die Identität des Unternehmens konstituierenden<br />

Zweck bezeichnen, also einen<br />

intrinsic purpose. Dieser kann enorm<br />

34 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


QUO VADIS GLOBAL GOALS?<br />

3. Er muss möglichst individuell sein,<br />

aber zugleich weithin anerkannten<br />

Werten genügen. In den frühen Tagen<br />

hatte Apple dies so formuliert: „Apple<br />

is dedicated to the empowerment of<br />

man – to making personal computing<br />

accessible to each and every individual<br />

so as to help change the way we think,<br />

work, learn, and communicate.”<br />

4. Er muss in die Zukunft weisen <strong>und</strong><br />

auf die Lösung eines gesellschaftlichen<br />

Problems hinweisen. Tesla definiert als<br />

purpose „to accelerate the world’s transition<br />

to sustainable energy“ – dies<br />

ist ein Zweck, der weit über das Ziel<br />

der Gewinnmaximierung hinausgeht<br />

(<strong>und</strong> gegebenenfalls sogar zu dieser in<br />

Widerspruch steht).<br />

wichtig werden, was wir zum Beispiel erleben, wenn Aktivisten<br />

sich anschicken, ein Unternehmen in Stücke zu zerteilen, um<br />

diese einzeln an den Markt zu bringen. Der Verwaltungsrat<br />

ist dann gefordert, seinen Aktionären zu erläutern, warum<br />

die Existenz des Unternehmens der Zerschlagung vorzuziehen<br />

ist, <strong>und</strong> hierfür ist es hilfreich, sich auf einen Daseinsweck<br />

berufen zu können.<br />

Ergänzend dazu hat Larry Fink, legendärer Chef von Blackrock,<br />

in jüngster Zeit verstärkt gefordert, dass Unternehmen einen<br />

social purpose entwickeln müssten <strong>und</strong> dass Investoren diesen<br />

stärker einfordern <strong>und</strong> kontrollierten sollten.<br />

In Hinsicht auf interne wie externe Anspruchsgruppen verspricht<br />

der purpose also einen Gewinn für beide Seiten. Das<br />

Unternehmen gewinnt Geld, Reputation <strong>und</strong> seine license to<br />

operate. Die Stakeholder gewinnen, weil das Unternehmen<br />

ihre Ansprüche zu befriedigen in der Lage ist.<br />

Die Frage, ob jedes Unternehmen unter<br />

allen Umständen einen purpose benötigt oder entwickeln<br />

kann, ist gleichwohl nicht entschieden. Zumindest dürfte jeder<br />

clevere Berater zustimmen, dass man sich über purpose seine<br />

Gedanken machen sollte – mit seiner Hilfe. Und gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

kann ein Unternehmen natürlich von einem purpose profitieren,<br />

da es ja schlussendlich Menschen sind, die als Mitarbeiter<br />

Wert generieren, als Investoren Kapital bereitstellen oder als<br />

Gesellschaft die license to operate erteilen.<br />

Allerdings wird der purpose nur dann positiv auf die Stakeholder<br />

abstrahlen, wenn er die genannten Kriterien erfüllt,<br />

denn sonst wird er schnell als Mogelpackung entlarvt <strong>und</strong><br />

nicht nur seinen Zweck verfehlen, sondern im Gegenteil<br />

bewirken, dass Resilienz <strong>und</strong> Glaubwürdigkeit des Unternehmens<br />

nachhaltig Schaden nehmen. Also: purpose ja, aber nur,<br />

wenn er Sinn macht.<br />

Wann hat purpose einen Zweck?<br />

Jedes Unternehmen sollte sich dennoch fragen, ob es ein purpose<br />

statement braucht oder nicht. Ein purpose kann sinnvoll<br />

sein, aber eben nur dann, wenn er gewisse Bedingungen erfüllt:<br />

1. Er muss authentisch sein <strong>und</strong> aus dem Inneren des Unternehmens<br />

kommen. Dies ist sicher der Fall bei „TED Talks“,<br />

die sich zu diesem purpose bekennen: „Spreading Ideas“ –<br />

genau dies ist Sinn <strong>und</strong> Zweck der Veranstaltung.<br />

2. Er muss klar <strong>und</strong> einfach fassbar sein, also in keinem Fall<br />

abstrakt <strong>und</strong> abgehoben. Ein Beispiel dafür die Marke „Life is<br />

Good“ (eine Kleidermarke), die sich diesen purpose gegeben<br />

hat: „To spread the power of optimism.“<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Dr. Kai Rolker ist Head Group Communications bei Clariant,<br />

einem weltweit führenden Spezialchemieunternehmen. Bis 2012<br />

war er Director Marketing Communications bei Synthes. Er hat<br />

Philosophie <strong>und</strong> Alte Geschichte studiert sowie ein Masterstudium<br />

Communication Management absolviert.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

35


AGENDA<br />

Wir wollen<br />

Von Daniel Erk<br />

Egal ob Beratungsfirma,<br />

Betonfabrik oder AKW-<br />

Betreiber: Warum viele<br />

Unternehmen nicht mehr<br />

bloß Umsatz machen,<br />

sondern auch die Welt<br />

verbessern wollen.<br />

Fließbandarbeiter ziehen sich entschlossen<br />

die Stiefel an. Schweißerinnen schieben<br />

sich bedeutungsvoll die Schutzmasken<br />

aus dem Gesicht. Sie strahlen. So<br />

überzeugt sind sie von ihrem Arbeitgeber,<br />

so berührt von ihrer Mission. Dazu türmen<br />

sich Streichersätze auf, <strong>und</strong> sonore<br />

Stimmen aus dem Off erzählen von Verantwortung,<br />

Verlässlichkeit <strong>und</strong> davon,<br />

was es heißt, ein Mensch zu sein.<br />

Der knapp dreiminütige Werbespot<br />

des amerikanischen Betonproduzenten<br />

Oldcastle soll nicht nur ein positives<br />

Firmenimage vermitteln. Er soll die Belegschaft<br />

motivieren, für ihren Job zu<br />

brennen. Denn er zeigt ihnen ihren purpose,<br />

auf Deutsch etwa „Sinn“, „Zweck“<br />

oder „Mission“. Die Antwort auf die<br />

Frage: „Warum?“ Warum arbeiten wir<br />

hier? Was ist der Sinn dieses Betonproduzenten?<br />

Also, abgesehen davon, Beton<br />

zu produzieren. Diese Frage wird gerade<br />

in vielen Unternehmen gestellt.<br />

Konzerne, die Gutes wollen<br />

Unternehmen streben danach, Gewinn<br />

zu machen – so lautete bisher die<br />

oberste Regel im Kapitalismus. Das aber<br />

scheint sich gerade zu ändern. Seit einigen<br />

Jahren reden immer mehr Manager<br />

<strong>und</strong> Unternehmer von der purpose economy.<br />

„Der Zweck dieser Firma ist nicht,<br />

36 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


QUO VADIS GLOBAL GOALS?<br />

Shareholder Value zu schaffen“, erklärte<br />

zum Beispiel Emmanuel Faber, der CEO<br />

von Danone, neulich im Magazin The<br />

Economist. Stattdessen wolle sein Konzern<br />

möglichst vielen Menschen ges<strong>und</strong>e<br />

Lebensmittel zugänglich machen. Das<br />

klang, als ginge es ihm gar nicht mehr<br />

um Umsatz <strong>und</strong> Gewinn, sondern darum,<br />

die Welt zu verbessern.<br />

Zeitgleich bitten Personalvorstände ihre<br />

Belegschaft auf die Couch, um herauszufinden,<br />

was diese wirklich antreibt, was<br />

die Mitarbeiter wünschen, was sie wollen<br />

<strong>und</strong> was sie motiviert – abgesehen vom<br />

Geld. Denn viele Unternehmen fürchten,<br />

in Zeiten des Fachkräftemangels<br />

für hochkarätige Bewerber nicht mehr<br />

attraktiv zu sein, wenn sie neben Gehalt<br />

nicht auch noch einen Sinn <strong>und</strong> Zweck<br />

anbieten.<br />

Die Unternehmensberatung BCG gab<br />

kürzlich bekannt, ihren Umfragen zufolge<br />

legten zwar 30 Prozent der jungen<br />

„Top-Talente“ in erster Linie Wert<br />

auf hohes Gehalt <strong>und</strong> Karrierechancen.<br />

Top-Talente sind nach dieser Definition<br />

Bewerber mit Bestnoten, Berufs- <strong>und</strong><br />

Auslandserfahrungen. Doch immerhin<br />

28 Prozent von ihnen bezeichnet die<br />

Beratung als „Sinnsucher“, weil für sie<br />

bei der Arbeit nicht in erster Linie materielle<br />

Werte wichtig seien.<br />

Und weil der Begriff purpose mindestens<br />

so vage wie wichtig ist, gibt es längst<br />

Beratungsagenturen, die Managern dabei<br />

helfen, herauszufinden, was sie in ihrer<br />

Firma eigentlich machen – <strong>und</strong> wozu.<br />

Die veganen Berater<br />

In einem der oberen Stockwerke eines<br />

imposanten Altbaus in Berlin-Mitte residiert<br />

Brighthouse, so etwas wie der<br />

Branchenprimus, wenn es um unternehmerische<br />

Sinnfragen geht. Freigelegte<br />

Backsteinwände, vollverglaste Büros,<br />

der Kühlschrank in der Kaffeeküche<br />

hält die besten <strong>und</strong> koffeinreichsten<br />

Feinschmeckerlimos bereit. Auf den<br />

Die Idee<br />

des<br />

purpose ist<br />

also so<br />

clever wie<br />

schlicht:<br />

Motivierte<br />

Menschen<br />

leisten am<br />

Arbeitsplatz<br />

mehr als<br />

abgeklärte<br />

Zyniker.<br />

lustvoll arrangierten Illustrationen <strong>und</strong><br />

Motivationszetteln, die im Flur drapiert<br />

wurden, steht „Intelligence having fun“,<br />

irgendjemand hat „I’m vegan“ auf ein<br />

Blatt Papier geschrieben <strong>und</strong> danebengehängt.<br />

Nicht unbedingt Sprüche, die<br />

man in einer Unternehmensberatung<br />

erwartet hätte.<br />

Der Purpose-Trend kommt aus den USA,<br />

aus den Start-ups <strong>und</strong> Digitalkonzernen<br />

des Silicon Valley, die Hippiekultur <strong>und</strong><br />

Sinnsuche mit Konzernen <strong>und</strong> Kapitalismus<br />

gekreuzt haben. Brighthouse<br />

wurde 1995 von der Werbelegende Joey<br />

Reiman gegründet, der den Begriff purpose<br />

maßgeblich geprägt <strong>und</strong> auch in<br />

einem Buch beschrieben hat. Dessen<br />

vollständiger Titel lautet übersetzt: „Die<br />

Geschichte des Zwecks: Der Weg zur<br />

Schaffung einer strahlenderen Marke,<br />

einer größeren Firma <strong>und</strong> eines dauerhaften<br />

Vermächtnisses“.<br />

2015 wurde Brighthouse von BCG übernommen.<br />

Von derselben Unternehmensberatung<br />

also, die in der eben zitierten Befragung<br />

unter den jungen „Top-Talenten“<br />

28 Prozent Sinnsucher identifiziert hat.<br />

Eine der Frauen, die Unternehmen hilft,<br />

ihre Mission klarer zu fassen, ist Aminta<br />

Rother. Sie ist 30 Jahre alt, hat in Japan<br />

Wirtschaftspsychologie <strong>und</strong> an der ESCP,<br />

einer privaten Wirtschaftshochschule,<br />

Marketing studiert. Danach arbeitete<br />

sie bei einer großen Markenberatungsagentur.<br />

Als Brighthouse eine Niederlassung<br />

in Deutschland plante, wurde<br />

sie abgeworben. Seit einem halben Jahr<br />

arbeitet sie gemeinsam mit Psychologen,<br />

Filmemachern, BWLern, Philosophen,<br />

Designern <strong>und</strong> ehemaligen Werbetextern<br />

bei Brighthouse. Aber wie findet ein<br />

Unternehmen seinen purpose?<br />

Schritt 1, erklärt Rother, sei immer die<br />

sogenannte discovery – mit Fragebögen<br />

<strong>und</strong> Interviews stellen die Berater<br />

fest, was ihre Auftraggeber überhaupt<br />

machen <strong>und</strong> was deren Mitarbeiter motiviert.<br />

>><br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

37


AGENDA<br />

Schritt 2: die articulation. Aus den Antworten <strong>und</strong> Geschäftsfeldern<br />

wird die Schnittmenge gebildet. „Wir fragen uns:<br />

Was leistet dieses Unternehmen in der Welt, <strong>und</strong> wo sind die<br />

Bedürfnisse der Gesellschaft?“, erklärt Aminta Rother. Anders<br />

formuliert: Wer ist das Unternehmen – <strong>und</strong> wer sollte es<br />

idealerweise sein? Daraus wird ein Anspruch, der purpose,<br />

formuliert.<br />

Hinter Schritt 3, der activation, steht die Frage, mit welcher<br />

Strategie man die Erkenntnisse umzusetzen gedenkt.<br />

Im Schritt 4, embed, wird der purpose schließlich in die<br />

Struktur des Unternehmens eingearbeitet.<br />

Das Ergebnis kann weitaus mehr sein als ein pathetischer Film<br />

mit Streichern <strong>und</strong> glücklichen Fließbandarbeitern wie im Fall<br />

von Oldcastle. Manchmal hat die Arbeit von Rother <strong>und</strong> ihren<br />

Kollegen unmittelbare Konsequenzen für das Geschäft. Der<br />

Brighthouse-Europa-Chef Brad White erklärt das in Interviews<br />

gerne an einem Beispiel: Einer der K<strong>und</strong>en, die amerikanische<br />

Drogeriekette CVS, nahm nach der Beratung alle Tabakprodukte<br />

aus dem Sortiment. Der Gr<strong>und</strong>: Tabak passte nicht zur Mission<br />

der Drogerie, Menschen dabei zu helfen, ein gesünderes Leben<br />

zu führen. CVS hatte mit Zigaretten zwar zwei Milliarden<br />

Dollar Umsatz gemacht. Doch 91 Prozent der K<strong>und</strong>en, erklärt<br />

Brighthouse seinen Klienten, würden im Zweifelsfall lieber in<br />

einem Unternehmen mit purpose einkaufen als in einem ohne.<br />

Langfristig lohne sich der Sinn, auch wenn man kurzfristig<br />

dafür auf Milliardenumsätze verzichten müsse.<br />

Die Pioniere des „purpose“<br />

Eine Firma, die ihren Sinn <strong>und</strong> ihre Mission bereits verinnerlicht<br />

hatte, lange bevor es Beratungen wie Brighthouse gab,<br />

versteckt sich in einer schmucklosen Ausfallstraße neben<br />

einem S-Bahnhof im Norden von Mainz. Seit 1986 stellt das<br />

inhabergeführte Unternehmen Werner & Mertz die Produkte<br />

mit dem kleinen grünen Frosch her: Seifen, Waschpulver,<br />

Scheuermittel, Kalklöser <strong>und</strong> Glasreiniger.<br />

„Ganzheitlich nachhaltig“ steht in weinroten Buchstaben an<br />

der Wand der Verwaltungszentrale. Daneben wachsen Blumen,<br />

davor plätschert ein Springbrunnen im Foyer. In r<strong>und</strong>en<br />

Glasvitrinen sind Flaschen mit Reinigungsmitteln arrangiert,<br />

während die Aufschrift auf einem Pappkarton fordert: „Recyceln<br />

Sie Ihr Alt-Handy“. Das ökologische Bewusstsein des<br />

Unternehmens scheint über die Jahre zu einer Haltung geworden<br />

zu sein, die Mitarbeiter emotional an die Firma <strong>und</strong><br />

ihre Produkte bindet. So erzählt eine Mitarbeiterin schon kurz<br />

nach der Begrüßung freimütig, dass sie über Fre<strong>und</strong>e die Nase<br />

rümpfe, wenn diese weniger umweltschonende Waschmittel<br />

im Bad stehen haben.<br />

In der Kantine wartet Detlef Matz, der Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements.<br />

Matz widerspricht mit seinem dünnem<br />

Schnurrbart <strong>und</strong> den kurz gestutzten Haaren optisch dem<br />

Öko-Klischee. „Nachhaltigkeit ist ein Wert, den legt man<br />

nicht am Firmentor ab“, sagt er. Vom Fließbandarbeiter bis<br />

zur Führungsebene fühlten sich heute alle den gemeinsamen<br />

Werten verpflichtet. Man könne sich außerdem bei jedem<br />

neuen Produkt, bei jeder Neuentwicklung <strong>und</strong> jeder Personaleinstellung<br />

sicher sein: Dieser Wert gilt. Und das nütze<br />

auch dem Unternehmen. Denn jemand, der für ein höheres<br />

Ziel arbeite, sagt Matz, schaue nicht so genau auf die Uhr,<br />

wenn es Richtung Feierabend gehe.<br />

Ein AKW-Konzern wird grüner<br />

Die Idee des purpose ist also so clever wie schlicht: Motivierte<br />

Menschen leisten am Arbeitsplatz mehr als abgeklärte Zyniker.<br />

Sinn motiviert mehr als jeder Bonus <strong>und</strong> das Weihnachtsgeld.<br />

Purpose macht aus dem Mitarbeiter einen Mitstreiter.<br />

Doch der Anspruch hat auch seinen Preis. Je länger Matz spricht,<br />

desto klarer wird: Wirtschaftlich lohnt sich die Nachhaltigkeit<br />

erst langfristig. Wenn man sein Firmengebäude wie Werner<br />

& Mertz nach hohen Umweltstandards zertifiziert, spart das<br />

langfristig Energie <strong>und</strong> damit Geld. Zunächst einmal kostet<br />

es jedoch. Und das kann sich aber nicht jedes Unternehmen<br />

leisten: Für eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit ihren<br />

Quartalszahlen <strong>und</strong> schwankenden Kursen könnte so<br />

38 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


QUO VADIS GLOBAL GOALS?<br />

Doch der unfreiwillige Umbruch hatte<br />

auch positive Folgen: Als das Unternehmen<br />

begann, seine Aktivitäten in der<br />

Windkraft zu kommunizieren, stieg auch<br />

die Zahl der Bewerber. „Wir merken, dass<br />

die Bewerber, die zu uns kommen, ein<br />

Bedürfnis nach Sinnstiftung haben“, sagt<br />

Zimmer. „Das ist deutlich wichtiger als<br />

vor zehn Jahren.“<br />

etwas wirtschaftlich Selbstmord sein.<br />

Dass es schmerzhaft sein kann, einen<br />

neuen purpose für sein Unternehmen<br />

zu finden, weiß Tilman Zimmer. Er ist<br />

Personalchef beim Stromkonzern EnBW.<br />

Seine Abteilung nennt sich „Führung,<br />

Fähigkeiten, Transformation“, ein Name,<br />

der beschreibt, was Sache ist: Vermutlich<br />

haben wenige Konzerne sich in den<br />

vergangenen Jahren so gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

infrage stellen müssen wie der Energieversorger.<br />

Noch vor acht Jahren war EnBW einer<br />

der großen Betreiber von Atomkraftwerken<br />

in Deutschland. Vier der einst 17<br />

Atomkraftwerke gehörten dem Unternehmen.<br />

Als die Regierung Merkel im<br />

Jahr 2011, zwischen der Kernschmelze<br />

in Fukushima <strong>und</strong> den Landtagswahlen<br />

in Baden-Württemberg, relativ spontan<br />

entschied, dass Deutschland komplett<br />

aus der Atomkraft aussteigt, ging EnBW<br />

nicht nur die wirtschaftliche Gr<strong>und</strong>lage<br />

verloren, sondern auch die Richtung.<br />

„Da wurde unser tradiertes Geschäftsmodell<br />

über den Haufen geworfen“,<br />

sagt Zimmer.<br />

„Wir merken,<br />

dass die<br />

Bewerber,<br />

die zu uns<br />

kommen, ein<br />

Bedürfnis<br />

nach<br />

Sinnstiftung<br />

haben.“<br />

Um den Wandlungsprozess zu gestalten,<br />

hat der Stromversorger Dialogprogramme<br />

eingeführt, für die bisher über 2.000<br />

Gespräche mit Mitarbeitern geführt wurden,<br />

vom Elektriker bis zum Vorstand.<br />

Auch wenn das bei EnBW nicht purpose<br />

genannt wird, dreht es sich um genau<br />

dieselbe Frage, erzählt Zimmer: „Wie<br />

müssen wir sein, um erfolgreich zu sein?<br />

Was wird uns ausmachen, wenn wir das<br />

geschafft haben?“<br />

Zimmers Abteilung versteht sich als<br />

Servicecenter, das den Mitarbeitern dabei<br />

helfen soll, neue Kompetenzen zu<br />

entwickeln <strong>und</strong> sich den ändernden Gegebenheiten<br />

anzupassen. Aber die Suche<br />

nach dem Sinn sei auch für den Konzern<br />

an sich hilfreich, weil dieser quer durch<br />

alle Abteilungen einen wichtigen Richtwert<br />

vorgebe – einen Richtwert, der<br />

unabhängig von Quartalszahlen <strong>und</strong><br />

strategischen Etappen gilt.<br />

In der modernen Arbeitswelt kommt<br />

dem purpose eine besondere Funktion<br />

zu: Der Sinn einer Firma überdauert jede<br />

Geschäftskrise. Der Sinn überstrahlt jeden<br />

Transformationsprozess, ganz gleich<br />

wie viele Stellen dieser kostet. Ein Sinn<br />

überlebt jedes Personalkarussell in Vorstand<br />

<strong>und</strong> Aufsichtsrat. Anders gesagt:<br />

So ein Sinn hat etwas Beruhigendes in<br />

unruhigen Zeiten.<br />

Ob aus Überzeugung oder Kalkül: Es<br />

lohnt sich, einen Sinn zu haben. Eine<br />

Studie aus den USA zeigt, dass Unternehmen<br />

mit purpose über einen Zeitlauf<br />

von zehn Jahren Renditezuwächse erzielt<br />

haben – <strong>und</strong> zwar dreimal so hohe wie<br />

Unternehmen ohne Sinnstiftung.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

39


AGENDA<br />

Das Geschäft von morgen:<br />

Die Leadership-<strong>Agenda</strong><br />

für die 2020er Jahre<br />

Der Kapitalismus-as-usual funktioniert nicht länger. Er ist nicht in der Lage, die hohen<br />

Erwartungen der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen oder das Pariser<br />

Klimaabkommen zu erfüllen – <strong>und</strong> vor allem schon gar nicht in der erforderlichen Zeit.<br />

Von Richard Roberts, Inquiry Lead Volans<br />

Noch beunruhigender ist, dass Nachhaltigkeit-as-usual<br />

auch nicht funktioniert.<br />

Das ist eine unbequeme Wahrheit für<br />

diejenigen von uns, die im Nachhaltigkeitsmanagement<br />

von Unternehmen<br />

arbeiten, aber die Beweise sind immer<br />

schwieriger zu ignorieren: Die Treibhausgasemissionen<br />

steigen stetig weiter<br />

an, der Artenverlust nimmt rasant zu,<br />

Ungleichheit <strong>und</strong> Wut durchdringen<br />

Gesellschaft <strong>und</strong> Politik.<br />

Das Problem von Nachhaltigkeit-as-usual<br />

besteht darin, dass es versucht, systemische<br />

Herausforderungen wie die Umkehrung<br />

der globalen Erwärmung <strong>und</strong><br />

den Auf bau einer fairen, integrativen<br />

Wirtschaft mit inkrementellen Ansätzen,<br />

also stetigen kleinen Verbesserungen,<br />

anzugehen. Jedes Unternehmen, das<br />

einen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit<br />

macht, verdient es, gefeiert zu werden.<br />

Aber die Vorstellung, dass sich diese inkrementellen<br />

Zugewinne auf Dauer zu<br />

einer nachhaltigen globalen Wirtschaft<br />

aufsummieren, ist Wunschdenken. Oder<br />

zumindest ist es eine gefährlich unvollständige<br />

Theorie des Wandels.<br />

Darüber hinaus ist es wahrscheinlich,<br />

dass Nachhaltigkeit-as-usual auch bei<br />

unmittelbareren Unternehmenszielen<br />

wie Risikominderung, Erhöhung der<br />

Widerstandsfähigkeit <strong>und</strong> Erschließung<br />

neuer Marktchancen nicht erreicht wird.<br />

In einem Zeitalter extremer Wetterbedingungen<br />

<strong>und</strong> extremer Politik reicht<br />

es nicht aus, etwas weniger schlecht<br />

zu sein als die Konkurrenz, um sich<br />

vor den kommenden Schocks zu schützen.<br />

Es wird auch nicht ausreichen, um<br />

die stetig wachsende Gruppe kritischer<br />

Stakeholder zu gewinnen, die mit Greta<br />

Thunberg darin übereinstimmen, dass<br />

wir „so handeln müssen, als ob unser<br />

Haus brennt, weil es brennt“.<br />

Jedes Unternehmen, das bestrebt ist, in<br />

den 2020er Jahren eine Führungsrolle<br />

zu übernehmen, muss drei Rs beachten:<br />

responsibility, resilience and regeneration,<br />

zu deutsch: Verantwortung, Widerstandsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> Regeneration.<br />

Entscheidend ist, dass Unternehmen<br />

diese 3 Rs nicht nur auf ihre eigenen<br />

Abläufe <strong>und</strong> Wertschöpfungsketten anwenden,<br />

sondern auch als Akteure des<br />

Wandels auf Marktebene dafür werben,<br />

um so die gesamte Wirtschaft zu verantwortungsvolleren,<br />

widerstandsfähigeren<br />

<strong>und</strong> regenerativeren Ergebnissen<br />

zu verhelfen. Daraus ergeben sich einige<br />

wichtige Fragen, die ich im weiteren<br />

ansprechen werde:<br />

• Was können Unternehmen praktisch<br />

tun, um den Wandel auf Marktebene<br />

zu beeinflussen?<br />

• Was ist es, das es einigen Unternehmen<br />

ermöglicht, bei der Nachhaltigkeit führend<br />

zu sein, während andere kämpfen?<br />

• Welche Art von Führung wird von jedem<br />

von uns als Individuum im nächsten<br />

Jahrzehnt verlangt?<br />

• Was können Unternehmen praktisch<br />

tun, um den Wandel auf Marktebene<br />

zu beeinflussen?<br />

Jedes Unternehmen nimmt mehrere<br />

Rollen ein: Arbeitgeber, Käufer, Produzent,<br />

Investor, Bürger. Die Art <strong>und</strong><br />

Weise, wie ein Unternehmen jede dieser<br />

Funktionen ausführt, hat Einfluss auf das<br />

Wirtschaftssystem <strong>und</strong> kann optimiert<br />

werden, um den Fortschritt bei den 3Rs<br />

zu katalysieren.<br />

Unternehmen sind am effektivsten als<br />

Agenten des systemischen Wandels,<br />

wenn sie diese Funktionen synergistisch<br />

ausführen, um den Fortschritt zielgerichtet<br />

voranzutreiben. Wenn beispielsweise<br />

eine Netto-Null-Kohlenstoffwirtschaft<br />

das Ziel ist, sollte die Strategie, um dort-<br />

40 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


QUO VADIS GLOBAL GOALS?<br />

Was ist es,<br />

das es einigen<br />

Unternehmen<br />

ermöglicht, bei der<br />

Nachhaltigkeit<br />

führend zu sein,<br />

während andere<br />

kämpfen?<br />

hin zu gelangen, die Bemühungen bündeln, a) die Produktion<br />

zu dekarbonisieren, b) niedrige bzw. Null-Emissionen von<br />

Lieferanten zu verlangen, c) in Sach- <strong>und</strong> Finanzanlagen zu<br />

investieren, die zukünftige Emissionen „ausschließen“ <strong>und</strong><br />

nicht „einschließen“, <strong>und</strong> d) sich für politische Reformen wie<br />

einen sinnvollen Preis für Kohlenstoffemissionen einzusetzen.<br />

Für einen umfassenden Überblick über jede der fünf Funktionen<br />

<strong>und</strong> wie sie genutzt werden können, um den systemischen<br />

Wandel voranzutreiben, lesen Sie den Artikel im <strong>Global</strong> Goals<br />

Yearbook <strong>2019</strong>, den ich zusammen mit John Elkington verfasst<br />

habe (ab Seite 12). Vorläufig möchte ich jedoch auf eine Funktion<br />

eingehen: die Rolle, die Unternehmen als Bürger – also<br />

als politische Akteure – bei dem wichtigsten Thema unserer<br />

Zeit spielen: dem Klimawandel.<br />

Die Rolle des unternehmerischen Lobbyings in der Klimapolitik<br />

wird immer stärker hinterfragt. Erst in den letzten Tagen hat<br />

The Guardian einige größere Artikel publiziert, einer handelte<br />

von den Erfolgen der Automobilindustrie bei der Behinderung<br />

vom Klimaschutzmaßnahmen, der andere beleuchtete Googles<br />

Unterstützung von Think Tanks, die wissenschaftliche Erkenntnisse<br />

zum Klimawandel leugnen <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Versuch, Vorschriften abzuschwächen, die hohe Kosten für<br />

Unternehmen mit hohen Emissionen vorsehen.<br />

Anfang des Jahres veröffentlichte InfluenceMap (dessen Forschung<br />

in der Guardian Story über die Automobilindustrie<br />

zitiert wird) einen Bericht, der beleuchtet, wie acht der größten<br />

europäischen Industrieverbände beim Thema Klimapolitik<br />

agieren. Sie fanden heraus, dass in den meisten Fällen ein<br />

erhebliches Missverhältnis besteht zwischen dem, was >><br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

41


AGENDA<br />

<strong>und</strong> eine Unternehmenskultur besitzen,<br />

die dies unterstützt. Aber sein eigenes<br />

Handeln ist so strukturiert, dass Druck<br />

auf das Management ausgeübt wird, sich<br />

auf kurzfristige finanzielle Erträge <strong>und</strong><br />

nicht auf langfristige gesellschaftliche<br />

Auswirkungen zu konzentrieren.<br />

die Branchenverbände tun, <strong>und</strong> den<br />

jeweiligen Positionen ihrer einzelnen<br />

Mitgliedsunternehmen.<br />

Diese Analyse wurde von einer Handvoll<br />

klimabewusster institutioneller Investoren<br />

wie dem Church of England Pension<br />

Board, dem schwedischen Pensionsfonds<br />

AP7 <strong>und</strong> BNP Paribas Asset Management<br />

aufgegriffen. Dies wiederum veranlasste<br />

mehrere große Unternehmen – darunter<br />

BASF, RWE <strong>und</strong> Heidelberg Cement<br />

– ihre Branchenmitgliedschaften zu<br />

überprüfen.<br />

Im Juni forderte Alan Jope, CEO von<br />

Unilever, alle Wirtschaftsverbände <strong>und</strong><br />

Unternehmensgruppen, denen Unilever<br />

angehört, öffentlich auf zu prüfen, ob<br />

ihr Ehrgeiz wirklich mit den geforderten<br />

tiefgreifenden Emissionssenkungen<br />

der Pariser Klimavereinbarung übereinstimmt.<br />

„Laut der neuesten Analyse von<br />

InfluenceMap ist Unilever das einflussreichste<br />

positive Unternehmen“, wenn es<br />

um das klimapolitische Engagement geht.<br />

Druck auf Wirtschaftsverbände auszuüben<br />

oder, wenn das nicht funktioniert,<br />

den Austritt anzukündigen, damit diejenigen,<br />

die in ihrem Namen in den<br />

politischen Hauptstädten sprechen, nicht<br />

mutige klimapolitische Maßnahmen<br />

untergraben, wird für Unternehmen,<br />

die kritische Aufmerksamkeit von NGOs,<br />

Medien <strong>und</strong> Investoren vermeiden wollen,<br />

zunehmend zu einer Notwendigkeit.<br />

Der nächste Schritt ist die Aufnahme der<br />

Lobbyarbeit für effektivere <strong>und</strong> mutigere<br />

Reformen <strong>und</strong> Vorschriften – <strong>und</strong> die<br />

Unterstützung von Kampagnengruppen,<br />

Think Tanks <strong>und</strong> Business-to-Business-<br />

Plattformen, die dies in ihrem Namen<br />

tun werden.<br />

Was ist es, das es einigen Unternehmen<br />

ermöglicht, bei der Nachhaltigkeit führend<br />

zu sein, während andere kämpfen<br />

müssen?<br />

Wir alle wissen, dass, wie wir in der Welt<br />

als Menschen auftreten, viel mit dem zu<br />

tun hat, was in uns vor sich geht. Das<br />

Gleiche gilt für Organisationen. Leider<br />

werden heute viele Unternehmen von<br />

dem zurückgehalten, was Kate Raworth,<br />

die Autorin von Doughnut Economics,<br />

als „Corporate Schizophrenie“ bezeichnet.<br />

Die Persönlichkeit eines Unternehmens<br />

wird durch fünf Dinge bestimmt: sein<br />

Eigentum, seinen Zweck, sein Management,<br />

seine Datensysteme <strong>und</strong> seine<br />

Kultur. Wenn diese fünf Dinge alle in<br />

die gleiche Richtung gerichtet sind <strong>und</strong><br />

gut zusammenarbeiten, dann ist eine<br />

Organisation am effektivsten.<br />

Die meisten Unternehmen sind heute jedoch<br />

zumindest leicht schizophren. Zum<br />

Beispiel kann ein Unternehmen einen<br />

Zweck haben, bei dem es darum geht,<br />

Positives zur Gesellschaft beizutragen,<br />

Diese Spannung ist nicht unvermeidlich.<br />

Erstens üben nicht alle Beteiligungsmodelle<br />

den gleichen Druck auf das Management<br />

aus, sich auf kurzfristige Profite zu<br />

konzentrieren. Viele Nachhaltigkeitspioniere<br />

haben von einem Ankeraktionär<br />

profitiert, der sie zumindest teilweise<br />

von der Kurzfristigkeit der öffentlichen<br />

Märkte abschirmt. Dieser Ankeraktionär<br />

kann eine Regierung sein – wie es sowohl<br />

für Ørsted (Dänemark) als auch für<br />

Neste (Finnland) in den Zeiten des Übergangs<br />

von der Abhängigkeit von fossilen<br />

Brennstoffen der Fall war – oder eine<br />

industrielle Stiftung wie in den Fällen<br />

von Novo Nordisk <strong>und</strong> IKEA, zwei der<br />

konsequentesten Nachhaltigkeitsperformer<br />

seit Beginn dieses Jahrtausends.<br />

Auch in der Geschichte der Nachhaltigkeit<br />

von Unternehmen haben Gründerunternehmen<br />

– von Patagonien bis The<br />

Body Shop – eine herausragende Rolle<br />

gespielt, wobei letztere eine besonders<br />

interessante Fallstudie über den Einfluss<br />

von Eigentum darstellen. The Body Shop,<br />

das in den 1970er <strong>und</strong> 1980er Jahren<br />

ein Pionier unternehmerischer Verantwortung<br />

im Bereich Umwelt <strong>und</strong> Soziales<br />

war, hatte es nach dem Börsengang<br />

<strong>und</strong> insbesondere nach dem Kauf durch<br />

L‘Oréal im Jahr 2006 immer schwieriger,<br />

seine Führungsrolle in Sachen Nachhaltigkeit<br />

zu behaupten. Seit dem Verkauf<br />

an Natura, einem brasilianische B Corp.,<br />

im Jahr 2017 hat The Body Shop jedoch<br />

begonnen, sich wieder als Marktführer<br />

auf dem CSR-Gebiet zu etablieren. Ermutigt<br />

von den neuen Eigentümern<br />

kehrt man zu den aktivistischen Wurzeln<br />

zurück <strong>und</strong> das Engagement für<br />

Mensch <strong>und</strong> Umwelt wird wieder ernst<br />

genommen.<br />

42 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


QUO VADIS GLOBAL GOALS?<br />

„Die Uhr tickt.“<br />

Als börsennotiertes Unternehmen kann es schwieriger sein,<br />

sich an eine Strategie zu binden, die Mensch, Planet <strong>und</strong><br />

Gewinn in Einklang bringt, aber manchmal ist die Schuldzuweisung<br />

an die kurzfristige Denke der Aktionäre auch<br />

eine Ausrede.<br />

Die Leistung von Unilever in den letzten zehn Jahren zeigt,<br />

was innerhalb der Grenzen des SPS-Modells möglich ist. Es ist<br />

kein Zufall, dass einer der ersten Schritte von Paul Polman,<br />

als er 2009 CEO wurde, darin bestand, die Quartalsberichterstattung<br />

zu beenden <strong>und</strong> einen ausdrücklichen Appell an<br />

die langfristig engagierten Aktionäre zu richten. Die Tatsache,<br />

dass in den letzten zehn Jahren nur so wenige andere Unternehmen<br />

diesem Beispiel gefolgt sind, ist ebenso ein Indiz für<br />

die schwache Führung der derzeitigen CEO-Klasse wie für den<br />

Kurzfristigkeits-Fokus der globalen Kapitalmärkte.<br />

Was mich schließlich zu meinem letzten Punkt bringt: Welche<br />

Art von Führung wird von jedem von uns als Individuum im<br />

nächsten Jahrzehnt verlangt?<br />

Um in den nächsten zehn Jahren dorthin zu gelangen, wo wir<br />

hin müssen, bedarf es außergewöhnlichen Mutes der Menschen<br />

in der Wirtschaft. Der Mut, sich gegenüber Aktionären,<br />

Wettbewerbern <strong>und</strong> sogar Kollegen zu behaupten. Der Mut,<br />

als naiv <strong>und</strong> fehlgeleitet abgetan zu werden. Der Mut zum<br />

Scheitern, daraus zu lernen, es erneut zu versuchen, wieder<br />

zu scheitern, besser zu scheitern (an der Stelle entschuldige<br />

ich mich bei Samuel Beckett für das Leihen <strong>und</strong> Verfremden<br />

des Zitats).<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Richard Roberts leitet einen Großteil von Volans‘ Analysen <strong>und</strong><br />

Präsentationen. Insbesondere leitet Richard die Arbeitsgruppe zur<br />

New Carbon Economy <strong>und</strong> zu Volans‘ Thought Leadership über<br />

die Zukunft des Kapitalismus. Dafür entwickelt er neue Ideen,<br />

Whitepaper <strong>und</strong> Berichte <strong>und</strong> berät Wirtschaftsführer, wie sie<br />

sich auf die Zukunft besser einstellen können.<br />

Ich persönlich lasse mich von dem Aktivismus inspirieren,<br />

den wir im Moment auf unseren Straßen sehen. Von den H<strong>und</strong>erten<br />

von einfachen Menschen, die bereit sind, verhaftet zu<br />

werden, um zu versuchen, uns alle für die ökologische Krise,<br />

in der wir uns befinden, zu sensibilisieren.<br />

Wie würde die Welt aussehen, wenn wir alle mit dieser radikalen<br />

Absicht, mit dieser Klarheit des Zwecks <strong>und</strong> mit dieser<br />

Bereitschaft, persönliche <strong>und</strong> berufliche Kosten zu akzeptieren,<br />

handeln würden?<br />

Wollen wir Erfolg in den 2020er Jahren haben, so erfordert<br />

dies, dass wir in der Lage sind, den Wandel auf diesen drei<br />

verschiedenen Ebenen gleichzeitig voranzutreiben: die Spielregeln<br />

auf systemischer Ebene zu beeinflussen, Unternehmensschizophrenie<br />

auf organisatorischer Ebene anzugehen<br />

<strong>und</strong> auf persönlicher Ebene Mutreserven zu erschließen, von<br />

denen wir nicht wussten, dass wir sie haben.<br />

Die Uhr tickt.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

43


AGENDA<br />

Statement on the Purpose of a Corporation<br />

Americans deserve an economy that allows each person to succeed through hard work and creativity<br />

and to lead a life of meaning and dignity. We believe the free-market system is the best means of<br />

generating good jobs, a strong and sustainable economy, innovation, a healthy environment and<br />

economic opportunity for all.<br />

Businesses play a vital role in the economy by creating jobs, fostering innovation and providing<br />

essential goods and services. Businesses make and sell consumer products; manufacture equipment<br />

and vehicles; support the national defense; grow and produce food; provide health care; generate<br />

and deliver energy; and offer financial, communications and other services that <strong>und</strong>erpin economic<br />

growth.<br />

While each of our individual companies serves its own corporate purpose, we share a f<strong>und</strong>amental<br />

commitment to all of our stakeholders. We commit to:<br />

- Delivering value to our customers. We will further the tradition of American companies<br />

leading the way in meeting or exceeding customer expectations.<br />

- Investing in our employees. This starts with compensating them fairly and providing important<br />

benefits. It also includes supporting them through training and education that help develop<br />

new skills for a rapidly changing world. We foster diversity and inclusion, dignity and respect.<br />

- Dealing fairly and ethically with our suppliers. We are dedicated to serving as good partners to<br />

the other companies, large and small, that help us meet our missions.<br />

- Supporting the communities in which we work. We respect the people in our communities<br />

and protect the environment by embracing sustainable practices across our businesses.<br />

- Generating long-term value for shareholders, who provide the capital that allows companies<br />

to invest, grow and innovate. We are committed to transparency and effective engagement<br />

with shareholders.<br />

Each of our stakeholders is essential. We commit to deliver value to all of them, for the future success<br />

of our companies, our communities and our country.<br />

August <strong>2019</strong><br />

44 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


QUO VADIS GLOBAL GOALS?<br />

Kevin J. Wheeler<br />

President & Chief Executive<br />

Officer<br />

A. O. Smith Corporation<br />

Daniel P. Amos<br />

Chairman and CEO<br />

Aflac<br />

Doug Parker<br />

Chairman & CEO<br />

American Airlines<br />

Miles D. White<br />

Chairman and Chief<br />

Executive Officer<br />

Abbott<br />

Hal Yoh<br />

Chair and CEO<br />

Day & Zimmermann<br />

Roger K. Newport<br />

Chief Executive Officer<br />

AK Steel Corporation<br />

Mark J. Costa<br />

Chairman and CEO<br />

Eastman Chemical Company<br />

Nicholas K. Akins<br />

Chairman, President and CEO<br />

American Electric Power<br />

Gary Norcross<br />

Chairman, President & CEO<br />

FIS<br />

Maurice R. Greenberg<br />

Chairman and CEO<br />

C.V. Starr & Co., Inc.<br />

Michael S. Dell<br />

Chairman and CEO<br />

Dell Technologies<br />

Punit Renjen<br />

<strong>Global</strong> CEO<br />

Deloitte<br />

Kewsong Lee<br />

Co-Chief Executive Officer<br />

The Carlyle Group<br />

D. James Umpleby III<br />

Chairman and Chief<br />

Executive Officer<br />

Caterpillar, Inc.<br />

Robert E. Sulentic<br />

President & CEO<br />

CBRE Group, Inc.<br />

Jim Fitterling<br />

Chief Executive Officer<br />

Dow<br />

Lynn Good<br />

Chairman, President & CEO<br />

Duke Energy<br />

JM Lawrie<br />

Chairman, President, and CEO<br />

DXC Technology<br />

W. Anthony Will<br />

President & Chief Executive<br />

Officer<br />

CF Industries<br />

Michael K. Wirth<br />

Chairman and Chief<br />

Executive Officer<br />

Chevron Corporation<br />

Julie Sweet<br />

Chief Executive Officer<br />

Designate<br />

Accenture<br />

Carlos Rodriguez<br />

President and CEO<br />

ADP<br />

Mike Burke<br />

Chairman and CEO<br />

AECOM<br />

Andrés Gluski<br />

President and CEO<br />

The AES Corporation<br />

Greg Case<br />

CEO<br />

Aon<br />

Evan G. Greenberg<br />

Chairman & CEO<br />

Chubb<br />

Tim Cook<br />

CEO<br />

Apple<br />

Craig Arnold<br />

Chairman and CEO<br />

EATON<br />

Pedro J. Pizarro<br />

President & CEO<br />

Edison International<br />

David M. Cordani<br />

President and Chief Executive<br />

Officer<br />

Cigna<br />

Eric Foss<br />

Chairman, President & CEO<br />

Aramark<br />

Chuck Robbins<br />

Chairman and CEO<br />

Cisco Systems, Inc.<br />

Alan B. Colberg<br />

President and CEO<br />

Assurant<br />

Michael L. Corbat<br />

Chief Executive Officer<br />

Citigroup, Inc.<br />

Randall Stephenson<br />

Chairman and Chief<br />

Executive Officer<br />

AT&T Inc.<br />

Darren W. Woods<br />

Chairman and CEO<br />

Exxon Mobil Corporation<br />

Carmine Di Sibio<br />

<strong>Global</strong> Chairman & CEO<br />

EY<br />

Frederick W. Smith<br />

Chairman & CEO<br />

FedEx Corporation<br />

Hubertus M. Mühlhäuser<br />

Chief Executive Officer<br />

CNH Industrial<br />

John A. Hayes<br />

Chairman, President and CEO<br />

Ball Corporation<br />

James Quincey<br />

Chairman and Chief<br />

Executive Officer<br />

The Coca-Cola Company<br />

Brent Sa<strong>und</strong>ers<br />

Chairman and CEO<br />

Allergan plc<br />

John O. Larsen<br />

Chairman, President & CEO<br />

Alliant Energy<br />

Lee Styslinger, III<br />

Chairman & CEO<br />

Altec, Inc.<br />

Jeffrey P. Bezos<br />

Fo<strong>und</strong>er and Chief Executive<br />

Officer<br />

Amazon<br />

Brian Moynihan<br />

Chairman and CEO<br />

Bank of America<br />

Brian Humphries<br />

Chief Executive Officer<br />

Cognizant<br />

Brian L. Roberts<br />

Chairman & CEO<br />

Comcast Corporation<br />

Revathi Advaithi<br />

Chief Executive Officer<br />

Flex<br />

José (Joe) E. Almeida<br />

Chairman, President and<br />

Chief Executive Officer<br />

Baxter International Inc.<br />

Philip Blake<br />

President Bayer USA<br />

Bayer USA<br />

Carlos M. Hernandez<br />

Chief Executive Officer<br />

Fluor Corporation<br />

James P. Hackett<br />

President and CEO<br />

Ford Motor Company<br />

Ryan M. Lance<br />

Chairman & CEO<br />

ConocoPhillips Company<br />

Joe Davis<br />

Chairman, North America<br />

BCG<br />

Lachlan K. Murdoch<br />

Executive Chairman & CEO<br />

Fox Corporation<br />

Wendell P. Weeks<br />

Chairman, Chief Executive<br />

Officer & President<br />

Corning Incorporated<br />

Brendan P. Bechtel<br />

Chairman & CEO<br />

Bechtel Group, Inc.<br />

Richard C. Adkerson<br />

Vice Chairman, President and<br />

Chief Executive Officer<br />

Freeport-McMoRan Inc.<br />

Tom Linebarger<br />

Chairman and CEO<br />

Cummins Inc.<br />

Corie Barry<br />

Chief Executive Officer<br />

Best Buy Co., Inc.<br />

Larry Merlo<br />

President & CEO<br />

CVS Health<br />

Stephen J. Squeri<br />

Chairman and CEO<br />

American Express<br />

James D. Taiclet<br />

Chairman, President and CEO<br />

American Tower Corporation<br />

James M. Cracchiolo<br />

Chairman and Chief<br />

Executive Officer<br />

Ameriprise Financial<br />

Gail Koziara Boudreaux<br />

President and CEO<br />

Anthem, Inc.<br />

Laurence D. Fink<br />

Chairman and Chief<br />

Executive Officer<br />

BlackRock, Inc.<br />

Charles W. Scharf<br />

Chairman & CEO<br />

BNY Mellon<br />

Dennis A. Muilenburg<br />

Chairman, President & CEO<br />

The Boeing Company<br />

Frédéric B. Lissalde<br />

President and Chief Executive<br />

Officer<br />

BorgWarner Inc.<br />

Robert Dudley<br />

Group CEO<br />

BP plc<br />

Giovanni Caforio<br />

Chairman and Chief<br />

Executive Officer<br />

Bristol-Myers Squibb<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

45


AGENDA<br />

„<br />

Wir müssen<br />

Wir müssen<br />

aufhören,<br />

Zukunft<br />

negativ zu<br />

begründen<br />

1972 war bereits theoretisch klar, dass die<br />

Welt an Wachstumsgrenzen stößt. <strong>2019</strong> wird<br />

das immer mehr Menschen auch praktisch<br />

klar. Bewegungen wie „Fridays for Future“<br />

fordern ein radikales Umsteuern auf nachhaltige<br />

Entwicklungspfade. Beim <strong>Global</strong> Goals<br />

Forum wagte der Sozialpsychologe Harald<br />

Welzer einen Blick auf „die <strong>Global</strong> Goals als<br />

Katalysator einer sozialen Utopie“.<br />

Von Dr. Elmer Lenzen<br />

Sozialer Aufstieg ist die Chiffre der modernen, offenen Gesellschaft.<br />

Sie steht für viele von uns für gelebte Chancengerechtigkeit.<br />

Das findet Ausdruck im sogenannten „amerikanischen<br />

Traum“ oder auch im Satz „Unsere Kinder sollen es mal besser<br />

haben“. Immer spiegelt sich darin die Möglichkeit, aus eigener<br />

Kraft vorwärts zu kommen, soziale Schichten zu durchstoßen<br />

<strong>und</strong> für sich selbst bzw. seine Familie mehr Wohlstand zu<br />

generieren als zuvor. In einer Welt, die an die Grenzen des<br />

Wachstums stößt, oder sich gar bewusst entscheidet, einen<br />

Schritt zurück zu gehen – Stichwort Postwachstum – wird<br />

sozialer Aufstieg bzw. die Angst vor dem Abstieg zu einem<br />

Kampfbegriff. Es entsteht eine harte Abbruchkante, die vielen<br />

Angst <strong>und</strong> manche wütend macht.<br />

Was gut läuft<br />

Muss das so sein? Nein, findet Harald Welzer <strong>und</strong> entwirft in<br />

seinem neuen Buch „Alles könnte anders sein“ eine positive<br />

mögliche Zukunft. Anstatt nur zu kritisieren oder zu lamentieren,<br />

macht er sich Gedanken, wie eine gute Zukunft aussehen<br />

könnte.„Überzeugend, unterhaltsam <strong>und</strong> mit überraschenden<br />

Perspektiven“, findet Ina Namislo von der MDR Kulturredaktion.<br />

Welzer erläutert in seiner Berliner Keynote anlässßlich des<br />

<strong>Global</strong> Goals Forums <strong>2019</strong>:<br />

„Kulturen entwickeln sich auch nicht auf der Gr<strong>und</strong>lage naturwissenschaftlicher<br />

Bef<strong>und</strong>e, sondern sie entwickeln sich auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage dessen, was man pathetisch als Zivilisationsprozess<br />

bezeichnen könnte, <strong>und</strong> dieser Zivilisationsprozess – man<br />

muss es bei aller Kritik sagen –, hat im Laufe der letzten<br />

200.000 Jahre doch zu ganz erheblichen Fortschritten im<br />

menschlichen Zusammenleben geführt. Wir sind heute, im<br />

Jahr <strong>2019</strong>, global betrachtet in den reichen Gesellschaften in<br />

einem Zustand des niedrigsten Gewalt-Niveaus, das es jemals<br />

in der Geschichte gegeben hat; des niedrigsten Armutsniveaus,<br />

des höchsten Bildungsniveaus, des höchsten Partizipationsniveaus<br />

<strong>und</strong> so weiter.“<br />

46 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


QUO VADIS GLOBAL GOALS?<br />

Jeder einzelne von uns, so Welzer,<br />

lebt heutzutage besser als Ludwig<br />

XIV. Und dass Europa die letzten<br />

70 Jahre in Frieden <strong>und</strong> Eintracht<br />

verbracht hat, ist mit Blick auf die<br />

Geschichte wahrlich keine Selbstverständlichkeit,<br />

sondern eher eine<br />

Sensation.<br />

Was schlecht läuft<br />

„Das historisch große Problem, vor<br />

dem wir im Augenblick stehen,<br />

besteht darin, dass alle zivilisatorischen<br />

Güter, die in den letzten zwei<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten erschaffen worden<br />

sind, im Wesentlichen auf der Basis eines Wirtschaftsprinzips<br />

entstanden, das keine Grenzen kennt. Nachdem sich<br />

dieses Wirtschaftsprinzip globalisiert hat, profitieren zwar<br />

immer mehr Menschen von den positiven Effekten dieses<br />

Wirtschaftsprinzips, aber gleichzeitig führt es uns selber als<br />

Bewohner dieses Planeten immer schneller an die Grenzen. Das,<br />

was 200 Jahre lang – <strong>und</strong> dann insbesondere in den letzten<br />

30 Jahren – so besonders erfolgreich gewesen ist, konsumiert<br />

seine eigenen Funktionsvoraussetzungen.“<br />

In seinem Buch bringt Welzer es auf den einfachen Nenner:<br />

„Wir müssen alles ändern, damit vieles bleiben kann, wie es<br />

ist.“ Das ist kein einfacher Weg. Kritik können wir alle gut,<br />

weiß Welzer, Loben müssen wir dagegen mühsam üben. Dabei<br />

ärgert ihn: Diejenigen, die andere Formen des Wirtschaftens<br />

ausprobieren wollen, müssten sich ständig rechtfertigen, dass<br />

sie damit scheitern könnten. Während ironischerweise die,<br />

deren Wirtschaftsmodell erwiesenermaßen scheitert <strong>und</strong> nicht<br />

zukunftsfähig ist, einfach so weitermachen dürfen.<br />

Das World Economic Forum hat dieses Phänomen bereits<br />

2018 intensiv unter dem Schlagwort „unternehmerische<br />

Schizophrenie“ diskutiert. Diese rührt oftmals daher, dass<br />

die Konsequenzen nicht ohne sind. „Politisch bedeutet das<br />

eine Selbst-Depriviligierung der reichen Länder“, sagt Welzer.<br />

Wirtschaftlich führt manches, was wir unter Dekarbonisierung<br />

diskutieren, zu Formen der Deindustrialisierung.<br />

Welzer dazu auf dem <strong>Global</strong> Goals Forum: „Das zeichnet<br />

gewissermaßen die Größe der Aufgabe. Deshalb finde ich<br />

die <strong>SDGs</strong> auch gut, denn die eigentliche Aufgabe, die es im<br />

21. Jahrh<strong>und</strong>ert zu lösen gilt, ist die, wie wir es schaffen,<br />

zugleich die zivilisatorischen Güter aufrechtzuerhalten, zu<br />

bewahren, weiterzuentwickeln – <strong>und</strong> das auf der Basis eines<br />

anderen, nicht zerstörerischen Naturverhältnisses. Das ist ein<br />

Problem, für das gegenwärtig überhaupt kein Mensch irgendein<br />

Lösungsformat anzubieten hat. Das macht die Anstrengung<br />

deutlich, die notwendig ist, um die <strong>SDGs</strong> <strong>und</strong> die Klimaschutzziele<br />

zu erreichen oder sich ihnen wenigstens anzunähern.“<br />

Zugleich rät Welzer beim Blick auf Zeitrahmen wie <strong>2030</strong><br />

zu mehr Gelassenheit. „Auch hier würde ich mich etwas<br />

entspannen <strong>und</strong> tatsächlich darauf zurückkommen, dass zivilisatorische<br />

Projekte keine Zeitbegrenzung haben, sondern<br />

anders funktionieren. Wenn Ziele nicht erreicht werden, geht<br />

das Leben trotzdem weiter. Dann muss man eben bessere Strategien<br />

entwickeln. Das bedeutet auch, dass wir uns ehrlicher<br />

machen müssen über die Bedingungen des eigenen Handelns.<br />

Insbesondere für die reichen Gesellschaften bedeutet das<br />

tatsächlich die Aufforderung zur Reduktion des Lebensstandards,<br />

denn die große grüne Illusion – wir können alle so<br />

weitermachen <strong>und</strong> Wohlstandssteigerung wird es auch dann<br />

geben, wenn wir alle Nachhaltigkeitsziele erreichen, ist, so<br />

glaube ich, magisches Denken.“<br />

Was besser laufen könnte<br />

Das zielt in erster Linie gegen die Konsumgesellschaft. Welzer<br />

spart aber auch nicht mit Kritik am ökologischen Lager. In seinem<br />

Buch schreibt er: „Die Uhr ist für Ökos seit Jahrzehnten auf<br />

,fünf vor Zwölf‘ stehen geblieben. Weitergehen darf sie nicht,<br />

denn nach High Noon folgt – was? Möglichweise etwas, was<br />

man noch nicht kannte.“ Und an der Stelle setzt seine positive<br />

Zukunftsutopie ein. MDR-Redakteurin Ina Namislo schreibt:<br />

„Welzer entwirft eine Art Modul-Revolution, eine Revolution<br />

der kleinen Schritte, die aber erst im Ganzen betrachtet volle<br />

Wirkung entfaltet. So träumt er von einer Zukunft, in der die<br />

Erkenntnis gereift ist, dass es kein grenzenloses Wachstum<br />

auf einem begrenzten Planeten geben kann.“<br />

Welzers Zukunftsutopie ist eine, in der es Städte ohne Autos<br />

gibt, in der Menschen ein Gr<strong>und</strong>einkommen haben, Grenzen<br />

verschwinden, Schulen statt formaler Bildung soziale Intelligenz<br />

vermitteln. Eine Zukunft, in der Hyperkonsum Geschichte ist<br />

<strong>und</strong> Nachhaltigkeit der neue Realismus. „Wir haben in den<br />

reichen Gesellschaften einen extremen Mangel an Zukunft. Das<br />

ist das große Problem. Mit Überschriften wie ,der Klimawandel<br />

kommt immer schneller‘, der Sache nach empirisch berechtigt,<br />

wird aber gleichzeitig die Vorstellung mit transportiert, die<br />

Zukunft ist nicht etwas Erstrebenswertes, sondern ist eigentlich<br />

etwas zu Vermeidendes, weil sie mit großer Wahrscheinlichkeit<br />

schlechter als die Gegenwart sein wird. Dann kommen<br />

alle die schlechten Nachrichten aus Umwelt, Nachhaltigkeit<br />

<strong>und</strong> so weiter. Nun ist aber genau diese Ermangelung von<br />

Zukunft etwas, was die Handlungsfähigkeit von Gesellschaften<br />

– insbesondere von Demokratien – ins Mark trifft, weil<br />

es zu Erosionsprozessen <strong>und</strong> zur Annullierung gemeinsamer<br />

Interessen führt. Und insofern glaube ich, das die Ideen, die<br />

mit den <strong>SDGs</strong> verb<strong>und</strong>en sind, tatsächlich die Funktion der<br />

Stiftung von Zusammenhalt übernehmen könnten.“<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

47


AGENDA<br />

„Ein Wirtschaftssystem, das auf<br />

Wachstum <strong>und</strong> Profit ausgelegt ist,<br />

kann nicht nachhaltig sein“<br />

Von Tomasz Konicz<br />

Ein Telepolis-Interview mit Aktivisten der Plattform Change for Future, die als antikapitalistische<br />

Strömung innerhalb der Schülerbewegung Fridays for Future agiert<br />

Könnten nicht die Konsumenten die ökologische<br />

Krise abwenden? Was ist mit einem Wandel<br />

des Konsumverhaltens? Reicht es nicht, wenn<br />

wir alle anders oder weniger konsumieren?<br />

Es gibt ja schon erste Aufrufe zu einer Art<br />

ökologischer Austerität.<br />

Change for Future: Natürlich braucht<br />

es einen Wandel im Konsumverhalten,<br />

aber das alleine wird nicht ausreichen.<br />

Wir müssen zwischen existenziellen <strong>und</strong><br />

luxuriösen Bedürfnissen unterscheiden.<br />

Wir wollen damit nicht sagen, dass wir<br />

Wohlstand an sich abschaffen wollen,<br />

sondern lediglich, dass wir unsere Konsumhaltung<br />

hinterfragen müssen. Es<br />

gibt Bedürfnisse, die von sich aus umweltschädlich<br />

sind, z.B. der individuelle<br />

Personenkraftverkehr, sprich das Auto,<br />

gegenüber dem öffentlichen Nahverkehr<br />

in Form von Bus <strong>und</strong> Bahn.<br />

Jedoch schreibt der Kapitalismus uns<br />

den Konsum als „Lifestyle“ vor. Konsum<br />

ist, genauer gesagt, das Verlangen<br />

nach dem Verzehr von Waren. Für ein<br />

genaues Verständnis fehlt uns somit<br />

der Charakter der Ware. Durch den<br />

Charakter der Ware entsteht erst der<br />

Zwang zum Profitstreben, da Waren<br />

nur für den Handel hergestellt werden<br />

<strong>und</strong> nicht zur reinen Bedürfnisstillung<br />

unserer Gesellschaft gedacht sind. Indem<br />

Konsumkritik nur bei der bloßen Kritik<br />

dessen, was <strong>und</strong> wie viel konsumiert<br />

wird, stehen bleibt, verkennt sie, dass<br />

die Produktionsweise im Kapitalismus<br />

Überproduktion bewirkt.<br />

Im Kapitalismus ist jene Überproduktion<br />

gewollt, da der Profit durch den Handel<br />

der Waren angestrebt wird. Wir als Konsumenten<br />

werden durch Werbung <strong>und</strong><br />

soziale Zwänge zum Konsum angehalten,<br />

um diesen Profit zu ermöglichen. Unser<br />

Besitz, also die Aneignung von Waren,<br />

zeigt unseren sozialen Status. Wir zeigen<br />

unsere Zugehörigkeit oder unsere<br />

Abgrenzung zu anderen somit durch<br />

unseren Konsum. Wer z.B. einen Kaffee<br />

konsumiert <strong>und</strong> dabei mit Laptop im<br />

Starbucks sitzt, zeigt nicht nur seinen<br />

Status, er grenzt sich damit auch nach<br />

unten von allen ab, die das nicht können.<br />

Wir sind dazu genötigt, unseren Status zu<br />

erhalten, wenn nicht sogar zu verbessern.<br />

Durch die permanent präsente Werbung<br />

wird uns suggeriert, dass wir Produkte<br />

kaufen sollen, obwohl z.B. unser alter<br />

Laptop noch völlig ausreicht.<br />

Wir werden mit dieser Konsumlogik<br />

schon als Kinder großgezogen, abhängig<br />

gemacht <strong>und</strong> indirekt zum Kauf von<br />

Waren gezwungen. Wir sollen uns bilden<br />

<strong>und</strong> bestenfalls studieren, nur um später<br />

möglichst viel besitzen zu können. Das<br />

führt unweigerlich dazu, dass wir anstatt<br />

solidarisch miteinander zu sein, eifersüchtig<br />

<strong>und</strong> egoistisch werden. Was wir<br />

lernen, ist somit nicht dem Streben nach<br />

einer besseren Zukunft unterworfen,<br />

sondern alleinig der Aufrechterhaltung<br />

des Systems.<br />

Im Kapitalismus sind es die Systemzwänge,<br />

die in den Unternehmen über die Produktion<br />

<strong>und</strong> damit auch über die aus ihr<br />

folgenden Emissionen bestimmen. Der<br />

Fokus ihrer Produktion wird immer beim<br />

Zweck des höheren Gewinns anstatt bei<br />

der Nachhaltigkeit liegen. Das Angebot<br />

orientiert sich nicht mehr an der Nachfrage,<br />

sondern an der Profittauglichkeit.<br />

Die Produzenten, sprich die Firmen, sind<br />

die eigentlichen Verursacher der kommenden<br />

Klimakatastrophe: Doppelt so<br />

viel Energie wird in der Produktion verbraucht<br />

wie in den privaten Haushalten.<br />

Nur wenn wir miteinander anstatt gegeneinander<br />

unseren Konsum <strong>und</strong> unsere<br />

Wirtschaft ausrichten, kann eine klimataugliche<br />

Ökonomie Realität werden.<br />

Es darf nicht sein, dass wir weiterhin in<br />

dieser Wegwerfgesellschaft leben, während<br />

Menschen, nicht nur bei uns, von<br />

Hunger bedroht sind, sondern sogar im<br />

globalen Süden millionenfach an Hunger<br />

sterben. Gerade umweltpolitisch darf es<br />

so nicht weitergehen. Den Unternehmen<br />

wird es gestattet, so viel wie möglich zu<br />

produzieren. Nein, noch schlimmer. Sie<br />

werden sogar zum Wachstum animiert<br />

<strong>und</strong> das auf Kosten der Länder um uns<br />

herum. Unser gutes Leben, sprich unser<br />

Konsum, ist der Gr<strong>und</strong> dafür, warum<br />

wir von Billiglöhnern <strong>und</strong> Sklaven in<br />

der Dritten Welt abhängig sind. Wer<br />

gewährleistet denn unseren Transport<br />

von Waren auf den Autobahnen in ganz<br />

Europa? Es sind die Niedriglöhner in den<br />

osteuropäischen Ländern. Wer erntet<br />

unseren Kaffee, der bei Starbucks konsumiert<br />

wird? Die Produzenten, sprich<br />

48 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


QUO VADIS GLOBAL GOALS?<br />

die Firmen, die uns immer wieder zum<br />

Konsum animieren <strong>und</strong> welche eine<br />

Überproduktion, gemäß dem Profit- <strong>und</strong><br />

Wachstumsstreben im Kapitalismus, fördern,<br />

sind die eigentlichen Verursacher<br />

der kommenden Klimakatastrophe.<br />

Wir sehen es als gr<strong>und</strong>sätzlichen Fehler<br />

der Politik an, den für alle notwendigen<br />

Umweltschutz nur auf die Konsumenten, also vor allem auf<br />

die niedrigen Schichten unserer Gesellschaft, abzuwälzen. Wir<br />

müssen die Produktionsweise der Konzerne verändern – hin<br />

zur Notwendigkeit, sich an Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Gemeinnützigkeit<br />

auszurichten. Und das bedeutet letztendlich, dass wir das<br />

Privateigentum an Produktionsmitteln kollektivieren müssen.<br />

Was ist der entscheidende Widerspruch des Kapitalismus, der Ökonomie<br />

<strong>und</strong> Ökologie unvereinbar macht?<br />

Change for Future: Wie schon erwähnt, kann ein Wirtschaftssystem,<br />

das auf Wachstum <strong>und</strong> Profit ausgelegt ist, nicht<br />

nachhaltig sein. Die Wachstumsmaxime zwingt die Unternehmen<br />

ständig zu expandieren <strong>und</strong> sich auszuweiten, ohne<br />

Erbarmen gegenüber der Konkurrenz. Das ist die sogenannte<br />

Monopolisierung, die wir permanent erleben. „Friss oder stirb!“<br />

Entsprechend bestehen die unternehmerischen Ziele darin,<br />

den eigenen Marktanteil zu vergrößern <strong>und</strong> die Produktion<br />

zu effektivieren. Um sich einen Wettbewerbsvorteil anzueignen,<br />

wird auch teils auf unfaire Methoden zurückgegriffen.<br />

Es werden dann billige Materialien <strong>und</strong> endliche Ressourcen<br />

rücksichtslos verwendet. Genauso schlimm ist aber die Einsparung<br />

von Lohn <strong>und</strong> Arbeiter*Innen. Niedrige Löhne <strong>und</strong><br />

Arbeitslosigkeit sind die Folge. Sie gehören zum Kapitalismus<br />

<strong>und</strong> sind eine Zwangsläufigkeit des Wachstums. Nachhaltigkeit,<br />

egal in welcher Form, ist für die Unternehmer*Innen<br />

schlichtweg unökonomisch. Doch anstatt dass die Politik die<br />

Unternehmen kontrolliert, wird sie von diesen vereinnahmt.<br />

Das erkennen wir auch an dem Agieren der B<strong>und</strong>espolitik,<br />

die ihre schützende Hand über die Konzerne hält, damit die<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> ihre Arbeitsplätze keinen Schaden nehmen.<br />

Entsprechende Beispiele waren die Verschiebung des Kohleausstiegs,<br />

die Rodungen im Hambacher Forst oder die zunehmende<br />

Privatisierung von Bus <strong>und</strong> Bahn. Die Konzerne haben eine<br />

für uns <strong>und</strong>urchsichtige Möglichkeit gef<strong>und</strong>en, auf die Politik<br />

Einfluss zu üben: Lobbyismus. Über diese Lobbys können sie<br />

ihre Interessen direkt an die Politik vermitteln, an denen sich<br />

diese dann orientiert.<br />

Das Wahlsystem gibt uns lediglich die Möglichkeit zu entscheiden,<br />

welche fremdbestimmten Politiker*innen im B<strong>und</strong>estag<br />

sind, aber im Endeffekt werden sie alle nicht gegen die Interessen<br />

der Unternehmer*innen vorgehen können. Folglich<br />

werden dem Zustand unserer Erde entsprechende Maßnahmen<br />

niemals von einer solchen Politik genehmigt werden.<br />

Wir können das eindeutig an den „umweltpolitischen“ Maßnahmen<br />

nachvollziehen, die bisher verabschiedet wurden:<br />

Fahrverbote, Strom- <strong>und</strong> Benzinpreiserhöhungen sowie der<br />

Emissionssteuer der EU. Die vorherrschende Politik will die<br />

Bewältigung des Klimawandels auf die privaten Haushalte<br />

abwälzen, obwohl die Konzerne doppelt so viel Energie verbrauchen.<br />

Dieses Ungleichgewicht ist es, das eine wirkliche<br />

Bewältigung des Klimawandels im Kapitalismus ausschließt.<br />

Wir wollen eine Bewegung schaffen, die sich nicht an die<br />

Politiker*innen anbiedert, sondern sie dazu zwingt, unsere<br />

Umwelt zu erhalten.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

49


AGENDA<br />

Weniger Kapitalismus,<br />

mehr Demokratie<br />

Weder Sehnsucht nach Wachstum noch Wachstumsverzicht führen aus der Krise.<br />

Es geht um ein angemessenes Wachstum.<br />

Von Hans-Jürgen Urban<br />

Eine der längsten Wachstumsphasen<br />

der Nachkriegszeit läuft aus. Angst vor<br />

der Krise geht um. Dafür gibt es Gründe.<br />

Wachstum ist die vielleicht wichtigste<br />

Dynamik unseres Wirtschaftsmodells.<br />

Staatseinnahmen, Arbeitsmärkte <strong>und</strong><br />

Masseneinkommen hängen am Wachstum.<br />

Bleibt es aus, ist der Katzenjammer<br />

groß.<br />

Das hat systemische Ursachen. Die Jagd<br />

nach Mehrwert ist der zentrale Antrieb<br />

einer privatkapitalistischen Wirtschaft.<br />

Erlahmt sie, aus welchen Gründen auch<br />

immer, verliert das System an Stabilität.<br />

Der Kapitalismus wächst oder er ist in<br />

der Krise. Dazwischen gibt es nichts.<br />

Auch die Gewerkschaften sind traditionell<br />

Wachstumsfans. Es gehört zu ihrem<br />

Kerngeschäft, wirtschaftliche Zuwächse<br />

in höhere Einkommen, kürzere Arbeitszeiten<br />

<strong>und</strong> bessere Arbeitsbedingungen<br />

umzuwandeln. Die Erfolge dieser<br />

Politik sind bis heute nach Geschlecht,<br />

ethnischer Herkunft <strong>und</strong> Weltregionen<br />

ungleich verteilt.<br />

Für die Bevölkerungsmehrheit in den<br />

kapitalistischen Metropolen bedeuten sie<br />

gleichwohl einen historisch einmaligen<br />

Lebensstandard. Die Angst <strong>und</strong> Sorge,<br />

diesen zu verlieren, lässt viele für rassistische<br />

<strong>und</strong> chauvinistische Erzählungen<br />

empfänglich werden.<br />

Doch dieses Modell stößt an Grenzen.<br />

Wachstum im neoliberalen Kapitalismus<br />

wird repulsiv <strong>und</strong> bedeutet keineswegs<br />

mehr Wohlstand für alle. Es befördert<br />

50 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


QUO VADIS GLOBAL GOALS?<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Hans-Jürgen Urban ist Mitglied des geschäftsführenden Vorstands<br />

der IG Metall.<br />

gesellschaftliche Spaltung, indem es die<br />

Vermögen der Reichen mehrt <strong>und</strong> zugleich<br />

immer mehr Menschen in prekäre<br />

Lebenslagen abdrängt. Und es nimmt die<br />

Natur in einem Maße in Anspruch, das<br />

ihre Regenerationsfähigkeit überfordert.<br />

Die Klimakrise lässt grüßen.<br />

Stimmt diese Diagnose, führen die traditionellen<br />

Strategien zur Ankurbelung des<br />

Wachstums nicht aus der Krise, sondern<br />

weiter hinein. Diese Erkenntnis stellt den<br />

rationalen Kern diverser Postwachstums-<br />

Strategien dar, die in linken politischen<br />

<strong>und</strong> akademischen Milieus an Zuspruch<br />

gewinnen.<br />

Auf der Basis einer prinzipiellen Wachstumskritik<br />

werden etwa der radikale<br />

Rückbau tragender Wirtschaftssektoren<br />

(wie der Stahl- <strong>und</strong> Automobilindustrie),<br />

ein genereller Konsumverzicht <strong>und</strong><br />

eine Kultur der Bescheidenheit gefordert.<br />

Fragen von Erwerbsarbeit, Produktion<br />

<strong>und</strong> Verteilung fristen hingegen ein<br />

Schattendasein.<br />

eine Wirtschaft, die nicht unter einem<br />

profitgetriebenen Wachstumszwang<br />

ächzt, sondern die wächst, wo sie wachsen<br />

soll <strong>und</strong> auf Wachstum verzichtet,<br />

wo es die Gesellschaft spaltet oder die<br />

Natur überfordert.<br />

Ein solches, gesellschafts- <strong>und</strong> naturverträgliches<br />

Wachstum unterschiede sich<br />

gr<strong>und</strong>legend vom bisherigen. Es fiele<br />

wohl flacher aus, da es nicht Wachstum<br />

auf Teufel komm raus förderte, sondern<br />

nur dort, wo gesellschaftlicher Nutzen<br />

zu erwarten ist; es wäre nachhaltiger,<br />

da es die Grenzen der Natur als Grenzen<br />

des Wachstums akzeptierte; <strong>und</strong> es<br />

müsste sich gerechter vollziehen, indem<br />

es die Verliererinnen <strong>und</strong> Verlierer des<br />

Strukturwandels nicht in Arbeitslosigkeit<br />

oder Armut abdrängt, sondern ihnen<br />

mit gesellschaftlichen Ressourcen neue<br />

Perspektiven eröffnet.<br />

Doch solche Ansprüche überfordern den<br />

Markt. Er stellt eine Spielanordnung dar,<br />

in der private Akteure nach maximalem<br />

Profit oder Nutzen jagen <strong>und</strong> anfallende<br />

Kosten auf die Gesellschaft oder die Natur<br />

abgewälzt werden können. Und in<br />

der wirtschaftliche Macht in politische<br />

Vetomacht umschlägt.<br />

Sollen gesellschaftliche Gebrauchswerte,<br />

ökologische Nachhaltigkeit <strong>und</strong> soziale<br />

Gerechtigkeit zu Zielmarken werden,<br />

sind andere Spielregeln unverzichtbar.<br />

Das erfordert politische Eingriffe in die<br />

Märkte, bis in die Unternehmensentscheidungen<br />

hinein. Und es erfordert<br />

den Ausbau öffentlicher Güter <strong>und</strong> Infrastruktur.<br />

Ein zukunftstaugliches Wirtschaftsmodell<br />

muss nicht nur langsamer, nachhaltiger<br />

<strong>und</strong> gerechter, es muss vor allem<br />

demokratischer wachsen. Weniger Kapitalismus<br />

<strong>und</strong> mehr Demokratie sind<br />

angesagt.<br />

Doch so sympathisch diese Wachstumsablehnung<br />

auf den ersten Blick sein mag,<br />

sie übersieht, dass die Gegenwartsgesellschaften<br />

nicht nur Überfluss-, sondern<br />

auch Defizitgesellschaften sind. Und<br />

diese Defizite liegen etwa in der sozialen<br />

Sicherheit, im Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sorgebereich,<br />

im Bildungs- <strong>und</strong> Kultursektor<br />

<strong>und</strong> bei der Mobilität von Menschen<br />

<strong>und</strong> Gütern.<br />

Sie zu beheben erfordert weiterhin<br />

die Produktion von Gütern wie Zügen,<br />

Bussen <strong>und</strong> Autos; <strong>und</strong> von sozialen<br />

Diensten wie Pflege. Und es erfordert<br />

wirtschaftliche Wertschöpfung, die in<br />

öffentliche Investitionen in öffentliche<br />

Güter umverteilt werden muss.<br />

Weder traditionelle Wachstumssehnsucht<br />

noch pauschaler Wachstumsverzicht<br />

führen weiter. Zielführend wäre<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

51


AGENDA<br />

KAUF<br />

WENIGER!?<br />

Von Richard Häusler<br />

Wenn man mit Schülern über Nachhaltigkeit diskutiert, auch<br />

mit Gymnasiasten, ist es zwar verblüffend, aber auch nicht<br />

allzu verw<strong>und</strong>erlich, dass die Antworten oft eher einfach <strong>und</strong><br />

strikt ausfallen. Am liebsten würden die jungen Leute einfach<br />

alles verbieten, was als Übel in der Welt zu sein scheint –<br />

Plastik, klimaschädliche Maschinen, Fleischfabriken.<br />

Dass es in einer pluralistischen Gesellschaft,<br />

einem komplexen sozialen System<br />

<strong>und</strong> in einer globalisierten Welt nicht<br />

einfach so mit Verboten möglich ist, alle<br />

Probleme zu lösen, dass die Kunst darin<br />

besteht, in demokratischen Verfahren<br />

Rahmenbedingungen richtig zu setzen<br />

<strong>und</strong> die freie Betätigung der Menschen so<br />

in vernünftigen Bahnen zu lenken, diese<br />

Einsicht ist Ergebnis von Erfahrungen,<br />

die man 10- bis 16-Jährigen noch nicht<br />

abfordern kann. Das Modelllernen in<br />

der Familie basiert ja auch zum großen<br />

Teil auf dem Prinzip elterlicher Ge- <strong>und</strong><br />

Verbote.<br />

In den Schulen könnte man freilich<br />

schon etwas dafür tun, dass in Gesellschaftsk<strong>und</strong>e<br />

oder politischer Bildung<br />

auch systemische Intelligenz gefördert<br />

wird. Das würde die Fähigkeit entwickeln<br />

zu erkennen, dass unsere Gesellschaft<br />

nicht nach einem durchgehenden Prinzip<br />

organisiert ist, sondern Resultat ganz<br />

verschiedener Faktoren ist. Dass also z.B.<br />

ein marktwirtschaftliches System nach<br />

einer andere Logik oder Rationalität<br />

funktioniert als ein Rechts-, Bildungsoder<br />

Mediensystem. Freilich wissen das<br />

auch viele „Große“ noch nicht wirklich.<br />

Und daraus entsteht dann nicht selten<br />

die Idee, es müsse ein übergeordnetes<br />

Prinzip geben, dem sich alle gesellschaftlichen<br />

Bereiche unterzuordnen hätten.<br />

Derzeit ist „Nachhaltigkeit“ so eine<br />

totalitäre Idee. Dabei wird der Begriff<br />

dann nicht als das verwendet, was er ist,<br />

nämlich der Überbegriff einer Menge<br />

von Entwicklungs- <strong>und</strong> Wachstumsproblemen<br />

unserer Zivilisation, sondern<br />

er wird zur generellen Lösungs- <strong>und</strong><br />

Heilsformel.<br />

Dass das so nicht funktionieren kann,<br />

zeigt eine Plakatkampagne, die die Bio-<br />

Handelskette Bio Company auf uns loslässt.<br />

Auf großformatigen Postern des<br />

Biosupermarkt-Filialisten kann man in<br />

U-Bahnhöfen in Berlin derzeit die Aufforderung<br />

lesen: „Kauf weniger“. Mit<br />

dem Zusatz „Weil uns Nachhaltigkeit<br />

wichtiger ist.“ Wenn Bio Company diese<br />

Idee wirklich ernst meint, dann müsste<br />

in den Filialen jetzt eine große Preissteigerung<br />

einsetzen. Denn das ist das,<br />

was der Filialist tun kann, damit die<br />

Menschen (bei ihm) weniger kaufen.<br />

Natürlich passiert das nicht. Und es ist<br />

alles nur Werbung.<br />

Das Beispiel zeigt aber auch sehr deutlich,<br />

dass systemisches Denken über<br />

Nachhaltigkeit Not täte. Denn natürlich<br />

funktioniert Marktwirtschaft über den<br />

Preis – <strong>und</strong> nicht über moralische Ap-<br />

52 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


QUO VADIS GLOBAL GOALS?<br />

pelle. Im Rahmen ihrer Aktion „Kauf weniger“ ließ die Bio<br />

Company die K<strong>und</strong>en in einer Filiale in Berlin an einem Tag<br />

Ende September den Preis für ihren Einkauf selbst bestimmen.<br />

Die Supermarkt-Betreiber zeigen sich vom Ergebnis angeblich<br />

enttäuscht. Sie posten auf Facebook: „ Das Ergebnis ist ernüchternd<br />

<strong>und</strong> offenbart Wissenslücken: 62 Prozent der K<strong>und</strong>en<br />

schätzten den Preis für ihren Einkauf zu niedrig ein.“ Die<br />

Wissenslücken liegen aber in Wirklichkeit bei der Bio Company.<br />

Denn es ist doch völlig normal, dass Käufer möglichst viel für<br />

möglichst wenig haben wollen. Wenn Bio Company es ernst<br />

meint mit „Kauft weniger“ <strong>und</strong> „Nachhaltigkeit ist wichtiger“,<br />

dann erhöhen sie ihre Preise <strong>und</strong> sorgen für weniger Absatz.<br />

Das werden sie natürlich nicht tun, weil sie genauso wie ihre<br />

Käufer marktwirtschaftliche Nutzenoptimierer sind. Das ist<br />

die Rationalität unseres Wirtschaftssystems.<br />

Was hinter dem kleinen Nachhaltigkeits-Experiment im Supermarkt<br />

steckt, ist auch die verbreitete Annahme, es gebe so<br />

etwas wie die „wahren“ Preise von Produkten. Preise bilden<br />

sich aber immer nur auf Märkten, <strong>und</strong> sie bilden Marktverhältnisse<br />

ab. Sie werden deshalb als Teil von wirtschaftlicher<br />

Rationalität niemals z.B. die externalisierten Kosten abbilden<br />

<strong>und</strong> von sich aus so etwas wie die soziale oder ökologische<br />

Nachhaltigkeit widerspiegeln. Um soziale <strong>und</strong> ökologische<br />

Nachhaltigkeit zu realisieren, müssen politische Rahmenbedingungen<br />

gesetzt (<strong>und</strong> durchgesetzt) werden.<br />

Wir müssen deshalb nicht die Marktwirtschaft abschaffen, um<br />

Nachhaltigkeit zu erreichen, sondern den politischen Prozess<br />

<strong>und</strong> die Zivilgesellschaft stärken. Die Marktwirtschaft an sich<br />

ist okay. Andreas Siemoneit hat das zusammen mit Oliver<br />

Richters in seinem Buch „Marktwirtschaft reparieren“ sehr<br />

deutlich herausgearbeitet. Dass er damit bislang relativ wenig<br />

Gehör findet, hat wohl damit zu tun, dass das systemische<br />

Denken weniger weit verbreitet ist, als man denken möchte.<br />

Sonst würden wir in der Nachhaltigkeitsdebatte nicht immer<br />

wieder versuchen, Systemen eine Rationalität aufzudrücken,<br />

die sie nicht haben können.<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Richard Häusler ist Geschäftsführer <strong>und</strong> Gesellschafter<br />

der stratum GmbH, die sich für die nachhaltige Entwicklung<br />

im Non-Profit-Bereich einsetzen. Das Essay erschien auf<br />

UmweltDialog.de.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

53


AGENDA<br />

Streitpunkt Wachstum<br />

Forscher legen Konsensvorschlag vor<br />

Das Wohlergehen weltweit hängt davon ab, ob es gelingt, die ökologischen Grenzen<br />

des Planeten einzuhalten. Der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC zum<br />

1,5-Grad-Ziel zeigt die Dringlichkeit einer globalen gesellschaftlichen Transformation.<br />

Was folgt daraus für eine wohlhabende Volkswirtschaft wie Deutschland?<br />

Kann sie weiterhin wachsen – oder muss sie gar eher schrumpfen?<br />

54 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


QUO VADIS GLOBAL GOALS?<br />

Hierüber wird politisch gestritten, eine<br />

breit akzeptierte Antwort gibt es bislang<br />

nicht. Eine jetzt vom Umweltb<strong>und</strong>esamt<br />

(UBA) veröffentlichte Studie präsentiert<br />

nun einen Konsensvorschlag<br />

zum Streitpunkt „Wachstum“ in der<br />

Nachhaltigkeitsdebatte. Wissenschaftler<br />

des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung<br />

(IÖW), des RWI – Leibniz-<br />

Instituts für Wirtschaftsforschung <strong>und</strong><br />

des Wuppertal Instituts für Umwelt, Klima<br />

<strong>und</strong> Energie haben untersucht, wie<br />

sich ausbleibendes Wirtschaftswachstum<br />

auf die Stabilität wichtiger gesellschaftlicher<br />

Systeme wie etwa der Renten- <strong>und</strong><br />

Krankenversicherung auswirken würde.<br />

„Die Enquete-Kommission Wachstum,<br />

Wohlstand, Lebensqualität des Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estages endete im Jahr 2013,<br />

ohne dass sie hinreichende politische<br />

Impulse auslösen konnte“, sagt Projektleiter<br />

Ulrich Petschow vom IÖW. „Daher<br />

haben wir vor allem analysiert, welche<br />

politischen Handlungsoptionen es gibt,<br />

damit wertvolle Zeit nicht weiter ungenutzt<br />

verstreicht. Denn für unseren<br />

Planeten ist nichts schädlicher als Stillstand<br />

aufgr<strong>und</strong> politischer Meinungsverschiedenheiten.“<br />

Planetare Grenzen einhalten:<br />

Vorsorgeorientierung in der Politik<br />

stärken<br />

In der Debatte um Wirtschaftswachstum<br />

<strong>und</strong> Nachhaltigkeit kursieren viele<br />

Begriffe wie etwa Postwachstum oder<br />

Green Economy. Besonders die beiden<br />

Positionen Green Growth <strong>und</strong> Degrowth<br />

stehen sich unversöhnlich gegenüber.<br />

Das gemeinsame Projektteam der drei<br />

Forschungsinstitute IÖW, RWI <strong>und</strong> Wuppertal<br />

Institut rät der Politik nun ein<br />

„weder noch“: Keine dieser Positionen<br />

beruhe auf Annahmen, die sich wissenschaftlich<br />

hinreichend begründen<br />

lassen. Um dennoch eine verantwortliche<br />

Wirtschafts- <strong>und</strong> Umweltpolitik gestalten<br />

zu können, schlagen die Autoren ein vorsorgeorientiertes<br />

Vorgehen vor: Wachstumsabhängigkeit<br />

müsse möglichst gemindert<br />

<strong>und</strong> so der Wachstumsvorbehalt<br />

abgeschwächt werden, der ambitionierte<br />

„Die<br />

Enquete-<br />

Kommission<br />

Wachstum,<br />

Wohlstand,<br />

Lebensqualität<br />

des Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estages<br />

endete im<br />

Jahr 2013,<br />

ohne dass sie<br />

hinreichende<br />

politische<br />

Impulse<br />

auslösen<br />

konnte.“<br />

umweltpolitische Vorschläge bisher oft<br />

ausbremst. Diesen Ansatz einer „vorsorgeorientierten<br />

Postwachstumsposition“<br />

stellen die Wissenschaftler in der Publikation<br />

„Gesellschaftliches Wohlergehen<br />

innerhalb planetarer Grenzen“ vor.<br />

Drei Forderungen an die Politik<br />

Das Gutachten stellt drei Forderungen<br />

an die Politik: Erstens müssen die<br />

ökonomischen Rahmenbedingungen<br />

wirksamer gestaltet werden, indem<br />

umweltschädliche Effekte von Produktion<br />

<strong>und</strong> Konsum insbesondere durch<br />

marktbasierte Instrumente internalisiert<br />

werden. Zweitens gilt es, neue Pfade der<br />

gesellschaftlichen Entwicklung auszuloten<br />

– über partizipative Suchprozesse,<br />

Experimentierräume <strong>und</strong> neue innovations-<br />

<strong>und</strong> forschungspolitische Ansätze.<br />

Und drittens sollte es sich die Politik zu<br />

einem zentralen Ziel machen, zu prüfen,<br />

wie gesellschaftliche Institutionen <strong>und</strong><br />

Prozesse unabhängiger vom Wachstum<br />

werden können.<br />

Wachstumsdebatte in die Breite<br />

tragen, ökonomische Theorien<br />

verbinden<br />

Mit ihrer Studie wollen die Autoren<br />

die Wachstumsdebatte für ein breites<br />

Publikum zugänglich machen. Zudem<br />

stellen sie Bezüge zu verschiedenen theoretischen<br />

Ansätzen <strong>und</strong> empirischen<br />

Studien her, wie sie in der Mainstream-<br />

Ökonomik <strong>und</strong> in heterodoxen Ansätzen<br />

zu finden sind. Inwieweit der Konsensvorschlag<br />

der Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong><br />

Wissenschaftler aus IÖW, RWI <strong>und</strong> Wuppertal<br />

Institut, die auch diese Vielfalt an<br />

Perspektiven repräsentieren, tragfähig<br />

ist, erörterte die Konferenz „Herausforderung<br />

Wachstumsunabhängigkeit<br />

– Ansätze zur Integration von Umwelt-,<br />

Sozial- <strong>und</strong> Wirtschaftspolitik“ Anfang<br />

November 2018 in Berlin. Akteure aus<br />

Politik, Wirtschaft, Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Zivilgesellschaft diskutierten über eine<br />

stärkere Wachstumsunabhängigkeit<br />

wichtiger gesellschaftlicher Systeme<br />

<strong>und</strong> Institutionen <strong>und</strong> loteten politische<br />

Implikationen aus.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

55


GOOD PRACTICE<br />

Good Practice<br />

von A bis G<br />

Für die redaktionellen Beiträge dieser Rubrik sind ausschließlich die Unternehmen <strong>und</strong> ihre Autoren selbst verantwortlich.<br />

56 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


58<br />

ABB<br />

60<br />

ALDI<br />

62<br />

Antalis<br />

64<br />

BASF<br />

66<br />

Bayer<br />

68<br />

BMW Group<br />

70<br />

Bosch<br />

72<br />

CEWE<br />

74<br />

Daimler<br />

76<br />

E.ON<br />

78<br />

Evonik<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

57


GOOD PRACTICE<br />

ABB zeigt die Zukunft des<br />

Energiemanagements<br />

ABB verfolgt mit der „Mission to zero“ die Vision einer energieautarken <strong>und</strong> CO 2<br />

-neutralen<br />

Industrieproduktion. Dafür werden erneuerbare Energien mit vernetzten, skalierbaren Energiemanagementlösungen<br />

verknüpft. In Lüdenscheid zeigt jetzt der erste nahezu klimaneutrale<br />

Produktionsstandort, wie Energie in Zukunft erzeugt <strong>und</strong> verteilt wird.<br />

Von Lucas Bergmann, Facility Manager, Projektleiter „Mission to Zero“, <strong>und</strong> Christian Kohlmeyer, Industrieautomation, Digital Service Sales Manager, ABB<br />

Jedes Gebäude verbraucht Energie. Mit<br />

innovativen Konzepten zur Optimierung<br />

des Energieverbrauchs <strong>und</strong> besonders im<br />

Bereich Heizungs-, Lüftungs- <strong>und</strong> Klimaanlagen<br />

lässt sich der Energieverbrauch<br />

deutlich verringern, wenn die Energie<br />

zielgerichtet <strong>und</strong> bedarfsorientiert bereitgestellt<br />

wird. ABB bietet dafür mit<br />

der ABB Ability Energy Management<br />

Suite (EMS) eine skalierbare, smarte <strong>und</strong><br />

sichere Lösung an. Sie spielt eine zentrale<br />

Rolle bei der „Mission to zero“.<br />

Ein Referenzprojekt für die Möglichkeiten<br />

modernen Energiemanagements<br />

an Industriestandorten stellte ABB im<br />

Frühjahr <strong>2019</strong> der Öffentlichkeit vor. In<br />

Lüdenscheid eröffnete das Tochterunternehmen<br />

Busch-Jaeger den weltweit<br />

ersten energieautarken <strong>und</strong> nahezu CO 2<br />

-<br />

neutralen Produktionsstandort. Dort soll,<br />

wie Hans-Georg Krabbe, Vorstandsvorsitzender<br />

von ABB Deutschland, sagt, gezeigt<br />

werden, „welche Vorteile entstehen,<br />

wenn man ein System schafft, in dem alle<br />

Komponenten digital miteinander vernetzt<br />

<strong>und</strong> im Sinne von Energieeffizienz,<br />

Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Ressourcenschonung<br />

steuerbar sind.“ Allein das Lüdenscheider<br />

Werk wird jährlich etwa 630 Tonnen<br />

CO 2<br />

einsparen. Damit leistet ABB einen<br />

wichtigen Beitrag zur Verbesserung der<br />

Klima- <strong>und</strong> Umweltsituation. Insgesamt<br />

zahlen die dortigen Maßnahmen auf das<br />

UN-Nachhaltigkeitsziel 13 (Maßnahmen<br />

zum Klimaschutz) ein.<br />

Energiemanagementlösung<br />

OPTIMAX ist das Herzstück<br />

Herzstück des Energiemanagements<br />

bei Busch-Jaeger ist die ABB-Lösung<br />

OPTIMAX. Das weitgehend autonom<br />

arbeitende, lernende System steuert die<br />

passende Erzeugung, Verteilung <strong>und</strong><br />

Speicherung der benötigten Energie. Auf<br />

der Basis von Vorhersagedaten berechnet<br />

es den optimalen Energiefluss <strong>und</strong><br />

gleicht Abweichungen in Echtzeit aus.<br />

OPTIMAX ist als Management-Tool für<br />

die Smart City konzipiert. Das heißt, dass<br />

es auch über verschiedene Gebäude <strong>und</strong><br />

Standorte hinweg eingesetzt werden<br />

kann. Für die entsprechende Skalier-<br />

58 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


arkeit ist gesorgt. Die Datenspeicherung<br />

geschieht in der ABB-Cloud. Als<br />

Energiequellen im Werk Lüdenscheid<br />

sichern eine Photovoltaikanlage <strong>und</strong><br />

ein Blockheizkraftwerk die nahezu<br />

autarke Energieversorgung. Die 7.300<br />

Quadratmeter große Solarstromanlage<br />

wurde über den Parkplätzen des Firmengeländes<br />

installiert. Sie liefert pro<br />

Jahr ungefähr 1.100 Megawattst<strong>und</strong>en<br />

klimaneutralen Sonnenstrom. Das Blockheizkraftwerk<br />

erzeugt den Strom, der<br />

nicht von der Sonne bereitgestellt wird.<br />

Es arbeitet mit der doppelten Energieeffizienz<br />

eines Kohlekraftwerks.<br />

Arbeiten alle Energiequellen auf volle<br />

Touren, erzeugen sie 14 Prozent mehr<br />

Strom, als am Standort gebraucht wird.<br />

Die erzeugte Energie kann im Batteriespeicher<br />

BESS (Battery Energy Storage<br />

System) gespeichert werden. Dieser bietet<br />

eine Leistung von 200 Kilowatt <strong>und</strong><br />

eine Kapazität von 275 Kilowattst<strong>und</strong>en.<br />

Überschüsse können außerdem in das<br />

öffentliche Stromnetz eingespeist werden.<br />

Treten hingegen Bedarfsspitzen<br />

auf, bezieht Busch-Jaeger zusätzliche<br />

grüne Energie von der Mannheimer MVV<br />

Energie AG.<br />

Das OPTIMAX-System überwacht jeweils,<br />

wieviel Energie benötigt wird, welche<br />

Mengen vor Ort erzeugt, verbraucht<br />

oder gespeichert werden, <strong>und</strong> ob überschüssige<br />

Energie ins öffentliche Netz<br />

eingespeist werden soll, oder ob Leistung<br />

aus dem Netz bezogen werden muss.<br />

Vielfältige Einsatzgebiete auf der<br />

ganzen Welt<br />

Hochbahn AG mit 44 Ladesystemen für<br />

das dann größte Ladedepot für Elektrobusse<br />

in Deutschland aus. In Mannheim<br />

wurde hingegen ein Energiemanagementsystem<br />

in einem Neubauviertel für<br />

9.000 Einwohner realisiert.<br />

Mithilfe von Echtzeitsteuerung <strong>und</strong><br />

-überwachung optimierte ABB wiederum<br />

die Trinkwasserversorgung im vietnamesischen<br />

Ho-Chi-Minh-Stadt. Es<br />

gelang dort, die Trinkwasserverluste<br />

durch beschädigte Leitungen um mehr<br />

als 150 Millionen Kubikmeter oder 30<br />

Prozent zu reduzieren.<br />

Im schwedischen Västerås wurde ein<br />

Energieversorger dabei unterstützt, eine<br />

zentrale Plattform für das Angebot integrierter<br />

„Infraservices“ wie Fernwärmeoptimierung<br />

<strong>und</strong> Anlagenmanagement<br />

aufzubauen.<br />

Seine Energiemanagement-Kompetenz<br />

bringt ABB auch in eine Entwicklungspartnerschaft<br />

mit der MVV Energie AG<br />

ein. Beide Unternehmen wollen ein dezentrales,<br />

nahezu beliebig skalierbares<br />

Energieerzeugungs- <strong>und</strong> -verteilungsnetzwerk<br />

auf bauen, in das sich Industriebetriebe<br />

<strong>und</strong> Energieerzeuger nach<br />

ihren jeweiligen Zielvorgaben einbringen<br />

können. ABB steuert dazu die Lösung<br />

„Energy and Efficiency as a Service” bei,<br />

die mit dem „Virtuellen Kraftwerk“ von<br />

MVV verzahnt wird. Die Teilnehmer<br />

beziehen Energie aus dem virtuellen<br />

Energieverteilung<br />

Energieverteilung<br />

Kraftwerk <strong>und</strong> stellen überschüssigen<br />

Strom zur Verfügung – alles dezentral<br />

gesteuert vom ABB-Energiemanagement.<br />

Mit künstlicher Intelligenz entstehen<br />

selbstlernende Gebäude<br />

Die Zukunft des Energiemanagements<br />

liegt in der noch stärkeren Integration<br />

weiterer Netzwerkkomponenten. Bereits<br />

jetzt können beispielsweise Anwesenheitssensoren<br />

eingeb<strong>und</strong>en werden, um<br />

sowohl das Licht als auch die Klimatisierungssysteme<br />

in Gebäuden beliebiger<br />

Größe optimal einzustellen. Wenn diese<br />

Sensordaten nun in Echtzeit mit den<br />

Energienutzungssystemen verb<strong>und</strong>en<br />

werden, kann die Stromeinspeisung in<br />

die Versorgungsnetze noch bedarfsgerechter<br />

gesteuert werden.<br />

Künstliche Intelligenz wird das Energiemanagement<br />

schließlich noch „smarter“<br />

machen. Damit werden in nicht allzu<br />

ferner Zukunft selbstlernende Gebäude<br />

möglich, die selbst „entscheiden“, wieviel<br />

Energie wohin verteilt werden muss,<br />

wann der beste Zeitpunkt ist, um die<br />

Energiespeicher zu füllen, <strong>und</strong> welche<br />

Nutzer welchen Strombedarf verursachen<br />

werden. Gesichtserkennungssysteme<br />

erkennen im Haus der Zukunft<br />

die Beschäftigten, bringen sie per Aufzug<br />

direkt zum Arbeitsplatz, schalten<br />

das Licht passend ein <strong>und</strong> passen die<br />

Raumtemperatur den Bedürfnissen der<br />

jeweiligen Personen an.<br />

Elektro-<br />

Ladestationen<br />

für PKWs<br />

Die ABB Ability Energy Management<br />

Suite ermöglicht über das Lüdenscheider<br />

Beispiel hinaus sehr vielfältige Anwendungen<br />

in allen Größenordnungen. So<br />

stattet ABB beispielsweise die Hamburger<br />

Blockheizkraftwerk<br />

Energiespeicher<br />

Solar-<br />

Wechselrichter<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

59


GOOD PRACTICE<br />

ALDI Verpackungsmission:<br />

Wichtige Akzente für die<br />

Kreislaufwirtschaft<br />

Vor etwas mehr als einem Jahr haben sich ALDI Nord <strong>und</strong> ALDI SÜD auf ihre gemeinsame<br />

Verpackungsmission begeben. Die Ziele: weniger Verpackung, mehr Recyclingfähigkeit.<br />

Eine erste Bilanz zeigt: ALDI ist auf dem richtigen Weg.<br />

Von Serra Schlesinger, Leiterin Unternehmenskommunikation bei ALDI Nord, <strong>und</strong> Lina Binder, Leiterin Unternehmenskommunikation bei ALDI SÜD<br />

Verpackungen stehen oft in der Kritik, sie<br />

erfüllen aber auch wichtige Funktionen:<br />

Sie schützen das Produkt beim Transport,<br />

gewährleisten die Qualität <strong>und</strong> bieten<br />

Platz für wichtige Informationen, wie z.B.<br />

Inhaltsstoffe <strong>und</strong> Haltbarkeit oder auch<br />

Nachhaltigkeitssiegel. Häufig können<br />

Verpackungen nach Gebrauch recycelt<br />

werden – wenn sie in der richtigen<br />

Tonne landen. Wir bei ALDI engagieren<br />

uns daher für den bewussteren Umgang<br />

mit Verpackungen. Nach dem Motto<br />

„Vermeiden, Wiederverwenden, Recyceln“<br />

haben ALDI Nord <strong>und</strong> ALDI SÜD im<br />

Sommer 2018 die „ALDI Verpackungsmission“<br />

gestartet. „Wir wissen, dass wir<br />

uns ambitionierte Ziele gesetzt haben. Bis<br />

zum Jahr 2025 möchten wir 30 Prozent<br />

weniger Verpackungsmaterial einsetzen“<br />

, sagt Kristina Bell, Group Buying Director<br />

bei ALDI SÜD <strong>und</strong> verantwortlich für<br />

Qualitätswesen <strong>und</strong> Corporate Responsibility.<br />

„Schon 2022 sollen alle unsere<br />

Eigenmarkenverpackungen recyclingfähig<br />

sein“, ergänzt Rayk Mende, Geschäftsführer<br />

Corporate Responsibility &<br />

Quality Assurance bei ALDI Nord. Damit<br />

bekennen sich ALDI Nord <strong>und</strong> ALDI SÜD<br />

zu den Sustainable Development Goals<br />

(<strong>SDGs</strong>), den Nachhaltigkeitszielen der<br />

Vereinten Nationen. So fördern wir beispielsweise<br />

den bewussten Konsum, setzen<br />

auf nachhaltigere Produktionsweisen,<br />

optimieren das Verpackungsdesign mit<br />

Blick auf mehr Nachhaltigkeit, bessere<br />

Entsorgung <strong>und</strong> Recycling.<br />

In vier Jahren mehr als 40.000<br />

Tonnen Verpackungsmaterial<br />

eingespart<br />

Die erste Bilanz der Verpackungsmission<br />

fällt positiv aus: Alleine im Jahr 2018<br />

haben ALDI Nord <strong>und</strong> ALDI SÜD im<br />

Vergleich zum Vorjahr bereits 15.000<br />

Tonnen Verpackungsmaterial eingespart.<br />

Schauen wir sogar noch ein paar Jahre<br />

weiter zurück bis ins Jahr 2015, so kommen<br />

wir auf r<strong>und</strong> 40.000 Tonnen weniger<br />

Verpackungsmaterial. Über die Hälfte<br />

davon, nämlich 22.000 Tonnen, sind<br />

Kunststoffverpackungen. „Viele kleine<br />

<strong>und</strong> große Maßnahmen haben zu dem<br />

beachtlichen Einsparungserfolg geführt“,<br />

so Kristina Bell. „Wir ermutigen unsere<br />

Lieferanten, innovative <strong>und</strong> nachhaltige<br />

Verpackungslösungen zu entwickeln<br />

<strong>und</strong> einzusetzen“, so Rayk Mende. So<br />

kooperieren wir beispielsweise mit dem<br />

Start-Up-Accelerator „TechFo<strong>und</strong>ers“,<br />

um junge Unternehmen zu unterstützen,<br />

die innovative Ideen im Bereich<br />

Verpackungen <strong>und</strong> Plastikreduktion<br />

entwickelt haben.<br />

Eines der geförderten Start-Ups ist „Cyclic<br />

Design“ aus Leipzig. Mit wiederbefüllbaren<br />

Flaschen für Körperpflegeprodukte<br />

hat sich das Startup bei ALDI beworben.<br />

Die nachhaltigen Flaschen zum Aufhängen<br />

bestehen aus nur einem Material <strong>und</strong><br />

sind recyclingfähig. Geplant ist, dass es<br />

die Flaschen in Zukunft als Aktionsartikel<br />

bei ALDI zu kaufen gibt. Auch ein<br />

Mehrweg-Einkaufsrucksack <strong>und</strong> essbare<br />

Trinkhalme schaffen es von der ersten<br />

Idee bis ins ALDI Regal.<br />

Flaschen zu 100 Prozent aus Rezyklat<br />

Die Einwegplastik-Richtlinie der EU fordert,<br />

dass PET-Einweggetränkeflaschen<br />

bis spätestens <strong>2030</strong> zu mindestens 30 Prozent<br />

aus Recyclingmaterial bestehen sollen.<br />

Ein großer Teil der PET-Bierflaschen<br />

besteht bereits heute zu 100 Prozent aus<br />

Kunststoffrezyklat. Wo immer möglich,<br />

setzen ALDI Nord <strong>und</strong> ALDI SÜD auch<br />

60 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


ei anderen Produktverpackungen vollständig<br />

auf Verpackungen aus recyceltem<br />

Kunststoff, beispielsweise bei Wasch-,<br />

Putz- <strong>und</strong> Reinigungsmitteln mit dem<br />

Eco-Label.<br />

Das wichtigste Ziel ist es natürlich, Verpackungsmüll<br />

gar nicht erst entstehen<br />

zu lassen, indem man Verpackungen<br />

von vornherein vermeidet, wo immer es<br />

geht. Allein 120 Tonnen Kunststofffolien<br />

haben wir eingespart, seitdem Salatgurken<br />

nicht mehr in Plastik eingeschweißt<br />

werden. 340 Tonnen weniger Plastik<br />

benötigten die Fairtrade-Bio-Bananen:<br />

Sie werden bei ALDI seit Ende 2018 nur<br />

noch mit einer dünnen Banderole umwickelt.<br />

In den letzten Jahren hat ALDI<br />

in den Obst- <strong>und</strong> Gemüseabteilungen<br />

den Anteil unverpackter Waren sukzessive<br />

ausgebaut. Noch größer ist das<br />

Einsparvolumen durch die schrittweise<br />

Abschaffung der Einweg-Tragetasche.<br />

Hier konnten insgesamt sogar über 2000<br />

Tonnen Kunststoff eingespart werden.<br />

Auch die Zeit der kostenlosen Knotenbeutel<br />

in der Obst- <strong>und</strong> Gemüseabteilung ist<br />

vorbei. Hier sind wir Branchenvorreiter<br />

<strong>und</strong> bieten nur noch eine nachhaltigere<br />

Variante aus nachwachsenden Rohstoffen<br />

an. Die Beutel kosten nun den<br />

symbolischen Betrag von einem Cent.<br />

Dies soll vor allem das Bewusstsein für<br />

Nachhaltigkeit schärfen <strong>und</strong> deutlich machen,<br />

dass auch die dünnen Plastikbeutel<br />

einen Wert haben. Wer komplett auf den<br />

Knotenbeutel verzichten möchte, kann<br />

zukünftig unser wiederverwendbares<br />

Frischenetz nutzen. Seit November <strong>2019</strong><br />

bieten wir die robusten <strong>und</strong> waschbaren<br />

Netze für Obst <strong>und</strong> Gemüse nach <strong>und</strong><br />

nach an.<br />

„Tipps für die Tonne“ für die bessere<br />

Mülltrennung<br />

Verpackungen sollen möglichst recyclingfähig<br />

sein, damit die Rohstoffe dem Wertstoffkreislauf<br />

erhalten bleiben – so steht<br />

es im Verpackungsgesetz. ALDI Nord<br />

<strong>und</strong> ALDI SÜD begreifen diese Anforderung<br />

als fortwährende Aufgabe. Schon<br />

jetzt können etwa zwei Drittel der Produktverpackungen<br />

als recyclingfähig<br />

eingestuft werden. Darüber hinaus ist<br />

zentral, dass die Verbraucher sie später<br />

in die richtigen Abfallbehälter werfen.<br />

Hierzu ist es wichtig zu wissen: Was<br />

gehört in die gelbe Tonne, in den Papiermüll<br />

oder in den Glascontainer?<br />

Denn eines der Hauptprobleme für das<br />

Recycling ist, dass die Konsumenten den<br />

Müll nicht richtig trennen. In der gelben<br />

Tonne beträgt die „Fehlwurfquote“ in<br />

manchen Regionen nach Angaben der<br />

Dualen Systeme bis zu 60 Prozent.<br />

ALDI möchte mit den „Tipps für die Tonne“<br />

zu einer besseren Mülltrennung<br />

beitragen: Nach <strong>und</strong> nach erhalten<br />

alle unsere Eigenmarkenverpackungen<br />

selbsterklärende Hinweise zur richtigen<br />

Wertstofftrennung. Denn viele Verbraucher<br />

fragen sich: Wohinein werfe ich den<br />

Joghurtbecher <strong>und</strong> kann der Deckel dabei<br />

dranbleiben? Sollte ich den Deckel vom<br />

Marmeladenglas abschrauben? Und in<br />

welche Tonne kommt der Milchkarton?<br />

Unsere Entsorgungshinweise stellen auf<br />

einen Blick die unterschiedlichen Entsorgungswege<br />

dar, so dass die K<strong>und</strong>en sehen<br />

können, in welche Tonne die einzelnen<br />

Bestandteile einer Verpackung gehören.<br />

200 Tonnen Social Plastic innerhalb<br />

von zwei Jahren<br />

Das Bemühen um die bessere Nutzung<br />

des wertvollen Materials Kunststoff hört<br />

nicht vor der eigenen Haustür auf. Deswegen<br />

engagieren sich ALDI Nord <strong>und</strong><br />

ALDI SÜD dafür, dass auch in Weltregionen<br />

mit schlechterer Entsorgungsinfrastruktur<br />

mehr Kunststoff gesammelt<br />

<strong>und</strong> wiederverwertet wird. Im Frühjahr<br />

<strong>2019</strong> hat ALDI eine Kooperation mit<br />

dem Sozialunternehmen „Plastic Bank“<br />

vereinbart <strong>und</strong> auf den Philippinen<br />

eine Plastik-Sammelstelle errichtet. Die<br />

Bevölkerung vor Ort wird von Plastic<br />

Bank für die Rückgabe eingesammelten<br />

Kunststoffmülls von Stränden oder aus<br />

Gewässern mit Geld- oder Sachleistungen<br />

entlohnt. Aus dem gesammelten Plastik,<br />

dem „Social Plastic“, werden dann neue<br />

Kunststoffprodukte hergestellt. Innerhalb<br />

von zwei Jahren sollen durch die<br />

Kooperation von ALDI mit der Plastic<br />

Bank auf den Philippinen bis zu 200<br />

Tonnen Social Plastic entstehen.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

61


GOOD PRACTICE<br />

Bei Antalis steht alles<br />

in Zeichen von CSR &<br />

Green Printing<br />

Corporate Social Responsibility (CSR) steht im Mittelpunkt der Geschäftsstrategie von Antalis<br />

<strong>und</strong> bildet die Gr<strong>und</strong>lage für die Beziehungen zu den Stakeholdern der Großhandelsgruppe.<br />

Basierend auf vier definierten CSR-Säulen – Corporate Governance, natürliche Ressourcen,<br />

Human Ressources <strong>und</strong> das umfangreiche Produktangebot – wurden bereits jetzt viele<br />

Fortschritte in dem Plan 2016-2020 erzielt, insbesondere im Hinblick auf die Reduzierung<br />

des CO 2<br />

-Fußabdruckes <strong>und</strong> der Weiterbildung der Mitarbeiter wurden große Erfolge verbucht.<br />

Von Angelika Peled, Head of Marketing Middle Europe, Antalis<br />

die Flexibilisierung des Transports eine<br />

deutliche Reduzierung der CO 2<br />

Emissionen<br />

pro Palette erzielt. Zusätzlich werden<br />

bereits 14.000 Pakete pro Jahr CO 2<br />

neutral<br />

versendet. Um die Transportemissionen<br />

weiter zu drücken, hat das Unternehmen<br />

mit seinen Logistikpartnern ein System<br />

zur optimalen Nutzung der Ladekapazitäten<br />

von Lkw entwickelt. Laut Antalis<br />

konnte so „eine deutliche Reduzierung<br />

Druckfrisch liegt der neue konzernweite<br />

Antalis Nachhaltigkeitsbericht vor. „Es<br />

ist bereits der dritte seiner Art <strong>und</strong> wir<br />

sind stolz drauf!“, betont Nicole Werner-<br />

Hufsky, Nachhaltigkeitsmanagerin der<br />

Antalis GmbH.<br />

CSR ist zum zentralen Kern der Antalis<br />

Geschäftsstrategie geworden. Die vier<br />

Säulen der CSR Strategie bilden die<br />

Gr<strong>und</strong>lage für die Beziehungen zu den<br />

Stakeholdern. Dazu gehört die Corporate<br />

Governance, natürliche Ressourcen, Human<br />

Resources <strong>und</strong> das umfangreiche<br />

Produktangebot der Großhandelsgruppe.<br />

Allein von 2017 auf 2018 konnte eine<br />

Verringerung der CO 2<br />

-Emissionen um<br />

16 Prozent erreicht werden: So wurde<br />

im Zentrallager in Frechen bereits die<br />

Beleuchtung komplett auf LED umgerüstet.<br />

Im Logistikbereich wurde durch<br />

Der Bedarf an Recycling-, FSC- <strong>und</strong> EU-Label-zertifizierten Papieren nimmt an<br />

Bedeutung <strong>und</strong> Wachstum zu. Sehr zur Freude von Antalis. Die Großhandelsgruppe<br />

hat diesen Trend bereits frühzeitig erkannt, das Portfolio entsprechend<br />

stetig erweitert <strong>und</strong> somit seine führende Position bei der Bereitstellung umweltfre<strong>und</strong>licher<br />

Alternativen im Markt ausgebaut. So ist es auch kein W<strong>und</strong>er, dass<br />

der hauseigene CSR-Report auf Nautilus® Superwhite gedruckt wird – ein<br />

100 Prozent recyceltes <strong>und</strong> ungestrichenes Papier.<br />

62 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


der CO 2<br />

-Emissionen pro Palette umgesetzt<br />

werden“. Gerade in der Logistik<br />

<strong>und</strong> Lagerhaltung arbeitet Antalis eng<br />

mit ihren Partnern zusammen, um die<br />

CO 2<br />

-Emissionen weiter zu reduzieren.<br />

Die Nachverfolgbarkeit <strong>und</strong> Kontrolle<br />

der gesamten Lieferkette ist ein wichtiger<br />

Bestandteil für K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Lieferanten.<br />

Auch hier bietet Antalis bereits innovative<br />

Lösungen: Die digitale Plattform<br />

Antrak®. Mit diesem Tool können Lieferanten<br />

zusätzlich für CSR-Themen<br />

sensibilisiert werden <strong>und</strong> Unternehmen<br />

wie Antalis ist es möglich, voll <strong>und</strong> ganz<br />

hinter der Aussage zu stehen, dass es sich<br />

bei dem eigenen Sortiment um nachhaltige,<br />

ökologische Produkte handelt.<br />

Auch im Bereich Verpackung <strong>und</strong> visuelle<br />

Kommunikation, den beiden wichtigsten<br />

Wachstumspfeilern, stärkt Antalis das Angebot<br />

an umweltfre<strong>und</strong>lichen Lösungen.<br />

Aktuell arbeitet Antalis u.a. an neuen<br />

Leistungsindikatoren, die ab 2020 nach<br />

<strong>und</strong> nach eingeführt werden sollen, um<br />

der zunehmenden Bedeutung von CSR<br />

<strong>und</strong> den weiterentwickelnden Erwartungen<br />

der Stakeholder auch in Zukunft<br />

gerecht zu werden: „Es ist essentiell, die<br />

Bemühungen um Innovation, verantwortungsbewusste<br />

Beschaffung <strong>und</strong> Rückverfolgbarkeit<br />

von Ressourcen, sowie<br />

Ges<strong>und</strong>heit, Sicherheit <strong>und</strong> Entwicklung<br />

aller Mitarbeiter weiter fortzusetzen,“<br />

erklärt Nicole Werner-Hufsky.<br />

EcoVadis, die erste kollaborative Plattform<br />

zur Bewertung nachhaltiger<br />

Leistungen von Lieferanten, würdigte<br />

in 2018 die Qualität der langjährigen<br />

CSR-Aktivitäten von Antalis mit einer<br />

Gold-Auszeichnung für Frankreich <strong>und</strong><br />

die Niederlande sowie konzernweit mit<br />

Silber. Damit wird Antalis für seine umfassenden<br />

Aktivitäten im Bereich CSR<br />

honoriert. „Wir freuen uns, dass unsere<br />

täglichen Bemühungen mit dem Gold-<br />

Rating von EcoVadis belohnt werden. Wir<br />

können dadurch das Vertrauen unserer<br />

K<strong>und</strong>en stärken <strong>und</strong> ihnen eine gleichbleibend<br />

hohe Qualität der Produkte <strong>und</strong><br />

Dienstleistungen mit geringer ökologischer<br />

Belastung bieten“, so Hervé Poncin,<br />

CEO von Antalis International.<br />

Das Green Star System<br />

Antalis hat das Green Star System entwickelt. Dabei handelt es sich um einen zuverlässigen <strong>und</strong> unkomplizierten Leitfaden,<br />

der K<strong>und</strong>en bei der Auswahl ihrer nachhaltigen Papiere hilft. Es werden relevante, unabhängige Zertifizierungen <strong>und</strong> Umweltlabel<br />

für die Bewertung mit einbezogen.<br />

Herkunft der<br />

Rohstoffe<br />

100% Recycling<br />

oder zumindest<br />

50% recycelte<br />

Sek<strong>und</strong>ärfasern**<br />

NACHHALTIGE PRODUKTE<br />

Zertifiziert* (FSC®<br />

oder PEFC TM )<br />

Nicht zertifiziert*<br />

Nicht zertifiziertes<br />

Herstellungsverfahren<br />

ISO 14001<br />

EU Ecolabel<br />

Herstellungsverfahren<br />

Auf dem deutschen Markt erkennt Antalis das Label „Blauer Engel“ an. Es garantiert einen umweltfre<strong>und</strong>lichen<br />

Herstellungsprozess sowie die Verwendung von Recyclingfasern für die Papierherstellung.<br />

*Gemäß dem FSC®- bzw. PEFC TM -Standard<br />

**Der verbleibende Anteil hat die Anforderungen des FSC®-bzw. PEFC TM -Standards zu erfüllen.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

63


GOOD PRACTICE<br />

Warum wir Standards<br />

brauchen, die die Leistung<br />

von Unternehmen messen<br />

<strong>Global</strong>e Erwärmung, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen <strong>und</strong> politische wie gesellschaftliche<br />

Unsicherheiten bewirken ein Umdenken in Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft. Investoren<br />

<strong>und</strong> Stakeholder richten ihre Erwartungen immer stärker anhand der Wirkungen eines<br />

Unternehmens für die Gesellschaft aus. Doch wie kann diese Wertschaffung von Unternehmen<br />

für die Gesellschaft aussehen – in ökologischer, menschlicher, sozialer <strong>und</strong> finanzieller<br />

Hinsicht? Und wie sind diese Beiträge messbar <strong>und</strong> vergleichbar?<br />

Von Christian Heller, CEO der value balancing alliance, Christoph Jäkel, Head of Sustainability Strategy, BASF, <strong>und</strong> Tatjana Vetter, Sustainability Strategy, BASF<br />

BASF erarbeitet mit weiteren internationalen<br />

Unternehmen in der neu gegründeten<br />

„value balancing alliance e.V.“ mit<br />

Sitz in Frankfurt am Main einen Standard,<br />

der diese Wertbeiträge monetär sichtbar<br />

macht. Unterstützt wird die Allianz unter<br />

anderem von den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften<br />

Deloitte, EY, KPMG, PwC<br />

<strong>und</strong> von der OECD. Gründungsmitglieder<br />

dieser gemeinnützigen Allianz sind<br />

neben BASF die Unternehmen Bosch,<br />

Deutsche Bank, LafargeHolcim, Mitsubishi<br />

Chemicals, Novartis, Philip Morris<br />

International, Porsche, SAP <strong>und</strong> SK.<br />

„Es geht darum, den Blickwinkel auf die<br />

Unternehmensleistung zu erweitern“,<br />

sagt Saori Dubourg, Mitglied des Vorstands<br />

der BASF SE. „Mit einem ganzheitlichen<br />

Werteverständnis möchten wir in<br />

der Bilanzierung umfassend die Auswirkungen<br />

auf die Umwelt, Gesellschaft <strong>und</strong><br />

Wirtschaft berücksichtigen. Das Schaffen<br />

langfristiger Werte ist die Gr<strong>und</strong>lage für<br />

nachhaltigen Geschäftserfolg.“<br />

Das Ziel der value balancing alliance<br />

ist, die umfassende Wertschaffung von<br />

Unternehmen als Kriterium bei unternehmerischen<br />

Entscheidungen zu berücksichtigen<br />

<strong>und</strong> möglichst greif bar<br />

darzustellen. Hierzu gehören sowohl die<br />

positiven Beiträge wie Erträge <strong>und</strong> Steuern,<br />

aber auch die beispielsweise durch<br />

CO 2<br />

-Ausstoß oder Unfälle verursachten<br />

Kosten. „Wir sehen seit einigen Jahren,<br />

dass sich immer mehr Unternehmen mit<br />

dieser Fragestellung auseinandersetzen<br />

<strong>und</strong> unterschiedliche Modelle testen.<br />

Die Methoden sind bisher noch sehr<br />

unterschiedlich, was eine Vergleichbarkeit<br />

der Ergebnisse unmöglich macht“,<br />

erläutert Christian Heller, CEO der value<br />

balancing alliance e.V.<br />

Innerhalb von drei Jahren will die value<br />

balancing alliance<br />

• ein standardisiertes Modell für die Berechnung<br />

dieser vieldimensionalen<br />

Wertschaffung entwickeln,<br />

• einen einheitlichen Rahmen zur Veröffentlichung<br />

bestimmen, angelehnt an<br />

die Finanzberichterstattung<br />

• das Modell in unternehmerischen Entscheidungen<br />

<strong>und</strong> Steuerung testen<br />

• die methodischen Ergebnisse der Öffentlichkeit<br />

zur Verfügung stellen.<br />

„Unsere Vision ist, die Bewertung von<br />

unternehmerischem Handeln von der<br />

reinen Profitmaximierung zur Optimierung<br />

von Wertschaffung für Gesellschaft<br />

<strong>und</strong> Umwelt zu entwickeln. Mit unserem<br />

Model werden wir Entscheidungsträger<br />

unterstützen, langfristig den Wert ihres<br />

Unternehmens zu sichern <strong>und</strong> zu entwickeln“,<br />

sagt Heller. Hierfür hat die<br />

Allianz begonnen, mit führenden Initiativen<br />

<strong>und</strong> Organisationen zusammenzuarbeiten<br />

wie der EU Kommission, der<br />

Weltbank, den Universitäten aus Oxford<br />

and Harvard, dem Impact Management<br />

Project, der Capitals Coalition, dem International<br />

Integrated Reporting Council<br />

(IIRC) <strong>und</strong> dem World Business Council<br />

on Sustainable Development (WBCSD).<br />

Ein Modell für den als „Impact Measurement<br />

and Valuation“ (IMV) bekannten<br />

Ansatz setzt BASF im Unternehmen<br />

bereits seit 2013 in Form des Programms<br />

„Value-to-Society“ um. Zusammen mit<br />

externen Experten hat BASF diesen Ansatz<br />

erarbeitet, um die ökonomischen,<br />

ökologischen <strong>und</strong> sozialen Auswirkun-<br />

64 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


gen der Geschäftstätigkeit entlang der<br />

Wertschöpfungskette monetär zu bewerten.<br />

BASF teilt ihre Erfahrungen in<br />

Netzwerken <strong>und</strong> Initiativen wie dem<br />

WBCSD, der Natural Capital Coalition,<br />

dem Impact Valuation Ro<strong>und</strong>table oder<br />

dem Embankment Project for Inclusive<br />

Capitalism. Daneben bringt sich BASF<br />

in entsprechende Standardisierungsprozesse<br />

innerhalb der International<br />

Organization for Standardization (ISO)<br />

ein.<br />

Fragen an Christian Heller, CEO der value balancing alliance e.V.<br />

Warum haben Sie die value balancing alliance gegründet?<br />

Ich bin davon überzeugt, dass wir das Verständnis von Kapital<br />

in den Rechnungslegungssystemen für Unternehmen<br />

erweitern müssen, um eine nachhaltige Wirtschaftsweise<br />

<strong>und</strong> gutes Wachstum zu fördern. Wenn wir das Wohlergehen<br />

aller Menschen verbessern wollen, müssen neben finanziellen<br />

Kennzahlen ökologische <strong>und</strong> gesellschaftliche Ziele in<br />

gemeinsamen Schemata bewertet werden. Die value balancing<br />

alliance konzentriert sich darauf, ein entsprechendes Modell zu<br />

entwickeln <strong>und</strong> zu standardisieren, das Entscheidungsträger<br />

befähigt, Wert zu vermehren <strong>und</strong> zu schützen. Mich motiviert<br />

es, Teil der Allianz zu sein, die unsere Art <strong>und</strong> Weise, wie wir<br />

Unternehmen führen, neu überdenkt <strong>und</strong> verändert.<br />

Wie kann soziale <strong>und</strong> ökologische Verantwortung gemessen<br />

werden, sodass sie sich in der Gewinn- <strong>und</strong> Verlustrechnung<br />

widerspiegelt? Wie kann das aussehen?<br />

Wir gestalten ein Modell, das natürliches, soziales <strong>und</strong><br />

Humankapital ebenso misst <strong>und</strong> bewertet wie finanzielles<br />

Kapital. Unser Ziel ist es, die gesamte Wertschaffung in einem<br />

konsistenten Schema zu zeigen, etwa in einer integrierten<br />

Gewinn- <strong>und</strong> Verlustrechnung oder in einer ganzheitlichen<br />

Ergebnisrechnung. Wir arbeiten mit Organisationen wie der<br />

OECD <strong>und</strong> der EU sowie Universitäten zusammen, um ein neues<br />

Verständnis für unternehmerische Leistung international zu<br />

etablieren. Ziel ist, den ganzheitlichen Wert, den Unternehmen<br />

in der Gesellschaft leisten, als Richtwert zu etablieren.<br />

Was fließt in die Bewertung durch die value balancing<br />

alliance ein?<br />

Unser Modell wird sich auf die gemeinsamen Nenner hinsichtlich<br />

des Beitrags der Geschäfte über verschiedene Industrien<br />

hinweg konzentrieren. Wir werden metrische Kenngrößen<br />

wie Finanzen, Klimawandel <strong>und</strong> Humankapital identifizieren.<br />

Unser Vorhaben wird von der Verfügbarkeit belastbarer Daten<br />

<strong>und</strong> gründlichen Bewertungsmethoden geleitet. Der endgültige<br />

Rahmen muss gemeinsam mit Stakeholdern definiert<br />

werden – aber wir werden zwischen Steuerung, Monitoring<br />

<strong>und</strong> der Kommuni-kation des Beitrags unterscheiden, den<br />

wir ermöglichen.<br />

Was bedeutet Wachstum heute? Kann das Ausbalancieren<br />

der Werte eine neue Definition von Wachstum bewirken?<br />

Bedeuten beispielsweise engagierte, stolze Mitarbeiter mit<br />

Work-Life Balance <strong>und</strong> Geschlechtergerechtigkeit mehr oder<br />

besseres Wachstum?<br />

Die value balancing alliance wird Wachstum neu definieren.<br />

Wir werden eine Methode entwickeln, um gutes Wachstum<br />

zu fördern <strong>und</strong> unsere Wertschaffung zu optimieren – nicht<br />

nur die Profite, die wir erbringen. Unser Wachstumskonzept<br />

geht weit über das Finanzielle hinaus. Aus unserer Sicht ist<br />

Wachstum mit menschlichem Wohlergehen gekoppelt – daher<br />

muss es viel eher qualitativ als quantitativ betrachtet werden.<br />

Mit welchen Schritten wollen Sie Value Balancing in den<br />

Mitgliedsunternehmen stärker verankern?<br />

Wir erkennen heute ein globales Bestreben, die Art <strong>und</strong><br />

Weise unseres Wirtschaftens zu hinterfragen. Impact<br />

Investing, Sustainable Finance, ethischer Konsum, Dreifachbilanz,<br />

Net Positive Thinking etc. sind nur Momentaufnahmen<br />

dieser Entwicklung. Die value balancing alliance wird, gestützt<br />

auf ihren derzeitigen Handlungsrahmen, ein Modell entwickeln,<br />

um die zunehmende Methodenvielfalt zu standardisieren,<br />

mit der die Wertschaffung von Unternehmen gemessen<br />

werden kann. Unser Ziel ist es, Entscheidungsträger wie<br />

das Topmanagement, Investoren <strong>und</strong> Politiker zu befähigen,<br />

die Unternehmensleistung ganzheitlicher zu bewerten <strong>und</strong><br />

die Entscheidungen zu verbessern, die wir für eine bessere<br />

Zukunft treffen. Hierfür werden in einem ersten Schritt die<br />

Mitgliedsunternehmen das Modell in ihren Entscheidungs- <strong>und</strong><br />

Steuerungsprozessen pilotieren.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

65


GOOD PRACTICE<br />

Ein besseres Leben für<br />

mehr Menschen im Rahmen<br />

der ökologischen Grenzen<br />

Bayer ist ein Unternehmen mit einer einzigartigen Kombination zweier Life Science-Gebiete –<br />

Ernährung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit. Im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung sind wir wie kaum ein<br />

anderes Unternehmen aufgestellt, Lösungen für die drängenden Probleme der Welt, wie den<br />

Kampf gegen Hunger <strong>und</strong> die Erhaltung der Ges<strong>und</strong>heit der Menschen zu finden. Künftig wollen<br />

wir einen substanziellen Beitrag dazu leisten, mehr Menschen in Schwellen- <strong>und</strong> Entwicklungsländern<br />

Zugang zu Nahrungsmitteln <strong>und</strong> Medikamenten zu ermöglichen.<br />

Von Matthias Berninger, Leiter Public Affairs & Sustainability, Bayer<br />

Die Menschheit hat die natürlichen<br />

Ressourcen seit Jahren über Gebühr<br />

beansprucht. Dies hat dazu geführt,<br />

dass wir beim Verlust an Biodiversität,<br />

Nitrateintrag im Boden <strong>und</strong> den Treibhausgas<br />

(THG)-Emissionen heute im „roten<br />

Bereich“ sind, mit anderen Worten:<br />

die ökologischen Grenzen sind hier, teils<br />

unumkehrbar, überschritten worden.<br />

Gleichzeitig nimmt die Weltbevölkerung<br />

weiter zu. Zu meinen Lebzeiten hat sie<br />

sich fast verdoppelt, bis zum Jahr 2050<br />

wird sie nochmals um zwei Milliarden<br />

auf dann voraussichtlich 9,7 Milliarden<br />

Menschen steigen. Das nun anstehende<br />

Wachstum ist aber noch wesentlich ressourcenintensiver,<br />

weil der Wohlstand<br />

<strong>und</strong> damit die Konsumbedürfnisse der<br />

Masse der Menschen rasanter steigen<br />

werden. Wir stehen daher einerseits vor<br />

der Herausforderung, mehr Menschen<br />

Zugang zu Nahrung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit zu<br />

verschaffen. Andererseits müssen wir es<br />

schaffen, die natürlichen Ressourcen zu<br />

schonen, die Biodiversität zu schützen<br />

<strong>und</strong> die THG-Emissionen zu begrenzen.<br />

Genau dies steht im Zentrum der stärkeren<br />

Verankerung von Nachhaltigkeit<br />

in unserer Strategie. Wir werden in den<br />

nächsten 10 Jahren substantielle Beiträge<br />

zur Erreichung einiger wesentlicher Ziele<br />

nachhaltiger Entwicklung der Vereinten<br />

Nationen (Sustainable Development<br />

Goals, <strong>SDGs</strong>) leisten, insbesondere den<br />

Hunger zu bekämpfen (SDG 2) <strong>und</strong> die<br />

Ges<strong>und</strong>heit zu fördern (SDG 3). Wir werden<br />

zudem zur Bekämpfung von Armut<br />

beitragen (SDG 1), die Rolle der Frauen<br />

stärken (SDG 5) sowie neue Standards<br />

für Umwelt- <strong>und</strong> Klimaschutz setzen<br />

(SDG 13).<br />

Nachhaltige Intensivierung der<br />

Landwirtschaft<br />

Die UN beziffern die notwendige Zunahme<br />

der Nahrungsmittelproduktion<br />

auf 50 Prozent bis 2050 gegenüber dem<br />

Referenzjahr 2012. Die Fläche, die dafür<br />

nach heutigen Produktionsstandards<br />

notwendig wäre, gibt es aber nicht, will<br />

man nicht weiter Habitate opfern <strong>und</strong><br />

den Regenwald roden.<br />

Zurzeit wird viel über den Zielkonflikt<br />

von Norman Borlaugs „Grüner Revolution“<br />

gesprochen, die in vielen Teilen der<br />

Welt in der zweiten Hälfte des vergangenen<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts half, den Hunger<br />

großer Massen einzudämmen, was mit<br />

einer intensiven Ressourcennutzung<br />

einherging. Deshalb setzen sich auch<br />

in manchen Ländern Forderungen zur<br />

De-Intensivierung durch. Mit Blick auf<br />

unser Innovationspotential glauben wir,<br />

dass es möglich sein wird, nachhaltig<br />

zu intensivieren. Deshalb suchen wir<br />

überall nach neuen Ideen. Für uns gibt<br />

es keinen Gegensatz zwischen kleinen<br />

<strong>und</strong> großen Betrieben, ökologischer oder<br />

konventioneller Landwirtschaft, traditionellem<br />

oder genetisch optimierten<br />

Saatgut. Überall in der Welt praktizieren<br />

Bauern schon heute kleine Bausteine<br />

zur Lösung des Paradoxons in der Landwirtschaft.<br />

Wir müssen sie nur richtig<br />

zusammensetzen.<br />

Bei Innovationen geht es zum einen<br />

um den kontinuierlichen Fortschritt<br />

<strong>und</strong> zum anderen darum, bislang un-<br />

66 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


ekanntes Terrain zu betreten. So arbeiten<br />

unsere Forscher beispielsweise<br />

daran, die Widerstandsfähigkeit von<br />

Kulturpflanzen zu verbessern. Ein Beispiel<br />

ist Mais mit kürzeren Halmen, die<br />

bei Stürmen nicht knicken. In einem<br />

bahnbrechenden Projekt versuchen wir<br />

mit Partnern Pflanzen zu entwickeln,<br />

die ihren Stickstoff bedarf durch eigene<br />

Produktion selbst decken <strong>und</strong> somit nicht<br />

mehr künstlich gedüngt werden müssen.<br />

Profitabilität der Kleinbauern<br />

Um die Ernährungsfrage zu lösen, müssen<br />

diejenigen gestärkt werden, die<br />

heute in den Entwicklungsländern die<br />

Hauptlast tragen. Dort produzieren Kleinbauern<br />

80 Prozent der Nahrungsmittel,<br />

leiden aber absurderweise selbst häufig<br />

unter Hunger <strong>und</strong> Mangelernährung.<br />

Ihnen fehlt es zumeist an Betriebsmitteln,<br />

Know-how, dem Zugang zu Krediten<br />

sowie Lagerungs-, Transport- <strong>und</strong><br />

Vertriebsmöglichkeiten. In all diesen<br />

Belangen werden wir Kleinbauern in Zukunft<br />

vermehrt unterstützen. Wir wollen<br />

im Zeitraum 2020 bis <strong>2030</strong> mindestens<br />

100 Millionen Kleinbauern, also fast jedem<br />

fünften, ein besseres Auskommen<br />

ermöglichen <strong>und</strong> damit einen Beitrag<br />

zur Armutsbekämpfung in ländlichen<br />

Räumen leisten.<br />

Familienplanung als Stärkung der<br />

Frauen<br />

Noch immer leiden viele Menschen in<br />

Entwicklungs-, Schwellen <strong>und</strong> Industrieländern<br />

an einem Mangel an Mikronährstoffen.<br />

Für gebärende Frauen <strong>und</strong><br />

Kleinkinder sind diese ges<strong>und</strong>heitsfördernden<br />

Nährstoffe von besonderer Bedeutung,<br />

weshalb wir vor allem ihnen<br />

<strong>und</strong> insgesamt 100 Millionen Menschen<br />

bis <strong>2030</strong> eine Versorgung ermöglichen<br />

werden.<br />

Klimaneutrales Unternehmen <strong>und</strong><br />

THG-Einsparungen in der Landwirtschaft<br />

Als eines der ersten Industrieunternehmen<br />

haben wir uns zum Ziel gesetzt, bis<br />

<strong>2030</strong> klimaneutral zu sein. Dafür haben<br />

wir uns der Science Based Target-Initiative<br />

angeschlossen. Die Optimierung der<br />

Energieeffizienz unserer Produktion <strong>und</strong><br />

die 100-prozentige Umstellung auf grünen<br />

Strom werden wir durch innovative<br />

Kompensations-Maßnahmen zum Erhalt<br />

der Biodiversität ergänzen.<br />

Ein größerer Hebel liegt indes bei unseren<br />

K<strong>und</strong>en in der Landwirtschaft, die<br />

mit anderen Formen der Landnutzung<br />

fast ein Viertel der globalen THG-Emissionen<br />

verursacht. Wir werden Landwirte<br />

mit klimafre<strong>und</strong>lichen Produkten <strong>und</strong><br />

Technologien darin unterstützen, dass<br />

auf dem Feld 30 Prozent THG-Emissionen<br />

pro Kilogramm Ernteertrag eingespart<br />

werden. Dies ist ebenso einmalig in der<br />

Branche wie unser Bestreben, die Umweltbelastung<br />

bei der Anwendung unserer<br />

Produkte um ebenfalls 30 Prozent<br />

zu minimieren.<br />

Die Herausforderung für die meisten<br />

Unternehmen, die sich zur THG-<br />

Reduktion verpflichtet haben, besteht<br />

darin, effektive Wege zum Offsetting<br />

der nicht einsparbaren Emissionen zu<br />

finden. Wir wollen über unsere digitalen<br />

Innovationen, die es ermöglichen, auf<br />

die Furche genau zu erkennen, was auf<br />

<strong>und</strong> im Acker passiert, die Basis eines<br />

neuen Geschäftszweiges für Bauern in<br />

aller Welt schaffen. Statt auf staatliche<br />

Lösungen zu warten oder Subventionen<br />

zu bauen, wollen wir einen privaten<br />

Markt zur Senkung von CO 2<br />

in der Luft<br />

schaffen. Landwirte bekommen so ein<br />

neues Einkommensstandbein, wenn<br />

sie mit der Nahrungsmittelproduktion<br />

Anbaumethoden kombinieren, die besonders<br />

viel CO 2<br />

in Pflanzen <strong>und</strong> Boden<br />

festhalten.<br />

Wir werden der Erreichung dieser Nachhaltigkeits-Ziele<br />

im neuen Jahrzehnt<br />

den gleichen Stellenwert beimessen<br />

wie den Finanzzielen <strong>und</strong> sie entsprechend<br />

in die Vergütung des Vorstands<br />

<strong>und</strong> Managements sowie die Entscheidungsprozesse<br />

unseres Unternehmens<br />

verankern.<br />

200 Millionen Frauen haben in Entwicklungs-<br />

<strong>und</strong> Schwellenländern gegenwärtig<br />

noch immer keinen Zugang<br />

zu modernen Verhütungsmitteln als<br />

Basis für eine verantwortungsbewusste<br />

Familienplanung. Ihnen diesen Zugang<br />

zu verschaffen, ist ein wesentlicher Aspekt,<br />

sie in der Ausübung ihrer Rechte<br />

zu stärken.<br />

Bauern bei der Reisernte in<br />

Indien: Bayer will Kleinbauern,<br />

auf denen wesentlich die<br />

Nahrungsmittelproduktion<br />

in vielen Entwicklungs- <strong>und</strong><br />

Schwellenländern ruht,<br />

verstärkt unterstützen.<br />

In Entwicklungsländern zählen Experten<br />

den Umstand, dass Frauen ihre<br />

Fähigkeiten heute nicht ausreichend<br />

zur Entfaltung bringen können, zu den<br />

größten Hemmnissen einer erfolgreichen<br />

sozio-ökonomischen Entwicklung. Als<br />

führendes Unternehmen auf dem Gebiet<br />

der Kontrazeptiva werden wir bis<br />

<strong>2030</strong> mindestens 100 Millionen Frauen<br />

in Entwicklungsländern bei Fragen der<br />

Familienplanung unterstützen.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

67


GOOD PRACTICE<br />

Nachhaltigkeit hat bei der<br />

BMW Group eine lange<br />

Tradition<br />

Die BMW Group gehört zu den Pionieren in Sachen Umweltschutz, Nachhaltigkeit <strong>und</strong> der Achtung<br />

der Menschenrechte. Besonderen Wert legt der Konzern darauf, diese Werte nicht nur im<br />

eigenen Unternehmen zu praktizieren, sondern sie auch für die gesamte Lieferkette verbindlich<br />

zu machen. Zulieferer, die gegen die Sozial- <strong>und</strong> Umweltstandards verstoßen, müssen<br />

Maßnahmen zur Abstellung aufzeigen <strong>und</strong> riskieren, zukünftig keine Aufträge mehr zu erhalten.<br />

Von Niels Angel, Einkauf <strong>und</strong> Lieferantennetzerk, Leiter Nachhaltigkeit, Innovationsmanagement, Kooperationen, BMW Group<br />

Bereits 1973, als die BMW Group als eines<br />

der ersten Unternehmen überhaupt<br />

einen Umweltschutzbeauftragten ernannte,<br />

bekannte sie sich damit zu ihrer<br />

Verantwortung für verantwortungsvolles<br />

<strong>und</strong> nachhaltiges unternehmerisches<br />

Handeln. Das Engagement, das auch<br />

die Achtung der Menschenrechte mit<br />

einschließt, wurde seitdem immer weiter<br />

ausgebaut <strong>und</strong> in verschiedenen Dokumenten<br />

wie der 1985 verabschiedeten<br />

Unternehmensstrategie oder der 2005<br />

durch den Vorstand der BMW Group,<br />

den Betriebsrat <strong>und</strong> die IG Metall unterzeichneten<br />

„Gemeinsame Erklärung<br />

über Menschenrechte <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen“<br />

bekräftigt.<br />

Die Differenzierung <strong>und</strong> Internationalisierung<br />

der Lieferketten stellt die BMW<br />

Group vor gewaltige Herausforderungen.<br />

Intensiv wird daran gearbeitet, menschenrechtliche<br />

Risiken in der Lieferkette<br />

zu identifizieren <strong>und</strong> zu verringern. So<br />

werden bereits seit mehreren Jahren<br />

besonders kritische Rohstoffe <strong>und</strong> Materialien<br />

in der Materialstrategie benannt<br />

<strong>und</strong> deren Auswirkungen auf Umwelt<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft analysiert. Kooperiert<br />

wird auch mit zahlreichen Brancheninitiativen<br />

wie „Drive Sustainability“ oder<br />

der Responsible-Minerals-Initiative, um<br />

die internationalen Lieferketten nachhaltiger<br />

zu gestalten.<br />

Alle Lieferantenverträge der BMW Group<br />

enthalten spezifische Klauseln, die sich<br />

auf die Prinzipien des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

<strong>und</strong> der Internationalen Arbeitsorganisation<br />

(ILO) beziehen. Die Einhaltung<br />

der Sozial- <strong>und</strong> Umweltstandards ist für<br />

die Zulieferer somit verbindlich. Sie<br />

erhalten Fragebögen <strong>und</strong> müssen Auskünfte<br />

über die Einhaltung der Standards<br />

geben. Regelmäßig finden Audits statt.<br />

Anhaltende Verstöße können dazu führen,<br />

dass ein Zulieferer keine weiteren<br />

Aufträge mehr erhält. Allein im Jahr<br />

2018 wurde deswegen 193 Lieferantenstandorte<br />

nicht mehr beauftragt.<br />

Reduktion der CO 2<br />

-Emissionen als<br />

Bewertungsmaßstab<br />

Um die CO 2<br />

-Emissionen in den globalen<br />

Lieferketten wirksam zu reduzieren, ist<br />

die internationale Zusammenarbeit besonders<br />

wichtig. Deswegen beteiligt sich<br />

die BMW Group seit 2014 wie über 100<br />

Schulungs- <strong>und</strong> Coachingprogramm<br />

für Kenaf-Bauern in Bangladesh<br />

68 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


andere Unternehmen – darunter auch<br />

neun Automobil-OEMs – am Supply-<br />

Chain-Programm des „Carbon Disclosure<br />

Project“ (CDP). Dessen Zweck ist es, die<br />

Umweltdaten von Unternehmen <strong>und</strong><br />

Kommunen standardisiert aufzubereiten,<br />

zu veröffentlichen <strong>und</strong> dadurch<br />

vergleichbar zu machen. Die Beteiligten<br />

sollen motiviert werden, ihren Energie<strong>und</strong><br />

Ressourcenverbrauch zu reduzieren.<br />

Um den Fortschritt zu messen, wurde ein<br />

Zielsystem etabliert, das verschiedene<br />

Maßnahmen zusammenführt <strong>und</strong> eine<br />

Bewertung der Lieferanten in vier Stufen<br />

ermöglicht. Ein zentraler Indikator ist, ob<br />

Lieferanten mit ihren CO 2<br />

-Reduktionen<br />

das globale Zwei-Grad-Ziel einhalten.<br />

190 Lieferanten, die für 75 Prozent des<br />

gesamten Einkaufsvolumens stehen, erstatteten<br />

zuletzt entsprechende Berichte<br />

an die BMW Group. Insgesamt reduzierten<br />

sie ihre CO 2<br />

-Emissionen im Jahr 2018<br />

um 39 Millionen Tonnen. Mittlerweile<br />

rollen auch erste BMW-Lieferanten das<br />

CDP-Supply-Chain-Programm auf ihre<br />

eigenen nachgelagerten Lieferanten aus.<br />

Die BMW Group will bis 2020 erreichen,<br />

dass 60 Prozent ihrer Zulieferer<br />

mindestens die zweithöchste Bewertungsstufe<br />

erreichen. Derzeit sind es<br />

noch 30 Prozent. Eng verb<strong>und</strong>en sind<br />

alle genannten Aktivitäten mit den UN-<br />

Nachhaltigkeitszielen zu Wachstum <strong>und</strong><br />

Arbeitsbedingungen (SDG 8). Sie knüpfen<br />

aber auch an den Ruggie-Report <strong>und</strong> die<br />

darin formulierten menschenrechtlichen<br />

Sorgfaltspflichten (Due Diligence)<br />

an. Diese werden seitens der B<strong>und</strong>esregierung<br />

aktuell im Monitoring des<br />

Nationalen Aktionsplans Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Menschenrechte (NAP) überprüft.<br />

Darüber hinaus zahlen die Aktivitäten<br />

der BMW Group auch auf die <strong>SDGs</strong> 10<br />

(Weniger Ungleichheiten) <strong>und</strong> 12 (Konsum<br />

<strong>und</strong> Produktion) ein.<br />

Leuchtturmprojekte sollen die<br />

Situation vor Ort verbessern<br />

Mögliche Risiken in der Lieferkette<br />

betrachtet die BMW Group darüber<br />

hinaus gesondert. Wo Handlungsbedarf<br />

erkannt wird, werden dann<br />

Förderprojekte initiiert, um Veränderungsprozesse<br />

einzuleiten. Gemeinsam<br />

mit dem direkten Lieferanten<br />

DRÄXLMAIER Group sowie der<br />

Deutschen Gesellschaft für internationale<br />

Zusammenarbeit (GIZ)<br />

<strong>und</strong> der Zertifizierungsorganisation<br />

„Rainforest Alliance“ wurde beispielsweise<br />

in Bangladesch ein Projekt durchgeführt,<br />

um die Transparenz in der Wertschöpfungskette<br />

der Kenaf-Pflanze zu<br />

erhöhen. Verb<strong>und</strong>e mit Kenaf-Fasern<br />

sind bis zu 40 Prozent leichter als herkömmliche<br />

Kunststoffe. Die BMW Group<br />

verwendet sie unter anderem beim<br />

Modell i3 in den Türverkleidungen. Eine<br />

Vorstudie ergab, dass die Einkommenssituation<br />

vieler Kenaf-Bauern prekär ist<br />

<strong>und</strong> somit ein potenzielles menschenrechtliches<br />

Risiko darstellt. Um diese<br />

Situation zu verbessern, starteten die<br />

Projektbeteiligten ein Schulungs- <strong>und</strong><br />

Coachingprogramm. Knapp 1.000 Kleinbauern<br />

lernten dabei, wie sie die Erntemenge<br />

<strong>und</strong> die Qualität der Pflanzen<br />

verbessern konnten. Ihre Einkommen<br />

stiegen daraufhin deutlich.<br />

Mit einem weiteren „Leuchtturmprojekt“<br />

ist die BMW Group in der Demokratischen<br />

Republik Kongo aktiv. Dort wurde<br />

ein rein privat finanziertes Pilotprojekt<br />

zur Verbesserung der Menschenrechtssituation<br />

im Kleinstbergbau initiiert. Die<br />

GIZ erprobt drei Jahre lang, wie sich die<br />

Arbeitsbedingungen der Bergarbeiter<br />

auf einer Kobaltmine verbessern lassen.<br />

Auch die Lebensbedingungen der umliegenden<br />

Gemeinde werden in den Blick<br />

genommen. Ist das Projekt erfolgreich,<br />

soll es langfristig auf andere Kleinstminen<br />

übertragen werden.<br />

Mit einem weiteren<br />

„Leuchtturmprojekt“ ist die BMW<br />

Group in der Demokratischen<br />

Republik Kongo aktiv.<br />

Die BMW Group verwendet Kenaf-Fasern<br />

unter anderem beim Modell i3 in<br />

den Türverkleidungen.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

69


GOOD PRACTICE<br />

Klimaneutralität<br />

als Ziel in 2020<br />

Mit „Technik fürs Leben“ Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen zu geben, ist<br />

der Anspruch von Bosch. Um die Lebensgr<strong>und</strong>lagen heutiger <strong>und</strong> künftiger Generationen zu<br />

sichern, geht das Unternehmen deshalb in allen Bereichen smarte Wege für mehr Nachhaltigkeit.<br />

Ein Schlüssel dazu sind vernetzte Produkte <strong>und</strong> Dienstleistungen, die das Leben<br />

von Menschen weltweit erleichtern <strong>und</strong> natürliche Ressourcen schonen. Gleichzeitig setzt<br />

Bosch auch in seinem sozialen Engagement <strong>und</strong> im Umgang mit seinen Mitarbeitern auf<br />

smarte, innovative Lösungen. Mit diesem ganzheitlichen Ansatz trägt Bosch dazu bei, die Art,<br />

wie wir wohnen, arbeiten <strong>und</strong> uns fortbewegen, nachhaltiger zu gestalten.<br />

Von Annette Wagner <strong>und</strong> Torsten Kallweit, Bosch<br />

Bosch ist überzeugt: Nur in einer sozial<br />

<strong>und</strong> ökologisch intakten Welt lässt sich<br />

langfristig wirtschaften. Der Anspruch<br />

ist stets, den ökonomischen Erfolg zu<br />

sichern <strong>und</strong> gleichzeitig die natürlichen<br />

Lebensgr<strong>und</strong>lagen heutiger <strong>und</strong> künftiger<br />

Generationen zu schützen. Mit einem<br />

neuen Zielbild setzt sich das Unternehmen<br />

neue ehrgeizige Ziele bis 2025 <strong>und</strong><br />

richtet sein Handeln noch konsequenter<br />

an den gesellschaftlichen Herausforderungen<br />

aus. Hierfür analysierte Bosch<br />

globale Mega- <strong>und</strong> Nachhaltigkeitstrends,<br />

führte eine Benchmark-Analyse mit fortschrittlichen<br />

Unternehmen durch <strong>und</strong><br />

tauschte sich intensiv mit Stakeholdern<br />

aus. Im Zentrum stehen künftig die sechs<br />

globalen Themenfelder Klima, Energie,<br />

Wasser, Urbanisierung, <strong>Global</strong>isierung<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit.<br />

Bosch bekennt sich zum Klimaschutz<br />

<strong>und</strong> zum 2-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens.<br />

Um ein Zeichen zu setzen,<br />

strebt das Unternehmen CO 2<br />

-Neutralität<br />

in 2020 an, <strong>und</strong> das weltweit, sowohl<br />

bei den direkten Emissionen aus eigener<br />

Verbrennung als auch bei den indirekten<br />

Emissionen, die mit zugekaufter<br />

Energie verb<strong>und</strong>en sind. Kurzfristig sind<br />

zwei Hebel entscheidend: der Bezug<br />

70 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


von Grünstrom aus Bestandsanlagen<br />

sowie Kompensationsmaßnahmen. Die<br />

Qualität des Programms wird von 2020<br />

bis <strong>2030</strong> signifikant erhöht: Jedes Jahr<br />

investiert Bosch 100 Millionen Euro in<br />

Energieeffizienzmaßnahmen <strong>und</strong> baut<br />

konsequent den Anteil an New Clean<br />

Power aus: Diese Erneuerbare-Energien-<br />

Anlagen werden infolge des Bosch-Engagements<br />

neu errichtet. Gleichzeitig wird<br />

die regenerative Eigenerzeugung an den<br />

Standorten erhöht.<br />

Klimaszenarien prognostizieren, dass<br />

sich die bestehenden Wasserrisiken<br />

durch Knappheit <strong>und</strong> mangelnde Qualität<br />

weiter verschärfen. Bis 2025 will<br />

das Unternehmen seine absolute Wasserentnahme<br />

gezielt an 61 Standorten in<br />

Wasserknappheitsgebieten um 25 Prozent<br />

reduzieren. Investitionen in Höhe<br />

von zehn Millionen Euro pro Jahr unterstützen<br />

dieses Vorhaben, um schnell<br />

<strong>und</strong> an der richtigen Stelle Erfolge <strong>und</strong><br />

Verbesserungen zu erzielen.<br />

In einer zunehmend urbanisierten Welt<br />

kommen täglich Produkte zum Einsatz,<br />

die durch Herstellung, Gebrauch <strong>und</strong><br />

am Ende ihrer Nutzungsphase einen<br />

ökologischen Fußabdruck hinterlassen.<br />

Damit dieser so klein wie möglich ausfällt,<br />

führt Bosch bereits heute für seine<br />

wesentlichen Produktgruppen Lebenszyklusanalysen<br />

durch, die r<strong>und</strong> 50 Prozent<br />

seines Umsatzvolumens abdecken. Ziel<br />

ist es, diesen Anteil weiter zu steigern<br />

<strong>und</strong> Potenziale abzuleiten, um die ökologischen<br />

Auswirkungen der Produkte<br />

weiter zu verbessern – ganz im Sinne<br />

der Kreislaufwirtschaft. Bei der Vermeidung<br />

von Abfällen in der Produktion<br />

konzentriert sich Bosch zukünftig auf<br />

die Verringerung von gefährlichen Abfällen<br />

<strong>und</strong> die Steigerung der stofflichen<br />

Verwertungsquote.<br />

Als global agierendes Unternehmen<br />

übernimmt Bosch zudem weltweit Verantwortung.<br />

So bezieht Bosch auch seine<br />

Lieferkette mit ein, um nachhaltig <strong>und</strong><br />

verantwortungsvoll zu wirtschaften. Ziel<br />

ist es, die ökologischen <strong>und</strong> sozialen<br />

Risiken in der Lieferkette weiter konsequent<br />

anzugehen.<br />

Der Anspruch ist zudem, Gefährdungen<br />

für Menschen <strong>und</strong> ihre Umwelt zu vermeiden<br />

– Arbeitsschutz, die Einhaltung<br />

von Stoffverboten sowie die Reduktion<br />

von gefährlichen Stoffen sind die zentralen<br />

Aspekte im Themenfeld Ges<strong>und</strong>heit.<br />

Die Unfallrate soll bereits im Jahr 2020<br />

maximal 1,7 Unfälle pro einer Million<br />

Arbeitsst<strong>und</strong>en betragen.<br />

Klimaneutralität von Bosch in 2020<br />

Im Fokus stehen dabei vor allem die<br />

Energieeffizienz <strong>und</strong> die Eigenerzeugung<br />

von Energie aus regenerativen Quellen,<br />

denn hier liegen die wesentlichen Hebel,<br />

um das Klimaziel zu erreichen. Bis <strong>2030</strong><br />

will Bosch 1.700 GWh Energie einsparen<br />

<strong>und</strong> 400 GWh des Energiebedarfs selbst<br />

regenerativ erzeugen. Um die entsprechenden<br />

Maßnahmen finanziell zu fördern,<br />

hat die Geschäftsführung bis <strong>2030</strong><br />

ein jährliches Zusatzbudget von 100<br />

Mio. Euro bewilligt. Zum Hintergr<strong>und</strong>:<br />

Energie wird bei Bosch vor allem als<br />

elektrischer Strom für den Betrieb von<br />

Maschinen <strong>und</strong> Anlagen in der Fertigung<br />

genutzt, außerdem als Wärmeenergie<br />

zur Heizung <strong>und</strong> Klimatisierung von<br />

Gebäuden sowie beim Betrieb der Öfen<br />

von Gießereien. Insgesamt verbrauchten<br />

die Unternehmen der Bosch-Gruppe<br />

im Jahr 2018 r<strong>und</strong> 7.844 GWh Energie,<br />

einhergehend mit einem Ausstoß von<br />

3,26 Mio. Tonnen CO 2<br />

. Bezogen auf die<br />

Wertschöpfung ist die Emissionsintensität<br />

im Vergleich zu 2007 damit um 31,1<br />

Prozent gesunken.<br />

Ein wichtiger Ansatzpunkt, um die Klimaneutralität<br />

für Bosch zu erreichen,<br />

liegt im Bezug von „grünem“ Strom mit<br />

entsprechenden Herkunftsnachweisen<br />

von bestehenden Erzeugungsanlagen<br />

für erneuerbare Energien. Bis <strong>2030</strong> wird<br />

Bosch hier die Qualität der Maßnahmen<br />

konsequent steigern <strong>und</strong> setzt dabei insbesondere<br />

auf „New Clean Power“, also<br />

exklusive langfristige Bezugsverträge<br />

mit Investoren von neu zu errichtenden<br />

Erzeugungsanlagen für erneuerbare<br />

Energien (z. B. Windkraftanlagen oder<br />

Photovoltaik-Parks) sowie regenerative<br />

Eigenerzeugung. So schafft Bosch einen<br />

zusätzlichen Beitrag zum Klimaschutz,<br />

denn erst durch unser Engagement werden<br />

diese neuen Anlagen gebaut. Mit<br />

dem Jahr <strong>2019</strong> haben wir begonnen,<br />

den Bezug von Strom aus erneuerbaren<br />

Energiequellen stark auszubauen.<br />

Ein weiterer Hebel für das Erreichen<br />

unseres Klimaziels sind Kompensationsmaßnahmen<br />

(Carbon Credits). Diese sind<br />

notwendig, um CO 2<br />

-Emissionen aus Verbrennungsprozessen<br />

(Heizung, Prozesswärme)<br />

auszugleichen. In Ländern, in denen<br />

die bereits beschriebenen Hebel nicht<br />

ausreichend für eine CO 2<br />

-Neutralstellung<br />

zur Verfügung stehen (z. B. Grünstrombezug<br />

nur eingeschränkt möglich), sind<br />

Kompensationsmaßnahmen ebenfalls<br />

erforderlich. Bei der Projektauswahl orientieren<br />

wir uns an sehr hohen Standards,<br />

z. B. dem Gold Standard.<br />

„ Es reicht<br />

nicht, auf den<br />

Klimaschutz<br />

nur zu hoffen.<br />

Unternehmen<br />

sollten<br />

kurzfristig die<br />

CO 2<br />

-Neutralität<br />

wagen.<br />

Dr. Volkmar Denner,<br />

Vorsitzender der Geschäftsführung<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

71


GOOD PRACTICE<br />

CEWE: Klimastrategie<br />

zum Anfassen<br />

Die Klimastrategie von CEWE lässt sich in zwei große Bereiche aufteilen: Die Reduktion von<br />

negativem Einfluss auf das Weltklima <strong>und</strong> die Anpassung des Unternehmens an die sich stets<br />

wandelnden Klimabedingungen. Für die Umsetzung einer Klimastrategie ist es besonders<br />

wichtig, einfache <strong>und</strong> leicht begreifbare Ziele zu definieren sowie klare Absprachen darüber<br />

zu treffen, welche Maßnahmen im eigenen Unternehmen einen positiven Effekt haben. Zur<br />

Reduktion gehören z.B. Dienstreisen mit der Bahn, während als Anpassung an neue<br />

Klimabedingungen z.B. neue Dachkonstruktionen gebaut werden, um unsere Betriebsstätten<br />

vor Hagelschäden oder Ähnlichem zu schützen.<br />

Von Dr. Matthias Hausmann, Leiter Abteilung Umwelt <strong>und</strong> Chemie, CEWE<br />

Klimastrategie bei CEWE heißt unter<br />

anderem, die Ziele des Pariser Abkommens<br />

von 2015 sowie die Empfehlung<br />

des Weltklimarats IPCC einer 1,5 Grad<br />

Begrenzung der Erderwärmung von 2018<br />

innerhalb des Unternehmens umzusetzen.<br />

CEWE war eines der ersten drei<br />

deutschen Unternehmen, das seine Klimaziele<br />

öffentlich formulierte <strong>und</strong> von<br />

der „Science Based Targets initiative“<br />

(SBTi) anerkennen ließ. Die Initiative<br />

hat in <strong>2019</strong> die Ziele erneut geprüft <strong>und</strong><br />

bestätigt, dass sie auch mit der 1,5 Grad<br />

Forderung übereinstimmen. Die beiden<br />

SBTi Ziele von CEWE sind prägnant <strong>und</strong><br />

wie folgt formuliert:<br />

1. Halbierung der Scope-1- <strong>und</strong> Scope-2-<br />

CO 2<br />

-Emissionen absolut von 2015 bis<br />

2025 von 13.401 t/a auf weniger als<br />

6.700 t / a.;<br />

2. Verminderung der im CDP berichteten<br />

absoluten Scope-3-CO 2<br />

-Emissionen<br />

um mindestens 25 Prozent in den<br />

nächsten zehn Jahren auf Basis des<br />

Jahres 2015.<br />

Das bedeutet ganz klar, dass das Wachstum<br />

der Firma CEWE von den CO 2<br />

-Emissionen<br />

entkoppelt werden muss, da<br />

trotz steigender Umsätze die absoluten<br />

Emissionen gesenkt werden sollen. Um<br />

eine nachvollziehbare Berechnung zu<br />

gewährleisten, hat CEWE als Basisjahr<br />

2015, das Jahr des Pariser Abkommens,<br />

gewählt.<br />

Trotz eines starken Umsatzwachstums<br />

von 554 Mio. Euro im Jahr 2015 auf 653<br />

Mio. Euro in 2018 konnte CEWE seine<br />

Scope-1- <strong>und</strong> Scope-2-Emission bisher um<br />

über 2.800 t / a senken (damit sind 42,11<br />

Prozent des gesamten Reduktionsziels<br />

bis 2025 bereits erreicht). Weiterführendes<br />

Ziel ist es, die Emissionen bis<br />

2025 auf insgesamt weniger als 6.700<br />

t / a zu senken.<br />

Für die Umsetzung des ersten Zieles<br />

hat CEWE zwei Maßnahmenpakete beschlossen<br />

<strong>und</strong> bereits mit der Umsetzung<br />

begonnen. Zum einen wird zunehmend<br />

Grünstrom bezogen, zum anderen wird<br />

in eigene Stromerzeugungsanlagen investiert.<br />

Derzeit beziehen vier der 14<br />

Produktionsbetriebe Grünstrom <strong>und</strong><br />

in drei Betrieben erzeugt CEWE mit<br />

Photovoltaik-Anlagen einen Teil des<br />

Stroms selbst.<br />

Zusätzlich investiert das Unternehmen<br />

in Energieeffizienz-Projekte, um den<br />

spezifischen Strombedarf zu senken.<br />

Der Strombedarf beträgt derzeit 650<br />

kWh / t Material. Durch Maßnahmen<br />

wie insbesondere die flächendeckende<br />

Installation von LED-Beleuchtung sowie<br />

die gezielte Steuerungsoptimierung von<br />

Klimaanlagen <strong>und</strong> Drucklufterzeugung<br />

soll die Effizienz erhöht werden. Weitere<br />

Optimierungspotentiale werden<br />

im Rahmen des Energiemanagementsystems<br />

eruiert, bewertet <strong>und</strong> umgesetzt.<br />

Alle größeren deutschen Betriebe<br />

sind entsprechend der Norm ISO 50001<br />

(Energiemanagementsystem) seit 2015<br />

zertifiziert.<br />

Das zweite SBTi-Ziel besteht in der Senkung<br />

der absoluten Scope-3-Emissionen<br />

um 25 Prozent zwischen 2015 <strong>und</strong> 2025.<br />

Dieses Ziel ist derzeit ehrgeiziger denn<br />

je, weil das Wachstum von CEWE auch<br />

durch den Erwerb weiterer Standorte<br />

eher zu einer Erhöhung des CO 2<br />

-Fußabdrucks<br />

im Bereich Scope 3 beigetragen<br />

hat. So weisen wir im CDP Disclosure<br />

72 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


Report in 2015 nur 102.746 t CO 2<br />

aus,<br />

während 2017 schon 108.926 t berichtet<br />

werden mussten. Andererseits hat<br />

CEWE bereits großen Erfolg in Einzelprojekten<br />

im Bereich Scope 3 vorzuweisen.<br />

So konnten die durch die Lieferlogistik<br />

verursachten Emissionen von<br />

14.172 t CO 2<br />

e im Jahr 2012 auf 6.585 t<br />

CO 2<br />

e im Jahr 2018 halbiert werden. Die<br />

Strategie hier war die umfangreiche<br />

Umstellung von Lieferfahrzeugen mit<br />

relativ geringer Auslastung auf externe<br />

Dienstleister, die CEWE-Aufträge „dazuladen“<br />

können <strong>und</strong> damit effizienter<br />

ausliefern. Zusätzlich nutzt CEWE<br />

hier die klimaneutralen Angebote der<br />

Logistik-Dienstleister.<br />

Weitere große Einflussfaktoren im<br />

Bereich Scope 3 sind die Beschaffung<br />

von Maschinen (Capital Goods) <strong>und</strong><br />

Druckmaterialien, hauptsächlich Papier<br />

(Purchased Goods). Auf diese beiden<br />

Schlüsselkomponenten entfallen mehr<br />

als 50 Prozent der Scope-3-Emissionen.<br />

Hier pflegen wir einen guten Kontakt<br />

mit unseren Lieferanten <strong>und</strong> haben eine<br />

gemeinsame Strategie zur Reduzierung<br />

der Emissionen entwickelt, zum Beispiel<br />

durch die Einigung auf Komplettladungsverkehr<br />

(Full Truck Load). Die Herstellung<br />

<strong>und</strong> die Belieferungssituation der<br />

Ausgangsstoffe werden stets intensiv<br />

beleuchtet <strong>und</strong> mit den Lieferanten auch<br />

regelmäßig diskutiert.<br />

Einige der Projekte zahlen nicht nur<br />

auf die Verbesserung des Scope-3-CO 2<br />

-<br />

Fußabdrucks ein, sondern sind zusätzlich<br />

Projekte mit weiteren Benefits. Zu<br />

nennen sind hier zum Beispiel die Pluspunkte<br />

für die Ges<strong>und</strong>heit der Mitarbeiter,<br />

wenn man den Weg zur Arbeit mit<br />

dem Fahrrad oder einem öffentlichen<br />

Verkehrsmittel zurücklegt. Aktionen<br />

wie „Mit dem Rad zur Arbeit“ oder<br />

ein Fahrradleasing sind Projekte des<br />

Ges<strong>und</strong>heitsmanagements von CEWE.<br />

Viele Dienstreisen werden außerdem<br />

mit der Bahn gestaltet <strong>und</strong> helfen so,<br />

die Anreisen entspannter zu gestalten<br />

als mit dem Auto – gleichzeitig wird<br />

die Umwelt geschont.<br />

Ein überaus wichtiger Punkt der CEWE-<br />

Klimastrategie ist das CO 2<br />

-Kompensationsprojekt<br />

„Kasigau Wildlife Corridor“.<br />

Hier hat sich das Unternehmen ganz<br />

bewusst für ein Waldschutzprojekt entschieden,<br />

weil Papier als Material aus<br />

Holz in gewisser Weise eine Waldgefährdung<br />

darstellt. Darüber hinaus werden<br />

in diesem Projekt in Kenia sowohl die<br />

lokale Bevölkerung unterstützt als auch<br />

bedrohte Tierarten geschützt. CEWE<br />

kompensiert mit diesem Projekt die CO 2<br />

-<br />

Emissionen „cradle to gate“ aller seiner<br />

Markenprodukte CEWE FOTOBUCH,<br />

CEWE KALENDER, CEWE CARDS, CEWE<br />

SOFORT FOTO, CEWE WANDBILDER. Das<br />

sind ungefähr 20.000 t CO 2<br />

e, die aber<br />

nicht auf die im SBTi-Ziel formulierte<br />

Reduktion angerechnet werden.<br />

CEWE betrachtet aber nicht nur, wie das<br />

Unternehmen sich auf den Klimawandel<br />

auswirkt <strong>und</strong> wie man dem Klimawandel<br />

entgegenwirken kann, es wird auch<br />

betrachtet, wie sich der Klimawandel<br />

auf CEWE auswirkt. Hier spielen viele<br />

Faktoren eine Rolle, die im Rahmen des<br />

Chancen- <strong>und</strong> Risiko-Managements untersucht<br />

<strong>und</strong> bewertet werden. Darunter<br />

fallen unter anderem das geänderte K<strong>und</strong>enverhalten<br />

hinsichtlich der Foto- <strong>und</strong><br />

Druckaufträge als auch insgesamt die<br />

Möglichkeit, dass sich das Fotografie-Verhalten<br />

deswegen generell ändern könnte.<br />

Zuletzt gilt es auch die durch den Klimawandel<br />

veränderte Wetterlage zu<br />

berücksichtigen. Der 100.000 Euro teure<br />

Hagelschaden in unserem Münchener<br />

Labor im Juni <strong>2019</strong> verdeutlichte die Situation.<br />

Möglichen Überflutungen, Hagel<strong>und</strong><br />

Gewitterschäden gilt es vorzubeugen.<br />

Darüber hinaus muss auch die heißere<br />

Sommerlage im Norden Deutschlands<br />

berücksichtigt werden. In den letzten<br />

Jahren wurden große Summen in die<br />

klimatechnische Ertüchtigung der Büroräume<br />

investiert. Das 2017 eingeweihte<br />

3.000 m 2 umfassende Bürogebäude konnte<br />

trotz des heißen Sommers 2018 allein<br />

mithilfe der installierten Geothermie<br />

gekühlt werden.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

73


GOOD PRACTICE<br />

Daimler verankert das<br />

Thema Nachhaltigkeit im<br />

Zentrum des Geschäfts<br />

Kaum ein Industrieprodukt ist so eng mit Freiheit, Unabhängigkeit <strong>und</strong> wirtschaftlichem Aufstieg<br />

verb<strong>und</strong>en wie das Automobil. Es kann daher nicht überraschen, dass weltweit immer mehr<br />

Menschen „selbstbestimmt mobil“ sein wollen. Die Herausforderung besteht darin, ihnen genau<br />

dies zu ermöglichen <strong>und</strong> gleichzeitig dafür zu sorgen, dass das Mobilitätswachstum nachhaltig<br />

ist. Dabei nimmt der Klimaschutz eine Schlüsselrolle in der Daimler Geschäftsstrategie ein.<br />

Von Dr. Sabine Lutz, Leiterin Konzernforschung, Nachhaltigkeit sowie RD-Funktionen <strong>und</strong> Dr. Torsten Eder, Leiter Produktgruppe Powertrain, Daimler<br />

Automobile haben die Welt verändert.<br />

Sie werden es auch künftig tun, denn<br />

unsere moderne Gesellschaft fußt auf<br />

der Möglichkeit, selbstbestimmt mobil<br />

zu sein. Autos relativieren Entfernungen,<br />

bewegen Menschen <strong>und</strong> Güter, ermöglichen<br />

Begegnung. Seit nunmehr 133<br />

Jahren ist das Auto mit individuellem<br />

Wohlstand, politischer Teilhabe <strong>und</strong><br />

wirtschaftlichem Aufstieg verb<strong>und</strong>en.<br />

Und die Zahl der Fahrzeuge wächst. Bis<br />

<strong>2030</strong> könnte es 2 Milliarden Autos geben.<br />

Was heißt das für uns bei Daimler?<br />

Angesichts dieser Zahlen sind neue<br />

Lösungen gefragt. Denn langfristig<br />

können wir das automobile Wachstum<br />

nur verantworten, wenn es auch<br />

ökologisch <strong>und</strong> sozial nachhaltig ist.<br />

„People“, „Planet“ <strong>und</strong> „Profit“ gehören<br />

zusammen. Deshalb arbeiten wir über<br />

alle Unternehmensbereiche hinweg an<br />

nachhaltigen Initiativen für die Mobilität<br />

von morgen.<br />

Ein Beispiel ist die „Ambition 2039“,<br />

unser Weg zu nachhaltiger <strong>und</strong> selbstbestimmter<br />

Mobilität. Wir haben die dort<br />

definierten Ziele wissenschaftsbasiert<br />

von der Science Based Targets Initiative<br />

(SBTi) prüfen lassen. Das Ergebnis: Als<br />

erstem Premium-Automobilhersteller<br />

bestätigt SBTi, dass sich unsere Ziele im<br />

Einklang mit denen des Pariser Klimaabkommens<br />

befinden.<br />

Konkret haben wir uns mit der Mercedes-<br />

Benz AG dazu verpflichtet, die Treibhausgasemissionen<br />

der Werke (bislang<br />

außer China) <strong>und</strong> bezogener Energie<br />

(Scope 1 <strong>und</strong> 2) bis <strong>2030</strong> gegenüber dem<br />

Referenzjahr 2018 zu halbieren – im<br />

Einklang mit dem Klimaziel maximal<br />

1,5 Grad Erwärmung. Zusätzlich sollen<br />

Emissionen der Neuwagenflotte während<br />

der Nutzungsphase (Teilbereich<br />

von Scope 3) bis <strong>2030</strong> um mehr als 40<br />

Prozent reduziert werden. Vergleichsjahr<br />

ist hier ebenfalls 2018. Auch hier befindet<br />

sich das Unternehmen im Einklang<br />

mit dem Pariser Klimaabkommen, die<br />

Erderwärmung auf deutlich unter 2<br />

Grad Celsius gegenüber vorindustriellen<br />

Werten zu begrenzen.<br />

Doch was tun wir genau, damit unsere<br />

K<strong>und</strong>en in Zukunft auf klimaneutrale<br />

Mobilität umsteigen können? Mit der<br />

„Ambition 2039“ verfolgen wir einen<br />

ehrgeizigen ganzheitlichen Ansatz.<br />

Innerhalb der nächsten 20 Jahre streben<br />

wir bei Mercedes-Benz Cars eine<br />

CO 2<br />

-neutrale Neuwagenflotte an. Unser<br />

Weg zur nachhaltigen Mobilität ist<br />

Innovation – in einem ganzheitlichen<br />

Ansatz entlang der gesamten Wertschöpfungskette.<br />

Den größten Einfluss auf<br />

den CO 2<br />

-Ausstoß haben wir natürlich<br />

dort, wo unsere Kernkompetenz liegt:<br />

bei unseren Produkten. Bis <strong>2030</strong> wollen<br />

wir mehr als die Hälfte unserer Autos<br />

mit Elektroantrieb verkaufen – hierzu<br />

zählen vollelektrische Fahrzeuge mit<br />

Batterie <strong>und</strong>/oder Brennstoffzelle <strong>und</strong><br />

Plug-in Hybride. Gleichzeitig wollen wir<br />

die CO 2<br />

-Emissionen pro Fahrzeug deutlich<br />

reduzieren. Unser RD-Team arbeitet<br />

gemeinsam mit etablierten Partnern <strong>und</strong><br />

Start-ups, um die Elektro-Performance<br />

weiter zu steigern <strong>und</strong> die Kosten zu<br />

senken.<br />

Wir beschränken uns aber nicht nur<br />

auf die Reduzierung der Emissionen in<br />

der Nutzungsphase unserer Fahrzeuge.<br />

Mit der Elektrifizierung verschiebt sich<br />

ein Großteil des CO 2<br />

-Aufkommens vom<br />

Fahrbetrieb in die Lieferkette. Deshalb<br />

74 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


ist es umso wichtiger, auch Lieferanten<br />

<strong>und</strong> Geschäftspartner für Klimaschutz zu<br />

sensibilisieren. Dafür braucht es Transparenz.<br />

Zu diesem Zweck arbeiten wir<br />

mit Organisationen wie CDP zusammen,<br />

die die Umweltauswirkungen unserer<br />

Lieferkette bewerten. Klar ist: CO 2<br />

-Ziele<br />

werden ein zunehmend wichtiges Kriterium<br />

für Lieferantenentscheidungen.<br />

Gemeinsam mit unseren Lieferanten<br />

arbeiten wir beispielsweise auch an<br />

wirksamen Reduzierungen bei der Batterieproduktion.<br />

Für die nächste Generation<br />

unserer EQ-Modelle beziehen wir<br />

erstmals einen Teil unserer Batteriezellen<br />

aus CO 2<br />

-neutraler Produktion. Damit<br />

können wir den CO 2<br />

-Ausstoß der betreffenden<br />

Fahrzeuge über die gesamte<br />

Lieferkette um zweistellige Prozentsätze<br />

reduzieren.<br />

Zur Wahrheit gehört allerdings auch,<br />

dass heute niemand mit Gewissheit vorhersagen<br />

kann, welcher Antriebsmix in<br />

20 Jahren die Bedürfnisse unserer K<strong>und</strong>en<br />

am besten erfüllen wird. Deshalb<br />

bleibt es wichtig, technologieoffen an<br />

weiteren Lösungen zu arbeiten, etwa<br />

der Brennstoffzelle oder E-Fuels.<br />

Neben der Entwicklung klimafre<strong>und</strong>licher<br />

Produkte bietet auch die Produktion<br />

selbst CO 2<br />

-Einsparpotenziale. Bis<br />

Ende 2022 sollen alle europäischen<br />

Mercedes-Benz Cars-Produktionsstätten<br />

klimaneutral sein, die anderen Werke<br />

folgen sukzessive.<br />

Gleichzeitig suchen wir nach Wegen,<br />

unsere K<strong>und</strong>en mit grünem Ladestrom<br />

zu versorgen. Und auch an Lösungen,<br />

um beispielsweise durch intelligentes<br />

Recycling von Batterien den Wertschöpfungskreislauf<br />

zu schließen, arbeiten<br />

wir intensiv.<br />

Natürlich enden unsere Bestrebungen<br />

zur Dekarbonisierung nicht beim Individualverkehr:<br />

Bei Daimler Trucks &<br />

Buses wollen wir bis 2039 in den Triademärkten<br />

Europa, Japan <strong>und</strong> NAFTA<br />

nur noch Neufahrzeuge anbieten, die<br />

im Fahrbetrieb („tank-to-wheel“) CO 2<br />

-<br />

neutral sind.<br />

Bereits bis zum Jahr 2022 soll das Fahrzeugportfolio<br />

der Daimler Truck AG<br />

in den Hauptabsatzregionen Europa,<br />

USA <strong>und</strong> Japan Serienfahrzeuge mit<br />

batterieelektrischem Antrieb umfassen.<br />

Bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts<br />

wird Daimler Trucks & Buses sein Fahrzeugangebot<br />

zusätzlich um wasserstoffbetriebene<br />

Serien-Fahrzeuge ergänzen.<br />

Keine Frage, der Wandel zur nachhaltigen<br />

Mobilität erfordert eine gewaltige<br />

Kraftanstrengung: finanziell wie technologisch.<br />

Er wird nur gelingen, wenn<br />

Autoindustrie, K<strong>und</strong>en, Energieversorger<br />

<strong>und</strong> Politik Hand in Hand arbeiten. Es<br />

bedarf massiver Investitionen <strong>und</strong> konkreter<br />

Maßnahmen – auch über die<br />

Automobilbranche hinaus.<br />

Klimaneutrale Energie <strong>und</strong> eine umfassende<br />

Infrastruktur sind für diesen<br />

Systemwechsel unerlässlich. Aber: Diese<br />

Transformation ist die Aufgabe unserer<br />

Generation <strong>und</strong> wir sind fest entschlossen,<br />

unseren Beitrag zur Lösung drängender<br />

Probleme zu leisten.<br />

Als Unternehmen, das von Ingenieuren<br />

gegründet wurde, glauben wir: Technologie<br />

kann dazu beitragen, eine bessere<br />

Zukunft zu gestalten. Unser Weg zur<br />

nachhaltigen Mobilität ist Innovation –<br />

in einem ganzheitlichen Ansatz entlang<br />

der gesamten Wertschöpfungskette.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

75


GOOD PRACTICE<br />

E.ON macht das Internet<br />

nachhaltiger<br />

Die Digitalisierung ist aus Wirtschaft <strong>und</strong> Alltag kaum mehr wegzudenken. Dabei werden die<br />

Datenmengen, die die Rechenzentren bewältigen müssen, immer größer. Die Folge: Steigender<br />

Stromverbrauch <strong>und</strong> ein höherer CO 2<br />

-Ausstoß. Rechenzentren kann man aber auch effizienter<br />

<strong>und</strong> nachhaltiger gestalten. Wie das geht, zeigt E.ON. Die innovativen Lösungen verhelfen den<br />

K<strong>und</strong>en zu „grüneren“ Datacentern.<br />

Von Ilke Rangette, Head of <strong>Global</strong> B2B Marketing & Communications, E.ON Business Solutions<br />

Cloudservices, Cat Content, Streamingdienste<br />

<strong>und</strong> Kryptowährungen: Die Digitalisierung<br />

macht einen großen Teil<br />

des (Wirtschafts-) Lebens aus, hat aber<br />

auch Nachteile: Rechenzentren müssen<br />

immer mehr Daten verarbeiten <strong>und</strong><br />

benötigen dadurch immense Mengen an<br />

Strom. Das verursacht nicht nur hohe<br />

Kosten, sondern schadet durch den CO 2<br />

-<br />

Ausstoß auch noch dem Klima. Einer<br />

Untersuchung des Borderstep Instituts<br />

zufolge benötigten im Jahr 2017 die<br />

Rechenzentren in Deutschland knapp<br />

13 Milliarden Kilowattst<strong>und</strong>en Strom.<br />

Das entspricht etwa dem Strombedarf<br />

einer Großstadt wie Berlin. Ein Ende ist<br />

nicht in Sicht: Der ThinkTank „The Shift<br />

Project“ erwartet sogar, dass der Energieverbrauch<br />

für die Digitalisierung <strong>und</strong> die<br />

entsprechenden Technologien weltweit<br />

jedes Jahr um neun Prozent steigt.<br />

Die Server einfach mal abschalten wie<br />

den Computer zuhause oder im Büro<br />

– das geht nicht. Um alle Datenflüsse<br />

aufrechtzuerhalten, laufen Rechenzentren<br />

24 St<strong>und</strong>en am Tag, sieben Tage die<br />

Woche. Die verbrauchte Energie wird<br />

dabei in Wärme umgewandelt. Diese<br />

Abwärme muss dann abgekühlt werden,<br />

was besonders energieintensiv ist. Aber:<br />

Der Prozess lässt sich auch nachhaltiger<br />

bewerkstelligen.<br />

Innovative Systeme von E.ON<br />

E.ON bietet für Unternehmen jeder<br />

Größe praktikable <strong>und</strong> individuelle<br />

Lösungen für effizientere Datacenter.<br />

Dafür setzt E.ON auf maßgeschneiderte<br />

Systeme in Microgrids, um Energieverbrauch<br />

<strong>und</strong> -versorgung zu optimieren.<br />

Die Lösungen zur Energieerzeugung<br />

sind dabei red<strong>und</strong>ant, dezentral <strong>und</strong><br />

skalierbar. Das sichert den K<strong>und</strong>en eine<br />

zuverlässige <strong>und</strong> flexible Stromversorgung,<br />

die sich dem individuellen Bedarf<br />

anpassen lässt. Zum Einsatz kommen<br />

beispielsweise nachhaltige Speicher- <strong>und</strong><br />

Energietechnologien wie Solarenergie<br />

oder auch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).<br />

Letzteres verwertet die Abwärme der<br />

Rechenzentren, was die Energiekosten<br />

um bis zu 20 Prozent senken kann.<br />

Vielversprechend ist auch die Brennstoffzelle:<br />

„E.ON ist eines der wenigen Unternehmen<br />

auf der Welt mit Erfahrung im<br />

Bau <strong>und</strong> Betrieb von Brennstoffzellenanlagen<br />

der Megawattklasse. Wir können<br />

diese Technologie als wichtigen Baustein<br />

in unserem B2B-Lösungsportfolio anbieten“,<br />

so Anthony Ainsworth, CEO von<br />

E.ON Business Solutions. „Die Industrie<br />

zeigt großes Interesse an der Brennstoffzelle,<br />

um die Stromversorgung nicht nur<br />

klimafre<strong>und</strong>licher, sondern auch nahezu<br />

stickoxid- <strong>und</strong> feinstaubfrei zu machen.<br />

Wir sind davon überzeugt, dass diese<br />

saubere Technologie in großem Umfang<br />

eingesetzt werden kann.“<br />

Neben effizienten HLKK-Infrastrukturen<br />

(Heizung, Lüftung, Klima <strong>und</strong> Kälte) spielt<br />

die sinnvolle Nutzung der Abwärme<br />

eine wichtige Rolle, um Rechenzentren<br />

nachhaltiger zu gestalten. „Wir bei<br />

E.ON haben eine Fernwärmetechnologie<br />

der nächsten Generation namens<br />

ectogrid entwickelt, die sich perfekt in<br />

die Infrastruktur von Rechenzentren<br />

einfügt“, erklärt Andrea Miserocchi, Head<br />

of Segment Sales Data Center, Telecom &<br />

Media bei E.ON Business Solutions. An<br />

das lokale Fernwärmenetz angeschlossen<br />

können Rechenzentren so ihre überschüssige<br />

Wärme unkompliziert <strong>und</strong> ohne<br />

weitere Belastungen mit ihren Nachbarn<br />

teilen („Good Neighbor Energy“).<br />

Das Binero-Projekt: ein grünes<br />

Datacenter in Schweden<br />

Wie so ein „grünes“ Rechenzentrum in<br />

der Praxis funktioniert, kann man in<br />

Bällstaberg (Vallentuna) in Schweden<br />

sehen. Dort entwickelte E.ON gemeinsam<br />

mit der Binero Group AB, einem<br />

schwedischen Anbieter für digitale Infrastrukturen,<br />

ein nachhaltiges Datacenter.<br />

76 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


Im Zentrum stand dabei nicht nur die<br />

Herausforderung, das Internet „grüner“<br />

zu machen. Auch Unternehmen <strong>und</strong><br />

Gesellschaft sollten davon profitieren.<br />

Der Fokus bei der Entwicklung lag daher<br />

auf energieeffizienten Technologien <strong>und</strong><br />

Kühlsystemen sowie auf der Energierückgewinnung.<br />

Die entsprechenden<br />

Lösungen lieferte E.ON.<br />

Das neue Rechenzentrum verfügt über<br />

jeweils zwei separate Kreislaufsysteme<br />

sowohl für die Energieversorgung als<br />

auch für die Kühlung. Sie sind dabei<br />

red<strong>und</strong>ant aufgebaut <strong>und</strong> so konzipiert,<br />

dass sie die komplette IT-Last individuell<br />

bewältigen können. Das schützt vor<br />

Ausfällen <strong>und</strong> macht Wartungen leichter.<br />

Die nötige Energie beziehen die Systeme<br />

aus regionalen Netzen. Außerdem<br />

sind sie mit einer modularen, unterbrechungsfreien<br />

Stromversorgung (USV)<br />

ausgestattet. Die Umwandlung von Hoch-<br />

in Niedrigspannung erfolgt vor Ort auf<br />

dem Gr<strong>und</strong>stück des Rechenzentrums,<br />

was große Stromressourcen ermöglicht.<br />

Die Energie ist zu 100 Prozent nachhaltig<br />

<strong>und</strong> stammt aus erneuerbaren Quellen,<br />

wie zum Beispiel der Windkraft.<br />

Die Binero Group „recycelt“ zudem die<br />

überschüssige Abwärme ihres Datacenters.<br />

Diese wird nämlich in das lokale<br />

Fernwärmenetz von E.ON eingespeist.<br />

So spart die Binero Group Energie <strong>und</strong><br />

unterstützt gleichzeitig die örtliche<br />

Gemeinschaft. Wenn der Standort voll<br />

erschlossen ist, kann E.ON durch diese<br />

Abwärme den Energiebedarf eines Drittels<br />

der Einwohner von Vallentuna decken.<br />

Nachhaltige Lösungen für die<br />

Gemeinschaft<br />

Mit solchen Technologien liefert E.ON<br />

hocheffiziente Lösungen zur Reduzierung<br />

der Energiekosten, zur Erhöhung<br />

der Verfügbarkeit der Energie <strong>und</strong> zur<br />

Nachhaltigkeit seiner K<strong>und</strong>en. Auch<br />

die Gemeinschaft profitiert: „Durch die<br />

Bündelung der E.ON-Infrastruktur mit<br />

den anderen E.ON-Diensten (Fernwärme,<br />

Ladestationen für Elektrofahrzeuge,<br />

Solar-PV, Energiespeicher, Demand-<br />

Side-Response-Dienste usw.) entwickeln<br />

wir Stadtquartiere in den europäischen<br />

Großstädten“, fügte Miserrochi hinzu.<br />

Damit leistet E.ON auch einen wichtigen<br />

Beitrag zu den UN-Nachhaltigkeitszielen<br />

(<strong>SDGs</strong>), vor allem SDG 7 (bezahlbare <strong>und</strong><br />

saubere Energie), SDG 11 (Nachhaltige<br />

Städte <strong>und</strong> Gemeinden) <strong>und</strong> SDG 13<br />

(Maßnahmen zum Klimaschutz). Die<br />

Lösungen für Rechenzentren zahlen<br />

außerdem auf SDG 9 (Industrie, Innovation<br />

<strong>und</strong> Infrastruktur) <strong>und</strong> SDG 12<br />

(nachhaltiger Konsum <strong>und</strong> Produktion)<br />

ein.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

77


GOOD PRACTICE<br />

Nah am K<strong>und</strong>en<br />

RHEANCE One® als kosmetischer Rohstoff auf Basis pflanzlicher Zucker<br />

Bei Entwicklung <strong>und</strong> Produktion innovativer Inhaltsstoffe für die Kosmetikindustrie setzt das<br />

Care Solutions-Geschäft von Evonik auf Transparenz, Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Dialog.<br />

Von Michaela Hauberg <strong>und</strong> Hannelore Gantzer, Corporate Responsibility, Evonik<br />

Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Natürlichkeit sind in<br />

der Kosmetikindustrie wichtige Erfolgsfaktoren.<br />

Immer mehr Verbraucher beziehen<br />

den Beitrag zu Klima- <strong>und</strong> Ressourcenschonung<br />

aktiv in ihre Kaufentscheidungen<br />

mit ein. Hersteller <strong>und</strong> Handelsketten<br />

greifen die neuen Anforderungen auf <strong>und</strong><br />

richten ihr Portfolio entsprechend aus.<br />

Nachhaltigkeitsversprechen stetig<br />

weiterentwickeln<br />

Für die Zulieferer hochwertiger Inhaltsstoffe<br />

in der Kosmetikindustrie ist es<br />

mit der Bereitstellung erstklassiger Qualität<br />

zu angemessenen Preisen längst<br />

nicht mehr getan. Vielmehr muss das<br />

Nachhaltigkeitsversprechen umfassend<br />

transparent gemacht <strong>und</strong> in enger Zusammenarbeit<br />

mit dem K<strong>und</strong>en kontinuierlich<br />

weiterentwickelt werden.<br />

Evonik hat sich mit seinem Geschäftsgebiet<br />

Care Solutions schon früh auf<br />

diese Entwicklung vorbereitet. Knapp<br />

90 Prozent der Produkte, die Evonik<br />

im Markt für Personal Care anbietet,<br />

beruhen aktuell auf nachwachsenden<br />

Rohstoffen. Lebenszyklusanalysen sorgen<br />

für die erforderliche Transparenz von<br />

der Rohstoffquelle, über das gehandelte<br />

Endprodukt bis zum Verbleib potenzieller<br />

Abbaustoffe nach der Nutzung. Kurz:<br />

Messbarkeit <strong>und</strong> Nachverfolgbarkeit sind<br />

für Care Solutions die Schlüssel zu einem<br />

belastbaren Nachhaltigkeitsversprechen.<br />

Strategische Erweiterung des<br />

Portfolios<br />

Die Kosmetikbranche ist ein äußerst<br />

dynamisches Geschäft. Spezialisierung,<br />

Forschung <strong>und</strong> Entwicklung haben einen<br />

hohen Stellenwert. Auf dem Weg zu innovativen<br />

Produkten kombiniert Evonik<br />

deshalb sein Technologie-Know-how der<br />

Bereiche organische Stoffe („Organics“),<br />

Silikone, Biotechnologie <strong>und</strong> Wirkstoffe<br />

zu integrierten Plattformlösungen. Die<br />

Anwendungen reichen von der Haar<strong>und</strong><br />

Hauptpflege über Sonnenschutz,<br />

Bad- <strong>und</strong> Duschpflege bis hin zu dekorativer<br />

Kosmetik, Anti-Aging-Wirkstoffen<br />

<strong>und</strong> Deodorants. Die höchsten Wachstumsraten<br />

im Kernmarkt Europa erzielt<br />

Care Solutions mit Naturkosmetik <strong>und</strong><br />

78 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


alternativer Konservierung. Gezielte Erweiterungen<br />

des Portfolios tragen dieser<br />

Entwicklung Rechnung: Mit dem Erwerb<br />

von Advanced Botanicals (Alkion, biotechnologische<br />

Herstellung pflanzlicher<br />

Kosmetikwirkstoffe, 2016), Delivery Systems<br />

(Air Products, Verkapselungstechnologien<br />

für Kosmetikwirkstoffe, 2017)<br />

<strong>und</strong> Dr. Straetmans (alternative Konservierungssysteme<br />

für Kosmetikprodukte,<br />

2017) ist Nachhaltigkeit Kernbestandteil<br />

aller laufenden <strong>und</strong> künftigen Portfolioentwicklungen<br />

bei Care Solutions.<br />

Hohe Transparenz für K<strong>und</strong>en<br />

Die CAREtain® Toolbox: Abbildung von<br />

Nachhaltigkeitsaspekten entlang der<br />

gesamten Wertschöpfungskette.<br />

Evonik entwickelt ressourcenschonende Wirkstoffe für Kosmetik.<br />

Aber wohin geht die Reise in den kommenden<br />

Jahren? Die Konvergenz von<br />

Nachhaltigkeitsanforderungen <strong>und</strong> digitalen<br />

Technologien ist eines der marktbestimmenden<br />

Themen. Der Einsatz<br />

digitaler Labels – wie etwa QR-Codes<br />

– eröffnet via Smartphone bislang kaum<br />

erschlossene Möglichkeiten der informierten<br />

Kaufentscheidung. Wieviel Substanz<br />

ein Nachhaltigkeitsversprechen hat, werden<br />

Verbraucher künftig in Echtzeit <strong>und</strong><br />

entlang der gesamten Wertschöpfungskette<br />

nachverfolgen können. Care Solutions<br />

hat sich darauf mit der CAREtain®<br />

Toolbox (Erreichbar ist dieses Tool über<br />

einen Login auf der Website intobeauty.<br />

evonik.com.) vorbereitet, einem eigens<br />

entwickelten Informationssystem, das<br />

eine Vielzahl relevanter Zahlen, Daten<br />

<strong>und</strong> Fakten r<strong>und</strong> um die produktbezogene<br />

Nachhaltigkeit bereitstellt. Daneben<br />

sorgt Evonik auch mit der webbasierten<br />

Plattform IntoBeauty für mehr Transparenz<br />

<strong>und</strong> innovative Anstöße.<br />

Neben der eigenen Nachhaltigkeitsverpflichtung<br />

geht<br />

es hier vor allem darum,<br />

den Business-to-Business-<br />

K<strong>und</strong>en ein Instrument<br />

an die Hand zu geben,<br />

das die Entwicklung<br />

neuer, ökologisch<br />

optimierter Produkte<br />

vereinfacht. Der<br />

Informationszugriff<br />

hinsichtlich Rohstoffquellen<br />

<strong>und</strong> Inhaltsstoffen,<br />

RSPO-Zertifizierung<br />

(Ro<strong>und</strong>table<br />

on Sustainable Palm Oil),<br />

biologischer Abbaubarkeit<br />

oder Naturkosmetik-Konformität<br />

erlaubt es Kosmetikherstellern, die<br />

Bedürfnisse ihrer Endk<strong>und</strong>en von den<br />

ersten Entwicklungsphasen an in das<br />

Produktdesign einzubinden – wahlweise<br />

auch mit Fokus auf besonders ressourcenschonende<br />

Prozesse aus Biotechnologie<br />

oder enzymatischer Veresterung.<br />

Entscheidet sich der Entwickler für den<br />

Auswahlpunkt „Eco-Application“, so findet<br />

er kalt verwendbare Emulgatoren,<br />

multifunktionale sowie hoch konzentrierte<br />

Inhaltsstoffe. Ebenso kann<br />

er die biologische Abbaubarkeit<br />

als Selektionskriterium heranziehen.<br />

Die Beispiele zeigen:<br />

Evonik verfügt über<br />

langjährige Erfahrungen<br />

<strong>und</strong> eine ausgewiesene<br />

Expertise bei<br />

ressourcenschonenden<br />

Prozessen entlang eines<br />

weiten Spektrums an<br />

Inhaltsstoffen. Das ist<br />

eine gute Basis für die<br />

gemeinsame Arbeit an<br />

einer neuen Generation<br />

innovativer Produkte <strong>und</strong><br />

zukunftsweisender Lösungen.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

79


GOOD PRACTICE<br />

Good Practice<br />

von H bis Z<br />

Für die redaktionellen Beiträge dieser Rubrik sind ausschließlich die Unternehmen <strong>und</strong> ihre Autoren selbst verantwortlich.<br />

80 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


82<br />

iPoint-systems<br />

84<br />

ista<br />

86<br />

Lufthansa Group<br />

88<br />

macondo publishing<br />

90<br />

MAN<br />

92<br />

Merck<br />

94<br />

Pervormance International<br />

96<br />

Symrise<br />

98<br />

TÜV Rheinland<br />

100<br />

Weidmüller<br />

102<br />

Wilo<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

81


GOOD PRACTICE<br />

DIBICHAIN:<br />

Transparente Stoffkreisläufe<br />

mit Blockchain<br />

Die Circular Economy bietet als ressourcenschonendes Wirtschaftsmodell eine nachhaltige<br />

Alternative zu bisherigen ökonomischen Strategien. Aber sie stellt Unternehmen auch vor große<br />

Herausforderungen. Vielversprechend sind in diesem Zusammenhang digitale Technologien.<br />

Das Softwarehaus iPoint erforscht gemeinsam mit Industriepartnern im Forschungsprojekt<br />

DIBICHAIN, wie die Blockchain-Technologie für die Kreislaufwirtschaft angewendet werden kann.<br />

Von Dr. Katie Böhme, Head of Corporate<br />

Communications, iPoint-systems<br />

In Zeiten des Klimawandels <strong>und</strong> der<br />

zunehmenden Ressourcenknappheit<br />

wird nachhaltiges Wirtschaften immer<br />

wichtiger. Das heißt aber auch, das insbesondere<br />

bei Unternehmen ein Umdenken<br />

stattfinden muss. Als besonders<br />

ressourcenschonend <strong>und</strong> damit<br />

zukunftsweisend gilt die Circular Economy<br />

(Kreislaufwirtschaft). Der zentrale<br />

Gedanke bei einer Kreislaufwirtschaft ist<br />

die Etablierung geschlossener Materialkreisläufe:<br />

Statt Stoffe oder Einzelteile<br />

von Produkten am Ende ihres Gebrauchs<br />

zu entsorgen, sollen sie wieder in biologische<br />

oder technische Kreisläufe zurückgeführt<br />

werden. Recycling, Demontage<br />

<strong>und</strong> Wiederverwertung stehen im<br />

Vordergr<strong>und</strong>, im Idealfall gibt es keine<br />

Abfälle. Dadurch werden wertvolle Ressourcen<br />

gespart.<br />

Die nötigen Prozesse einer Circular<br />

Economy sind aber hochkomplex <strong>und</strong><br />

für Unternehmen sehr herausfordernd.<br />

Um diese wirklich nachhaltig <strong>und</strong> vor<br />

allem effizient umsetzen zu können,<br />

gilt es, den kompletten Lebenszyklus<br />

eines Produktes oder Stoffes im Blick<br />

zu haben. Alle physischen Stoffströme<br />

müssen über den gesamten Produktkreislauf<br />

hinweg analysiert, bewertet <strong>und</strong><br />

schließlich interpretiert werden. Auch<br />

die Erhebung von Daten entlang der<br />

Lieferkette ist aufwändig. Ein Beispiel:<br />

In einem Smartphone stecken h<strong>und</strong>erte<br />

Einzelteile. Die wiederum bestehen aus<br />

über 60 verschiedenen Rohstoffen <strong>und</strong><br />

Materialien. Will man die Lieferkette<br />

komplett transparent machen, muss<br />

man jedes einzelne davon bis zu seinem<br />

Ursprungsort zurückverfolgen. Das ist<br />

nicht nur kompliziert <strong>und</strong> zeitaufwändig,<br />

sondern auch mit hohen Kosten verb<strong>und</strong>en.<br />

Ein weiterer Punkt: Alle Daten, die<br />

im Rahmen der Kreislaufwirtschaft <strong>und</strong><br />

entlang der Lieferkette erhoben werden,<br />

müssen aktuell, transparent, manipulationssicher<br />

<strong>und</strong> auch verschlüsselbar sein.<br />

Blockchain als Schlüsseltechnologie<br />

Das Softwarehaus iPoint-systems sieht<br />

hierfür großes Potenzial in digitalen Technologien.<br />

Besonders vielversprechend ist<br />

dabei Blockchain, erklärt Jörg Walden,<br />

iPoint-CEO: „Wir sind davon überzeugt,<br />

dass die Blockchain-Technologie für diese<br />

Herausforderungen <strong>und</strong> den Aufbau von<br />

kreislaufwirtschaftlichen Systemen von<br />

großem Nutzen sein kann. Denn mit<br />

Blockchain können Informationen allen<br />

Nutzern des Systems quasi in Echtzeit<br />

kontrolliert zugänglich gemacht werden.<br />

Das geistige Eigentum, die Intellectual<br />

Property eines jeden Einzelnen bleibt<br />

trotzdem geschützt <strong>und</strong> der Nutzer behält<br />

die Datenhoheit. Nur im Konsens können<br />

die Regeln bezüglich der Sichtbarkeit der<br />

Daten geändert werden. Auf diese Weise<br />

ist quasi alles <strong>und</strong> jeder miteinander<br />

verb<strong>und</strong>en, was ganz andere Innovationszyklen<br />

<strong>und</strong> Businessmodelle ermöglicht.“<br />

Blockchain vereinfacht nicht nur den<br />

Informationsfluss im Unternehmen <strong>und</strong><br />

mit Stakeholdern. Die Daten sind so<br />

außerdem fälschungssicher. Einmal verifiziert,<br />

kann man sie nicht mehr ändern<br />

oder manipulieren, ohne dass es dem<br />

System auffallen würde. Zudem lassen<br />

sich die Informationen kryptographisch<br />

verschlüsseln. Die Speicherung der Daten<br />

in einer Blockchain erfolgt dezentral.<br />

Damit entfällt die Abhängigkeit von<br />

einem einzelnen Server <strong>und</strong> mehrere<br />

Systeme überwachen den Datenfluss.<br />

Projekt DIBICHAIN<br />

Bisher ist allerdings noch nicht ausreichend<br />

erforscht, wie sich die Blockchain-<br />

82 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


Technologie auf die Kreislauswirtschaft<br />

anwenden lässt. Um das zu ändern,<br />

nimmt iPoint mit den Industriepartnern<br />

Altran Deutschland, Blockchain<br />

Research Lab, CHAINSTEP <strong>und</strong> Airbus<br />

an dem Forschungsprojekt DIBICHAIN<br />

teil. Hauptziel ist dabei, das Potential<br />

der Blockchain zur digitalen Abbildung<br />

von Produktkreisläufen zu untersuchen<br />

– insbesondere auch im Hinblick auf<br />

Dezentralität, Zuverlässigkeit <strong>und</strong> Fälschungssicherheit.<br />

Als Teil der Blockchain-Strategie<br />

der B<strong>und</strong>esregierung,<br />

die im September <strong>2019</strong> verabschiedet<br />

wurde, wird DIBICHAIN im Rahmen<br />

der Maßnahme „Ressourceneffiziente<br />

Kreislaufwirtschaft – innovative Produktkreisläufe“<br />

(ReziProK) des B<strong>und</strong>esministeriums<br />

für Bildung <strong>und</strong> Forschung<br />

(BMBF) gefördert. Das Forschungsprojekt<br />

startete im Juli <strong>2019</strong> <strong>und</strong> ist auf 36 Monate<br />

ausgelegt.<br />

Im Rahmen des DIBICHAIN-Projekts entsteht<br />

zunächst ein Software-Demonstrator.<br />

Dieser wird am Beispiel eines von<br />

Airbus gefertigten bionischen Bauteils<br />

<strong>und</strong> auf der Gr<strong>und</strong>lage der Blockchain-<br />

Technologie entwickelt. Damit will das<br />

Projektteam die Eignung von Blockchain<br />

für die Circular Economy bewerten. „Aus<br />

der Evaluation des entwickelten Demonstrators<br />

soll zum einen eine Wissensbasis<br />

für die Anwendung einer Blockchain<br />

für die Circular Economy entwickelt<br />

werden <strong>und</strong> zum anderen Ansatzpunkte<br />

für weitere Forschungsvorhaben offengelegt<br />

werden, um das volle Potential<br />

von Blockchain <strong>und</strong> anderen Distributed<br />

Ledger Technologien zu erschließen“, sagt<br />

Sebastian Galindo, iPoint-Projektmanager.<br />

Langjährige Expertise von iPoint<br />

iPoint unterstützt das Projekt mit<br />

wichtiger Expertise: „Mit unserem stetig<br />

wachsenden Ökosystem aus 50.000<br />

Unternehmen bringt iPoint topaktuelles<br />

Technologie-Know-How sowie<br />

langjährige Erfahrung mit Akteuren,<br />

Due-Diligence-Prozessen <strong>und</strong> Problemlösungen<br />

im Downstream-Bereich in das<br />

Forschungsprojekt mit ein“, weiß Walden.<br />

Für das Softwarehaus ist DIBICHAIN<br />

nicht das erste Forschungsprojekt r<strong>und</strong><br />

um die Blockchain-Technologie. Bereits<br />

Anfang 2018 startete iPoint mit „Sustain-<br />

Block“ ein Blockchain-Projekt im Bereich<br />

Konfliktrohstoffe, das die Lieferkette digital<br />

verfolgbar <strong>und</strong> damit transparenter<br />

macht. Mit der Community-Plattform<br />

SustainHub steht den K<strong>und</strong>en außerdem<br />

eine Softwarelösung zur effizienten <strong>und</strong><br />

einfachen Kommunikation <strong>und</strong> Datenerfassung<br />

in der Lieferkette zur Verfügung.<br />

Über das System lassen sich auch weitere<br />

Compliance-Anforderungen im Bereich<br />

Umwelt, Soziales <strong>und</strong> Materialien wie<br />

etwa die REACH-Verordnung oder die<br />

RoHS-Richtlinie bewerkstelligen.<br />

Nicht nur die K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Projektpartner<br />

profitieren von den langjährigen<br />

Erfahrungen. iPoint leistet mit seinen<br />

Software-Lösungen <strong>und</strong> den Forschungsprojekten<br />

zudem einen wichtigen Beitrag<br />

zu den UN-Nachhaltigkeitszielen (<strong>SDGs</strong>).<br />

Das Geschäftsmodell <strong>und</strong> das Geschäftsportfolio<br />

von iPoint zahlen insbesondere<br />

sowohl auf SDG 8 (Menschenwürdige<br />

Arbeit <strong>und</strong> Wirtschaftswachstum) als<br />

auch auf SDG 12 (Nachhaltige/r Konsum<br />

<strong>und</strong> Produktion) ein.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

83


GOOD PRACTICE<br />

ista unterstützt die<br />

„Generation Klimaschutz“<br />

Klimaschutz ist für den Energiedienstleister ista ein besonders wichtiges Thema. Mit „ista macht<br />

Schule“ hilft das Unternehmen vor allem jungen Menschen dabei, ihre Schulen energieeffizienter<br />

<strong>und</strong> nachhaltiger zu machen. Hierzu fand <strong>2019</strong> der „KlimaHelden-Contest“ statt: Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler konnten sich mit ihren nachhaltigen Schulprojekten beteiligen <strong>und</strong> Preisgelder<br />

gewinnen.<br />

Von Katharina Kemler, Specialist Corporate Communications, ista<br />

Ein Thema mobilisiert derzeit besonders<br />

viele junge Menschen: Klimaschutz. Tausende<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler gehen<br />

freitags auf die Straßen, um insbesondere<br />

für die Einhaltung der Pariser Klimaziele<br />

zu demonstrieren. Auch Unternehmen<br />

sind hierbei gefordert. Der Energiedienstleister<br />

ista ist sich seiner Verantwortung<br />

bewusst: „Klimaschutz ist ein globales<br />

Projekt, das große gemeinsame Anstrengungen<br />

verlangt. ‚Fridays for Future‘<br />

geht mit gutem Beispiel voran. Junge<br />

Menschen auf der ganzen Welt setzen<br />

sich für ihre Zukunft ein. Sie zeigen: Wir<br />

werden beim Klimaschutz nur gemeinsam<br />

etwas erreichen – <strong>und</strong> dabei ist<br />

es durchaus entscheidend, was der Einzelne<br />

beiträgt“, sagt Thomas Zinnöcker,<br />

CEO von ista.<br />

Daher hat ista nicht nur seine Geschäftsstrategie<br />

nachhaltig ausgerichtet, sondern<br />

unterstützt mit dem Bildungsprojekt<br />

„ista macht Schule“ junge Menschen<br />

dabei, Klimaschutz in ihren Alltag einzubinden.<br />

Das Projekt zahlt damit auch<br />

auf die Sustainable Development Goals<br />

der Vereinten Nationen ein, insbesondere<br />

SDG 4 (hochwertige Bildung), SDG 7<br />

(bezahlbare <strong>und</strong> saubere Energie) <strong>und</strong><br />

SDG 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz).<br />

Ein Crowdf<strong>und</strong>ing-Wettbewerb für<br />

das Klima<br />

In diesem Rahmen veranstaltete „ista<br />

macht Schule“ im Jahr <strong>2019</strong> gemeinsam<br />

mit den Partnern „BildungsCent e.V.“,<br />

„Die Multivision e.V.“ <strong>und</strong> „Startnext“<br />

den KlimaHelden-Contest. Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler, die in ihren Schulen Nachhaltigkeitsprojekte<br />

umsetzen wollten,<br />

konnten sich mit ihren Ideen für den<br />

Crowdf<strong>und</strong>ing-Wettbewerb bis Ende<br />

Die Gewinner des KlimaHelden-Contests<br />

Januar <strong>2019</strong> bewerben. Um zu gewinnen,<br />

mussten die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

bis Anfang Mai <strong>2019</strong> möglichst viele<br />

Menschen von ihrer Idee überzeugen.<br />

Die ersten drei Plätze honorierte ista<br />

mit einem Preisgeld.<br />

Über die meisten Unterstützer <strong>und</strong> damit<br />

über den ersten Platz konnte sich schließlich<br />

die Gesamtschule Essen-Holsterhausen<br />

freuen. Für ihr Lerngarten-Projekt<br />

sammelten die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

5.555 Euro von 237 Unterstützern. Damit<br />

wird die Schule ihren Schulgarten<br />

erweitern <strong>und</strong> ein Gewächshaus bauen.<br />

Dort wird z. B. Gemüse für den Hauswirtschaftsunterricht<br />

angebaut. Des Weiteren<br />

legt die Schule einen Teich an, der als<br />

84 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


Lebensraum für Mikroorganismen dient.<br />

Ein Geräteschuppen ist ebenfalls geplant<br />

<strong>und</strong> auch das Insektenhotel wollen die<br />

jungen Essener erweitern. „Das Schulleben<br />

sowie der Unterricht sind neben<br />

weiteren relevanten Aspekten auf Nachhaltigkeit<br />

ausgerichtet“, so Lehrer Petja<br />

Kaslack. „Nachhaltigkeit ist kein Wort an<br />

der Tafel, sondern hautnah zu erleben.“<br />

Projekte zum Reparieren & Recyceln<br />

Den zweiten Platz ergatterte die Projektgruppe<br />

„RepairAG – folgen_reich<br />

reparieren“ des Wilhelm-Gymnasiums<br />

Braunschweig. Sie erhielt von 200 Unterstützern<br />

4.217 Euro. Das Ziel der Projektgruppe:<br />

Die Müllberge in ihrer Schule<br />

reduzieren <strong>und</strong> das Wegwerfverhalten<br />

ändern. Das Geld wollen die Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler in neue Arbeitsplätze<br />

<strong>und</strong> Werkzeuge investieren. Damit sollen<br />

kaputte Gegenstände zukünftig repariert,<br />

statt entsorgt, werden.<br />

Das Entsorgungsverhalten thematisierte<br />

auch die Haupt- <strong>und</strong> Realschule Kreiensen<br />

im niedersächsischen Greene. Mit<br />

ihrem Projekt „Müll trennen mit Kopf,<br />

Herz <strong>und</strong> Hand“ landeten die Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler mit 3.140 Euro von 91<br />

Unterstützern auf Platz drei des Wettbewerbs.<br />

Mit dem Geld wird die Schule<br />

mit neuen Müllbehältern aus recyceltem<br />

Material für ein Mülltrennungssystem<br />

ausgestattet. So wollen die Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler ein Bewusstsein für das<br />

Sammeln <strong>und</strong> Recyceln von Rohstoffen<br />

wecken.<br />

Das Technische Gymnasium<br />

Holzminden sicherte<br />

sich den Sonderpreis –<br />

eine Schulveranstaltung<br />

des Partners „die Multivision<br />

e.V.“ zum Thema<br />

„Energievision 2050“. Die<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

entwickelten einen energieerzeugenden<br />

Fußboden,<br />

den sogenannten „Energy<br />

Floor“, der durch Schritte<br />

Strom generiert <strong>und</strong><br />

speichert. Mit der F<strong>und</strong>ingsumme<br />

von 520<br />

Euro soll der Prototyp<br />

noch weiter verbessert<br />

werden.<br />

Ausgezeichnet wurden alle Gewinner<br />

im Mai <strong>2019</strong> auf den Berliner Energietagen<br />

im Rahmen einer Stakeholder-<br />

Veranstaltung zum Thema „Generation<br />

Klimaschutz“.<br />

Ein Ergänzungspaket für die Klima-<br />

Kiste<br />

Mit „ista macht Schule“ bringt ista schon<br />

seit 2017 das Thema Klimaschutz in<br />

Bildungseinrichtungen. „Wir wollen<br />

Jugendliche dazu befähigen, Energiesparpotenziale<br />

in ihren Schulen aufzudecken<br />

<strong>und</strong> bei Energieverschwendung selbst<br />

für Abhilfe zu sorgen“, erklärt ista auf<br />

der Projekt-Homepage. Aus dieser Idee<br />

heraus entstand auch die „KlimaKiste“,<br />

die ista gemeinsam mit dem gemeinnützigen<br />

Verein BildungsCent im Jahr 2018<br />

an 100 Schulen in ganz Deutschland<br />

verteilte. Die „KlimaKiste“ enthält zahlreiche<br />

Lernmaterialien sowie Messgeräte<br />

mit denen die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

selbst aktiv werden <strong>und</strong> energetische<br />

Schwachstellen im Schulgebäude ausfindig<br />

machen können.<br />

Ein Jahr später war es an der Zeit Feedback<br />

einzuholen. R<strong>und</strong> 60 Lehrerinnen<br />

<strong>und</strong> Lehrer nahmen an der Online-Umfrage<br />

zur „KlimaKiste“ teil. Die wichtigsten<br />

Erkenntnisse: Im Schulalltag<br />

wünscht sich die Mehrheit der Lehrkräfte<br />

zum einen mehr Zeit für das Thema<br />

„Klima“. Zum anderen sind Materialien<br />

in ganzen Klassensätzen gefragt. Daher<br />

konzipierten „ista macht Schule“ <strong>und</strong><br />

BildungsCent ein Ergänzungspaket zur<br />

„KlimaKiste“, das im Oktober an 50 Schulen<br />

ausgegeben wurde. Dieses enthält<br />

unter anderem 30 Thermometerkarten,<br />

um unterschiedliche Raumtemperaturen<br />

messen zu können, sowie 30 ausschaltbare<br />

Zwischenstecker, mit denen sich<br />

Strom sparen lässt. Neben einer Neuauflage<br />

des KlimaWissen-Heftes gibt es<br />

zudem eine Solarladestation, die den<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern die erneuerbare<br />

Energieversorgung näherbringen<br />

soll. Ergänzt wird das Klimapaket durch<br />

ein Postkarten-Set. Diese können sowohl<br />

die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler als auch<br />

ihre Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer nutzen, um<br />

ihre Wünsche an die Projektverantwortlichen<br />

zu schicken. Denn auch 2020 soll<br />

es weitergehen mit „ista macht Schule“.<br />

Ausgangspunkt ist die Frage an die Lehrerinnen<br />

<strong>und</strong> Lehrer: „Was würden Sie für<br />

den Klimaschutz tun, wenn wir Ihnen<br />

Zeit schenken würden?“<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

85


GOOD PRACTICE<br />

Drei Zeithorizonte für<br />

Klimaschutz im Luftverkehr<br />

Wie sieht der Luftverkehr der Zukunft aus <strong>und</strong> welche klimafre<strong>und</strong>lichen Technologien<br />

stehen dafür bereit? Mit der Frage, wie die schnelle Beförderung von Menschen <strong>und</strong> Gütern<br />

per Flugzeug möglichst effizient <strong>und</strong> umweltschonend erfolgen kann, beschäftigt sich die<br />

Lufthansa Group intensiv.<br />

Von Lufthansa Group Communications<br />

Der Luftverkehr verbindet weltweit Menschen,<br />

Länder <strong>und</strong> Kulturen <strong>und</strong> sorgt<br />

für schnelle Warenströme r<strong>und</strong> um den<br />

Globus. Der Luftverkehr ist auch ein<br />

Wachstumssektor. Für die Lufthansa<br />

Group geht das einher mit der Verantwortung,<br />

die Umweltauswirkungen des<br />

Fliegens auf ein unvermeidbares Maß<br />

zu begrenzen.<br />

Investition in sparsame Flugzeuge<br />

Der Einsatz sparsamer Flugzeuge der<br />

neuesten Generation ist kurzfristig der<br />

größte Hebel, um Emissionen im Luftverkehr<br />

zu reduzieren. Die Lufthansa Group<br />

investiert daher fortlaufend in moderne<br />

Flugzeug- <strong>und</strong> Triebwerkstechnologien<br />

<strong>und</strong> erhält in den nächsten zehn Jahren<br />

im Schnitt alle zwei Wochen ein neues,<br />

treibstoffeffizienteres Flugzeug. Die CO 2<br />

-<br />

Reduktion im Vergleich zu Vorgängermodellen<br />

beträgt dabei bis zu 25 Prozent.<br />

Darüber hinaus erfolgen die dienstlichen<br />

Flugreisen der Mitarbeiter der Lufthansa<br />

Group seit <strong>2019</strong> CO 2<br />

-neutral.<br />

Engagement für effizienten<br />

EU-Luftraum<br />

Mittelfristig lassen sich durch ein effizientes<br />

Luftraum-Management im euro-<br />

86 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


päischen Luftverkehr CO 2<br />

-Einsparungen<br />

von bis zu 10 Prozent realisieren. In<br />

Europa sind noch zahlreiche Flugverkehrszentren<br />

für die Flugsicherheit in<br />

verschiedenen nationalen Systemen zuständig.<br />

Dadurch können Flugzeuge nur<br />

selten den optimalen Flugweg zum Ziel<br />

nehmen. Die Lufthansa Group setzt sich<br />

daher für die Schaffung eines zuverlässigen<br />

<strong>und</strong> effizienten EU-Luftraums ein.<br />

Einsatz nachhaltiger alternativer<br />

Flugkraftstoffe<br />

Auf lange Sicht sind nachhaltige alternative<br />

Flugkraftstoffe, sogenanntes Sustainable<br />

Aviation Fuel (SAF), ein entscheidender<br />

technologischer Schlüssel, um die<br />

Zukunft des Fliegens nahezu CO 2<br />

-neutral<br />

zu gestalten. Zu dessen Produktion stehen<br />

verschiedene Ausgangsmaterialien<br />

zur Verfügung, insbesondere Rest- <strong>und</strong><br />

Abfallstoffe wie Altöle <strong>und</strong> -fette. Die<br />

Nachhaltigkeit von SAF liegt im Herstellungsprozess:<br />

Das CO 2<br />

, das im Flugbetrieb<br />

durch den Einsatz alternativer Kraftstoffe<br />

freigesetzt wird, wurde zuvor in Form<br />

von Biomasse oder Gasen absorbiert.<br />

Lufthansa hat bereits 2011 alternativen<br />

Kraftstoff im regulären Flugbetrieb<br />

getestet <strong>und</strong> damals aufgezeigt, dass<br />

dieser ohne Modifikation am Flugzeug<br />

<strong>und</strong> ohne Infrastruktur-Anpassungen<br />

eingesetzt werden kann. Die gemäß<br />

Treibstoffspezifikation zugelassene<br />

Höchstbeimischungsquote von SAF beträgt<br />

derzeit 50 Prozent.<br />

Kerosin durch Sustainable Aviation Fuel<br />

ersetzten. Die Plattform ermittelt dafür<br />

die Preisdifferenz <strong>und</strong> Lufthansa setzt<br />

den nachhaltigen alternativen Kraftstoff<br />

innerhalb von sechs Monaten ab<br />

Frankfurt im Flugbetrieb ein. Alternativ<br />

können Reisende Aufforstungsprojekte<br />

der Schweizer Stiftung myclimate unterstützen<br />

<strong>und</strong> damit langfristig zum<br />

Klimaschutz beitragen.<br />

Bei „Compensaid“ handelt es sich um<br />

die weltweit erste Onlineplattform dieser<br />

Art, die Endk<strong>und</strong>en eine transparente<br />

<strong>und</strong> schnell wirksame Möglichkeit gibt,<br />

mithilfe von alternativen Treibstoffen<br />

ihren CO 2<br />

-Verbrauch beim Fliegen auszugleichen.<br />

Die Konzern-Airlines Lufthansa<br />

<strong>und</strong> SWISS haben „Compensaid“ bereits<br />

als zentrales Kompensationsangebot in<br />

ihren Buchungsportalen verfügbar gemacht.<br />

Eine industrieweite Nutzung von SAF<br />

scheitert bislang an der verfügbaren<br />

Menge <strong>und</strong> den hohen Kosten des innovativen<br />

Treibstoffes, da derzeit nur wenige<br />

Raffinerien weltweit in der Lage sind, SAF<br />

zertifiziert <strong>und</strong> in ausreichenden Mengen<br />

zu produzieren. Daher ist es wichtig, den<br />

Auf bau von Produktionskapazitäten<br />

voranzutreiben. Die Lufthansa Group<br />

unterstützt dies mit konkreten Projekten.<br />

Der Konzern sieht insbesondere in<br />

strombasierten Kraftstoffen (Power-to-<br />

Liquid) eine echte Alternative zu fossilem<br />

Kerosin <strong>und</strong> hat <strong>2019</strong> unter anderem<br />

mit der Raffinerie Heide in Hamburg<br />

eine gemeinsame Absichtserklärung zur<br />

künftigen Produktion <strong>und</strong> Abnahme<br />

eines solchen Kerosins unterzeichnet.<br />

Diese Technologie befindet sich derzeit<br />

jedoch noch in einem frühen Stadium.<br />

Von einem Elektroantrieb für Mittel- <strong>und</strong><br />

Langstreckenflüge ist die Luftfahrt noch<br />

weit entfernt, da die Energiedichte heutiger<br />

Batterien im Vergleich zu Kerosin<br />

äußerst gering ausfällt. Gleiches gilt für<br />

einen Wasserstoffantrieb. Selbst in verflüssigter<br />

Form hat Wasserstoff nur ein<br />

Drittel der Dichte im Vergleich zu Kerosin,<br />

<strong>und</strong> die Speicherung großer Mengen<br />

Wasserstoff, die für lange Flugreisen<br />

notwendig wären, wäre technologisch<br />

extrem aufwendig.<br />

Die Lufthansa Group engagiert sich mit<br />

Nachdruck für klimafre<strong>und</strong>liche Mobilität<br />

<strong>und</strong> möchte nicht nur in der Luft, sondern<br />

auch am Boden einen messbaren Beitrag<br />

zu den globalen Nachhaltigkeitszielen<br />

der Vereinten Nationen leisten. Bis <strong>2030</strong><br />

wird der Konzern daher in Deutschland,<br />

Österreich <strong>und</strong> der Schweiz auf einen<br />

CO 2<br />

-neutralen Bodenbetrieb umstellen.<br />

Der Lufthansa Innovation Hub, die<br />

in Berlin ansässige Digitaleinheit der<br />

Lufthansa Group, hat eine zukunftsweisende<br />

K<strong>und</strong>enlösung für den Einsatz<br />

von SAF entwickelt: Reisende können<br />

seit August <strong>2019</strong> unabhängig von der<br />

Wahl ihrer Fluggesellschaft auf der Internet-Plattform<br />

„Compensaid“ fossiles<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

87


GOOD PRACTICE<br />

Blockaden überwinden,<br />

Zukunft sichern: „Nachhaltig<br />

Erfolgreich Führen“<br />

Alle sprechen über Nachhaltigkeit. Aber wie lässt sich das Thema in Unternehmen systematisch<br />

verankern? Und wie können Führungskräfte besser eingeb<strong>und</strong>en werden? Das b<strong>und</strong>esweite<br />

IHK-Management-Training „Nachhaltig Erfolgreich Führen“ der DIHK-Bildungs-GmbH bietet<br />

Antworten. macondo publishing koordiniert dabei die Ansprache der Geschäftsführer.<br />

Von macondo publishing<br />

In einer global vernetzten Welt sind<br />

Integrität <strong>und</strong> verantwortliches Handeln<br />

längst kein schmückendes Beiwerk<br />

mehr, sondern die Lizenz zur Existenz:<br />

Potenzielle Mitarbeiter wählen heute<br />

Arbeitgeber nach Reputation aus. K<strong>und</strong>en<br />

entscheiden immer öfter nach<br />

Umwelt- <strong>und</strong> Sozialkriterien. Der<br />

Gesetzgeber verschärft die Auflagen,<br />

nicht zuletzt beim Klimaschutz. Und die<br />

Lieferketten selbst werden aufgr<strong>und</strong> von<br />

politischen, sozialen <strong>und</strong> ökologischen<br />

Risiken immer fragiler. Damit erhöht<br />

sich auf alle gesellschaftlichen Akteure<br />

der Druck, nachhaltige, zukunftsfähige<br />

Alternativen zum Herkömmlichen<br />

zu entwickeln. Kurz: Nachhaltigkeit ist<br />

für jeden Geschäftsführer ein Thema.<br />

Und doch scheuen vor allem mittelständische<br />

Unternehmen oftmals die<br />

damit verb<strong>und</strong>enen komplexen Umstellungen<br />

betrieblicher Managementprozesse.<br />

Wie lassen sich Blockaden überwinden,<br />

<strong>und</strong> wie vermittelt man Führungskräften<br />

wertvolles Wissen über die Dimensionen<br />

Wirtschaft, Soziales <strong>und</strong> Umwelt? Diesen<br />

Fragen geht das vom B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Bildung <strong>und</strong> Forschung geförderte<br />

Projekt „Nachhaltig Erfolgreich Führen“<br />

unter Federführung der DIHK-Bildungs-<br />

GmbH nach. Projektziel ist es, zielgruppenspezifische<br />

Lerninhalte für die Unternehmensführung<br />

zu entwickeln sowie<br />

Führungskräfte aus dem mittleren Management<br />

<strong>und</strong> Nachhaltigkeits-Agenten<br />

bei der Umsetzung zu unterstützen.<br />

„Wir wollen Führungskräfte im Topmanagement<br />

von KMUs in die Lage<br />

versetzen, für ihr Unternehmen neue<br />

nachhaltige Wettbewerbsvorteilsstrategien<br />

zu entwickeln“, beschreibt der<br />

verantwortliche Projektreferent bei der<br />

DIHK-Bildungs-GmbH, Florian Pröbsting,<br />

den Anspruch. „Damit Führungskräfte<br />

des mittleren Managements eine unternehmensspezifische<br />

Nachhaltigkeitsstrategie<br />

in ihren Verantwortungsbereichen<br />

effektiv umsetzen können, bieten wir<br />

zudem praxisnahe Lerneinheiten zu<br />

relevanten Managementbereichen an.“<br />

Realisiert wird das dreijährige Projekt<br />

gemeinsam mit Unternehmen, Fachexperten<br />

sowie Industrie- <strong>und</strong> Handelskammern<br />

(IHKs). Für die Ansprache<br />

der hierbei wesentlichen Zielgruppe<br />

der Geschäftsführer <strong>und</strong> Inhaber sowie<br />

Gesellschafter <strong>und</strong> Aufsichtsräte mittelständischer<br />

Unternehmen hat Dr. Elmer<br />

Lenzen, Geschäftsführer der macondo<br />

publishing, die Initiative übernommen.<br />

Nutzen klar herausstellen<br />

„Wir wollen die Teilnehmer für Nachhaltigkeit<br />

im Unternehmenskontext sensibilisieren<br />

<strong>und</strong> – wo immer möglich – be-<br />

88 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


geistern“, beschreibt Lenzen die Ziele des<br />

IHK-Management-Trainings. „Es ist nicht<br />

unwahrscheinlich, dass Unternehmen,<br />

die dem Veränderungsdruck in Richtung<br />

Nachhaltigkeit nicht standhalten, schrittweise<br />

vom Markt verschwinden werden.<br />

Umgekehrt schaffen Unternehmen, denen<br />

es gelingt, nachhaltige Produkte<br />

<strong>und</strong> Dienstleistungen zu erstellen, die<br />

Voraussetzung für mittel- <strong>und</strong> langfristigen<br />

Erfolg.“<br />

Wertebasierte Führung ist gerade in Zeiten<br />

von <strong>Global</strong>isierung, Digitalisierung<br />

<strong>und</strong> hohem Innovationsdruck extrem<br />

wichtig <strong>und</strong> zugleich extrem komplex.<br />

Das schreckt viele ab – sei es, weil der<br />

Zugang zu schwierig erscheint, sei es,<br />

weil das Tagesgeschäft keine Zeit für<br />

solche „Extras“ zulässt. Genau diese Barrieren<br />

gilt es zu durchbrechen. Nichts<br />

überzeugt Entscheider dabei mehr als<br />

das Urteil anderer Entscheider. Nachhaltigkeitspioniere<br />

spielen daher als<br />

Botschafter <strong>und</strong> Vorbilder eine enorme<br />

Rolle.<br />

Barrieren überwinden<br />

Neben der Entwicklung von Chancen<br />

geht es in dem Projekt auch <strong>und</strong> gerade<br />

um das Überwinden von Barrieren.<br />

Auf diesem Weg sind drei wesentliche<br />

Hürden zu nehmen:<br />

www.nachhaltig-erfolgreich-fuehren-ihk.de<br />

• Die Weichenstellung für eine nachhaltige<br />

Ausrichtung des Unternehmens ist<br />

von der Unternehmensleitung vorzunehmen.<br />

Dies erfordert Zeit für strategische<br />

Überlegungen <strong>und</strong> Orientierungswissen,<br />

um sich in der Komplexität<br />

nachhaltiger Fragestellungen nicht zu<br />

verzetteln. Hohe zeitliche Belastung<br />

<strong>und</strong> zunehmende Spezialisierung in<br />

den betrieblichen Führungsbereichen<br />

wirken dem entgegen.<br />

• Die Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen<br />

ist zwar mittlerweile gesellschaftlich<br />

anerkannt, im Detail sind jedoch<br />

erhebliche Zielkonflikte zwischen den<br />

drei Säulen Ökonomie, Ökologie <strong>und</strong><br />

Soziales sowie ganz unterschiedliche<br />

Interessen der Stakeholder auszugleichen.<br />

Hinzu kommt, dass nachhaltige<br />

Geschäftsmodelle in der Regel langfristiger<br />

angelegt sind <strong>und</strong> der Kurzfristorientierung<br />

einzelner Stakeholder, z. B.<br />

von Finanzinvestoren, entgegenstehen.<br />

Die damit verb<strong>und</strong>enen Konflikte auszuhalten<br />

<strong>und</strong> auszutragen, erfordert ein<br />

hohes Maß an persönlicher Motivation.<br />

Der Weg des geringeren Widerstandes<br />

(der nicht nachhaltige) ist häufig verlockend.<br />

• Lange Zeit wurde Nachhaltigkeit mit<br />

Corporate Citizenship, d. h. der Verwendung<br />

erwirtschafteter Überschüsse<br />

für karitative oder umweltschützende<br />

Zwecke, gleichgesetzt. Das Bewusstsein,<br />

dass Nachhaltigkeit nicht als „Reparaturansatz“<br />

aufgefasst werden darf,<br />

sondern in jeder Phase des eigenen<br />

Wertschöpfungsprozesses sowie dem<br />

der Zulieferer <strong>und</strong> K<strong>und</strong>en mitgedacht<br />

<strong>und</strong> mitverantwortet werden muss,<br />

ist gerade bei kleinen <strong>und</strong> mittleren<br />

Unternehmen erst im Entstehen.<br />

Angestrebte Ziele<br />

Lenzen <strong>und</strong> sein Team setzen auf einen<br />

modularen Ansatz, bei dem der Zielgruppe<br />

immer wieder Möglichkeiten<br />

zum Quer-, Neu- <strong>und</strong> Wiedereinstieg<br />

geschaffen werden. Dabei kommen<br />

neben affirmativen Maßnahmen wie<br />

Abendveranstaltungen mit eloquenten<br />

Keynote-Speakern, einem Sommerfest<br />

<strong>und</strong> Vernetzungstreffen vor allem auch<br />

kognitive Maßnahmen wie Vertiefungsseminare<br />

zu Strategie, Steuerung <strong>und</strong><br />

Controlling sowie persönliche Motivationstrainings<br />

zum Einsatz.<br />

Zum Ende des Programms sollen Teilnehmende:<br />

• für die Themen Corporate Social Responsibility<br />

<strong>und</strong> Nachhaltigkeit sensibilisiert<br />

sein,<br />

• die Bedeutung <strong>und</strong> Ansatzpunkte der<br />

Nachhaltigkeit für sich selbst <strong>und</strong> für<br />

das eigene Unternehmen identifizieren<br />

können,<br />

• Nachhaltigkeitsfelder innerhalb der<br />

Wertschöpfungskette kennen,<br />

• Potenziale <strong>und</strong> Herausforderungen für<br />

die nachhaltige strategische Unternehmensausrichtung<br />

erkennen,<br />

• persönliche Motivation für Nachhaltigkeit<br />

verspüren <strong>und</strong> sie als Impuls für<br />

das eigene Leben verstehen,<br />

• die Kompetenz <strong>und</strong> das Wissen ihrer<br />

Fach- <strong>und</strong> Führungskräfte im Bereich<br />

Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Führung weiterentwickeln<br />

wollen,<br />

• aktiver oder passiver Teil des „Nachhaltig<br />

Erfolgreich Führen“-Netzwerkes<br />

sein.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

89


GOOD PRACTICE<br />

MAN reduziert seine<br />

CO 2<br />

-Emissionen um mehr<br />

als ein Viertel<br />

Mehr produzieren <strong>und</strong> zugleich weniger Ressourcen verbrauchen? Das muss kein Widerspruch<br />

sein. Der Nutzfahrzeughersteller MAN zeigt, wie ein Unternehmen durch konsequentes<br />

Klimamanagement sowohl Wachstums- als auch ökologische Ziele erreichen kann.<br />

Von Peter Attin, Senior Vice President Coporate Responsibility, MAN<br />

MAN hat den CO 2<br />

-Ausstoß seiner Produktionsstandorte<br />

um mehr als ein Viertel<br />

gesenkt. Diese stießen im Jahr 2018 r<strong>und</strong><br />

26 Prozent weniger CO 2<br />

aus als im Basisjahr<br />

2008. Damit hat MAN sein selbst<br />

gestecktes Ziel zwei Jahre früher erreicht<br />

als ursprünglich geplant.<br />

Zugleich war die wirtschaftliche Entwicklung<br />

im Geschäftsjahr 2018 sehr<br />

positiv: Produktion <strong>und</strong> Absatz stiegen<br />

bei MAN Truck & Bus in Europa um<br />

+ 10,3 Prozent auf mehr als 95.000 produzierte<br />

Fahrzeuge. Der Geschäftsbereich<br />

MAN Latin America legte sogar noch<br />

deutlicher zu, auf + 32,7 Prozent. Das<br />

entspricht mehr als 35.000 produzierten<br />

Fahrzeugen.<br />

Im Sinne der nachhaltigen Entwicklungsziele<br />

der UN (<strong>SDGs</strong>) kommt es<br />

vor allem darauf an, Zielkonflikte wo<br />

möglich aufzulösen: Wachstum schafft<br />

Arbeitsplätze <strong>und</strong> Wohlstand. Zugleich<br />

ist es aber auch wichtig, den Ressourcenverbrauch<br />

<strong>und</strong> Ausstoß von gefährlichen<br />

Treibhausgasen davon zu entkoppeln.<br />

Im jüngsten Nachhaltigkeitsbericht<br />

zeigt MAN, dass man hier auf einem<br />

sehr guten Weg ist: Insgesamt stieg der<br />

Energieverbrauch im Vergleich zur Produktivität<br />

nur leicht um 2,2 Prozent.<br />

Die Treibhausgasemissionen pro produziertem<br />

Fahrzeug sanken dagegen<br />

um 17,2 Prozent.<br />

Auch die absoluten Emissionen konzernweit<br />

wurden auf 406.000 metrische<br />

Tonnen gesenkt. Das entspricht<br />

einer Reduktion um 141.374 metrischen<br />

Tonnen CO 2<br />

innerhalb von zehn<br />

Jahren. Damit hat MAN sein selbst<br />

gestecktes Ziel zwei Jahre früher erreicht<br />

als ursprünglich geplant, denn<br />

eigentlich war in der bereits im Jahr<br />

2011 verabschiedeten MAN-Klimastrategie<br />

eine Reduktion um 25 Prozent<br />

erst für das Jahr 2020 vorgesehen.<br />

„Wir sind stolz auf diesen großen Erfolg,<br />

den unser Projektteam über alle<br />

Standorte hinweg mit großem Einsatz<br />

vorangetrieben hat. Als Industrieunternehmen<br />

haben wir eine Verantwortung<br />

zum Schutz der Umwelt <strong>und</strong> des Klimas.<br />

Dieser Verantwortung werden wir mit<br />

unseren gezielten Maßnahmen im Rahmen<br />

unserer Klimastrategie gerecht“, sagt<br />

Michael Kobriger, Vorstand Produktion<br />

<strong>und</strong> Logistik bei MAN Truck & Bus.<br />

Kluges Maßnahmenpaket<br />

Das Unternehmen setzte dafür auf einen<br />

systematischen Ansatz. Neben der Produktion<br />

von Energie in eigenen Anlagen<br />

<strong>und</strong> einem systematischen Energiemanagement<br />

führte auch eine Steigerung<br />

der Energieeffizienz in der Produktion<br />

zu den gewünschten Verbesserungen.<br />

In den vergangenen Jahren investierte<br />

MAN Truck & Bus r<strong>und</strong> 40 Millionen<br />

Euro in die CO 2<br />

-Reduktion seines Produktionsnetzwerks.<br />

Maßnahmen zur<br />

Senkung des Energieverbrauchs <strong>und</strong><br />

der CO 2<br />

-Emissionen greifen dabei vor<br />

allem im Bereich des Klima- <strong>und</strong> Energiemanagements:<br />

1. Wichtigster Baustein der Strategie ist<br />

die Umstellung auf Grünstrom: An<br />

den europäischen Produktionsstandorten<br />

wurden 2018 r<strong>und</strong> 56.500 MWh<br />

Grünstrom bezogen. Das sorgte für<br />

eine Einsparung von umgerechnet<br />

40.000 Tonnen CO 2<br />

. In Lateinamerika<br />

wurden im gleichen Zeitraum 37.200<br />

MWh Grünstrom eingekauft.<br />

Markante Posten in der jährlichen<br />

Bilanz sind die Blockheizkraftwerke an<br />

den Produktionsstandorten München<br />

(minus 9.500 Tonnen CO 2<br />

) <strong>und</strong> Starachowice,<br />

Polen, (minus 4.000 Tonnen<br />

CO 2<br />

) sowie die Photovoltaikanlage in<br />

90 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


der ersten klimaneutralen Produktion<br />

in Pinetown, Südafrika. Diese spart im<br />

Jahr 680 Tonnen CO 2<br />

ein <strong>und</strong> versorgt<br />

die gesamte örtliche Produktion mit<br />

regenerativer Energie. Mit Pinetown,<br />

Südafrika, hat MAN seine erste CO 2<br />

neutrale Produktionsstätte.<br />

2. Neue Konzepte bei der Gebäudesanierung,<br />

Energieversorgung, Optimierung<br />

von Beleuchtungs- <strong>und</strong> Heizungssteuerung.<br />

Auch hier ist das Pinetown-Werk<br />

Vorbild <strong>und</strong> der erste Standort, der<br />

nach dem Energieeffizienz-Standard<br />

ISO 50.001 zertifiziert wurde.<br />

3. Mehr Effizienz in Transport <strong>und</strong> Logistik:<br />

Stetige Optimierung der Leergutfahrten<br />

<strong>und</strong> Ausbau der Kooperation<br />

zwischen MAN <strong>und</strong> Scania (beide gehören<br />

zum Volkswagen-Konzern). So wurde<br />

etwa ein gemeinsames Zugkonzept<br />

auf hochvolumigen Stecken pilotiert.<br />

4. Sensibilisierung der Mitarbeiter: Dazu<br />

zählt auch der Bereich der Mitarbeiter-Mobilität.<br />

Shuttlebusse <strong>und</strong> vergünstigte<br />

ÖPNV Tickets sorgen für<br />

Entlastung der Umwelt. Aber auch<br />

bei Geschäftsreisen – vor allem bei<br />

Flügen – setzt MAN auf mehr Achtsamkeit.<br />

5. Verbesserungen in den Bereichen<br />

Recycling <strong>und</strong> Abfall: Die von MAN<br />

hergestellten Produkte bestehen im<br />

Wesentlichen aus Materialien, die sich<br />

recyceln lassen. Um diese wertvollen<br />

Rohstoffe zu sparen legt MAN z.B. in<br />

den Gießereien einen besonderen<br />

Wert auf die Wiederverwertung von<br />

Metallen. Im Jahr 2018 wurden so<br />

91 Prozent der Abfallmenge wiederverwertet.<br />

Ausblick<br />

Mit Blick auf die Jahre 2025 <strong>und</strong> <strong>2030</strong><br />

arbeitet MAN aktuell an neuen Zielsetzungen<br />

zur weiteren CO 2<br />

-Reduktion<br />

seiner Standorte. Zentraler Treiber<br />

der Entwicklung ist das Pariser Klimaabkommen<br />

<strong>und</strong> die Verpflichtungen<br />

der Unterzeichner-Staaten. Das zeigt<br />

sich auch in zunehmender staatlicher<br />

Regulierung: So soll der CO 2<br />

-Ausstoß<br />

neuer Lastwagen <strong>und</strong> Busse bis zum<br />

Jahr <strong>2030</strong> um 30 Prozent gesenkt werden.<br />

Darauf haben sich Unterhändler<br />

des EU-Parlaments <strong>und</strong> der EU-Staaten<br />

geeinigt. Die neuen Vorgaben sollen<br />

der EU helfen, ihre Klimaschutzziele<br />

zu erreichen.<br />

Vor allem im Bereich der urbanen Mobilität<br />

<strong>und</strong> der Busse sieht der Nutzfahrzeughersteller<br />

hier Potenziale: „The<br />

future is electrifying!” heißt es deshalb<br />

bei MAN. Das Verkehrsaufkommen in<br />

den Städten wächst. Die urbane Mobilität<br />

befindet sich im Wandel. Politik,<br />

Städteplaner <strong>und</strong> Verkehrsbetreiber<br />

stehen dabei vor immer größeren <strong>und</strong><br />

komplexeren Herausforderungen. Hier<br />

sind zukunftsfähige Lösungen gefragt<br />

– vor allem beim Personentransport.<br />

Die Photovoltaikanlage in der ersten<br />

klimaneutralen Produktion in Pinetown, Südafrika.<br />

Eine Antwort auf die drängenden Fragen,<br />

die diese Herausforderungen aufwerfen,<br />

heißt MAN Lion’s City. MAN bietet mit<br />

der neuen Stadtbusgeneration effiziente<br />

<strong>und</strong> klimaschonende Mobilitätslösungen<br />

für den Stadtverkehr, die passgenau auf<br />

individuelle K<strong>und</strong>en- <strong>und</strong> Marktbedürfnisse<br />

abgestimmt sind.<br />

Seit der Auslieferung des ersten Hybridbusses<br />

im Jahr 2010 hat MAN r<strong>und</strong> 800<br />

MAN Lion‘s City Hybrid-Busse verkauft.<br />

Mit dem vollelektrischen MAN Lion’s<br />

City E komplettiert MAN die neue Stadtbusgeneration<br />

mit einer emissionsfreien<br />

Variante. Immer mehr Großstädte setzen<br />

auf die effiziente <strong>und</strong> saubere Lösung für<br />

den innerstädtischen Verkehr.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

91


GOOD PRACTICE<br />

Bilharziose bis <strong>2030</strong><br />

ausrotten: Jedes Kind zählt<br />

Die Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation (WHO) hat vor mehr als zehn Jahren die Bekämpfung<br />

vernachlässigter Tropenkrankheiten intensiviert <strong>und</strong> konkrete Ziele festgelegt. Verschiedene<br />

internationale Allianzen unterstützen diese Ziele. Merck hat sich dabei von Beginn an mit viel<br />

Engagement <strong>und</strong> finanziellem Aufwand eingebracht <strong>und</strong> konzentriert sich auf die Behandlung<br />

<strong>und</strong> Ausrottung der Wurmkrankheit Bilharziose. In naher Zukunft soll das seit vielen Jahren<br />

von Merck bereitgestellte Medikament auch für Kleinkinder verfügbar sein.<br />

Von Manfred Klevesath, Head of <strong>Global</strong> Health, Merck<br />

Fast zwei Milliarden Menschen sind<br />

auf der ganzen Welt von sogenannten<br />

vernachlässigten Tropenkrankheiten<br />

(Neglected Tropical Diseases, NTDs)<br />

betroffen. Sie leben vor allem in den<br />

tropischen <strong>und</strong> subtropischen Regionen<br />

der Erde. Obwohl die meisten der laut<br />

WHO insgesamt 20 NTDs gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

behandelbar sind, fehlt es in den betroffenen<br />

Gegenden vielfach an finanziellen<br />

Ressourcen oder auch an medizinischer<br />

Infrastruktur, um die Krankheiten zu<br />

bekämpfen. Die WHO hat 2011 eine<br />

„Roadmap“ zur Bekämpfung der NTDs<br />

mit Zielen bis 2020 festgelegt. Nun geht<br />

es darum, die Zielsetzungen für die kommenden<br />

zehn Jahre fortzuschreiben.<br />

Merck hat bei dieser neuen „NTD Roadmap<br />

<strong>2030</strong>“ intensiv mitgearbeitet. Sie<br />

soll in der zweiten Jahreshälfte 2020<br />

eingeführt werden.<br />

Zur Bekämpfung der NTDs müssen alle<br />

relevanten Akteure an einem Strang ziehen.<br />

Dafür wurde im Jahr 2012 die „London<br />

Declaration on Neglected Tropical<br />

Diseases“ ins Leben gerufen. In diesem<br />

Papier verpflichten sich die international<br />

tätigen Akteure dazu, gemeinsam zehn<br />

der in der WHO-Roadmap genannten<br />

Krankheiten zu bekämpfen <strong>und</strong>, so gut es<br />

geht, auszurotten. Merck hat die London<br />

Declaration von Anfang an unterstützt<br />

<strong>und</strong> mitgetragen.<br />

Eine der schwerwiegendsten NTDs ist<br />

die Bilharziose, deren Bekämpfung sich<br />

Merck besonders angenommen hat. Das<br />

Unternehmen hat die „<strong>Global</strong> Schistoso-<br />

92 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


miasis Alliance“ mitbegründet, um die<br />

Vielzahl der in der Bilharziosebekämpfung<br />

tätigen Akteure an einen Tisch zu<br />

bringen. Dieser Verb<strong>und</strong> entwickelt ganzheitliche<br />

Lösungen, um die Eindämmung<br />

<strong>und</strong> Ausrottung dieser schwerwiegenden<br />

Wurmkrankheit voranzutreiben.<br />

Merck spendet jedes Jahr bis zu 250<br />

Millionen Tabletten<br />

Bilharziose, auch als Schistosomiasis<br />

bekannt, ist eine parasitäre Wurmerkrankung<br />

<strong>und</strong> lässt sich besonders schwierig<br />

eindämmen. Die WHO geht davon aus,<br />

dass mehr als 240 Millionen Menschen<br />

pro Jahr behandelt werden müssten.<br />

Schätzungsweise 200.000 Menschen<br />

sterben jährlich daran. Besonders stark<br />

betroffen sind Kinder.<br />

Die Erkrankung kann mit einem Medikament<br />

von Merck wirksam behandelt<br />

werden. Das Unternehmen spendet der<br />

WHO jedes Jahr bis zu 250 Millionen<br />

Tabletten davon. Seit 2007 wurden<br />

bereits mehr als eine Milliarde Stück<br />

bereitgestellt.<br />

Tablettenspenden <strong>und</strong> medikamentöse<br />

Behandlung allein reichen jedoch nicht<br />

aus, um Bilharziose auszurotten. Erforderlich<br />

ist darüber hinaus ein integrierter<br />

Ansatz. Dazu gehört die Bereitstellung<br />

sauberen Trinkwassers <strong>und</strong> die Verbesserung<br />

der hygienischen Bedingungen.<br />

Durch die sogenannte Vektorkontrolle<br />

werden außerdem die Schnecken bekämpft,<br />

die dem parasitären Wurm als<br />

Zwischenwirt dienen.<br />

Ganz wichtig ist auch die ges<strong>und</strong>heitliche<br />

Aufklärung der Bevölkerung.<br />

Konkret unterstützt Merck im Bereich<br />

Ges<strong>und</strong>heitsvorsorge beispielsweise ein<br />

Projekt mit der NALA-Fo<strong>und</strong>ation <strong>und</strong><br />

dem äthiopischen Ges<strong>und</strong>heitsministerium<br />

in der Region Bench Maji im<br />

Südwesten Äthiopiens. Hier testen die<br />

Partner, wie man mit der richtigen Aufklärung,<br />

mit sanitären Maßnahmen, die<br />

an die lokalen Gegebenheiten angepasst<br />

sind, <strong>und</strong> einer starken Einbindung der<br />

lokalen Gemeinschaften die Verbreitung<br />

von Bilharziose reduzieren kann. Die<br />

Dorfgemeinschaften dort wirken sehr<br />

engagiert mit. R<strong>und</strong> 260.000 Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler in 290 Schulen wurden<br />

bereits mit den Aktivitäten zur Hygieneaufklärung<br />

erreicht.<br />

Aktivitäten gegen Bilharziose mehr<br />

<strong>und</strong> mehr vernetzen<br />

Die Gesamtbilanz der vergangenen zehn<br />

Jahre zeigt: Die Maßnahmen zur Bekämpfung<br />

der Bilharziose waren durchaus<br />

erfolgreich: 71 Prozent aller behandlungsbedürftigen<br />

Kinder wurden 2017<br />

erreicht. Die Prävalenz, also der Anteil<br />

der an Bilharziose Erkrankten, sank<br />

deutlich. Dr. Johannes Waltz, Leiter des<br />

Merck-Schistosomiasis-Eliminierungsprogramms,<br />

prognostiziert: „In manchen<br />

Teilen Afrikas kann es daher von nun<br />

an tatsächlich möglich sein, Bilharziose<br />

auszurotten, wenn gezielt diagnostiziert<br />

<strong>und</strong> behandelt wird.“<br />

Für die nähere Zukunft will Merck seine<br />

Aktivitäten zur Ausrottung der Bilharziose<br />

auf allen Ebenen intensivieren.<br />

„Wir wollen unsere Tablettenlieferungen<br />

optimieren, die Tabletten noch mehr<br />

betroffenen Bevölkerungsgruppen –<br />

insbesondere Kleinkindern – zugänglich<br />

machen, <strong>und</strong> den integrierten Ansatz<br />

verstärken“, umreißt Dr. Waltz die nächsten<br />

Ziele.<br />

Bis 2022 soll ein Medikament verfügbar<br />

sein, mit dem kleine Kinder unter sechs<br />

Jahren wirksam gegen Bilharziose behandelt<br />

werden können. Seit 2012 beteiligt<br />

sich Merck im Rahmen des „Pediatric<br />

Praziquantel Consortium“ an dessen<br />

Entwicklung. Die Forscher arbeiten an<br />

einer optimalen, für Vorschulkinder<br />

geeigneten Formulierung des bewährten<br />

Wirkstoffs. Das neue Medikament<br />

wurde mittlerweile erfolgreich in einer<br />

klinischen Studie in der Elfenbeinküste<br />

erprobt. In Kenia begann vor kurzem die<br />

erste Phase-III-Studie mit Kindern im<br />

Alter von drei Monaten bis sechs Jahren.<br />

Intern bündelt Merck diese Forschungs<strong>und</strong><br />

Entwicklungsaktivitäten zur Verbesserung<br />

der Bilharziosebehandlung<br />

im „<strong>Global</strong> Health Institute“. Das Institut<br />

koordiniert aber auch die Entwicklung<br />

weiterer neuer Medikamente <strong>und</strong> Impfstoffe<br />

gegen übertragbare Krankheiten.<br />

Die 2017 gegründete Einrichtung hat<br />

wesentlich dazu beigetragen, dass Merck<br />

den sehr guten vierten Platz im „Access<br />

to Medicine Index“ (ATMI) belegt. Dieses<br />

Ranking untersucht, was die 20 größten<br />

globalen Pharmakonzerne unternehmen,<br />

um in über 100 Ländern mit geringem<br />

oder mittlerem Einkommen den Zugang<br />

zu Medikamenten zu verbessern.<br />

Mit seinen zahlreichen Aktivitäten<br />

zur Bekämpfung der Bilharziose trägt<br />

Merck zur Verwirklichung des <strong>SDGs</strong> 3<br />

bei, das Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Wohlergehen<br />

der Menschen in den Vordergr<strong>und</strong> stellt.<br />

Besonders unterstützen die Aktivitäten<br />

des Unternehmens die Umsetzung des<br />

SDG 3.3, mit Fokus auf die Ausrottung<br />

der NTDs bis <strong>2030</strong>.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

93


GOOD PRACTICE<br />

Die erste klimaneutrale<br />

Klimaanlage der Welt<br />

Die beiden Sommer 2018 <strong>und</strong> <strong>2019</strong> übertrafen alle Hitzerekorde, <strong>und</strong> in 2020 sollen die Hitzetage<br />

weiter ansteigen, meinen die Klimaforscher der Vereinten Nationen. Neben ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Beschwerden wie Herz-Kreislaufproblemen <strong>und</strong> Atembeschwerden kommen speziell beim<br />

Arbeiten sinkende Konzentration <strong>und</strong> Leistungsprobleme hinzu, die laut wissenschaftlichen<br />

Studien zu enormen Produktivitätsverlusten in Milliardenhöhe führen können.<br />

Von Gabriele Renner, Apothekerin <strong>und</strong> CEO, pervormance international<br />

Fakt ist: Der Klimawandel bedroht die<br />

Leistungsfähigkeit von Unternehmen.<br />

Das ist aber noch nicht alles. Selbstverständlich<br />

leidet bei hohen Temperaturen<br />

auch das Wohlbefinden der Menschen.<br />

Betroffene mit Vorerkrankungen wie<br />

Multiple Sklerose, Parkinson, Venenleiden<br />

etc. haben enorme Probleme, den<br />

Lebens- <strong>und</strong> Arbeitsalltag bei hohen Temperaturen<br />

überhaupt noch zu bewältigen.<br />

Für Ältere <strong>und</strong> Kranke kann der Sommer<br />

im schlimmsten Fall lebensgefährlich<br />

werden. Das zeigen die Studien der Charité<br />

oder des Helmholtz- Instituts, die bei<br />

chronischen Lungenerkrankungen oder<br />

bei Herz-Kreislaufvorerkrankungen ein<br />

höheres Sterberisiko an Hitzetagen oder<br />

bei Hitzewellen von bis zu 43 Prozent<br />

eruiert haben.<br />

Die wenigsten Gebäudeeigentümer, Unternehmen<br />

<strong>und</strong> Stadtveranwortlichen<br />

planen die Hitze mit ein. Eine umweltfre<strong>und</strong>liche<br />

Klimatisierung wird immer<br />

noch als überflüssiger Luxus angesehen.<br />

Das geht auf Kosten der Umwelt <strong>und</strong> der<br />

Ges<strong>und</strong>heit der Menschen. Denn gerade<br />

dort, wo zusätzliche Kühlung am nötigsten<br />

wäre, in Schulen, Seniorenzentren<br />

oder Krankenhäusern, ist Klimatisierung<br />

Mangelware. „Die Kühlung von Gebäuden<br />

ist mittlerweile schon zwischen<br />

März <strong>und</strong> November nötig“, betont Prof.<br />

Dr. Uwe Franzke vom Institut für Luft<strong>und</strong><br />

Kältetechnik in Dresden gegenüber<br />

dem mdr. Dies variiert natürlich je nach<br />

Sonneneinstrahlung, Himmelsrichtung<br />

<strong>und</strong> Bauweise. Die Hitze kommt. Vorbereitet<br />

sind wir darauf nicht. Stadtplaner<br />

bauen zu hoch <strong>und</strong> zu dicht für kühle<br />

Luft. Pflanzen, Bäume oder Parks sind<br />

Mangelware. Politiker blenden den Sommer<br />

in der Energiedebatte eher aus, <strong>und</strong><br />

moderne Architekten entwerfen transparente<br />

Schwitzkästen <strong>und</strong> erhalten dafür<br />

Designpreise. Im Sommer klettert die<br />

Stromlast inzwischen auf Spitzenwerte.<br />

Im Hitzesommer 2013 wurde sogar von<br />

bis zu 20 Prozent mehr Stromverbrauch<br />

als im Winter berichtet. Das feuert auch<br />

den CO 2<br />

-Ausstoß <strong>und</strong> damit den Klimawandel<br />

mit noch mehr Hitzetagen<br />

weiter an. Draußen über 30 Grad, drinnen<br />

kaum kälter – so sind die Sommer<br />

inzwischen in Deutschland.<br />

Gerade die nachträglich<br />

eingebauten, kleinen<br />

Klimageräte benötigen<br />

enorm viel Energie.<br />

Aber auch der<br />

CO 2<br />

-Ausstoß von<br />

modernen Klimaanlagen,<br />

die auch noch<br />

staatlich gefördert<br />

werden, ist enorm<br />

<strong>und</strong> damit, was das<br />

1,5°C Ziel angeht,<br />

kontraproduktiv.<br />

Alternativen sind gesucht.<br />

In Gebäuden,<br />

aber natürlich auch<br />

im Freien. Denn die<br />

Hitzebelastung in der<br />

prallen Sonne ist noch<br />

deutlich höher, <strong>und</strong> hinzu kommt die<br />

UV-Strahlung, die weitere Ges<strong>und</strong>heitsprobleme<br />

mit sich bringen kann. Bereits<br />

2015 meldete die Berufsgenossenschaft<br />

Bau deutlich mehr Hitzetote <strong>und</strong> seit<br />

kurzem ist Hautkrebs als Berufskrankheit<br />

anerkannt mit – steigenden Zahlen.<br />

Es stellt sich in Hinsicht auf die steigenden<br />

Temperaturen energetisch auch<br />

die Frage, weshalb man den ganzen<br />

Raum kühlen muss, wenn man doch<br />

eigentlich nur den einzelnen Menschen<br />

kühlen will. Um möglichst wenig fossile<br />

oder elektrische Energie zur Kühlung zu<br />

verwenden, bietet sich physikalisch die<br />

94 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


Verdunstungskühlung von z.B. Wasser<br />

an, die im Verhältnis die höchste Kühlenergie<br />

erzeugt <strong>und</strong> dabei einfach mit<br />

den hohen Temperaturen arbeitet, die<br />

man sowieso loswerden will.<br />

Hierzu benötigt man jedoch eine Technologie<br />

mit einer möglichst großen<br />

Wasseroberfläche, aus der bei hohen<br />

Temperaturen Wassermoleküle schnell<br />

<strong>und</strong> effektiv verdunsten können <strong>und</strong><br />

damit ein Maximum von 660 Watth/l<br />

Kühlenergie erzeugt werden kann.<br />

Der Kühleffekt ist enorm. Selbst unter<br />

Schutzkleidung ist mit Infrarotmessung<br />

eine Temperaturreduktion am Körper<br />

von bis zu 12 °C im Vergleich zur Hitzesituation<br />

nachweisbar. Das System ist<br />

bereits in sportwissenschaftlichen Studien,<br />

Untersuchungen von Forschungsinstituten<br />

<strong>und</strong> vielen Anwendungsbeobachtungen<br />

getestet <strong>und</strong> für gut bef<strong>und</strong>en.<br />

Führende Unternehmen, Spitzensportler<br />

<strong>und</strong> öffentliche Einrichtungen nutzen<br />

das Kühlsystem bereits.<br />

Das führende Unternehmen in Bezug auf<br />

Klimaschutzberatung climate partner<br />

aus München hat zudem berechnet, dass<br />

durch den Einsatz von E.COOLINE Kühlbekleidung,<br />

z.B. in Form von Kühlwesten<br />

oder T-Shirts, 90 bis 97 Prozent CO 2<br />

gespart werden können. Somit können<br />

private Haushalte, Unternehmen <strong>und</strong><br />

öffentliche Einrichtungen Beschäftigte<br />

<strong>und</strong> Bewohner klimaneutral kühlen<br />

<strong>und</strong> somit Ges<strong>und</strong>heit, Leistungsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> Wohlbefinden auch in Zeiten<br />

des Klimawandels schützen <strong>und</strong> dabei<br />

enorme Mengen CO 2<br />

sparen.<br />

Das Unternehmen pervormance<br />

international, das das Bekleidungssystem<br />

entwickelt <strong>und</strong> patentiert hat, ist zudem<br />

bereits seit 2013 klimaneutral, Mitglied<br />

im UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> <strong>und</strong> hat den Klimaschutzpreis<br />

des Senat der Wirtschaft<br />

<strong>2019</strong>/2020 erhalten. Durch die Verwendung<br />

von Abfallfasern <strong>und</strong> entsprechendes<br />

Upcycling sowie die Verwendung von<br />

Naturstrom <strong>und</strong> weiteren Maßnahmen<br />

zum Umweltschutz werden die CO 2<br />

-<br />

Emissionen soweit wie möglich reduziert.<br />

Die unvermeidbaren Emissionen werden<br />

durch ein zertifiziertes Waldschutzprojekt<br />

in Papua Neuguinea kompensiert.<br />

Somit ist die E.COOLINE-Kühlbekleidung<br />

die erste klimaneutrale Klimaanlage der<br />

Welt – zum Anziehen – <strong>und</strong> sowohl<br />

Indoor als auch Outdoor geeignet.<br />

Genau eine solche Technologie wurde<br />

in den letzten Jahren für aktiv kühlende<br />

Bekleidung entwickelt. Die Systemtechnologie<br />

enthält ein 3-D-Vlies, das Wassermoleküle<br />

auf einer extrem großen<br />

Oberfläche speichern kann. Das Wasser<br />

entweicht nicht auf Druck, wodurch<br />

sich ein perfektes Reservoir ergibt, das<br />

gleichzeitig auch zum Körper hin <strong>und</strong><br />

auf der Oberfläche trocken ist. Bei hohen<br />

Temperaturen entweichen dann die<br />

Wassermoleküle gasförmig in Form von<br />

Wasserdampf <strong>und</strong> erzeugen eine effektive<br />

Kühlleistung. Durch das Reservoir<br />

hält die Kühlleistung mehrere St<strong>und</strong>en<br />

an <strong>und</strong> kann vor allem in Sek<strong>und</strong>en erzeugt<br />

werden. Dieses System funktioniert<br />

sowohl in Räumen als auch im Freien.<br />

1a<br />

1b<br />

Klimatisierung Szenario 1 Jahr 3 Jahre<br />

Klimaanlage<br />

(hohe Leistungsaufnahme)<br />

Klimaanlage<br />

(niedrige Leistungsaufnahme)<br />

2 Kühltextilien<br />

(Bsp. kühlendes T-Shirt)<br />

579 kg CO 2<br />

1.737 kg CO 2<br />

409 kg CO 2<br />

1.227 kg CO 2<br />

38 kg CO 2<br />

45 kg CO 2<br />

Die Ergebnisse weisen auf eine CO 2<br />

-Reduktion von mindestens 367 kg CO 2<br />

(Szenario 1b, 1 Jahr) bis zu einer Reduktion von 1.692 kg CO 2<br />

(1a, 3 Jahre) hin.<br />

Das entspricht einer relativen Emissionsreduktion von 90 bis 97 Prozent, wenn<br />

anstatt einer Klimaanlage E.COOLINE Kühltextilien genutzt werden.<br />

Da man keine externen Energiequellen<br />

hierfür benötigt, ist die Kühlleistung<br />

diesbezüglich klimaneutral. Durch das<br />

Design der Bekleidung <strong>und</strong> die Anordnung<br />

des Vlieses im Gesamtsystem der<br />

Stoffkonstruktion können daraus Kühlwesten,<br />

kühlende T-Shirts, Arm- <strong>und</strong><br />

Beinkühlung aber auch jegliche Arten<br />

von Kopfbedeckungen <strong>und</strong> vieles mehr<br />

produziert werden. Die Produkte sind<br />

leicht <strong>und</strong> angenehm zu tragen, haben<br />

unterschiedliche Designs <strong>und</strong> sehen in<br />

der Regel aus wie ganz normale Kleidung.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

95


GOOD PRACTICE<br />

Symrise – Einsatz für<br />

Nachhaltigkeit<br />

Erfolgreich <strong>und</strong> zugleich nachhaltig wirtschaften – bei Symrise gehört das fest zur Unternehmensphilosophie.<br />

Die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, die<br />

Sustainable Development Goals (<strong>SDGs</strong>), geben für das weltweit tätige Unternehmen mit<br />

Hauptsitz in Holzminden (Deutschland) die Richtung vor.<br />

Von Christina Witter <strong>und</strong> Friedrich-Wilhelm Micus, Symrise<br />

In diesem Kontext ist sich Symrise bewusst;<br />

die nachhaltigen Entwicklungsziele<br />

erreicht man vor allem gemeinsam<br />

mit gleichgesinnten Partnern. Deshalb<br />

arbeitet das Unternehmen eng mit Lieferanten<br />

<strong>und</strong> Partnern zusammen <strong>und</strong><br />

engagiert sich in zahlreichen Initiativen<br />

<strong>und</strong> Kooperationen zum globalen Austausch<br />

von Wissen <strong>und</strong> Technologien.<br />

Als Hersteller von Duft- <strong>und</strong> Geschmackstoffen,<br />

kosmetischen Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Wirkstoffen<br />

sowie funktionalen Inhaltsstoffen<br />

für Lebensmittel mit breit angelegtem<br />

Geschäftsmodell sieht Symrise es als<br />

Abb. 1<br />

Biodiversität,<br />

Verantwortung<br />

Nachhaltige Forstwirtschaft,<br />

Biodiversität,<br />

Reduktion von Emissionen,<br />

Innovative & nachhaltige Produkte<br />

Ressourcenschonung, Reduktion<br />

von Emissionen, Innovative & nachhaltige<br />

P rodukte, Gewährleistung höchster<br />

Qualität & Produktsicherheit,<br />

Verantwortungsvolle Bescha<br />

Lokale Wertschöpfung<br />

Transparenz &<br />

Glaubwürdigkeit<br />

Compliance,<br />

Lokale Wertschöpfung<br />

Anlagensicherheit<br />

Lokale Wertschöpfung<br />

Arbeitssicherheit & Ges<strong>und</strong>heit, Einhaltung<br />

von Menschenrechten, Vielfalt & Chancen -<br />

gleichheit,Anlagensicherheit<br />

Tierwohl<br />

Arbeitssicherheit & Ges<strong>und</strong>heit<br />

seine Pflicht, sämtliche nachhaltigen<br />

Entwicklungsziele im Blick zu behalten.<br />

Darüber hinaus hat Symrise analysiert,<br />

zu welchen Zielen es den größten Beitrag<br />

leisten kann. Vier Beispiele, die den Beitrag<br />

zu fünf <strong>SDGs</strong> beleuchten, soll dieser<br />

Beitrag im Folgenden beschreiben<br />

(Abb. 1).<br />

Mitarbeiterförderung &<br />

-entwicklung<br />

Vielfalt & Chancengleichheit<br />

Reduktion von Emissionen<br />

Wasser<br />

SDG 8: Menschenwürdige<br />

Arbeit <strong>und</strong> Wirtschaftswachstum<br />

Das Nachhaltigkeitsziel<br />

8 betrifft<br />

die Arbeit bei<br />

<strong>und</strong> mit Symrise<br />

selbst. Bestmögliche,<br />

gleichberechtigte<br />

<strong>und</strong> sichere<br />

Arbeitsbedingungen,<br />

das soll für<br />

Beschäftigte wie<br />

auch Lieferanten zum<br />

Alltag gehören. Bevor<br />

Symrise mit einem Zulieferer<br />

oder Geschäftspartner<br />

zusammenarbeitet, muss er den Symrise<br />

Code of Conduct anerkennen, der unter<br />

anderem humane Arbeitspraktiken<br />

<strong>und</strong> menschenwürdige Beschäftigung<br />

festschreibt.<br />

Konkret hatte sich Symrise vorgenommen,<br />

dass der Frauenanteil bis 2025<br />

auf der ersten globalen Führungsebene<br />

unterhalb des Vorstandes mindestens<br />

20 Prozent, auf der zweiten globalen<br />

Führungsebene mindestens 25 Prozent<br />

betragen sollte. Im Jahr 2018 hat Symrise<br />

zudem an den großen Standorten die<br />

Gehälter seiner Mitarbeiter analysiert<br />

<strong>und</strong> keine signifikanten Abweichungen<br />

in der Bezahlung von Männern <strong>und</strong><br />

Frauen festgestellt.<br />

SDG 12: Verantwortungsvoller Konsum<br />

<strong>und</strong> nachhaltige Produktion<br />

Um das Nachhaltigkeitsziel 12 zu erreichen,<br />

hat Symrise gleich mehrere<br />

Initiativen gestartet. Bis 2025 ist eine<br />

Erhöhung der Öko-Effizienz der Treibhausgasemissionen<br />

(Scope 1 <strong>und</strong> 2) um<br />

50 Prozent bezogen auf das Basisjahr<br />

2016 sowie die Wertschöpfung geplant.<br />

Zudem will das Holzmindener Unternehmen<br />

den Umfang seiner sensitiven<br />

Abfälle <strong>und</strong> Abwässer verringern. Auf<br />

dem Weg zu nachhaltigeren Produkten<br />

nutzt Symrise vermehrt Verfahren der<br />

grünen Chemie: Bestehende Produkte<br />

<strong>und</strong> Prozesse entwickeln Mitarbeiter<br />

so weiter <strong>und</strong> optimieren sie, dass sie<br />

weniger Rohstoffe <strong>und</strong> andere Ressour-<br />

96 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


Lavendel<br />

Erst der Duft von Lavendel macht viele Produkte von Symrise möglich. Lavendel-Öl ist wichtiger Bestandteil der feinsten<br />

Parfums. Gleichzeitig steckt der Duftstoff auch in Seifen, Waschmitteln <strong>und</strong> Cremes. In der Provence prägen blau-violette<br />

Felder seit Jahrh<strong>und</strong>erten die Landschaft. Der größte Teil der Ernte geht in die Duftstoffindustrie. Symrise engagiert sich in<br />

den Lavendel-Anbaugebieten unter anderem in der Forschung. In Laboren <strong>und</strong> auf Versuchsfeldern verfolgen Wissenschaftler<br />

verschiedene Ansätze, um die Pflanzen zum Beispiel widerstandsfähiger gegen bestimmte Bakterien zu machen. Der<br />

Einsatz von Pestiziden verbietet sich, um die Zahl der ohnehin bereits stark gefährdeten Bienen, die den Lavendel bestäuben,<br />

zu erhalten. Symrise bemüht sich, hier den Schutz der Biodiversität weiter zu verbessern. Dazu trägt etwa eine neue<br />

Erntemaschine von CRIEPAM bei: Eine speziell geformte Röhre vor dem Schnittwerkzeug sorgt dafür, dass die Zahl der<br />

Bienen, die während der Ernte getötet werden, um 50 Prozent sinkt. Gleichzeitig schneidet das Gerät nur das obere Drittel<br />

der Pflanzen ab. Das spart am Ende Diesel, da nur die Blüten ohne Stängel zu den Destillen transportiert werden müssen.<br />

Die Destillation selbst spart ebenfalls Energie, schließlich benötigt man für weniger Material auch weniger Dampf. Folglich<br />

steigt auch die Qualität des Öls, weil die wichtigsten Bestandteile vor allem in den Blüten sitzen. Wie bei vielen anderen<br />

Naturstoffen auch bleibt der Lavendel-Anbau nur dann langfristig ertragreich, wenn er sich nachhaltig ausrichtet.<br />

cen wie Energie <strong>und</strong> Wasser einsetzen<br />

müssen. Für zahlreiche Produkte gibt<br />

eine umfangreiche „Product Sustainability<br />

Scorecard“ Auskunft über die<br />

Auswirkungen der einzelnen Inhaltsstoffe<br />

entlang der Wertschöpfungskette<br />

<strong>und</strong> weist unter anderem Daten zum<br />

Wasserverbrauch, zu CO 2<br />

-Emissionen<br />

<strong>und</strong> Landverbrauch aus. Ein Weg zur<br />

ressourcenschonenderen Industrie ist<br />

auch der Einsatz von Seitenströmen<br />

aus der land- <strong>und</strong> forstwirtschaftlichen<br />

Produktion. Beispiele für solche Nebenprodukte<br />

sind Rohsulfat-Terpentin aus<br />

der Zellstoff- <strong>und</strong> Papierindustrie sowie<br />

D-Limonen aus der Zitrus-Industrie.<br />

SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz<br />

Klimaschutz als nachhaltiges Entwicklungsziel<br />

gehört bei Symrise fest zur<br />

Unternehmensstrategie. Von seinen<br />

Lieferanten erwartet Symrise bis 2020<br />

eigene Klimaziele <strong>und</strong> Maßnahmen zur<br />

Reduktion von Treibhausgasen. Im Geschäftsjahr<br />

2018 ist es Symrise erneut<br />

gelungen, seine CO 2<br />

-Emissionen in Bezug<br />

auf die Wertschöpfung zu verringern –<br />

<strong>und</strong> zwar um drei Prozent im Vergleich<br />

zum Vorjahr. Von 2010 bis 2018 hatte<br />

Symrise in Bezug auf die Wertschöpfung<br />

bereits 45 Prozent einsparen können.<br />

Der Konzern aus Niedersachsen veröffentlicht<br />

schon seit Jahren zahlreiche<br />

Klimadaten in seinen Unternehmensberichten<br />

sowie im Rahmen verschiedener<br />

Klima-Initiativen.<br />

SDG 14 <strong>und</strong> 15: Biodiversität – an Land<br />

<strong>und</strong> im Wasser<br />

Die Nachhaltigkeitsziele 14 <strong>und</strong> 15<br />

betreffen den Schutz der Biodiversität<br />

– ein essenzielles Anliegen von Symrise.<br />

Denn um stetig Düfte <strong>und</strong> Aromen<br />

kreieren zu können, ist Symrise auf die<br />

globale Artenvielfalt als Quelle natürlicher<br />

Rohstoffe angewiesen. Symrise<br />

hat die UN-Biodiversitätskonvention<br />

unterzeichnet <strong>und</strong> eine eigene Biodiversitätsagenda<br />

implementiert. Um nachhaltige<br />

Anbausysteme zu stärken, ist der<br />

Holzmindener Konzern der Sustainable<br />

Agriculture Initiative (SAI) beigetreten,<br />

der die 90 wichtigsten Lebensmittelhersteller<br />

<strong>und</strong> -zulieferer angehören.<br />

Bauern <strong>und</strong> Rohstofflieferanten, mit<br />

denen Symrise zusammenarbeitet, müssen<br />

bestimmte Kriterien erfüllen, wenn<br />

es um die Wasser- <strong>und</strong> Landnutzung,<br />

die Düngung <strong>und</strong> den Pflanzenschutz<br />

geht. Mit verschiedenen Maßnahmen<br />

<strong>und</strong> Initiativen trägt Symrise außerdem<br />

dazu bei, dass die Biodiversität der Meere<br />

erhalten bleibt.<br />

Fazit<br />

Symrise ist sich seiner Verantwortung<br />

bewusst: Nachhaltigkeit ist für das Unternehmen<br />

Verpflichtung <strong>und</strong> zugleich<br />

Voraussetzung, um auch in Zukunft erfolgreich<br />

wirtschaften zu können. Denn<br />

die Bewahrung natürlicher Ressourcen<br />

ist eine Voraussetzung für ihre künftige<br />

Nutzung. Daher ist Nachhaltigkeit für<br />

Symrise ein wesentlicher Bestandteil<br />

seiner Unternehmensstrategie.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

97


GOOD PRACTICE<br />

Überprüfung von Sozial<strong>und</strong><br />

Umweltstandards in<br />

globalen Lieferketten<br />

In einer immer komplexer werdenden Handelswelt nimmt auch die Komplexität der globalen<br />

Lieferketten zu. Dabei ist die Verantwortung des Herstellers groß: Er muss sicherstellen, dass<br />

all seine Lieferanten verantwortungsvoll mit Mensch <strong>und</strong> Umwelt umgehen. Mit der Durchführung<br />

von Supply Chain Audits will TÜV Rheinland gewährleisten, dass Standards r<strong>und</strong> um<br />

Umweltauswirkungen, Arbeitsbedingungen, Ges<strong>und</strong>heit oder Arbeitssicherheit in möglichst<br />

vielen Branchen <strong>und</strong> Regionen vorangetrieben werden.<br />

Von Susanne Dunschen, Corporate Development, CSR & Sustainabililty, TÜV Rheinland<br />

Es sind sensible Fragen, die Thomas<br />

Seliga stellt. Es geht um das Alter, das<br />

Verhalten von Vorgesetzten, möglichen<br />

Missbrauch. Neben dem Fragebogen,<br />

den er mit sich führt, sind Einfühlungsvermögen<br />

<strong>und</strong> Respekt die wichtigsten<br />

Gr<strong>und</strong>voraussetzungen, mit denen er<br />

in die vertraulichen Gespräche geht.<br />

Mit Feingefühl erarbeitet der Auditor,<br />

ob die Antworten seines Gegenübers<br />

ehrlich sind – oder vom Management<br />

vorgegebene Phrasen. „Bei jedem Sozialaudit<br />

steht der Austausch mit den<br />

Mitarbeitern im Mittelpunkt“, betont<br />

er. Thomas Seliga ist für TÜV Rheinland<br />

im Einsatz, um entlang der Produktions<strong>und</strong><br />

Lieferketten Arbeitsbedingungen zu<br />

auditieren. Im Auftrag von Fabrikbetreibern,<br />

Herstellern oder Handelsunternehmen<br />

überwachen insgesamt über 200<br />

Auditoren, dass Zulieferer anerkannte<br />

Sozialstandards oder Regelwerke einhalten.<br />

Und das weltweit. Denn es gibt<br />

kaum ein Produkt, das nicht im Verb<strong>und</strong><br />

hergestellt wird, nur so entstehen Konsumgüter<br />

für viele Märkte. Schon bei<br />

einer Jeans kommen über zwei Dutzend<br />

Zulieferer zusammen. Beim Smartphone<br />

sind es locker über 100. Und beim Auto<br />

sind es schnell Tausende.<br />

Verbot von Kinderarbeit<br />

Es gibt mehrere anerkannte Standards,<br />

nach denen TÜV Rheinland prüft. Deren<br />

gemeinsamer Nenner: das lokal geltende<br />

Recht <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>legende Forderungen<br />

der Arbeitsorganisation der Vereinten<br />

Nationen ILO. Deren Standard etwa, die<br />

SA 8000, schreibt das Verbot von Kinder-<br />

<strong>und</strong> Zwangsarbeit, das Recht auf<br />

Vereinigungsfreiheit, eine Höchstgrenze<br />

von 60 St<strong>und</strong>en pro Woche <strong>und</strong> die<br />

Garantie existenzsichernder Löhne fest.<br />

Bei anderen Audits kommt der amfori<br />

BSCI-Verhaltenskodex zum Einsatz. Er<br />

ergänzt die UN-Vorgaben mit Umweltaspekten<br />

wie der Einhaltung der Mindestanforderungen<br />

für Emissionen, für den<br />

Umgang mit Chemikalien <strong>und</strong> anderen<br />

gefährlichen Stoffen.<br />

TÜV Rheinland gehört zu den sechs<br />

am meisten nachgefragten Anbietern,<br />

allein im Jahr 2018 haben die Auditoren<br />

des Unternehmens 10.000 Sozialaudits<br />

durchgeführt. Schwerpunktregionen<br />

sind unter anderem Bangladesch,<br />

Indien <strong>und</strong> China – Schwellenländer,<br />

in denen die Produktionsstätten<br />

für Textilien, Pharma oder Elektrogeräte<br />

angesiedelt sind. Mit einem<br />

2018 gestarteten Strategievorhaben<br />

bringt der Prüfdienstleister die Sozialaudits<br />

in weitere Länder <strong>und</strong> Branchen.<br />

Denn immer mehr Endk<strong>und</strong>en fordern<br />

die soziale Verantwortung von Herstellern<br />

ein: Welches Smartphone, welche<br />

Jeans wird unter fairen Arbeitsbedingungen<br />

gefertigt? „Das Bewusstsein der<br />

Stakeholder für nachhaltigen Konsum<br />

ist in den vergangenen Jahren deutlich<br />

gestiegen“, erklärt Michael Weppler, Leiter<br />

des Geschäftsbereichs Systeme. Selbst<br />

am Kapitalmarkt werde immer mehr<br />

Transparenz über die Corporate Social<br />

Responsibility-Praktiken von Unternehmen<br />

einschließlich ihrer Lieferkette<br />

eingefordert, betont Weppler.<br />

98 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


Bis zu fünf Tage vor Ort<br />

Ein aussagekräftiges Sozialaudit erfordert<br />

Sorgfalt <strong>und</strong> Gewissenhaftigkeit. Bei<br />

einem Unternehmen mit über 1.000<br />

Mitarbeitern etwa sind Auditoren bis zu<br />

fünf Werktage vor Ort. Sie führen Gespräche<br />

mit dem Management, überprüfen<br />

die Betriebserlaubnis, die Lohnlisten –<br />

<strong>und</strong> sprechen mit Mitarbeitern. Thomas<br />

Seliga ist seit 15 Jahren im Einsatz. Wie<br />

auch seine Kollegen ist er umfassend geschult,<br />

neue Mitarbeiter werden aufwendig<br />

im Tandem mit erfahrenen Kollegen<br />

eingearbeitet. Und das nicht ohne Gr<strong>und</strong>.<br />

„Erfahrung ist immens wichtig“, schildert<br />

der Auditor, „denn nicht selten kommt es<br />

vor, dass die zunächst positiven Eindrücke<br />

täuschen.“ Doch dann melde sich die<br />

Intuition. Und auf die scheinbar beiläufige<br />

Frage, wo dokumentiert ist, welche<br />

Stoffe die Mitarbeiter abends zum Nähen<br />

mit nach Hause nehmen müssen, führt<br />

ein beflissener Mitarbeiter den Besucher<br />

zu einem Regal mit den entsprechenden<br />

Ordnern – ein Verstoß, mit dem der<br />

Arbeitgeber versucht, die Höchstgrenze<br />

der Arbeitszeit auszuhebeln.<br />

Auditoren nehmen keine behördliche,<br />

polizeiliche oder staatliche Aufsichtspflicht<br />

wahr. Alle Prüfresultate fließen<br />

in einen Bericht ein, dieser wird dem<br />

Auftraggeber übermittelt. K.-o.-Kriterien<br />

wie Kinder- <strong>und</strong> Zwangsarbeit oder<br />

Falschaussagen in kritischen Punkten<br />

führen direkt zu einer nicht erfolgreich<br />

abgeschlossenen Prüfung. Weniger kritische<br />

Verbesserungsbedarfe <strong>und</strong> Unklarheiten<br />

werden im Bericht dokumentiert<br />

<strong>und</strong> sollen – je nach Standard <strong>und</strong> Einkäufervorgabe<br />

– innerhalb bestimmter<br />

Fristen behoben werden.<br />

Positiver Beitrag<br />

Auditoren haben sich der Neutralität<br />

verschworen, Integrität ist die Basis des<br />

Geschäfts. „Wir schützen nicht nur die<br />

Marke unserer K<strong>und</strong>en, sondern auch<br />

unsere eigene Reputation“, betont<br />

Michael Weppler. TÜV Rheinland zählt<br />

Baumarktketten, weltweite Handelsriesen<br />

<strong>und</strong> Elektronikkonzerne zu seinen<br />

K<strong>und</strong>en. Damit nicht jeder Hersteller<br />

gesondert jeden Zulieferer auditieren<br />

muss, gibt es gemeinsame Brancheninitiativen,<br />

um Standards <strong>und</strong> Prozesse zu<br />

vereinheitlichen. Bei einem Dutzend der<br />

führenden Initiativen ist TÜV Rheinland<br />

aktiv. „Sozialaudits sind dazu geeignet,<br />

einen positiven Beitrag zur Wahrung<br />

von Menschenrechten zu leisten <strong>und</strong><br />

besonders die Situation von Kindern <strong>und</strong><br />

Frauen weltweit zu verbessern.“ Davon<br />

ist Thomas Seliga überzeugt.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

99


GOOD PRACTICE<br />

„Geerdetes“ Klima-Konzept<br />

für neues Bürogebäude<br />

Weidmüller geht bei der Wärmeversorgung seiner Betriebsgebäude neue Wege. Für das<br />

Anfang <strong>2019</strong> eröffnete neue „Customer & Technology Center“ (CTC) wurde eine der größten<br />

Geothermieanlagen der Region installiert. Die Nutzung der regenerativen Energie lohnt sich<br />

für den Elektrotechnikhersteller sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch.<br />

Von Carsten Nagel, Manager External Communication, Weidmüller Gruppe<br />

Als eines der ersten deutschen Unternehmen<br />

erhielt Weidmüller zu Beginn<br />

dieses Jahrzehnts die ISO-50001-Zertifizierung<br />

für sein Energiemanagement.<br />

Alle Energieflüsse im Betrieb werden<br />

erfasst <strong>und</strong> hinsichtlich ihrer Energieeffizienz<br />

bewertet. Weidmüller bekennt<br />

sich zu ambitionierten klimapolitischen<br />

Zielen <strong>und</strong> wurde dafür bereits 2013 von<br />

der gleichnamigen unternehmerischen<br />

Exzellenzinitiative für Klimaschutz <strong>und</strong><br />

Energieeffizienz zum Klimaschutzunternehmen<br />

ernannt.<br />

Gerade bei der Wärmegewinnung geht<br />

Weidmüller neue Wege. In einer 2011<br />

errichteten Produktionshalle wird<br />

beispielsweise die Abwärme von Produktionsmaschinen,<br />

Druckluftanlage,<br />

Kältemaschinen <strong>und</strong> ähnlichen Anlagen<br />

für Geräte wie Wandlufterhitzer,<br />

Lüftungsanlagen, Büroheizgeräte <strong>und</strong><br />

Rampenheizungen genutzt.<br />

Die 12.000 Quadratmeter Bürofläche<br />

des zu Jahresbeginn eröffneten „Customer<br />

& Technology Center“ (CTC) werden<br />

wiederum mithilfe einer der größten<br />

Geothermieanlagen der Region beheizt<br />

<strong>und</strong> klimatisiert.<br />

Geothermieanlage: ökologisch <strong>und</strong><br />

ökonomisch gewinnbringend<br />

Weidmüllers Maßnahmen für mehr<br />

Energieeffizienz <strong>und</strong> die Nutzung erneuerbarer<br />

Energien lohnen sich ökologisch<br />

<strong>und</strong> adressieren vor allem das<br />

UN-Nachhaltigkeitsziel 13 (Maßnahmen<br />

zum Klimaschutz). Darüber hinaus erfüllt<br />

die Geothermieanlage für das CTC<br />

die Anforderungen der Energieeinsparverordnung<br />

(EEV) mehr als genug. Ihr<br />

Energiebedarf liegt nämlich 45 Prozent<br />

niedriger als vorgeschrieben.<br />

Aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist<br />

die Erdwärmegewinnung lohnend: Die<br />

Betriebskosten für die gesamte Anlage<br />

liegen deutlich unter dem Aufwand<br />

für eine herkömmliche Heizungsanlage<br />

für vergleichbar große Gebäude. Hinzu<br />

kommt die erwartete lange Lebensdauer<br />

von mehr als 50 Jahren. Bereits im<br />

ersten Betriebsjahr des Systems sanken<br />

die Energiekosten <strong>und</strong> auch die CO 2<br />

-<br />

Emissionen deutlich. Die durchaus beachtliche<br />

Investitionssumme wird sich<br />

wahrscheinlich schon nach zehn Jahren<br />

amortisiert haben.<br />

Äußerlich ist von der Geothermieanlage<br />

nach Fertigstellung des Gebäudes, das<br />

470 Mitarbeitern der Stabs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen,<br />

der Geschäftsleitung,<br />

des Controllings <strong>und</strong> des Marketings<br />

Platz bietet, nichts zu sehen. Dabei<br />

wurden dafür auf dem Außengelände<br />

210 Bohrungen in jeweils sechs Meter<br />

Abstand voneinander ins Erdreich getrieben.<br />

In jedes der maximal 50 Meter tiefen<br />

Löcher wurde eine Sonde installiert,<br />

die das Wasser für das Klimatisierungssystem<br />

des CTC mit Wärme aus den tiefen<br />

Erdschichten „auftankt“, das dann in<br />

den Heiz-/Kühlkreislauf eingeleitet wird.<br />

Vier Jahre haben die Planungen für<br />

das neue Bürogebäude gedauert, bis<br />

2017 der erste Spatenstich erfolgte. Ein<br />

„Leuchtturm“ für die Marke <strong>und</strong> das Unternehmen<br />

Weidmüller sollte entstehen,<br />

hatte Finanzvorstand Jörg Timmermann<br />

damals verkündet. Intensiv befassten<br />

sich die Planer um Projektleiter Heinz<br />

Braunst <strong>und</strong> Facility-Management-<br />

Leiterin Helene Derksen-Riesen mit der<br />

Frage, wie das CTC möglichst effizient<br />

<strong>und</strong> ressourcenschonend zu heizen <strong>und</strong><br />

klimatisieren wäre. Die benötigte Wärmeleistung<br />

hatten Fachberater auf circa<br />

620 Kilowatt beziffert.<br />

Oberflächennahe Geothermie<br />

benötigt wenig Zusatzenergie<br />

Schnell rückte eine oberflächennahe<br />

Geothermieanlage in den Blick. Denn<br />

Erdwärme als Energiequelle muss nicht<br />

eigens erzeugt werden <strong>und</strong> steht überall<br />

zur Verfügung. Zusätzliche Energie muss<br />

lediglich für den Betrieb der Wärmepumpen<br />

zugeführt werden. Konkret<br />

100 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


edeutet das, dass die Temperatur des<br />

ungestörten Sondenfeldes circa zwölf<br />

Grad Celsius beträgt. Die Wärmepumpen<br />

machen daraus 45 Grad Celsius Vorlauftemperatur.<br />

Den dafür notwendigen<br />

Energiebedarf beziffert der B<strong>und</strong>esverband<br />

Geothermie auf etwa 25 Prozent<br />

der Gesamtheizleistung. Zum Vergleich:<br />

In herkömmlichen Heizungsanlagen<br />

beträgt die Vorlauftemperatur 50 bis<br />

60 Grad. Es muss also wesentlich mehr<br />

Energie zum Aufheizen des Umlaufwassers<br />

zugeführt werden.<br />

Für das Erdwärmesystem bei Weidmüller<br />

sollten ursprünglich 120 Wärmesonden<br />

in eine Tiefe von 100 Metern eingebracht<br />

werden. Bei vorbereitenden geologischen<br />

Untersuchungen wurden allerdings<br />

Anhydrit-Schichten gef<strong>und</strong>en. Anhydrit<br />

wird bei Kontakt mit Wasser zu Gips<br />

umgesetzt, wobei es zu einer Volumenvergrößerung<br />

kommt. Das Absenken der<br />

Wärmesonden in diese Schichten hätte<br />

das Risiko sogenannter Hebungsrisse auf<br />

der Erdoberfläche erhöht.<br />

Um trotzdem die geforderte Wärmeleistung<br />

zu erreichen, wurde deshalb nur 50<br />

Meter tief gebohrt. In dieser Erdschicht<br />

ist es etwa drei Grad kühler als in der<br />

doppelten Tiefe. Deshalb wurde die Zahl<br />

der Sonden fast verdoppelt.<br />

Die unteren Erdschichten werden durch<br />

die „Entnahme“ von Wärme übrigens<br />

nicht dauerhaft abgekühlt. Denn über<br />

das Jahr gesehen ist die Temperaturbilanz<br />

ausgeglichen, weil erwärmtes Kühlwasser<br />

über die Wärmesonden zurück<br />

in die Erde geleitet wird.<br />

Intelligente Klimasteuerung sorgt<br />

für angenehme Temperaturen<br />

Von all dem Installationsaufwand merken<br />

die Weidmüller-Mitarbeiter nichts<br />

– außer, dass sie von einem besonders<br />

angenehmen Raumklima profitieren,<br />

das auch Menschen gut vertragen, die<br />

auf Klimaanlagen empfindlich reagieren.<br />

Dafür verantwortlich ist die Technik in<br />

den Decken, durch die das geothermisch<br />

erwärmte Wasser in Rohren geführt wird.<br />

Von oben strahlt entweder warme oder<br />

kühlere Luft flächig in die Räume ab.<br />

Für die richtigen Temperaturen in jedem<br />

Winkel des CTC sorgt eine intelligente<br />

Klimasteuerung. Das gesamte Gebäude<br />

wurde in verschiedene, separat regelbare<br />

Zonen eingeteilt. Während ein Bereich<br />

beheizt wird, kann anderswo beispielsweise<br />

gleichzeitig gekühlt werden. Die<br />

Besprechungsräume erhielten noch eine<br />

Zusatzausstattung. CO 2<br />

-Sensoren wachen<br />

dort darüber, dass die Luft frisch bleibt.<br />

Ist sie verbraucht, wird verstärkt Frischluft<br />

nachgeführt.<br />

Für die meisten Kühlaufgaben reicht die<br />

unveränderte Temperatur des Wassers<br />

aus der Geothermieanlage völlig aus.<br />

Nur etwa 30 Prozent der Kühlenergie<br />

muss zusätzlich erzeugt werden. In der<br />

Gesamtbilanz zeigt sich, dass für die<br />

Klimatisierung des CTC – auch wegen<br />

der guten Gebäudeisolation – weniger<br />

Heiz- als Kühlenergie benötigt wird.<br />

Technik in den Decken sorgt<br />

für ein gutes Raumklima.<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

101


GOOD PRACTICE<br />

Klimaschutz in der DNA<br />

Umwelt- <strong>und</strong> Effizienztechnologien gehört die Zukunft – mit innovativen <strong>und</strong> nachhaltigen<br />

Lösungen ökologische Herausforderungen meistern. Wilo als führender Premiumhersteller von<br />

Pumpen <strong>und</strong> Pumpensystemen hilft weltweit nicht nur dabei, die Energie- <strong>und</strong> Wasserversorgungssysteme<br />

zu modernisieren, sondern trägt mit seinen intelligenten Systemlösungen<br />

nachhaltig dazu bei, den globalen Energie- <strong>und</strong> Wasserverbrauch signifikant zu senken. Damit<br />

leistet die Wilo Gruppe einen wichtigen Beitrag, um den Klimawandel zu entschleunigen <strong>und</strong><br />

die Klimaschutzziele der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> zu erreichen.<br />

Von Ricarda-Marie Pomper, Director Corporate Social Responsibility, Wilo<br />

Green Technology als Chance<br />

Wirtschaftlichen Erfolg sichern <strong>und</strong><br />

gleichzeitig die natürliche Lebensgr<strong>und</strong>lage<br />

heutiger <strong>und</strong> künftiger Generationen<br />

schützen?<br />

Für die meisten Menschen stellt dies<br />

ein Gegensatz dar. Die „grünen“ Zukunftsmärkte<br />

allerdings zeichnen sich<br />

dadurch aus, dass sie einerseits für die<br />

Erhaltung der Umwelt eine Schlüsselrolle<br />

einnehmen <strong>und</strong> sie andererseits<br />

wirtschaftlich ausgesprochen bedeutungsvoll<br />

sind.<br />

Weltweit steigt die Nachfrage an Umwelt<strong>und</strong><br />

Klimaschutztechnologien sowie an<br />

Produkten <strong>und</strong> Lösungen, die umweltfre<strong>und</strong>lich<br />

<strong>und</strong> ressourcenschonend sind.<br />

Laut B<strong>und</strong>esumweltministerium wird<br />

das globale Volumen der sechs „grünen“<br />

Leitmärkte 2025 voraussichtlich<br />

bei 5.902 Milliarden Euro liegen.<br />

Außer Zweifel steht: Um die im Pariser<br />

Klimaschutzabkommen <strong>und</strong> in der<br />

<strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> festgesetzten Ziele zu erreichen,<br />

sind Produkte, Verfahren <strong>und</strong><br />

Dienstleistungen der Umwelttechnik<br />

<strong>und</strong> Ressourceneffizienz unverzichtbar.<br />

Nachhaltiges Denken <strong>und</strong> Handeln<br />

Kern der Wilo-Nachhaltigkeitsstrategie<br />

ist es, mehr Menschen mit sauberem<br />

Wasser zu versorgen bei gleichzeitig<br />

reduziertem ökologischen Fußabdruck.<br />

Durch den Einsatz ihrer Produkte <strong>und</strong><br />

Lösungen wird die Wilo Gruppe bis 2025<br />

dafür sorgen, dass etwa 100 Millionen<br />

Menschen einen besseren Zugang zu<br />

sauberem Wasser haben werden.<br />

„Klimaschutz ist Teil unseres Geschäftsmodells“,<br />

so Oliver Hermes. „Die Arbeit<br />

mit den kostbaren Ressourcen Wasser<br />

102 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


<strong>und</strong> Energie sowie der Umgang mit dem<br />

zu schützenden Klima setzen nachhaltiges<br />

Denken <strong>und</strong> Handeln voraus. Dies ist<br />

bei Wilo fest in der Unternehmenskultur<br />

verankert“, unterstreicht der Vorstandsvorsitzende<br />

<strong>und</strong> CEO der Wilo Gruppe.<br />

Als weltweit führendes Technologieunternehmen,<br />

das Wasser in der Gebäudetechnik,<br />

Wasserwirtschaft <strong>und</strong> Industrie<br />

bewegt, schafft die Wilo Gruppe durch<br />

Hocheffizienztechnologie einen nachhaltigen<br />

Mehrwert.<br />

Realistische Schätzungen gehen davon<br />

aus, dass Pumpen etwa 10 Prozent des<br />

weltweit erzeugten Stroms verbrauchen.<br />

90 Prozent der Pumpen sind hierbei<br />

veraltet <strong>und</strong> ineffizient. Durch den<br />

Austausch der überholten Technologie<br />

können bis zu 246 TWh Strom alleine<br />

für Anwendungen in den Bereichen<br />

Heizung, Kälte <strong>und</strong> Klimatisierung<br />

eingespart werden. Dies entspricht der<br />

Kapazität von etwa 80 mittelgroßen<br />

Kraftwerken, die nicht mehr benötigt<br />

würden. Das Ziel der Wilo Gruppe ist<br />

es also, durch den Einsatz von ihren<br />

Systemlösungen den Energieverbrauch<br />

signifikant zu senken.<br />

an seinen Hauptproduktionsstandorten<br />

in Europa, Asien <strong>und</strong> Amerika: die<br />

Reduktion der CO 2<br />

-Emmisionen, die<br />

Reduktion des Trinkwasserverbrauchs<br />

<strong>und</strong> die Erhöhung der Recyclingquote.<br />

Im Sinne der Ressourcenschonung soll<br />

der Trinkwasserverbrauch um 20 Prozent<br />

gesenkt <strong>und</strong> die Recyclingquote auf<br />

90 Prozent gesteigert werden. Darüber<br />

hinaus hat Wilo an allen Standorten<br />

Energiesparprojekte gestartet <strong>und</strong> betrachtet<br />

derzeit weltweit Scope 1 <strong>und</strong><br />

Scope 2 Emissionen – die Emissionen,<br />

die aufgr<strong>und</strong> des Verbrauchs von Primärenergien<br />

entstehen. Bis 2025 strebt<br />

die Wilo Gruppe eine klimaneutrale<br />

Produktion an.<br />

Energieeffiziente Gebäude sind ein wichtiger<br />

Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> treibt die Wilo Gruppe<br />

ihre internationalen Standortentwicklungsprojekte<br />

nach den neusten Green<br />

Building Standards der Deutschen Gesellschaft<br />

für Nachhaltiges Bauen e.V.<br />

(DGNB) <strong>und</strong> gemäß dem „Leadership<br />

in Energy <strong>und</strong> Environmental Design“<br />

(LEED) voran. Die neuen Gebäude sind<br />

digitaler, nachhaltiger <strong>und</strong> effizienter als<br />

ihre Vorgänger. In Russland, Kasachstan<br />

<strong>und</strong> Dubai bereits gelebte Realität – am<br />

Stammsitz in Deutschland greif bare<br />

„Vision 2020“.<br />

Der neue WiloPark<br />

In Dortm<strong>und</strong>, Sitz der Firmenzentrale, realisiert<br />

die Wilo Gruppe derzeit das größte<br />

Standortentwicklungsprojekt der fast<br />

150-jährigen Unternehmensgeschichte.<br />

Auf einem 26 Fußball-Felder großen Areal<br />

baut das Unternehmen einen neuen<br />

Stadtteil – den WiloPark. Herzstück<br />

ist die über 55.000 Quadratmeter große<br />

„Smart-Factory“ nach 4.0-Standard, die<br />

im April 2020 eröffnet wird.<br />

Bei der Planung <strong>und</strong> Umsetzung der<br />

intelligenten Fabrik, aber auch der Büro<strong>und</strong><br />

Vorstandsgebäude, dem K<strong>und</strong>ensowie<br />

dem Vertriebszentrum, wurde<br />

großen Wert auf nachhaltiges Bauen<br />

<strong>und</strong> effizienten Betrieb gelegt.<br />

Wärmerückgewinnung <strong>und</strong> die intelligente<br />

Gebäudeleittechnik sowie ein<br />

ganzheitliches Energie-Monitoring <strong>und</strong><br />

-Management sind Bestandteil des Nachhaltigkeitskonzeptes.<br />

So werden zum<br />

Beispiel Elektrizität, Wärme <strong>und</strong> Kälte<br />

zentral über effiziente Anlagen <strong>und</strong> ein<br />

Verteilernetz zur Verfügung gestellt. Für<br />

eine klimafre<strong>und</strong>liche <strong>und</strong> ressourceneffiziente<br />

Nutzung der Gebäude wird unter<br />

anderem das Regenwasser der Außenanlage<br />

auf den über 70.000 Quadratmetern<br />

Dachfläche aufgefangen <strong>und</strong> zur Bewässerung<br />

<strong>und</strong> Kältegewinnung genutzt.<br />

Fazit<br />

Energie- <strong>und</strong> Ressourceneffizienz sind<br />

für den Klimaschutz unentbehrlich. Die<br />

umweltfre<strong>und</strong>lichste Energie ist immer<br />

noch diejenige, die nicht gebraucht wird.<br />

Sie schafft Versorgungssicherheit, reduziert<br />

Energiekosten <strong>und</strong> treibt die Erreichung<br />

der Klimaschutz-Ziele voran. Die<br />

Wilo Gruppe hat sich zu nachhaltigem<br />

Handeln verpflichtet <strong>und</strong> leistet so ihren<br />

Beitrag zu einer positiven Gesamtentwicklung.<br />

Interne Hebel bewegen<br />

Zum Schutz des Klimas sind Energie<strong>und</strong><br />

Ressourceneffizienz unabdingbar.<br />

Diesen Anspruch erhebt die Wilo Gruppe<br />

nicht nur gegenüber ihren Systemlösungen,<br />

sondern ebenso im Hinblick<br />

auf ihre Produktions- <strong>und</strong> Distributionsprozesse.<br />

Basierend auf der Ambition 2025 hat<br />

Wilo eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie<br />

entwickelt, die alle Anspruchsgruppen<br />

berücksichtigt <strong>und</strong> in<br />

der gesamten Wilo-Welt umgesetzt wird.<br />

Das Unternehmen bewegt drei Hebel<br />

„Klimaschutz ist Teil unseres Geschäftsmodells.<br />

Die Arbeit mit den kostbaren Ressourcen<br />

Wasser <strong>und</strong> Energie sowie der Umgang<br />

mit dem zu schützenden Klima setzen<br />

nachhaltiges Denken <strong>und</strong> Handeln voraus.<br />

Dies ist bei Wilo fest in der<br />

Unternehmenskultur verankert.“<br />

Oliver Hermes, Vorstandsvorsitzender<br />

<strong>und</strong> CEO der Wilo Gruppe<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

103


AGENDA<br />

<strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong>:<br />

Läuft uns die Zeit davon?<br />

10 Jahre bleiben noch zur Umsetzung der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> <strong>und</strong> der globalen<br />

Nachhaltigkeitsziele, den <strong>SDGs</strong>. Aus diesem Anlass luden die macondo fo<strong>und</strong>ation <strong>und</strong> das<br />

Deutsche <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk (DGCN) am 10. Oktober <strong>2019</strong> nach Berlin zum<br />

<strong>Global</strong> Goals Forum / DGCN Teilnehmerkonferenz ein. Das Forum zog eine Bilanz über die<br />

Fortschritte <strong>und</strong> den Handlungsbedarf in der Umsetzung der <strong>SDGs</strong> vier Jahre nach ihrer<br />

Verabschiedung durch die Weltgemeinschaft.<br />

104 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


GLOBAL GOALS FORUM & DGCN TNK<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

105


AGENDA<br />

106 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


GLOBAL GOALS FORUM & DGCN TNK<br />

AGENDA <strong>2030</strong>:<br />

LÄUFT UNS DIE ZEIT DAVON?<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

107


AGENDA<br />

Rückblick:<br />

<strong>Global</strong> Goals Forum <strong>2019</strong> <strong>und</strong><br />

DGCN Teilnehmerkonferenz<br />

108 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


GLOBAL GOALS FORUM & DGCN TNK<br />

Am 10. Oktober fanden sich<br />

zum <strong>Global</strong> Goals Forum in<br />

Berlin 370 Vertreterinnen <strong>und</strong><br />

Vertreter aus Politik, Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Zivilgesellschaft<br />

zusammen <strong>und</strong> regten einen<br />

spannenden Austausch zum<br />

Thema: „<strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong>: Läuft<br />

uns die Zeit davon?“ an.<br />

Zentrale Fragestellungen wie<br />

gerechte <strong>Global</strong>isierung,<br />

Klimawandel <strong>und</strong> unternehmerische<br />

Verantwortung wurden<br />

in Workshops, auf dem Panel<br />

<strong>und</strong> beim abschließenden<br />

„Get Together“ diskutiert.<br />

Ob Brexit, Handelskonflikte, Populismus<br />

<strong>und</strong> Wirtschaftsabschwung – Unversöhnlichkeit<br />

<strong>und</strong> Unvorhersehbarkeit<br />

sind Signaturen unserer Zeit. Zugleich<br />

brauchen wir dringender denn je nachhaltige<br />

Lösungen: sei es in Klimafragen,<br />

bei Verteilungsgerechtigkeit oder dem<br />

Umbau der Wirtschaft. Unter dem Titel<br />

„<strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong>: Läuft uns die Zeit davon?“<br />

diskutierten darüber Expert*innen aus<br />

Wirtschaft, Zivilgesellschaft <strong>und</strong> Politik<br />

gemeinsam mit 370 Gästen beim <strong>Global</strong><br />

Goals Forum, das in Verbindung mit<br />

der Herbst-Teilnehmerkonferenz des<br />

Deutschen <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerks<br />

(DGCN) am 10. Oktober in Berlin stattfand.<br />

Etwas mehr als zehn Jahre bleiben<br />

noch zur Umsetzung der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong><br />

<strong>und</strong> der globalen Nachhaltigkeitsziele,<br />

den <strong>SDGs</strong>. Aus diesem Anlass hatten das<br />

DGCN <strong>und</strong> die macondo fo<strong>und</strong>ation nach<br />

Berlin zum <strong>Global</strong> Goals Forum eingeladen.<br />

Das Forum zog eine Bilanz über die<br />

Fortschritte <strong>und</strong> den Handlungsbedarf<br />

in der Umsetzung der <strong>SDGs</strong> vier Jahre<br />

nach ihrer Verabschiedung durch die<br />

Weltgemeinschaft. >><br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

109


AGENDA<br />

Marcel Engel, Leiter des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerks Deutschland,<br />

betonte zum Auftakt des Forums, dass bisher kein einziges<br />

Land dieser Erde auf dem Weg ist, alle 17 Ziele zu erfüllen.<br />

Nachholbedarf gäbe es vor allem bei den Industriestaaten,<br />

darunter auch Deutschland. Die Bewältigung der globalen<br />

Herausforderungen erfordere die Beteiligung aller Stakeholder.<br />

Dies gälte ganz speziell auch für die Wirtschaft, deren Investitions-<br />

<strong>und</strong> Innovationskraft unabdingbar für die erfolgreiche<br />

Umsetzung der <strong>SDGs</strong> sei. Eine solche Beteiligung diene auch<br />

deren Zukunftssicherung: „Unternehmen können dadurch Risiken<br />

minimieren, ihre Resilienz steigern, Vertrauen bewahren,<br />

talentierte Arbeitskräfte gewinnen, neue Geschäftsmodelle<br />

<strong>und</strong> Produkte entwickeln sowie neue Märkte erschließen.“<br />

Dr. Elmer Lenzen, Geschäftsführer der macondo fo<strong>und</strong>ation,<br />

hob die Rolle des Multilateralismus hervor: „Multilateralismus<br />

heißt: Das Powerplay der großen Mächte wird ersetzt durch<br />

Regeln, denen sich alle unterwerfen. Jeder gibt <strong>und</strong> jeder<br />

bekommt.“ Zugleich warnte Lenzen davor, gesellschaftlich<br />

notwendige Veränderungen als reines Weiter-So zu denken:<br />

Nostalgie ist auf diesem Weg ein schlechter Ratgeber. Alternde<br />

Gesellschaften mögen sich die Zukunft als Vergangenheit<br />

2.0 wünschen.<br />

Marcel Engel<br />

Abger<strong>und</strong>et wurde der Auftakt durch die Videobotschaften des<br />

UN Generalsekretärs António Guterres <strong>und</strong> der stellvertretenden<br />

UN Generalsekretärin Amina J. Mohammed, die in ihrem<br />

Grußwort betonte: „It is clear, business as usual is no longer<br />

a viable path“. Vor allem im Kontext des Klimawandels <strong>und</strong><br />

steigender sozialer Ungleichheiten forderte sie dringendes<br />

<strong>und</strong> transformatives Handeln aller Stakeholder.<br />

„Transformation ohne Ehrgeiz ist nur eine hohle Geste“<br />

Marlehn Thieme, Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung,<br />

betonte hierbei die Dringlichkeit des Klimaschutzes:<br />

„Transformation ohne Ehrgeiz ist nur eine hohle Geste. Wer<br />

die schwarze Null langfristig halten will, muss die grüne Null<br />

heute wollen <strong>und</strong> einkalkulieren. Wir brauchen nicht mehr<br />

Ausgaben für Nachhaltigkeit, keine höhere Staatsquote – aber<br />

einen konsequent an den <strong>SDGs</strong> ausgerichteten Haushalt.“<br />

Zugleich kritisierte sie die Ergebnisse des UN-Klimagipfels im<br />

September in New York: „Einen gemeinsamen Fahrplan zur<br />

Erreichung des Zieles, die globale Klimaerwärmung auf 1,5°C<br />

zu begrenzen, gibt es nicht.“<br />

<strong>Global</strong> Goals als positive Zukunftsutopie?<br />

Dr. Elmer Lenzen<br />

Der bekannte Soziologe <strong>und</strong> Buchautor Harald Welzer verband<br />

Zukunftsideen mit positiver Utopie: „Wenn wir in dem Modus<br />

des Warnens verbleiben, muss man damit rechnen, dass<br />

Menschen noch stärker in ihren alten Strategien verharren.<br />

Wir müssen das kulturelle Paradigma verändern. Da kommen<br />

wir nur hin, wenn wir andere positive Rollenmodelle zeigen.<br />

Wir müssen wieder lernen, utopisch zu denken.“ Aus seiner<br />

Sicht trifft die „Ermangelung von Zukunft die Gesellschaft ins<br />

Mark“ <strong>und</strong> er räumt den <strong>SDGs</strong> Potenzial bei der Stiftung von<br />

110 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


GLOBAL GOALS FORUM & DGCN TNK<br />

Marlehn Thieme<br />

Harald Welzer<br />

positiven Zukunftsvisionen <strong>und</strong> damit<br />

der Schaffung von gesellschaftlichem<br />

Zusammenhalt ein.<br />

Wie gestalten wir Zukunft<br />

nachhaltig?<br />

Doch die politische <strong>und</strong> ökonomische<br />

Weltsituation erschwert nachhaltiges<br />

Handeln. Unter dem Titel „Multilateralismus<br />

in der Krise: Auswirkungen<br />

auf die Umsetzung der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong>“<br />

diskutierte ein hochkarätiges Panel die<br />

Optionen. „Wir wissen deutlich: Ein ständiges<br />

Wirtschaftswachstum ist nicht<br />

fortsetzbar“, findet Welzer: „Wir müssen<br />

uns dringend Gedanken machen, wie<br />

wir aus dem Erfolgsmodell rauskommen.“<br />

Thomas Wessel, Personalvorstand<br />

bei Evonik Industries AG, widerspricht:<br />

„Solange wir noch Armut <strong>und</strong> Hunger in<br />

der Welt haben, werden wir das Wirtschaftswachstum<br />

brauchen. Es muss<br />

intakt sein, um die gr<strong>und</strong>legenden Lebensbedürfnisse<br />

zu befriedigen. Wir<br />

müssen es aber intelligenter machen.“<br />

Mark Griffiths, <strong>Global</strong> Leader Climate<br />

Business Hub beim WWF, setzt auf<br />

Partnerschaften zwischen NGOs <strong>und</strong><br />

Wirtschaft: „Wir müssen unser Geschäft<br />

auf eine andere Art <strong>und</strong> Weise betreiben.<br />

Ein Teil der Lösung besteht darin, mit<br />

Unternehmen zusammenzuarbeiten,<br />

weil sie sich schneller entwickeln werden<br />

als die Politik.” Alexa Hergenröther,<br />

Geschäftsführerin K+S Kali GmbH, sieht<br />

das ähnlich: „Politik diskutiert stark rückwärtsgewandt.<br />

Unternehmen denken<br />

zukunftsorientiert. Wir brauchen sehr<br />

viel stärker eine einheitliche Diskussion<br />

<strong>und</strong> müssen mit den Stakeholdern noch<br />

mehr in einen Dialog eintreten.“<br />

Abgeschlossen wurde das Panel durch<br />

Thorsten Pinkepank, der einen Tag zuvor<br />

in seiner Rolle als Vorsitzender des<br />

Lenkungskreises des Deutschen <strong>Global</strong><br />

<strong>Compact</strong> Netzwerks bestätigt wurde. In<br />

seiner Replik hob er insbesondere die<br />

Relevanz von Vertrauen zur Schaffung<br />

gesellschaftlichen Zusammenhaltes hervor<br />

<strong>und</strong> bestätigte die Bedeutung der<br />

<strong>SDGs</strong> als inhaltlichen Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie<br />

von Unternehmen.<br />

In Workshops diskutierten die Teilnehmer*innen<br />

Schlüsselthemen wie<br />

Entwicklungspartnerschaften, Fragen<br />

zum „Smart Mix“ von Pflicht <strong>und</strong> Freiwilligkeit,<br />

Resilienz in den Lieferketten,<br />

Wassermanagement, Korruptionsprävention<br />

sowie die Rolle der Wissenschaft<br />

zur Erreichung der globalen Entwicklungsziele.<br />

Unter dem Titel „Quo Vadis <strong>Global</strong> Goals?<br />

Aligning Profit with Purpose“ diskutierten<br />

abschließend Gäste aus der Zivilgesellschaft<br />

mit Unternehmensvertretern<br />

Wege für eine gemeinsame Zukunft.<br />

Kontrovers geführt wurde dabei die Diskussion<br />

zum Klimaschutz <strong>und</strong> die Frage,<br />

ob Dekarbonisierung den Industriestandort<br />

Deutschland gefährdet.<br />

Melanie Kubin-Hardewig von der<br />

Deutschen Telekom wiederum hob die<br />

Chancen der Digitalisierung hervor. Zugleich<br />

verschwieg sie nicht die große<br />

Rolle des Internets beim CO 2<br />

-Ausstoß<br />

<strong>und</strong> plädierte für eine stärkere Internalisierung<br />

externer Kosten. Cléo Mieulet<br />

von Extinction Rebellion forderte eine<br />

massive Transformation unserer Gesellschaft:<br />

Wahrheit sagen, sofort handeln,<br />

Politik neu leben. Dazu zählen<br />

nach Ansicht der NGO ein staatsweiter<br />

Klimanotstand, gesetzliche Vorgaben<br />

zur Klimaneutralität bis 2025 sowie ein<br />

Ende des Artensterbens. Doch gesetzliche<br />

Regelungen alleine werden die <strong>Agenda</strong><br />

<strong>2030</strong> nicht umsetzen. Vor allem braucht<br />

es ein Umdenken in den Chefetagen der<br />

Unternehmen. Neben Profit muss auch<br />

Sinn den Erfolg eines Unternehmens<br />

ausmachen.<br />

Richard Roberts vom britischen Thinktank<br />

Volans beobachtete hier einen<br />

Paradigmenwechsel in vielen Unternehmen:<br />

„Um rechtzeitig dorthin zu<br />

gelangen, wo wir hin müssen, bedarf es<br />

eines enormen Mutes von Führungskräften<br />

aus der Wirtschaft. Mut, sich auch<br />

lächerlich zu machen, <strong>und</strong> eine Kultur,<br />

die auch Fehler <strong>und</strong> Versagen toleriert“,<br />

so Richard Roberts. Julia Jürgens von<br />

der METRO AG ging ihrerseits auf die<br />

Rolle von nachhaltiger Führung ein:<br />

„Es beginnt alles mit dem einzelnen<br />

Leiter. Ältere Führungskräfte sind im<br />

Autopilotenmodus. Es fehlt ihnen das<br />

Bewusstsein, das die Gr<strong>und</strong>lage der<br />

<strong>SDGs</strong> ist.“<br />

globalcompact Deutschland <strong>2019</strong><br />

111


1 Intergovernmental Panel on Climate Change (2018): <strong>Global</strong> warming of 1.5°C.<br />

www.bit.ly/SR15Report<br />

2 Das Budget bezieht sich bewusst auf CO 2-Emissionen <strong>und</strong> nicht THG-Emissionen.<br />

Andere Treibhausgase neben CO 2 wie Methan <strong>und</strong> Schwefeldioxid müssen zur<br />

erfolgreichen Einhaltung des 1,5°C-Limits ebenfalls drastisch begrenzt werden.<br />

Deutsches <strong>Global</strong> Deutsches compact <strong>Global</strong> Netzwerk compact , Diskussionspapier Netzwerk , Diskussionspapier , science BaseD , scope TargeTs 3.1<br />

AllgEmEinE EmpfEhlungEn:<br />

1) Ambitionsniveau: Um einen angemessenen Beitrag zur Lösung<br />

der Herausforderung Klimawandel zu leisten, sollten Unternehmen<br />

sich wissenschaftlich f<strong>und</strong>ierte Klimaziele in Einklang mit den Anforderungen<br />

einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C<br />

setzen. Ziele in Einklang mit dem Deutlich-Unter-2°C-Limit sind<br />

auch zulässig <strong>und</strong> stellen die Mindestanforderung an das Ambitionsniveau<br />

dar.<br />

2) Einordnung der Ergebnisse: Die Entwicklung von wissenschaftlich<br />

f<strong>und</strong>ierten Klimazielen bietet einen wertvollen Impuls<br />

für die Entwicklung einer unternehmerischen Klimastrategie <strong>und</strong><br />

macht deutlich, was die Einhaltung des 1,5°C- bzw. Deutlich-Unter-2°C-Limits<br />

auf Unternehmensebene erfordert <strong>und</strong> inwiefern<br />

bestehende Maßnahmenpotenziale ausreichend für dieses Ambitionsniveau<br />

sind.<br />

3) Kriterien für die Zielsetzung: Die offizielle Anerkennung der<br />

wissenschaftsbasierten Zielsetzung durch die SBTi bietet einen klaren<br />

kommunikativen Mehrwert <strong>und</strong> sichert die Glaubwürdigkeit von<br />

Klimazielen gegenüber Stakeholdern. Die Kriterien der SBTi für die<br />

Überprüfung der Ziele bieten eine hilfreiche Orientierung bei der Zielformulierung<br />

<strong>und</strong> können auch ohne offizielle Ziel-Validierung durch<br />

die SBTi als Kriterien der aktuellen guten Praxis eingesetzt werden.<br />

4) umgang mit Scope-3-Emissionen: Machen Scope-3-Emissionen<br />

mehr als 40% der Gesamtemissionen des Unternehmens aus, so<br />

sind auch sie in die Zielformulierung zu integrieren. Die Art der Zielsetzung<br />

muss dabei in Abhängigkeit von den Emissionsschwerpunkten<br />

in der Wertschöpfungskette individuell gewählt werden, sollte<br />

aber in jedem Fall zu einer Emissionsreduktion für Scope 3 führen.<br />

3 Das Mercator Research Institute on <strong>Global</strong> Commons and Climate Change (MCC)<br />

verdeutlicht mit einer “CO 2-Uhr”, wie viel des vom IPCC spezifizierten CO 2-Budgets für<br />

die Einhaltung der 1,5°C- bzw. 2°C-Temperaturschwelle noch verfügbar ist.<br />

www.bit.ly/CO 2-Uhr<br />

Publikationen<br />

Alle Bücher sind erhältlich unter globalcompact.de/Publikationen<br />

Studie<br />

Moderne Sklaverei <strong>und</strong> Arbeitsausbeutung<br />

Herausforderungen <strong>und</strong> Lösungsansätze für deutsche Unternehmen<br />

Aktualisierte Ausgabe <strong>2019</strong><br />

Die Studie geht der Frage auf den Gr<strong>und</strong>,<br />

was moderne Sklaverei eigentlich ist, wie<br />

sie entsteht, warum das Thema auch für<br />

deutsche Unternehmen von Bedeutung<br />

ist <strong>und</strong> was Unternehmen tun können,<br />

um Risiken moderner Sklaverei <strong>und</strong><br />

Arbeitsausbeutung im Zusammenhang<br />

mit ihren eigenen Aktivitäten <strong>und</strong> Lieferketten<br />

wirksam zu bekämpfen. Insofern<br />

richtet sie sich an interessierte Akteure<br />

aus Wirtschaft, Politik <strong>und</strong> Zivilgesellschaft,<br />

die sich auf praktische Weise<br />

mit diesen Fragestellungen auseinandersetzen<br />

möchten. Die spezifischen,<br />

in dieser Studie beleuchteten Risiken<br />

moderner Sklaverei sind dabei von Land<br />

zu Land <strong>und</strong> von Branche zu Branche unterschiedlich.<br />

Generell besteht vor allem<br />

dort ein erhöhtes Risiko, wo wirtschaftliche,<br />

soziale <strong>und</strong> gesellschaftliche Rahmenbedingungen<br />

Menschen verw<strong>und</strong>bar<br />

gegenüber Ausbeutung machen.<br />

Ratgeber<br />

Korruptionsprävention in der Lieferkette – Wie Unternehmen<br />

mit Herausforderungen umgehen können<br />

Erschienen im Dezember 2017<br />

Eines der Hauptrisiken ist Korruption,<br />

nicht selten verb<strong>und</strong>en mit der Verletzung<br />

von Menschenrechten <strong>und</strong> der Umgehung<br />

von Umwelt- <strong>und</strong> Qualitätsstandards<br />

durch beauftragte Lieferanten. Im<br />

Fokus der öffentlichen Wahrnehmung<br />

stehen dabei jedoch nicht nur die Lieferanten<br />

selbst, sondern häufig auch die<br />

beauftragenden Unternehmen. Korruptionsprävention<br />

dient folglich nicht nur<br />

der Reduzierung von rechtlichen <strong>und</strong><br />

kommerziellen Risiken. Entsprechende<br />

Maßnahmen können die Reputation<br />

eines Unternehmens bei den eigenen<br />

Mitarbeitern, K<strong>und</strong>en, Lieferanten <strong>und</strong><br />

anderen Akteuren erheblich steigern,<br />

Kosten sparen <strong>und</strong> letztendlich Wettbewerbsvorteile<br />

bringen.<br />

Diskussionspapier<br />

Science Based Targets – Wissenschaftlich f<strong>und</strong>ierte Klimaziele<br />

als Gr<strong>und</strong>lage für die unternehmerische Klimastrategie<br />

Erschienen im Oktober <strong>2019</strong><br />

Stärker denn je steht der Klimawandel<br />

als eine der drängendsten globalen Herausforderungen<br />

unserer Zeit im Fokus<br />

der Wirtschaft. Für Unternehmen können<br />

sich aus der globalen Erwärmung<br />

<strong>und</strong> der globalen Bestrebung diese zu<br />

begrenzen erhebliche Risiken, aber auch<br />

Chancen für die Geschäftsentwicklung<br />

ergeben. Unternehmen erhalten hierbei<br />

Unterstützung durch die „Science Based<br />

Targets“ Initiative (SBTi)4, eine Partnerschaft<br />

von CDP, UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>,<br />

World Resources Institute (WRI) <strong>und</strong><br />

World Wide F<strong>und</strong> for Nature (WWF).<br />

1. HinTergrunD<br />

<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

Netzwerk Deutschland<br />

D i s k u s s i o n s p a p i e r<br />

Erkenntnisse der Klimawissenschaft<br />

Stärker denn je steht der Klimawandel als eine der drängendsten<br />

globalen Herausforderungen unserer Zeit im Fokus der<br />

Wirtschaft. Für Unternehmen können sich aus der globalen<br />

Erwärmung <strong>und</strong> der globalen Bestrebung diese zu begrenzen<br />

erhebliche Risiken, aber auch Chancen für die Geschäftsentwicklung<br />

ergeben. Der Intergovernmental Panel on Climate<br />

Change (IPCC) zeigt in seinem 2018 veröffentlichten<br />

Sonderbericht 1 zum Thema 1,5°C globale Erwärmung auf,<br />

dass sich die Erde bis heute im globalen Mittel gegenüber der<br />

vorindustriellen Zeit um 1°C erwärmt hat. Schon auf diesem<br />

Niveau von Erderwärmung sind drastische Folgen des Klimawandels<br />

spürbar, zum Beispiel in Form von zunehmenden<br />

Extremwetterereignissen, Dürren, Überflutungen, einem Anstieg<br />

des Meeresspiegels <strong>und</strong> sterbenden Korallenriffen. Mit<br />

jedem weiteren Grad Temperaturanstieg verschärfen diese<br />

Auswirkungen sich signifikant. Daraus leitet sich die Notwendigkeit<br />

einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf<br />

maximal 1,5°C gegenüber der vorindustriellen Zeit ab. Nur<br />

so lassen sich unumkehrbare Schäden an Lebensräumen,<br />

Ökosystemen <strong>und</strong> Biodiversität begrenzen sowie Kosten der<br />

Anpassung an den Klimawandel in Wirtschaft, Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

<strong>und</strong> Sozialsystemen im Rahmen halten.<br />

Der Weltklimarat greift dabei auf das Konzept eines dynamischen<br />

globalen „CO 2-Budgets“ zurück. Dieses beschreibt<br />

die maximale Menge an CO 2-Emissionen, welche insgesamt<br />

in die Atmosphäre emittiert werden kann, wenn bestimmte<br />

Grenzen globaler Erwärmung eingehalten werden sollen. 2<br />

Um das CO 2-Budget zu bestimmen, werden globale CO 2-Emissionen<br />

aus der Verbrennung fossiler Energieträger <strong>und</strong> aus<br />

Industrieprozessen seit Beginn der Industrialisierung kumulativ<br />

addiert. Der IPCC beziffert dabei das CO 2-Budget,<br />

mit dessen Einhaltung die globale Erwärmung bis 2100 mit<br />

einer Wahrscheinlichkeit von zumindest 66% auf maximal<br />

1,5°C begrenzt werden kann, auf ca. 2.620 Gigatonnen. Für<br />

eine Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 2°C (66%<br />

Wahrscheinlichkeit) liegt das Budget bei ca. 3.370 Gigaton-<br />

Science<br />

Based Targets<br />

Wissenschaftlich f<strong>und</strong>ierte Klimaziele als Gr<strong>und</strong>lage<br />

für die unternehmerische Klimastrategie<br />

nen CO 2. Bis heute wurden jedoch global bereits ca. 2.270<br />

Gigatonnen CO 2 emittiert – damit wurden etwa 90% des<br />

CO 2-Budgets für 1,5°C <strong>und</strong> 67% des Budgets für 2°C bereits<br />

aufgebraucht. 3 Soll die globale Erwärmung erfolgreich auf<br />

maximal 1,5°C begrenzt werden, verbleibt demnach ein<br />

CO 2-Restbudget von ca. 350 Gigatonnen – welches ohne eine<br />

drastische Reduktion der globalen CO 2-Emissionen von aktuell<br />

ca. 42 Gigatonnen pro Jahr in nur etwas mehr als acht<br />

Jahren aufgebraucht wäre. Für eine Begrenzung der Erwärmung<br />

auf 2°C verbleiben entsprechend noch ca. 1.100 Gigatonnen<br />

bzw. noch hypothetische 26 Jahre.<br />

01<br />

112 globalcompact Deutschland <strong>2019</strong>


IMPRESSUM<br />

Verlag:<br />

macondo publishing GmbH<br />

Dahlweg 87<br />

48153 Münster<br />

Tel.: +49 (0) 251 – 200782-0<br />

Fax: +49 (0) 251 – 200782-22<br />

Mail: info@macondo.de<br />

URL: www.macondo.de<br />

USt-Id-Nr.: DE 292 662 536<br />

Chefredakteur:<br />

Dr. Elmer Lenzen<br />

Redaktion:<br />

Ulrich Klose, Elena Köhn<br />

Bildredaktion:<br />

Marion Lenzen<br />

Gestaltung:<br />

Gesa Weber<br />

Lektorat:<br />

Marion Lenzen, Bettina Althaus<br />

Bei dieser Publikation wurde aus Gründen<br />

der sprachlichen Vereinfachung bei einigen<br />

Texten nur die männliche Form verwendet.<br />

Es sind jedoch stets Personen männlichen,<br />

weiblichen <strong>und</strong> diversen Geschlechts<br />

gleichermaßen gemeint.<br />

Klimaneutralität:<br />

Das vorliegende Druckerzeugnis ist<br />

durch anerkannte Klimaschutzprojekte<br />

klimaneutral gestellt worden.<br />

(Nature Office Gold Standard Portfolio -<br />

GS, VER)<br />

Papier:<br />

Magno Volume, FSC-zertifiziert<br />

Zitat:<br />

klimaneutral<br />

natureOffice.com | DE-220-ZS5HED9<br />

gedruckt<br />

Amina Mohammed, UN Deputy Secretary-<br />

General’s closing remarks at High-level<br />

Political Forum on Sustainable Development<br />

(25. September <strong>2019</strong>)<br />

Autoren dieser Ausgabe<br />

(in alphabetischer Reihenfolge):<br />

Niels Angel, Peter Attin, Lucas Bergmann,<br />

Matthias Berninger, Lina Binder, Dr. Katie<br />

Böhme, Susanne Dunschen, Dr. Torsten<br />

Eder, Daniel Erk, Hannelore Gantzer, Richard<br />

Häusler, Michaela Hauberg, Dr. Matthias<br />

Hausmann, Christian Heller, Christoph<br />

Jäkel, Torsten Kallweit, Katharina Kemler,<br />

Lise Kingo, Manfred Klevesath, Christian<br />

Kohlmeyer, Tomasz Konicz, Jenni Lee,<br />

Dr. Elmer Lenzen, Dr. Sabine Lutz, Friedrich-<br />

Wilhelm Micus, Carsten Nagel, Angelika<br />

Peled, Ricarda-Marie Pomper, Ilke Rangette,<br />

Gabriele Renner, Richard Roberts, Dr. Kai<br />

Rolker, Serra Schlesinger, Marlehn Thieme,<br />

Hans-Jürgen Urban, Tatjana Vetter, Annette<br />

Wagner, Christina Witter<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben<br />

nicht die Meinung des Herausgebers wieder.<br />

Titelbild:<br />

UN Photo/Manuel Elias<br />

Bildnachweis:<br />

UN Photo/Evan Schneider (S. 3, 11),<br />

UN Photo/Laura Jarriel (S. 4 oben, 6/7, 12,<br />

14/15), PeopleImages.com/iStockphoto.com<br />

(S. 4 unten, 32/33), André Wagenzik (S. 5, 13,<br />

16, 43, 46, 104/105, 106/107, 108/109, 110,<br />

111), UN Photo/Ariana Lindquist (S. 9),<br />

UN Photo/Eskinder (S. 19), UN Photo/Manuel<br />

Elias (S. 20/21), UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>_Chae<br />

Kihn for J.S. Photo (S. 25, 26, 27 oben, 27<br />

unten), UN Photo/Rick Bajornas (S. 27,<br />

2. von oben), Schneider Electric (S. 27,<br />

3. von oben), UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> (S. 27,<br />

4. von oben, 28), PIMCO (S. 27, 5. von<br />

oben), UNGC/Joel Sheakowski (P. 29,<br />

30/31), Deagreez/iStockphoto.com (S. 35),<br />

MandicJovan/stock.adobe.com (S. 36),<br />

Yakobchuk Olena/stock.adobe.com<br />

(S. 38/39), Pugun & Photo Studio/<br />

stock.adobe.com (S. 41), Andrii Starunskyi/<br />

stock.adobe.com (S. 42), JuliSonne/<br />

stock.adobe.com (S. 49), anandoart/<br />

iStockphoto.com (S. 50, 51), P!xel66/<br />

Fotolia.com (S. 53), Marion Lenzen (S. 54),<br />

ABB (S. 58, 59), ALDI (S. 60, 61), Antalis<br />

(S. 62, 63), Rui Camilo/BASF (S. 65), Bayer<br />

(S. 67), BMW (S. 68, 69 links), Jean-Luc<br />

Mathey/BMW (S. 69 rechts), Bosch<br />

(S. 70/71), CEWE (S. 73), Daimler (S. 75),<br />

E.ON (77), adrian bedoy/Evonik (S. 78),<br />

Harald Reusmann/Evonik (S. 79 oben),<br />

iPoint-systems (S. 83), ista (S. 84, 85), Jens<br />

Goerlich/Lufthansa (S. 86), Lufthansa (S. 87),<br />

IHK-Akademie-Mittelfranken (S. 89), MAN<br />

(S. 91), Marcus Perkins/Merck (S. 92 links,<br />

93 links), Merck (S. 92 rechts, 93 rechts),<br />

pervormance international (S. 94, 95),<br />

Symrise (S. 97), Marco Moog/TÜV Rheinland<br />

(S. 99), Weidmüller (S. 101), WILO (S. 102,<br />

103), Deutsche Telekom (S. 106 oben links)<br />

Bezugspreis:<br />

€ 15,00 zzgl. Porto:<br />

[D] + € 1,00<br />

[CH] + € 3,50<br />

[EU] + € 2,00<br />

[Int.] + € 5,50<br />

Rechte:<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

Nachdruck, Aufnahme in Online-Dienste<br />

<strong>und</strong> Internet sowie Vervielfältigung jeglicher<br />

Art nur nach vorheriger schriftlicher<br />

Zustimmung des Verlags.<br />

Für unverlangt eingeschickte Manuskripte,<br />

Fotos <strong>und</strong> Illustrationen übernehmen wir<br />

keine Gewähr.<br />

ISSN 1614-7685<br />

ISBN-13: 978-3-946284-08-6<br />

Printed in Germany © <strong>2019</strong><br />

Anschrift DGCN:<br />

Geschäftsstelle Deutsches <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

Netzwerk (DGCN)<br />

Deutsche Gesellschaft für Internationale<br />

Zusammenarbeit (GIZ) GmbH<br />

Reichpietschufer 20<br />

10785 Berlin<br />

Tel.: +49 (0) 30 72614-204<br />

Fax: +49 (0) 30 72614-130<br />

Mail: globalcompact@giz.de<br />

URL: www.globalcompact.de


Die 10 Prinzipien<br />

des United Nations<br />

<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

Im Mittelpunkt der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>-Initiative stehen zehn Prinzipien zu Menschenrechten,<br />

Arbeitsnormen, Umweltschutz <strong>und</strong> Korruptionsbekämpfung. Der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> ruft weltweit<br />

Unternehmen dazu auf, sich zu diesen Prinzipien öffentlich zu bekennen <strong>und</strong> aktiv für ihre<br />

Umsetzung einzusetzen.<br />

MENSCHENRECHTE<br />

Prinzip 1: Unterstützung<br />

<strong>und</strong> Respektierung<br />

der internationalen<br />

Menschenrechte im eigenen<br />

Einflussbereich<br />

Prinzip 2: Sicherstellung,<br />

dass sich das eigene<br />

Unternehmen nicht an<br />

Menschenrechtsverletzungen<br />

beteiligt<br />

UMWELT<br />

Prinzip 7: Unterstützung eines<br />

vorsorgenden Ansatzes im<br />

Umgang mit Umweltproblemen<br />

Prinzip 8: Ergreifung von<br />

Schritten zur Förderung einer<br />

größeren Verantwortung<br />

gegenüber der Umwelt<br />

Prinzip 9: Hinwirkung<br />

auf die Entwicklung <strong>und</strong><br />

Verbreitung umweltfre<strong>und</strong>licher<br />

Technologien<br />

ARBEITSNORMEN<br />

Prinzip 3: Wahrung der<br />

Vereinigungsfreiheit <strong>und</strong><br />

wirksame Anerkennung<br />

des Rechts zu<br />

Kollektivverhandlungen<br />

Prinzip 4: Abschaffung jeder<br />

Art von Zwangsarbeit<br />

KORRUPTIONSBEKÄMPFUNG<br />

Prinzip 10: Unternehmen sollen<br />

gegen alle Arten der Korruption<br />

eintreten, einschließlich<br />

Erpressung <strong>und</strong> Bestechung<br />

Prinzip 5: Abschaffung der<br />

Kinderarbeit<br />

Prinzip 6: Beseitigung von<br />

Diskriminierung bei Anstellung<br />

<strong>und</strong> Beschäftigung


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Deutscher B<strong>und</strong>espräsident<br />

German Federal President<br />

Dr. Angela Merkel,<br />

Deutsche B<strong>und</strong>eskanzlerin<br />

German Federal Chancellor<br />

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27.12.2007, 16:59<br />

UN Generalsekretär Ban Ki-moon<br />

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BISHERIGE AUSGABEN<br />

»<br />

Let us choose to unite the power<br />

of markets with the authority of<br />

universal ideals. Let us choose to<br />

reconcile the creative forces of private<br />

«<br />

entrepeneurship with the needs of the<br />

disadvantaged and the requirements<br />

of future generations.<br />

Kofi Annan, Secretary-General of the United Nations<br />

global<br />

compact<br />

25 | 30 US$<br />

global compact Deutschland | 2005<br />

Deutschland<br />

global<br />

compact<br />

2005<br />

Today it is increasingly clear<br />

that UN objectives – peace,<br />

security, development go hand-inhand<br />

with prosperity and growing<br />

markets.<br />

If societies fail, so will markets.<br />

Kofi Annan, former Secretary-General of the United Nations<br />

global<br />

compact<br />

25,00 EUR<br />

global compact Deutschland | 2006<br />

Deutschland<br />

global<br />

compact<br />

2006<br />

the <strong>Compact</strong> as an organizing tool<br />

for your global operations. Ensure that<br />

your boards, subsidiaries and supply chain<br />

partners use the <strong>Compact</strong> as both a<br />

management guide and a moral compass.<br />

25,00 EUR<br />

Ban Ki-moon,<br />

Secretary General of the United Nations<br />

global compact Deutschland | 2007<br />

global<br />

Deutschland<br />

compact<br />

2007<br />

Ich freue mich, dass die Mitglieder des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Deutschland in einem<br />

<strong>Jahrbuch</strong> über ihre Aktivitäten berichten. Ich wünsche mir, dass dieses Buch noch<br />

mehr Unternehmen anspornt, sich zu den Prinzipien des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> zu bekennen<br />

<strong>und</strong> diese mit Engagement umzusetzen – im eigenen Betrieb ebenso wie über dessen<br />

Grenzen hinaus. Wir brauchen dieses Engagement der Unternehmen für mehr Ausgleich<br />

<strong>und</strong> Gerechtigkeit der internationalen Ordnung.<br />

I am pleased that the members of <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Germany are reporting on their<br />

activities in a yearbook. I hope that this book will encourage even more companies to<br />

adopt the <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Principles and carry them out with commitment – in their own<br />

operations and beyond their bo<strong>und</strong>aries. We need this involvement of<br />

companies for more balance and justice in the international order.<br />

global compact Deutschland | 2008<br />

Deutschland<br />

global<br />

compact<br />

Deutschland<br />

global<br />

compact<br />

Unternehmerische<br />

Verantwortung muss ein<br />

Eckpfeiler werden für ethische<br />

<strong>und</strong> stabile Märkte.<br />

global compact Deutschland 2010<br />

Deutschland<br />

global<br />

compact<br />

Durch Vorbilder <strong>und</strong> Kooperationen<br />

in Initiativen <strong>und</strong> Netzwerken können<br />

wir das Bewusstsein für Nachhaltigkeit auch<br />

als wirtschaftlichen Erfolgsfaktor weiter<br />

schärfen. Hierbei nimmt der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />

eine wichtige Rolle ein. Allen Akteuren, die<br />

sich in diese weltweite Initiative einbringen,<br />

sage ich von Herzen Dank.<br />

global compact Deutschland 2011<br />

Deutschland<br />

global<br />

compact<br />

Ich wünsche dem deutschen <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> <strong>Jahrbuch</strong> einen großen Leserkreis.<br />

Möge es zu weiteren Anstrengungen für kreative <strong>und</strong> erfolgreiche Partnerschaften<br />

animieren, die der <strong>Global</strong>isierung nicht nur ein fre<strong>und</strong>liches Gesicht verleihen, sondern vor<br />

allem deren vielfältige Chancen <strong>und</strong> positive Entwicklungen konkret erfahrbar machen.<br />

I wish the German <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Yearbook a large readership. May it<br />

animate further efforts towards creative and successful partnerships that not only give<br />

globalisation a friendly face but, above all, make it possible to experience<br />

concretely its many opportunities and positive developments.<br />

2008<br />

2009<br />

30,00 EUR<br />

30,00 EUR<br />

30,00 EUR<br />

2010<br />

2011


globalcompact.de<br />

Bestellanschrift Verlag:<br />

ISBN-13: 978-3-946284-08-6<br />

978-3-946284-06-2<br />

macondo publishing GmbH<br />

Dahlweg 87<br />

48153 Münster<br />

Tel: +49 (0) 2 51 - 200 782 -0<br />

Fax: +49 (0) 2 51 - 200 782 -22<br />

bestellung@macondo.de<br />

www.macondo.de<br />

15,00 EUR<br />

Printed in Germany, Dezember <strong>2019</strong>

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