11. November 2022
Metaverse Markenrecht
Metaverse

Ist das Markenrecht bereit für das Metaverse?

Metaverse und Markenrecht: Wir geben einen Überblick über die Zukunft von Marken sowie deren Durchsetzung in virtuellen Welten.

Das Metaverse gilt als die nächste große technologische Revolution. Die disruptive Kraft des Metaverse wird oft mit dem Aufkommen des Internets um das neue Jahrtausend herum verglichen. Dies wirft die Frage auf, ob das Markenrecht schon bereit für das Metaverse ist oder einer Anpassung bedarf, um mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten.

Metaverse als markenrechtliches Neuland

Digitale Sachverhalte stellen im Bereich des Markenrechts keine Neuheit dar. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich sowohl das kodifizierte Recht als auch die Rechtsprechung anhand der vielfältigen Konstellationen im Internet weiterentwickelt. Auch digitale Güter sind keine Neuheit. So hat der Verkauf sog. „Cosmetics“ in diversen Spielen bereits vor einigen Jahren öffentliche Beachtung sowie wirtschaftliche Bedeutung erlangt.

Im Rahmen des Metaverse steht zu erwarten, dass Anbieter realer Güter/Dienstleistungen vermehrt im virtuellen Raum unterwegs sein werden. So ist bspw. an virtuelle Güter wie Bekleidungsstücke für Avatare, Einrichtungsgegenstände für virtuelle Wohn-/Büroräume sowie an virtuelle Läden im Metaverse zu denken. Durch den verstärkten Einstieg klassischer Markenhersteller in virtuelle Märkte werden sich zahlreiche neue Fragestellungen (etwa im Rahmen der rechtserhaltenden Benutzung) ergeben. Hierbei spielt auch eine Rolle, dass die virtuelle Welt des Metaverse sehr viel offener ausgestaltet sein soll als bspw. die eines Battle Royale, bei dem der Anbieter des Spiels jeden virtuellen Gegenstand individuell kuratiert. Allein durch diese Offenheit und die größere Anzahl an Akteuren dürfte es zu einem vermehrten Auftreten von markenrechtlichen Auseinandersetzungen im Metaverse kommen.

Zudem werden virtuelle Güter im Idealfall „interoperabel“ sein. Das heißt, dass ein virtueller Gegenstand, der gewisse (durch die Industrie noch zu definierende) Standards einhält, auf Metaverse-Plattformen verschiedener Anbieter benutzt werden kann. Hierin dürfte – neben der verstärkten Virtualisierung im Zuge der Pandemie – auch ein Grund liegen, weshalb das Metaverse gewissermaßen im Fahrwasser der Blockchain-Technologie Tempo aufgenommen hat. Mithilfe Blockchain-basierter NFTs lassen sich Verkäufe digitaler Güter realisieren, die es den Käufern* ermöglichen, sich bei verschiedenen Plattformen als Inhaber zu authentifizieren.

Klassifizierung: Alle virtuellen Waren in Klasse 9?

Nach den vom EUIPO veröffentlichten Leitlinien, die ab 2023 gelten sollen, werden „herunterladbare, durch Non-Fungible-Token authentifizierte digitale Dateien“ in Klasse 9 eingeordnet. Auch in der ab 2023 gültigen 12. Edition der Nizza-Klassifikationen lässt sich ein vergleichbarer Eintrag finden. Damit droht die – ohnehin bereits recht breite – Klasse 9 ein deutliches Übergewicht zu erlangen. Aktuell zeichnet sich nicht ab, dass die Ämter und die für die Nizza-Klassifikationen zuständige WIPO diese Praxis ändern wollen. Vorteil ist, dass hiermit Markeninhabern relativ einfach und kostengünstig die Möglichkeit eröffnet wird, virtuelle Waren aller Art mit nur einer Klasse abzudecken. 

Nachteilig erscheint jedoch, dass hiermit sämtliche virtuelle Waren in einen Topf geworfen werden. Grds. ist die Klassifizierung in einer Klasse rein formeller Natur und hat im Rahmen der Verwechslungsgefahr allenfalls geringe Aussagekraft im Hinblick auf eine (Waren-)Ähnlichkeit. Aufgrund der großen Bandbreite virtueller Waren steht zu hoffen, dass virtuelle Waren nicht automatisch als einander ähnlich zu qualifizieren sind. Praxisgerechter dürfte vielmehr sein, ähnlich wie bereits im Bereich „Software“, zwischen virtuellen Waren unterschiedlicher Natur zu differenzieren. Es darf nämlich bezweifelt werden, ob etwa ein virtuelles Motorrad im markenrechtlichen Sinne ähnlich virtuellen Sneakern ist; beide fallen jedoch grds. unter die vom EUIPO und der WIPO akzeptierte Formulierung. 

Markeninhaber sind deshalb gut beraten, sich zügig ihre Zeichen für virtuelle Waren zu sichern. Hiermit entgehen sie zum einen den vorgenannten Unwägbarkeiten. Zum anderen droht ihnen andernfalls – insbesondere innerhalb der Benutzungsschonfrist einer von Dritten für virtuelle Waren angemeldeten Marke –, dass sie von der Nutzung ihrer Marken im Metaverse ausgeschlossen werden.

Reicht der Markenschutz bis ins Metaverse?

Im Bereich der Verwechslungsgefahr dürften keine grundlegenden Änderungen nötig sein. Der offene Rechtsbegriff ermöglicht ausreichende Flexibilität, um Kollisionen im Metaverse und zwischen der realen Welt und dem Metaverse zu handhaben. Bei geschützten Marken kann nach europäischem und nationalem Markenrecht insbesondere gegen die Verwendung identischer oder verwechselbar ähnlicher Zeichen für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen vorgegangen werden. Wird nun etwa ein herkömmliches Kleidungsstück als virtuelle Ware unter der gleichen Marke angeboten, liegt trotz fehlender Warenidentität nahe, dass die Gefahr besteht, ein Verbraucher werde davon ausgehen, das virtuelle Kleidungsstück stamme vom Anbieter des realen Kleidungsstücks. 

Bekannte Marken erfreuen sich auch im Metaverse eines breiteren Schutzes. Unabhängig von der Ähnlichkeit realer Waren mit ihren virtuellen Gegenstücken reicht hier bereits die Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der bekannten Marke für die Entstehung markenrechtlicher Ansprüche aus.

Problem der Rechtsdurchsetzung: Territorialer Markenschutz in einer grenzenlosen Welt

An seine Grenzen stößt das Markenrecht jedoch im Rahmen der Rechtsdurchsetzung. Das Markenrecht ist grds. territorial ausgestaltet. So erstreckt sich der Schutz einer Unionsmarke auf das Gebiet der Europäischen Union, nicht aber darüber hinaus. Das Metaverse ist hingegen grds. grenzenlos ausgestaltet; Teilnehmer und Anbieter aus verschiedenen Ländern werden sich in einer virtuellen Welt treffen und interagieren. Nach europäischem Verständnis können Rechtsverletzungen im Internet in dem Land verfolgt werden, in dem sich der Händler befindet, oder in den Ländern, in denen sich Verbraucher befinden, an die sich die Werbung oder das Verkaufsangebot richtet (EuGH, Urteil v. 5. September 2019 – C-172/18 – AMS Neve Ltd.). Um zu ermitteln, ob ein hinreichender Bezug zu einem bestimmten Land besteht, werden verschiedene Punkte herangezogen. Neben der Sprache, in der kommuniziert wird, wird auch auf die akzeptierten Währungen, die Reichweite des Versandes oder auch die im Impressum einsehbaren Kontaktdaten zurückgegriffen. Auf all diese Aspekte kann im Metaverse nicht oder nur eingeschränkt zurückgegriffen werden. So steht zu erwarten, dass zahlreiche Angebote in englischer Sprache gehalten sein werden, um möglichst viele Teilnehmer anzusprechen. Hier lässt sich dann eine Ausrichtung auf einen bestimmten – z.B. den deutschen – Markt nur schwer bestimmen. 

Zudem wickelt etwa die Metaverse-Plattform Decentraland Käufe mit Kryptowährungen ab. Hier lässt sich mangels Versands einer physischen Ware nicht auf den Versandort abstellen. Selbst eine etwaige Zuordnung des Zahlungsmittels bzw. der Währung ist bei Kryptowährungen nicht möglich, da die vom jeweiligen Nutzer eingesetzte Kryptowährung bzw. die „Wallet“ (das Äquivalent zum Bankkonto) keinen Aufschluss über dessen Herkunft zulassen. Sofern als gängige Umgangssprache Englisch verwendet wird oder das Angebot mithilfe automatisierter Übersetzungsprogramme in der vom Benutzer gewählten Sprache verbalisiert wird, dürfte dies allenfalls ein schwaches Indiz für die Ausrichtung auf einen bestimmten Markt darstellen. Oftmals wird es auch an einem mit dem Impressum vergleichbaren Hinweis fehlen. All dies erschwert eine konsistente Zuordnung, die sowohl den Interessen der Verbraucher als auch der Markeninhaber gerecht wird und gleichzeitig eine Ausuferung der Zuständigkeit nationaler Gerichte bzw. der Geltung nationalen Rechts verhindert.

Haftung des Metaverse-Betreibers über Rückgriff auf die Plattform-Haftung denkbar 

Zudem stellt sich die Frage der Haftung des jeweiligen Metaverse-Betreibers, so es denn einen gibt. Es ist denkbar, dass es Metaverses geben wird, die – ähnlich dem Internet – auf einem offenen Standard beruhen und deren Infrastruktur von verschiedenen Anbietern getragen wird. Ob diese dann als grds. nicht haftende Access-Provider anzusehen sind oder lediglich die bekannten Haftungsprivilegien von Plattformbetreibern genießen, wird von der Ausgestaltung des jeweiligen Metaverse abhängen. Der Metaverse-Betreiber könnte zunächst zur Herausgabe der relevanten Daten zum Standort verpflichtet werden. 

Führt dies wegen eines dezentralen Aufbaus des Metaverse, wie etwa beim Decentraland, oder aufgrund der Verwendung eines VPN zur Verbergung des Standorts nicht zum Erfolg, verbliebe die Möglichkeit, den Metaverse-Betreiber selbst in Haftung zu nehmen. Dabei könnte hilfsweise auf die Regelungen zur Plattform-Haftung zurückgegriffen werden, um auch im Metaverse effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten und etwaige Rechtsschutzlücken zu schließen. 

Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen

NFTs sind geradezu prädestiniert, als Vehikel beim Verkauf digitaler Güter eingesetzt zu werden. Dabei ist wichtig zu wissen, dass nur ein geringer Teil der per NFT repräsentierten Inhalte „on chain“ gespeichert wird. Mit „on chain“ ist gemeint, dass der Inhalt direkt auf der jeweiligen Blockchain gespeichert wird. Da die Inhalte hierfür i.d.R. zu groß sind, werden diese meist „off chain“ gespeichert. Auf der Blockchain ist dann lediglich ein Link auf den jeweiligen Inhalt sowie ein sog. „Hash-Wert“ hinterlegt. Mit dem Hash-Wert lässt sich verifizieren, ob die verlinkte, „off chain“ gespeicherte Datei der entspricht, die durch den NFT repräsentiert wird. „Off chain“ gespeicherte Dateien werden üblicherweise entweder zentral auf einem (Cloud-)Server oder dezentral in Peer-to-Peer-Netzwerken abgelegt. Letzteres bietet den NFT-Inhabern eine größere Sicherheit, da die Inhalte nicht etwa durch das „Abschalten“ eines Servers gelöscht werden können.

Sowohl die Speicherung „on chain“ als auch die Speicherung „off chain“ bringt einige Besonderheiten bezüglich eines Unterlassungsanspruchs mit sich. „On chain“ gespeicherte Inhalte können aufgrund der Funktionsweise von Blockchains nicht gelöscht werden. Einmal auf der Blockchain gespeichert, kann ein Eintrag (und die in diesem Eintrag gespeicherten Dateien) nicht mehr gelöscht werden.

Dezentral in Peer-to-Peer-Netzwerken „off chain“ gespeicherte Inhalte sind ebenfalls schwer zu entfernen, da es oftmals keinen zentral Verantwortlichen gibt und die Datei bzw. Fragmente davon potentiell auf einer unüberschaubar großen Anzahl an Rechnern gespeichert sind. Diese Problematik ist – insbesondere im Bereich Musik, Filme und Games – bereits seit geraumer Zeit bekannt, stellt jedoch im Markenrecht gewissermaßen ein Novum dar. Demgegenüber ist zentral auf einem Server gespeicherten Dateien im Vergleich leicht beizukommen.  

In jedem Fall hat die Löschung rechtsverletzender Inhalte jedoch weitergehende Konsequenzen, die aus dem folgenden Beispiel ersichtlich werden:

Anbieter A verkauft virtuelle Sneaker in Form von NFTs an insgesamt zehn Verbraucher in verschiedenen Ländern. Die zehn NFTs verlinken jeweils auf das identische 3D-Modell samt Texturen, das zentral auf dem Server von A gespeichert ist. B sieht hierin eine Markenrechtsverletzung und erwirkt einen Unterlassungstitel gegen A. Soweit A nun das 3D-Modell samt Texturen von seinem Server löscht, führen die Links der an die Verbraucher verkauften NFTs nun ins Leere. Dies würde einen Bruch mit der bisherigen Praxis darstellen, dass bereits an Verbraucher abgegebene Waren weitestgehend von solchen Unterlassungstiteln verschont bleiben. 

Mit Blick darauf, dass NFTs aufgrund der freien Übertragbarkeit in Richtung eines digitalen Eigentums gerückt werden, wäre dies ein gravierender Eingriff, insbesondere wenn man sich Folgendes vor Augen führt: Geht B gegen A bspw. gestützt auf eine deutsche Marke vor, so würde die Löschung der Dateien sämtliche Inhaber der betroffenen NFTs betreffen, also auch solche, die sich in anderen Ländern aufhalten. Es bleibt abzuwarten, wie das Markenrecht die involvierten Interessen gewichtet. Insoweit ergibt sich durch den Hybridcharakter von NFTs – eigentumsähnliches Recht einerseits sowie Abhängigkeit von externer Speicherung andererseits – eine einzigartige Interessenlage. Soweit Folge des Unterlassungsanspruchs eine Löschung der mit den NFTs authentifizierten Dateien wäre, stünden zumindest Gewährleistungs-/Schadensersatzansprüche der Verbraucher gegen den Anbieter im Raum, die durch die Löschung effektiv den Zugriff auf die mit ihrem NFT authentifizierten Dateien verlieren.

Markeninhaber sollten ihr Markenportfolio fit für das Metaverse machen 

Auch wenn im Hinblick auf die Durchsetzung von Markenrechten im Metaverse noch viele Fragen offen sind und an mancher Stelle wohl der Gesetzgeber aktiv werden wird, können Markeninhaber bereits jetzt durch die strategische Ergänzung ihres Markenportfolios die mit dem Metaverse einhergehenden Risiken minimieren. Durch die Ergänzung virtueller Waren und Dienstleistungen um einen Markenschutz sind somit jedenfalls die Grundpfeiler für den Markenrechtsschutz im Metaverse gesteckt, wobei abzuwarten bleibt, wie das Markenrecht die einzelnen potentiell auftretenden Konflikte in der digitalen Welt lösen wird. 

In unserem CMS-Blog informieren wir Sie im Rahmen unserer Blog-Serie „Metaverse“ fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zum Metaversum. Nach einer Einführung in das „Metaverse“ sind wir bereits eingegangen auf Arbeit im Metaverse, auf Rechtsberatung im Metaverse und geben einen Überblick über Steuern im Metaverse sowie über die Umsatzsteuer bei der Vermietung von virtuellem Land im Metaverse. Darüber hinaus haben wir uns mit dem Markenschutz für Blockchain- und andere Krypto-Projekte, dem Markenschutz vs. Kunstfreiheit bei mit NFTs verlinkten Medien sowie mit dem Markenschutz für digitale Produkte im „Metaverse“ und den EUIPO-Leitlinien zur Eintragung virtueller Waren und NFTs beschäftigt.

Darüber hinaus halten wir Sie auf unserer Insight-Seite zum Metaverse auf dem Laufenden!

An English article about UK trade mark law and metaverse can be found here.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Haftung Markenrecht Metaverse