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Politik

Erneut in die Verlängerung

19. November 2017

Um 18 Uhr sollte am Sonntagabend Schluss sein mit den Sondierungsgesprächen für eine Jamaika-Koalition. Doch CDU, CSU, FDP und Grüne sind weiter uneins. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

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Deutschland | Wartenden Journalisten vor der Landesvertretung von Baden-Württemberg
Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

"Wir halten auf 17.59 Uhr die Uhren an und führen weitere Gespräche", so Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Auf eine Stunde komme es jetzt nicht mehr an. Um elf Uhr vormittags hatte die aktuelle Sondierungsrunde zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen in Berlin begonnen. Nach zwei Tagen in der CDU-Zentrale diesmal in der baden-württembergischen Landesvertretung.

"Ich denke, das ist heute der letzte Tag dieser Sondierungsgespräche", hatte CSU-Chef Horst Seehofer am Vormittag gesagt. Es müsse eine Begrenzung der Zuwanderung, einen Abbau des Solidaritätszuschlages, eine kleine Einkommenssteuerreform und eine Entlastung der Familien geben, zählte er seine Forderungen auf, die er am Morgen noch kurz mit CDU-Chefin Angela Merkel intern abgestimmt hatte.

Geduld gefragt

Sprach es und verschwand mit der Kanzlerin, die nichts sagte, im Innern der Landesvertretung. Ein Gebäude, dessen Erdgeschoss dank seiner bodentiefen Fenster von draußen gut einsehbar ist. Dort harrten den ganzen Tag und später auch Abend die Hauptstadt-Journalisten in Kälte und Regen aus und beobachteten, wie drinnen die Unterhändler der einzelnen Parteien hin und her pendelten, immer wieder die Räume wechselten und offensichtlich teils in internen, teils in größeren gemischten Gruppen miteinander verhandelten.

Der Großteil der Unterhändler musste sich jedoch die meiste Zeit an den Stehtischen im Foyer in Geduld fassen. Egal, ob Minister, Generalsekretär oder Abgeordneter. Denn an diesem Sonntag war vieles Sache der Parteichefs. Im sogenannten Kaminzimmer saßen sie immer wieder zusammen, unterrichteten zwischendurch ihre Parteidelegationen und beugten sich dann wieder über die lange Liste mit Detailfragen, die in den letzten vier Wochen von den Expertenfachgruppen aufgestellt worden waren.

Am seidenen Faden

Grundsätzlich herrschte am Sonntag von Anfang an aber dicke Luft bei den Verhandlungen. Am frühen Nachmittag hieß es sogar, die Sondierungen hingen nur noch am seidenen Faden. Wenn es weiterhin keine Bewegung in zentralen Themen gebe, werde man nicht weiter über eine Jamaika-Koalition verhandeln müssen. Die Parteichefs würden ernsthaft überlegen, ob man nicht lieber für zwei Wochen eine Pause einlegen und die besonders strittigen Themen mit der jeweiligen Parteibasis klären solle.

Deutschland Sondierungsgespräche in Berlin | Merkel
Pendelte zwischen den Delegationen: Kanzlerin Merkel (im Hintergrund)Bild: Reuters/A. Schmidt

Im Fokus immer wieder die gleichen Themen: Die Migrations- und die Klimapolitik. CDU und CSU beharrten auf einer Begrenzung der Zuwanderung. Die Grünen sollten den Richtwert von 200.000 Flüchtlingen akzeptieren, der die maximale jährliche Nettozuwanderung aus humanitären Gründen beschreiben sollte. Eine Forderung, hinter die sich auch die FDP stellte. Die Grünen hingegen wollten nicht von ihrer Forderung abweichen, dass der Familiennachzug für Flüchtlinge mit beschränktem Schutzstatus nach März 2018 erlaubt wird. Dies aber lehnten CDU, CSU und FDP ab.

FDP will nicht länger warten

Die FDP schlug vor, Flüchtlinge, die ihre Familie ernähren könnten und integriert seien, dürften über ein Einwanderungsgesetz einwandern und dann auch im Land bleiben. Bis man ein solches Gesetz habe, müsse der Familiennachzug für die subsidiär Geschützten aber für weitere zwei Jahre ausgesetzt bleiben. Außerdem forderte die FDP, die Kohle-Verstromung nur bedingt zu beenden.

Berlin Jamaika Sondierungsgespräche Lindner
"Um 18 Uhr ist das Ding tot" - FDP-Chef LindnerBild: Reuters/H. Hanschke

Von Seiten der FDP wurde auch zeitlich Druck gemacht. "Wenn wir bis Sonntag 18 Uhr nicht zurande kommen, ist das Ding tot", hatten sich Parteichef Christian Lindner und sein Vize Wolfgang Kubicki am Samstag festgelegt. Entsprechend erklärten die Liberalen am Sonntagabend kurz vor ihrer Deadline, ihre internen Beratungen seien nun beendet. "Wir warten jetzt darauf, dass es in der Runde der Parteivorsitzenden eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung gibt", so FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. 

Wie lange noch?

Doch 18 Uhr verstrich, ohne dass es eine Entscheidung gab. Allerdings hatten sowohl die Grünen als auch die Union die von der FDP aufgestellte Deadline von Anfang an in Frage gestellt. Das sei nicht zu schaffen, hatte CSU-Chef Horst Seehofer am Samstagabend gesagt. Es gebe noch einen "Berg von Entscheidungen". Es werde so lange verhandelt wie nötig, sagte auch die Grünen-Unterhändlerin Katrin Göring-Eckardt.

Eigentlich sollten die Sondierungsgespräche bereits am 16. November zu einem Ende gekommen sein. Doch der Donnerstag und die anschließende Nacht verstrichen ergebnislos, am Freitagmorgen wurde ergebnislos vertagt. Zu groß war die Fülle der noch strittigen Punkte, zu groß war aber auch das gegenseitige Misstrauen. Vor allem zwischen den Grünen und der CSU stimmt die Chemie nicht. Immer wieder werden verbale Attacken geritten. "Also entweder will man gemeinsam was machen, dann unterlässt man sowas", polterte der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann schließlich. "Oder man sagt gleich, man will das nicht haben."