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Digitalisierte Medizin

Ärztepräsident pocht auf Datenschutz 

Fernbehandlung statt langes Warten in der Arztpraxis - auf die Patienten kommt eine stärker digitalisierte Medizin zu. Der Ärztepräsident fordert dabei Datensicherheit.
dpa
PZ
20.05.2019  12:44 Uhr

Die Ärzte in Deutschland pochen auf konsequenten Datenschutz bei den Anstrengungen für eine schnellere Digitalisierung des Gesundheitswesens. Vorrang haben müsse die Sicherheit der Daten, sagte Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. »Höchste Priorität haben hier der Datenschutz und eine Einwilligung der Patienten in digitale Prozesse.« Es sei gut, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dabei sei, dies zu klären.

Für mehr Datensicherheit sieht der Ärztepräsident auch die Patienten in der Pflicht. »Für mindestens so gefährlich wie mögliche Hackerangriffe halte ich den unbedarften Umgang der Menschen mit ihren Daten«, sagte er. »Es ist erschreckend, wie viele persönliche Daten freiwillig an große Datensammelkonzerne gegeben werden – auch zum Beispiel über Fitnessarmbänder oder Schrittzähler im Smartphone.« Da kämen wertvolle Daten zusammen, die die Anbieter teuer verkaufen könnten. »Damit kann man unser Leben viel stärker beeinflussen, als wenn vielleicht jemand versucht, sich in eine elektronische Patientenakte hineinzuhacken.« Die Aufklärung müsse hier verstärkt werden.

 Videobehandlungen kommen

Montgomery erwartet, dass bei der Digitalisierung in der Medizin nun mehr »Drive« hereinkomme, wie er sagte. »Videosprechstunden werden sich als eine von vielen Formen ärztlicher Patientenversorgung in Deutschland etablieren«, sagte der Ärztepräsident. »Als Einstieg in den Kontakt zu einem Arzt wollen inzwischen viele Menschen auch elektronische Zugangswege«, sagte Montgomery. »Dabei müssen wir als Ärzte klar machen, was man auf Distanz machen kann und was einer weiteren Diagnostik und Behandlung im direkten Kontakt bedarf. »In »Behandlung« stecke immer noch das Wort »Hand«.

Den Weg für die Fernbehandlung von Patienten hatte vor einem Jahr der Deutsche Ärztetag geebnet. So sollen Patienten etwa Überweisungen, Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit oder Verschreibungen ohne Vor-Ort-Besuch einer Praxis erhalten können. Inzwischen haben fast alle Landesärztekammern ihre Berufsordnungen entsprechend angepasst.

Telemedizin werde eine sinnvolle Ergänzung sein. Doch die Digitalisierung geht darüber hinaus. So hatte Spahn vor wenigen Tagen angekündigt, den Versicherten mit einem neuen Gesetz etwa Zugang zu Gesundheits-Apps auf Kassenkosten zu geben - etwa als Hilfe bei der Einnahme von Medikamenten. Bei »App auf Rezept« müssten sich Ärzte laut Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zukünftig mit einer Flut verschiedener App-Produkte beschäftigen. Deshalb plädiert dieser für eine vorgeschaltete Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA).

Montgomery weiter: »Bei der Digitalisierung in der Medizin sind wir aus jahrelanger Erfahrung bisher skeptisch gewesen.« Die Industrie habe mit der Lieferung von Geräten für den Anschluss an die entsprechende Datenautobahn nicht immer mitgezogen. Zudem seien nicht alle Regionen in Deutschland an schnelle Netze angebunden. Doch bei schnellerer Digitalisierung insgesamt ergebe auch mehr Tempo in der Medizin Sinn.

Elektronische Patientenakte - kein Wildwuchs mit sensiblen Daten

Zugleich warnte Montgomery vor Wildwuchs bei den sensiblen Patientendaten wie Angaben zu Behandlungen oder Blutwerten. »Es ist kontraproduktiv, wenn am Ende keiner mehr wirklich weiß, wo welche Daten gespeichert sind«, sagte der Präsident der Bundesärztekammer. »Es ist für einen Arzt auch unzumutbar, wenn er mit x-verschiedenen Patientenakten arbeiten muss, die völlig unterschiedlich strukturiert sind», sagte er. «Die Patientenakten müssen praxistauglich, patientenfreundlich und sicher sein.« Erst vergangene Woche hatte die Technikerkrankenkasse  für ihre Versicherten die elektronische Gesundheitsakte »TK-Safe« mit App-Zugriff freigeschaltet, die Barmer hatte Ende April die Entwicklung einer eigenen Digital-Akte ausgeschrieben.  Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte ein »Nebeneinander mit Hunderten von Insellösungen« bei der digitalen Versorgung. »Es braucht eine sichere und dynamische Plattform. Jeder muss sie nutzen können, und die Daten müssen geschützt sein«, sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa.

 

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