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Foto: Constant Dullaart
Foto: Constant Dullaart

100.000 Instagram-Follower für jeden!

Wie Follower und Likes den Kunstmarkt beeinflussen

Im zweiten Teil unseres Interviews mit dem Künstler Constant Dullaart geht es um die Glaubwürdigkeit und den Wert von Likes – insgesamt 2,5 Millionen Follower bescherte Dullaart anderen Künstlern, etwa Ai Weiwei.
Im vergangenen Jahr haben Sie 2,5 Millionen Instagram-Likes gekauft. Wie ging das vonstatten?
Nun, es gibt Websites, die das anbieten, ich habe es damals via eBay gemacht. Dort werden Instagram-Follower feilgeboten, 100 oder 1000 oder mehr, sogar mit gewissen Automatismen, so dass zum Beispiel jedes Bild, das man postet, sofort 100 Likes bekommt oder wieviel auch immer man mag.

Die Fotos sehen demnach sofort beliebt aus?
Richtig, und das hilft in der Atmosphäre des Wettbewerbs, die sozialen Netzwerken innewohnt. Wenn dieses für mich nicht besonders gute Foto so viele Likes bekommt, dann muss wohl die Person interessant sein, die es eingestellt hat. Darin liegt die Kraft der Massenbewegungen: Wenn alle Menschen in eine Richtung laufen, dann laufe ich mit. Wir wissen natürlich grundsätzlich schon lange über diese Phänomene Bescheid und dennoch entziehen wir uns ihnen online nicht – gerade bei oberflächlicher Betrachtung von Fotos wie es bei Instagram der Fall ist. Deswegen ist um den Verkauf von Likes ein regelrechter Markt entstanden.

Wieviel kosten 2,5 Millionen Follower oder Likes?
Ich habe damals 5000 US-Dollar gezahlt – nicht für die Accounts, aber dafür, dass diese Accounts das liken, was ich ihnen sage. Es waren auch echte Accounts darunter, Menschen, die sich bei bestimmten Serviceseiten angemeldet haben, aber die meisten waren gefaked.

Klingt nach einem Schnäppchen?
Im ersten Moment schon, aber es ist auch nur ein virtueller Klick, nur ein paar Daten, die transferiert werden, das ist alles. Der Wert entsteht durch den Aufwand, falsche Profile anzulegen, Software zu schreiben, die diese automatisch steuern kann und so weiter. Ein Fünftel Cent für einen Klick – nicht besonders viel, aber es macht klar, warum viele dieser Bots in Niedriglohnländern programmiert werden. Diesen monetären Gegenwert finde ich äußerst interessant.

Was war Ihr erster Impuls, was wollten Sie mit diesen Accounts machen?
Zunächst dachte ich daran, jene Personen in der Kunstszene mit neuen Followern auszustatten, die sich schon über den Wert der Kunst im digitalen Zeitalter ausgelassen hatten. Ich wollte sie zum Nachdenken bringen. Wie kann der Wert an etwas bemessen werden, das so leicht manipuliert werden kann? Likes oder Follower sind auch nicht mehr als eine Währung, eine Art Hyperkapital. Dadurch kam mir schließlich die Idee, wie Lenin damals alle gleich zu stellen. Kleine und große Kuratoren und Künstler sollten durch meine Intervention alle auf 100.000 Follower gebracht werden.

Wie waren die Reaktionen der Kunstschaffenden?
Etliche waren richtig sauer. Nun, auch aus offensichtlichen Gründen: Wenn Du 90.000 Follower in kurzer Zeit bekommst, dann hört dein Telefon nicht mehr auf zu piepen. Außerdem war es nun nicht mehr möglich, exakt zu sehen, wer echte Follower waren, weshalb Analysen, welche Posts zum Beispiel gut ankommen oder neue Follower generieren, nicht mehr funktionierten.

War das Ihr Ziel? Instagram für ausgewählte Künstler für einige Zeit unbenutzbar zu machen?
Darum ging es nicht. Aber was doch sichtbar wird, ist, dass viele Fotos nicht unter Kriterien der Qualität von Kunst, sondern dem der potentiellen Quantität des Publikums veröffentlicht werden. Soziale Medien wie Facebook, Instagram oder Twitter formen unsere Gesellschaft gerade um.
Ist das denn ein neues Phänomen? Auch Galeristen freuen sich doch, wenn es die Werke ihres Künstlers in große Museen schaffen – allein dadurch steigt der Preis des Werkes, rein durch die gestiegene Aufmerksamkeit. Nun, diese institutionelle Aufmerksamkeit ist bereits ein Filter, der auf einem sehr alten, sehr traditionellen Hierarchiesystem beruht, an dem Experten beteiligt sind. Beim Internet sprechen wir von einer großen Masse von Usern – und nicht zuletzt von großen amerikanischen Konzernen, deren Geschäftsmodell unter anderem auf dem Konkurrenzdenken des Menschen beruht, darauf, populärer zu sein als eine andere Person.

Die gefakeden Likes sind aber doch recht rasch als solche zu erkennen. Wenn ich jemanden sehe, der 30.000 Follower hat, jedes seiner Fotos wird aber nur von einer Handvoll Menschen mit einem Klick gewürdigt, dann weiß ich, dass etwas nicht ganz stimmen kann. Auch die Art der Follower verrät mir etwas über den wahren Wert eines Accounts. Was ich sagen will, ist: Mit ein bisschen Recherche lassen sich künstlich hochgepushte Accounts doch recht schnell identifizieren …
Nun, es gibt auch Demonstrationen, wie gerade eben wieder in der Ukraine, bei der die Demonstranten gekauft sind. Wenn Sie ein Foto davon in einer Zeitung sehen oder auf einer Internetseite, dann wird Ihnen das nicht sofort klar. Das ist genau das Problem: Kaum jemand macht sich die Mühe, genauer hinzuschauen. Im Zuge des Instagram-Projekts interviewte mich eine Journalistin der New York Times, ich nannte ihr auch ein paar von mir manipulierte Künstler-Accounts – doch in ihrem Artikel werden diese Profile dennoch als solche genannt, die den Wert von Instagram-Followern für die Kunst unterstreichen sollen. Wenn also nicht einmal die Journalistin der New York Times hinter die erste Ebene schaut, wie sieht es dann beim Rest der Bevölkerung aus?


Lesen Sie morgen im letzten Teil des Gesprächs: Wie Facebook, Apple und Google unser Leben mehr kontrollieren als wir zu wissen glauben.

Foto: "Constant Dullaart – 100,000 Followers for Everyone!, 2014" - die Accounts von Ai Weiwei und Simon de Pury vor und nach der künstlerischen Intervention.
 
19. November 2015, 11.10 Uhr
Nils Bremer
 
 
Fotogalerie:
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