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Impfpflicht

Ethikrat hält Debatte für missglückt

Der Deutsche Ethikrat kritisiert, wie die aktuelle Diskussion um eine Masern-Impfpflicht geführt wird. Der Fokus auf Kinder sowie der unscharfe Umgang mit dem Begriff Impfpflicht sind ihm ein Dorn im Auge. Auch ein gründlicher Blick auf die Datenlage fehlt dem Rat. Er fordert für die Impfpolitik einen differenzierteren Ansatz.
Jennifer Evans
24.04.2019  11:24 Uhr

Grundsätzlich begrüßt der Deutsche Ethikrat, dass die Politik die Impfquote für Masern erhöhen will. Doch die derzeitige Debatte schießt seiner Ansicht nach am Ziel vorbei. Sie würde zu verkürzt geführt, heißt in einer Mitteilung. Insbesondere beanstanden die Sachverständigen, dass die Diskussion zu stark um Kinder kreise. »Fast die Hälfte aller an Masern Erkrankten in Deutschland sind Erwachsene, mit in den letzten Jahren ansteigender Tendenz«, so der Rat. Daher müssten entsprechende Maßnahmen zur Erhöhung der Masernimpfquote auch diese Zielgruppe einbeziehen, um einen wirksamen Gemeinschaftsschutz zu erreichen. Eine Quote von 95 Prozent kann demnach nur erreicht werden, wenn sich auch mehr Erwachsene impfen lassen.

Ein genauer Blick auf die Datenlage zeigt dem Ethikrat zufolge, dass eigentlich relativ viele Kinder eine Erstimpfung gegen Masern haben. Zum Zeitpunkt der Einschulung seien sogar 97,1 Prozent von ihnen geimpft. »Probleme entstehen aber vor allem durch die noch unzureichende Quote bei den Zweitimpfungen von 92,9 Prozent sowie aufgrund beträchtlicher regionaler Unterschiede«, so die Kritik.

Probleme hat der Ethikrat nach eigenen Angaben außerdem dabei, eine etwaige Impfpflicht aktuell ethisch und rechtlich zu bewerten. Denn unklar sei, wie diese konkret ausgestaltet und durchgesetzt werden könne. Das Spektrum möglicher Sanktionen sei sehr breit und könne von Bußgeld, über den Ausschluss aus Kindertagesstätten oder Schulen bis hin zur Einschränkungen der ärztlichen Berufsfreiheit oder gar zu körperlichen Zwangseingriffen reichen.

Eine erfolgreiche Impfpolitik sollte in den Augen der Sachverständigen daher nicht allein um die Frage nach einer gesetzlichen Impfpflicht kreisen, sondern viel umfassender sein. Der Ansatz muss »das ganze Spektrum von Akteuren, Adressaten, Instrumenten und Regelungsebenen auch in ihren Wechselbeziehungen in den Blick nehmen«. Erst nach dieser Prüfung könne geltendes Recht geändert wird. Eine umfassende Stellungnahme will der Deutsche Ethikrat noch vor der parlamentarischen Sommerpause vorlegen.

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