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Verhütung

Gestagene im Fokus

Gestagene sind ein wesentlicher Bestandteil hormoneller Verhütungsmittel. Was es bei der Beratung zu beachten gilt, fasste Apotheker Dr. Christian Ude aus Darmstadt beim Pharmacon Meran zusammen.
Christina Müller
03.06.2019  16:28 Uhr

Viele Frauen setzen bei der Verhütung auf Hormonpräparate. Doch nicht jedes Mittel ist für jede Anwenderin geeignet, betonte Ude. »Wir sind zwar nicht an der Auswahl beteiligt, müssen aber mitreden können, wenn es um Nebenwirkungen geht.«

Ihre kontrazeptive Wirkung erzielen Pille, Ring, Spirale und Co. vor allem durch die enthaltene Gestagen-Komponente. Vom Einsatz des natürlichen Gestagens Progesteron rät Ude ab. »Progesteron ist kein guter Wirkstoff«, unterstrich er. »Es wird zu schnell metabolisiert und abgebaut.« Das Hormon sorgt im Körper unter anderem für eine erhöhte Viskosität des Zervixschleims und bildet so eine physikalische Barriere für Spermien. Auch chemisch modifizierte Gestagene wirken auf diese Weise. Einige von ihnen besitzen zudem Affinität zu Androgen- oder Mineralocorticoid-Rezeptoren und können somit für zusätzliche Indikationen wie Akne genutzt werden.

Grundsätzlich genüge die Einnahme eines reinen Gestagens, um einen kontrazeptiven Effekt zu erreichen, informierte Ude. In Kombinationspräparaten stabilisiere das beigefügte Estrogen jedoch den Zyklus, sodass es seltener zu Zwischenblutungen komme als beim Einsatz einer Minipille. Darüber hinaus verlangen Monopräparate den Anwenderinnen sehr viel Disziplin ab: Bereits bei einer um zwei Stunden verspäteten Einnahme ist der Verhütungsschutz laut Ude nicht mehr gesichert. Kombinationspräparate können dagegen bis zu zwölf Stunden nach dem üblichen Einnahmezeitpunkt genommen werden, ohne dass die Schutzwirkung verloren geht.

Das erhöhte Thromboserisiko kombinierter oraler Kontrazeptiva ist dosisabhängig auf die Estrogen-Komponente zurückzuführen. Doch auch die neueren Gestagene der dritten und vierten Generation wie Desogestrel, Drospirenon, Chlormadinon und Dienogest tragen Ude zufolge ihren Teil dazu bei. Für Raucherinnen, übergewichtige Frauen, Anwenderinnen über 35 Jahre und Frauen mit Thrombosen in der Familienanamnese seien sie daher nicht geeignet. Dies gelte auch für die transdermale Applikation: »Der Einsatz als Pflaster ist kein Garant dafür, dass es keine Thrombose geben kann«, warnte Ude.

Um nach ungeschütztem Verkehr eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern, steht mit Levonorgestrel (Pidana®) ebenfalls ein Gestagenpräparat zur Verfügung. Bei Einnahme vor dem Anstieg des luteinisierenden Hormons (LH) verschiebt der Wirkstoff den Eisprung um einige Tage. Da Spermien im weiblichen Körper maximal fünf Tage überleben, lässt sich so eine Befruchtung verhindern. Steigt LH bereits an, ist Levonorgestrel jedoch nicht mehr wirksam. Der zweite Wirkstoff, der ohne Rezept in der Apotheke erhältlich ist, heißt Ulipristalacetat (Ella one®) und ist auch dann noch effektiv, wenn sich LH im Anstieg befindet, das Ei aber noch nicht gesprungen ist. »Dieser Effekt resultiert nach aktuellem Stand der Wissenschaft aus der Rezeptor-Modulator-Charakteristik«, sagte Ude. Als selektiver Progesteron-Rezeptor-Modulator wirkt Ulipristalacetat offenbar auch direkt am Follikel, weshalb das Mittel bis zu 120 Stunden nach dem ungeschützten Verkehr eingenommen werden kann. Für Levonorgestrel gilt ein Zeitfenster von maximal 72 Stunden.

»Wichtig für die Beratung ist der Hinweis, dass die Anwenderin den gesamten restlichen Zyklus verhüten muss«, hob Ude hervor. Zudem könne die Menstruation später und stärker auftreten als üblich. Für Frauen mit erhöhtem Thromboserisiko sei Levonorgestrel nicht geeignet.

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