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Stammzellen

Alle haben eine Chance

Ein internationales Forscherteam stellt mit neuen Experimenten bisherige Annahmen zur Stammzellentwicklung infrage. Dies könnte Auswirkungen auf künftige Stammzelltherapien haben.
Theo Dingermann
20.05.2019  14:45 Uhr

Stammzellen werden zur Panacea im Zeitalter der regenerativen Medizin, die sich anschickt, die klassische, arzneimittelbasierte Medizin relevant zu ergänzen. Für die alternde Menschheit ist dies ein Hoffnungsträger. Unter diesem Aspekt lässt eine neue Studie, die jetzt in »Nature« publiziert wurde, aufhorchen. Denn hier werden bisherige Erkenntnisse zur Stammzellenentwicklung teilweise infrage gestellt.

Wissenschaftler um Professor Dr. Benjamin D. Simons von der Universität Cambridge und Professor Dr. Kim B. Jensen von der Universität Kopenhagen zeigen mit eleganten Experimenten, dass heranreifende Darmzellen mit einer erstaunlichen Entwicklungsflexibilität ausgestattet sind. Deren Differenzierungsweg hin zu den verschiedenen reifen Zelltypen im Darm ist nach diesen neuen Erkenntnissen keineswegs schon sehr früh vorgegeben.

Durch eine Kombination zellbiologischer Experimente und mathematischer Berechnungen demonstrieren die Wissenschaftler, dass zunächst einmal alle Zellen im fetalen Darm das Potenzial besitzen, sich zu Stammzellen zu entwickeln. Dies ist eine völlig neue Erkenntnis. In welche Richtung die Stammzellen dann schließlich weiter differenzieren, ist nicht etwa vorbestimmt, sondern wird von der unmittelbaren Umgebung bestimmt. Das heißt, lösliche Faktoren, die in dem Milieu vorherrschen, in dem sich die Zellen im Darm zufällig gerade aufhalten, legen den Differenzierungsweg fest.

Sollten sich diese Beobachtungen bestätigen, hätte dies große Implikationen für künftigen Stammzelltherapien. Richtig platziert, würden derartige Stammzellen tatsächlich zu dem Zelltyp heranwachsen, der therapeutisch erforderlich ist. Zusätzlich kann jetzt auch die Suche nach den Faktoren beginnen, die pluripotenten Stammzellen in eine ganz bestimmte Entwicklungsrichtung lenken. Sind diese identifiziert, lässt sich auch in vitro ein Differenzierungsprogramm anstoßen, das genau die Zellen hervorbringt, die im Rahmen eines regenerativen Therapieansatzes benötigt werden.

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